Mittwoch, 5. Juni 2013

Im Einklang mit eigenen Werten

Viele Menschen klagen darüber, dass sie ausgelaugt und müde sind, aus dem Hamsterrad nicht herauskommen. Sie haben Erfolg, aber sind an ihre Grenzen geraten. In einem Interview zum Thema "Achtsamkeit" sagt Kai Rohmhardt, der sich intensiv mit dem Buddhismus beschäftigt hat, dass nach seiner Erfahrung viele Manager drohen, den "Kontakt zu sich selbst und zu ihrer Familie zu verlieren." Sie würden sich nach "Lebendigkeit, unstrukturierter Zeit, Muße und vor allem nach Gemeinschaft sehnen".

Eine Sicht auf dieses Phänomen kennen wir gut: Es liegt am zunehmenden Wettbewerb, die Globalisierung macht Druck, wer nicht mit rennt, der bleibt zurück und geht unter. Bei dem Tempo kommt man gar nicht mehr dazu, darüber nachzudenken, welchen Sinn das eigentlich hat, was wir da so treiben. Und ob dieser Sinn (irgendeinen wird es schon haben) mit unseren Werten im Einklang ist.

Aber wann immer wir etwas tun (oder glauben es tun zu müssen), hinter dem wir nicht wirklich stehen, das nicht mit unseren Werten übereinstimmt, geht es uns nicht wirklich gut. Ich erkenne solche Momente, wenn sich plötzlich in meinem Kopf die Frage einblendet: "Was mache ich hier eigentlich?"

Und wehe, wir denken einmal ernsthaft darüber nach und hinterfragen uns und unser Tun. Kürzlich habe ich einen Fernsehbericht über Rüstungsunternehmen gesehen, in dem sich ein Top-Manager den Fragen der Journalisten stellte. Mutig, wie ich fand, und gruselig. Er kämpfte mit jedem Satz und behauptete, nach wie vor gut schlafen zu können. Menschen, die Freude an dem haben, was sie tun, sehen anders aus.

Auf einem Coaching-Kongress berichtete ein Coach von Klienten aus dem oberen Management, die sich selbst geißelten, regelrecht körperlich selbst quälten, weil sie mit dem Konflikt zwischen ihrem Handeln und den eigenen Werten nicht anders umzugehen vermochten. 

 Ein Kollege erzählte mir von einem Vorstandsmitglied eines Konzern, das am Tag vor dem Abschied in den Ruhestand Tränen vergoss und feststellte, dass er in all den Jahren nicht er selbst gewesen sei.

In dem Interview erzählt Kai Rohmhardt von einem Unternehmen, das den Stress-Level in seinen Call-Centern senken wollte. Dazu buchte man ein Achtsamkeitstraining für die Mitarbeiter. Mit dem Ergebnis, dass die Hälfte der trainierten Mitarbeiter anschließend kündigte. Ähnliches habe ich auch schon erlebt. Seminarteilnehmer, die sich intensiv mit ihren eigenen Werten auseinander setzten und diese dann mit ihrer aktuellen Tätigkeit verglichen, nahmen eine Auszeit oder wechselten den Arbeitgeber. 

Wie viel anders fühlt es sich an, wenn wir Dinge tun, die wir sinnvoll finden, die uns erfüllen. Aber weil das offenbar nicht so häufig ist (oder vielleicht sogar tatsächlich schwieriger wird), haben Coachs und Trainer (und Therapeuten) mächtig viel zu tun. Ich frage mich grade, wie diese wohl damit umgehen, wenn sie für Auftraggeber tätig sind, deren Produkte oder Dienstleistungen mit ihren Werten in Konflikt stehen. Wäre mal in interessantes Forschungsthema...

Rezension zum Thema:
Müheloseres Management durch Achtsamkeit, Organisationsentwicklung 2/2013

Dienstag, 28. Mai 2013

Einfach anders

Es dürfte kaum noch Branchen geben, an denen existenzbedrohende Veränderungen bisher vorbeigegangen sind. Wenn man von solchen Trends liest, geht es meist um große Unternehmen mit spektakulären Auswirkungen. Den "kleinen Einzelhandel" dürften solche Berichte kaum beeindrucken. Ob das die Kaufhäuser, die großen Einkaufscentren auf der grünen Wiese oder die Ketten mit der enormen Einkaufsmacht waren - der Einzelhandel ist schon lange eine vom Aussterben bedrohte Spezies.

Nun also will ihm der Online-Handel den Todesstoß versetzen - wobei diesmal die Konsumtempel und Ketten genauso bedroht sind. Wenn der Kunde bequem vor dem Bildschirm sitzt und seine Waren per Mausklick bestellt, geht es auch ihnen an den Kragen. Da könnte sich schon Resignation breit machen. Wenn es nicht zahlreiche Beispiele gäbe, die zeigen, wie man sich mit Ideenreichtum und Mut selbst neu erfindet. Die Ausgabe 4/2013 der Brand eins hat sich intensiv mit dem Thema beschäftigt, und ich finde, dass die Beispiele nicht nur für Einzelhändler interessant, sondern auf viele Unternehmen übertragbar sind. Was tun, wenn das eigene Geschäftsmodell massiv unter Druck gerät? Und nicht nur das eigene Modell, sondern das einer ganzen Branche?

Der klassische Weg, an dem auch hier offenbar wenig vorbeiführt, ist die Reduzierung der Personalkosten. Da gibt es den inzwischen gesellschaftlich akzeptierten Weg der Leiharbeit. Und immer mehr den der Minijobs. Beide geeignet, um den Personaleinsatz extrem flexibel zu gestalten, zudem lassen sich bei den Minijobs die Sozialabgaben reduzieren. Kaum ein Händler kann inzwischen auf diese Möglichkeit der Personalkosteneinsparung verzichten.

Mal abgesehen von den sowohl für die Gesellschaft als auch für die Betroffenen bedenklichen Folgen hat dies noch eine weitere erhebliche Konsequenz: Die Tätigkeiten werden immer stärker spezialisiert. Da packen die einen die Ware aus, andere sitzen an der Kasse, wieder andere füllen die Regale auf, und die nächsten stehen den Kunden zur Verfügung. Ist irgendwie folgerichtig: Warum die teureren und qualifizierten Verkäufer zum Warensortieren einsetzen? Zumal man ja ohnehin das Personal nur stundenweise beschäftigt, da ist es viel zu aufwändig, es in allen Tätigkeitsfeldern zu qualifizieren. Das wiederum trägt gewiss nicht dazu bei, dass Mitarbeiter sich mit dem Unternehmen identifizieren.

Das wiederum trägt gewiss nicht dazu bei, dass Mitarbeiter sich mit dem Unternehmen identifizieren. Wer nur winzige Ausschnitte des Gesamten bearbeitet und zudem noch schlecht bezahlt wird, den dürfte der Rest kaum interessieren. Wer aber sich nicht zum Wohl des Ganzen engagiert, dem wird nicht getraut. Entsprechend ausgefeilt dürften die Kontrollmechanismen sein, angefangen von der Videoüberwachung bis zur Taschenkontrolle. Moderne Arbeitswelt? Eher Neo-Taylorismus, wie es in einem Beitrag genannt wird.

Ich glaube, dass es einen anderen Weg gibt. Einen, bei dem der "Kostenfaktor" Mitarbeiter bei der Lösung der schwierigen Lage eingebunden wird. Bei dem es die Aufgabe von Führung ist, durch Transparenz und regelmäßige Kommunikation der Unternehmenssituation die Mitarbeiter zu "Mitwissenden", "Mitdenkenden" und tatsächlich "Mitarbeitenden" zu machen und sie nicht als Maschinen zu betrachten, die man, so wie es gerade passt, ein- und ausschaltet. Gerade und vor allem dann, wenn die Situation des Unternehmens es nicht zulässt, annähernd angemessene Löhne zu bezahlen, kann der Weg nur über fairen Umgang mit den Betroffenen lauten.

Nette Theorie? Vielleicht, und wenige positive Beispiele dürfte Skeptiker kaum überzeugen. Aber mich ermutigen sie ungemein. Zum Beispiel in einem Projekt, an dem ich selbst beteiligt bin. Und so viel sei verraten: Es ist nicht nur ermutigend, es ist ungemein lehrreich. Und es macht großen Spaß. Aber lesen Sie selbst: http://www.cafe-seitenweise.de/blog/

Rezensionen zum Thema:
Das Räumkommando
Geht doch!
Wandel lohnt sich
Brand eins 4/2013

Montag, 20. Mai 2013

Die Mission

Der Satz gegen Ende eines Artikels stach ins Auge. Da schreibt der CEO eines Unternehmens, das fast ein Viertel Jahrtausend vom Druck und Vertrieb einer Enzyklopädie gelebt hat und schließlich das Prunkstück eines jeden Bücherschrankes einstellen musste: 

“Ich bin zuversichtlich, dass sich Encyclopaedia Britannica auch im digitalen Zeitalter durchsetzen kann. Der Grund dafür ist, dass unsere Mitarbeiter die Mission vom Medium immer getrennt gehalten haben. Dadurch konnte das Unternehmen jede Gefahr für das Geschäftsmodell abwehren.”

Klingt gut, oder? Daraus ließe sich eine schöne Erfolgsformel ableiten: “Klammere dich nicht an dein Produkt. Überlege dir vielmehr, für welche Mission du steht, verfolge diese Mission und lasse dich nicht von ihr abbringen.” Gefällt mir. Ich bin allerdings skeptisch, ob es wirklich so gelaufen ist bei Encyclopaedia Britannica. Wenn einem die Kunden, denen man die dekorativen Bände an der Haustür im Direktvertrieb als Schmuckstück für das Bücherregal angedreht hat, den Rücken kehren und ihr Wissen lieber digital beziehen..., wenn der Preis der Enzyklopädie als CD von 1200 Dollar innerhalb weniger Monate auf unter 100 Dollar sinkt, dann klingt das eher so, als habe man ziemlich verzweifelt erst einmal im Nebel gestochert, ehe klar wurde, dass man mit Lehrmaterialien für Schulen gutes Geld verdienen kann.

Also wieder einmal um eine Formel, die im Nachhinein “erfunden” wurde, praktisch als Erklärung für den Erfolg in der Retrospektive. Trotzdem gefällt sie mir. Es kann nichts schaden, sich hin und wieder bewusst zu machen, wofür man steht, worin die Daseinsberechtigung des eigenen (unternehmerischen) Tuns besteht. Womit ich keineswegs davon ausgehe, dass damit der Erfolg sichergestellt ist. Mitunter werden ja auch Missionen überflüssig.

Rezension zum Thema: 
Hüter des Wissens, Harvard Business Manager 4/2013

Wie man Menschen motiviert

Welcher Typ Mitarbeiter sind Sie? Sehen Sie eher die Chancen? Oder eher die Risiken? Spielen Sie auf Sieg oder gehen Sie lieber auf Nummer sicher und versuchen, Niederlagen zu vermeiden? Wenn Sie Ihren Typ kennen, dann können Sie Ihre Leistung gezielt steigern. Verspricht ein Beitrag im Harvard Business Manager 4/2013.

Wie in der letzten Zeit immer häufiger frage ich mich, was wohl der Anlass für diesen Beitrag ist. Eine Begründung findet sich in der Einleitung. Demnach liefern die meisten Persönlichkeitstest Informationen über Charaktereigenschaften, darüber, ob jemand intro- oder extravertiert ist, ob er sich von Gefühlen oder von Vernunft leiten lässt. Damit könne man erkennen, welche Tätigkeiten einem liegen, aber es würde nichts darüber verraten, ob wir diese auch beherrschen. Das ist schon mal verwunderlich: Wenn jemand besonders vernunftorientiert ist, dann weiß ich also nicht, dass er Dinge rational betrachtet statt emotional? Merkwürdig...

Allerdings gebe es zum Glück eine Eigenschaft, die etwas über Leistung aussagt: Nämlich die "Chancen- bzw. Sicherheitsorientierung." Da stutzt der Leser zum zweiten Mal. Das habe ich doch im Studium vor 30 Jahren gelernt: Erfolgs- und Misserfolgsvermeidungsmotivation hieß das damals, wenn ich mich richtig erinnere.

Verwundert lese ich weiter und entdecke Folgendes: Chancenorientierte Fußballer schießen beim Elfmetertraining seltener daneben, wenn man ihnen vorgibt, wie viele Elfmeter sie verwandeln sollen. Sicherheitsorientierte sind besser, wenn man ihnen sagt, dass sie nicht daneben schießen sollen.

Bedeutet also: Wollen Sie sich oder andere motivieren, sollten Sie den jeweiligen Typ kennen. Und dann entsprechende Instruktionen erteilen. Dem Erfolgsmotivierten sagen Sie, dass er auf dem besten Weg zum Ziel ist. Wenn er Fortschritte macht, loben Sie ihn fleißig. Seien Sie nicht zu kritisch mit ihm, weil ihn das demotiviert. Das klingt dann so: "Sie haben das Ziel so gut wie erreicht..."

Den Misserfolgsmeider hingegen dürfen Sie nicht zu sehr loben. Ihn packen Sie eher, wenn Sie vorsichtig kritisch bleiben und Verbesserungsmöglichkeiten ansprechen. Geben Sie ihm die Rückmeldung, wie weit er noch vom Ziel entfernt ist. Also eher so: "Sie haben noch ein ganzes Stück Weg vor sich..."

Arme Führungskraft, die als Diagnostiker durch das Unternehmen stapfen soll. Mir ist auch klar, dass Menschen bevorzugte Verhaltensstile haben, und die kann man meinetwegen auch als Charaktereigenschaft bezeichnen. Und wenn ich als Führungskraft weiß, jemand reagiert sensibel auf eine bestimmte Art der Ansprache, wäre es geradezu fahrlässig, das nicht zu berücksichtigen. Aber zu suggerieren, Menschen ließen sich nach diesen beiden Kategorien einsortieren, ist mindestens ebenso fahrlässig. Weil wir uns in der Regel irgendwo zwischen diesen beiden Polen einsortieren und damit die arme Führungskraft vor die unlösbare Aufgabe stellen, den Grad unserer Erfolgsmotivierung herauszufinden. Aber vielleicht ist das der Sinn der Sache. Voller Verzweiflung wird der Manager schließlich ein entsprechendes Training besuchen, in dem er dann die diagnostischen Fertigkeiten vermittelt bekommt.

Doch halt: In einem Kasten wird erklärt, wie man Mischtypen anspornt. Hier sollte man die Motivationsstrategie von der Art der Aufgabe abhängig machen: Geht es mehr um Genauigkeit und Sicherheit oder mehr um Kreativität und raschen Fortschritt? Das ist mal eine wahrlich anspruchsvolle Herausforderung für den diagnostisch geschulten Manager. Was macht er dann, wenn er eine Aufgabe zu vergeben hat, bei der es auf Sicherheit ankommt, aber jemand bearbeiten soll, der eher chancenorientiert denkt?

Ganz schräg wird es in dem Beitrag bei den Tipps für Mitarbeiter. Sie nämlich sollen sich genau anschauen, welcher Typ ihre Führungskraft ist. Und sich diejenige aussuchen, die zum eigenen Typ passt. Genialer Tipp. Dann erhält der sicherheitsorientierte Manager lauter sicherheitsorientierte Mitarbeiter und wird eine fantastische Mannschaft um sich scharen. Und das, wo gerade Diversity ganz groß geschrieben wird.

Wieso der Harvard Business Manager der Beitrag in der Rubrik "Selbstmanagement" veröffentlich, bleibt dem Leser völlig schleierhaft. Vielleicht hat die Redaktion ihn gar nicht gelesen...

Rezension zum Thema:
Spielen Sie auf Sieg - oder auf Sicherheit? Harvard Business Manager 4/2013

Mittwoch, 15. Mai 2013

Märchen für Manager

Wissenschaftler müssen publizieren. Je mehr, desto besser für den Ruf in der Community. Berater müssen veröffentlichen, um auf sich aufmerksam zu machen und Kunden zu gewinnen. Unternehmen müssen über ihre Aktivitäten berichten, um zu belegen, wie innovativ und attraktiv sie sind.

Niemand wird einen Fachartikel mit dem Satz beginnen: "Ich habe lange nichts mehr veröffentlicht, es wurde Zeit, auch wenn ich keine wirklich neuen Erkenntnisse habe..."
Kein Berater wird einen Beitrag ankündigen mit den Worten: "Dies ist eine Werbung für unser neu entwickeltes Seminar, von dem wir noch nicht wissen, ob es etwas bringt. Das finden wir erst heraus, wenn Sie es gebucht haben."
Und kein Unternehmen wird sich entblößen mit der Einleitung: "Wir wissen, dass andere genau das Gleiche tun, aber da es noch nicht von uns bekannt ist, dient unser Beitrag..."

Man könnte auf die Idee kommen, dass Redaktionen die Aufgabe haben, solche Beiträge auszusortieren. Aber Magazine müssen ihre Seiten füllen, das ist nun mal so. Ohne Inhalt keine verkauften Hefte. Natürlich wird niemand am Anfang eines Heftes schreiben: "Um diese Ausgabe zu füllen, mussten wir auch banale Beiträge annehmen, die wie folgt gekennzeichnet sind..."

Manchmal wünsche ich mir eine Kennzeichnungspflicht für Artikel in Management-Publikationen, z.B. "Achtung, Berater-Beitrag". Vielleicht mit einem entsprechenden Icon. Oder: "Achtung, Übersichts-Artikel ohne jegliche Zugabe aktueller Erkenntnisse". Das wären die interessanten Fragen, die man jedem Autor und jeder Redaktion empfehlen könnte: Was genau ist die neue Erkenntnis Ihres Beitrages? Was ist der konkrete Nutzen für den Leser? Über welches Wissen verfügt der Leser nach der Lektüre Ihres Beitrages?

Die Antworten auf diese Fragen könnte man an den Anfang eines jeden Beitrages stellen, dann kann ich mit einem Blick erkennen, ob ich dieses Wissen haben möchte. Und während der Lektüre feststellen, ob das, was versprochen wurde, auch eingehalten wird.

Wieso ich das heute schreibe? Weil ich ein ganzes Heft zum Thema "Besser managen" gelesen und von Beitrag zu Beitrag an Interesse verloren habe.
Da macht ein Berater Werbung für ein E-Learning-Angebot, bei dem der Professor an ausgewählten Plätzen New Yorks referiert und so das Interesse der Lernenden aufrecht erhält. Angepriesen wird das Programm mit dem Versprechen, dass die Inhalte danach ausgewählt wurden, dass ihre Wirksamkeit wissenschaftlich nachgewiesen wurde. Zum  Programm selbst hingegen heißt es: "Die Ergebnisse erscheinen durchaus positiv."
Ein Professor erklärt uns, dass Führungskräfte für das Wohlbefinden der Mitarbeiter sorgen müssen und dazu Dialogfähigkeit benötigen. Ein Fünftel aller Führungskräfte, so heißt es hier, wüssten nicht, wie man Beziehungen aufbaut. Keinerlei Verweis darauf, woher diese Zahl stammt.

Ein anderer hat herausgefunden nach Sichtung vieler Studien, dass Mittelmanager ein neues Rollenverständnis brauchen und dass dazu Coaching, ein 100-Tage-Onboarding und 360-Grad-Feedbacks sinnvoll sind.

Und am Schluss wird uns die Analogie zwischen Wildwasser-Kajak und Management beschrieben mit der Schlussfolgerung, dass ein Wildwasser-Kajak-Seminar, das der Autor entwickelt hat, (vermutlich) nachhaltige Wirkung erzielt.

Märchenstunden für Führungskräfte, dazu noch langweilig. Kein Wunder, dass Managementwissenschaften nicht ernst genommen werden...

Rezensionen zum Thema in der Wirtschaftspsychologie-aktuell, 1/2013

Montag, 6. Mai 2013

Moderne Zeiten?

Wissen Sie, was ein Coworking-Space ist? Der Begriff war mir bisher auch fremd, die Idee dahinter aber schien mir erst nicht sonderlich neu: Die gute alte Bürogemeinschaft. Freiberufler mieten sich Raum zum Arbeiten und treffen auf ihresgleichen. So weit, so alt.

Von wegen. Moderne Coworking-Zentren wie das Beta-Haus sind viel mehr als Bürogemeinschaften. Sie ähneln den Vielflieger-Lounges auf Flughäfen (ohnehin mehr Arbeits- als Warteraum). Dort kann man Tische für einzelne Tage mieten oder auf Dauer, Tische für ganze Gruppen oder auch ganze Räume. Man kann eine Reihe von Zusatzleistungen buchen wie eine Kaffee-Flatrate, Druckerkontingente, eine Mailbox, Carsharing usw.

Es gibt angeblich weltweit schon 2.000 solcher Coworking-Zentren, Tendenz steigend. Man ist verblüfft, wenn man den Begriff bei Google eingibt: 4.480.000 Treffer! Längst haben nicht nur Einzelunternehmer die Vorteile der flexiblen Arbeitsplätze und des Aufeinandertreffens unterschiedlicher Köpfe und Branchen entdeckt. Sogar Konzerne sollen hin und wieder Platz für ihre Mitarbeiter anmieten, um diese auf neue Gedanken zu bringen.

Das hat mich noch nicht so wirklich überrascht. Aber es gibt wohl inzwischen auch Arbeitsplätze zu mieten, die nicht ausschließlich aus Büroumgebungen bestehen. Für Tüftler und Bastler stehen komplett ausgestattete Werkstätten zur Verfügung. Ergibt ja auch einen Sinn, oder? Warum sollten nur Wissensarbeiter aufeinander hocken und sich gegenseitig mit Ideen versorgen?

Das würde auch der These widersprechen, dass die flexible Arbeitswelt in erster Linie für Kopfarbeiter gilt, die mit ihrem Smartphone und Laptop an jedem Ort der Welt arbeiten können. Könnte man das nicht weiterspinnen? Wie wäre es mit Coworking-Space für Ärzte? Man mietet sich für Stunden einen OP-Raum oder ein Röntgengerät? Coworking-Space für Optiker, für Frisöre, für Automechaniker und Physiotherapeuten - warum muss denn jeder sein eigenes Geschäfts aufmachen?

Mir fehlt im Moment noch die Fantasie, mir das für jeden Beruf vorzustellen - aber wer weiß... Aber  vielleicht ist das Konzept ja doch nicht ganz so einfach umzusetzen. Bei der Recherche nach dem Beta-Haus in Köln stieß ich auf die Information, dass man leider schließen musste. Schade eigentlich...

Rezensionen zum Thema:
Die Zukunft der Arbeit, Harvard Business Manager 3/2013
Moderne Zeiten, Harvard Business Manager 3/2013

Sonntag, 5. Mai 2013

Arbeitszeugnisse mal ganz anders?

Mit dem Recht auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis bei gleichzeitig wohlwollender Formulierung hat der Gesetzgeber jeden Arbeitgeber in ein echtes Dilemma gestürzt. Wie formuliert man, zum Wohle des scheidenden Mitarbeiters, seine Beurteilung wohlwollend und informiert gleichzeitig zukünftige Arbeitgeber über den tatsächlichen Leistungsstand des möglichen neuen Mitarbeiters? Die Folgen davon sind jedem bekannt: Wortklauberei, Streit um einzelne Buchstaben (volle oder vollste Zufriedenheit), Delegation der lästigen Pflicht an den Mitarbeiter selbst, ein Geheimcode, der längst keiner mehr ist und dessen Anwendung zu jeder Menge Streitigkeiten vor Gericht führt. Kurzum: Es geht viel Zeit und Geld dabei drauf, Papier zu füllen, das all diesen Aufwand nicht annähernd wert ist.

In einem Beitrag der Personalführung 3/2013 (Arbeitszeugnisse - mehr als nur ein sinnfreies Ritual?) entwickelt ein Professor für Betriebswirtschaft eine Alternative. Danach beschreibt man genau die Tätigkeit, die der Mitarbeiter ausgeführt hat, mit klaren Angaben zu: Was hat er gemacht? Unter welchen Bedingungen? Wie lange? Mit wie viel Zeitanteil? Mit welchem messbaren Ergebnis? Reine Beschreibung, keine Bewertung. Auf diese Weise kann sich der neue Arbeitgeber ein Bild davon machen, womit der Mitarbeiter seine Zeit verbracht hat und was dabei herausgekommen ist. Er nennt das "operationale Tätigkeitsbeschreibung". Damit sich auch alle daran halten, sollte der Gesetzgeber hier klare Vorgaben machen - z.B. in Form eines einfachen Formblatts im Gesetzesanhang.
So weit, so gut.

Doch wird das reichen? Vermutlich nicht, meint der Autor, auf Bewertungen zu verzichten wäre kaum konsensfähig. Ich fürchte, da liegt er richtig, auch wenn ich das mehr als betrüblich finde. Was nun?

Vorschlag Nr. 2 des Professors: Der Gesetzgeber sorgt für Standardisierung der Beurteilung, das sei der Königsweg und außerdem seien die Unternehmen das von der klassischen Mitarbeiterbeurteilung gewohnt. Er gibt also acht bis zwölf Beurteilungskategorien vor (Dinge wie: Arbeitsmenge, Arbeitsqualität, Verhalten gegenüber Vorgesetzten etc), räumt zudem die Möglichkeit ein, bis zu drei weitere hinzuzufügen und dafür andere wegzulassen und sorgt für klare Verhaltensbeschreibungen je Dimension.

Und wie will man dabei das mit dem "wohlwollend" sicherstellen? Indem es drei Beurteilungsstufen gibt. Man kann angeblich davon ausgehen, dass etwas 70% aller Mitarbeiter eine "übliche Leistung" bringen, also sich im Rahmen dessen bewegen, was man von ihnen erwartet. 20% bringen überdurchschnittliche Leistungen und 10% liegen unter den Erwartungen. Diese "asymmetrische Skala" könnte dann auch zur Bewertung genutzt werden. Je Kriterium heißt es also entweder "unterdurchschnittlich", "durchschnittlich" oder "überdurchschnittlich". Auf diese Weise sind die eher schwächeren, aber noch durchschnittlichen Mitarbeiter geschützt. Sie kann man in der Mitte "verstecken". Wer allerdings wirklich schwach ist, der hat Pech, so viel Wahrheitspflicht muss sein.

"Als ob", denke ich. Was in den Unternehmen nicht funktioniert, wird hier erst recht nicht klappen. Erstens werden all diese Skalen-Instrumente früher oder später überarbeitet. Zweitens wird es mächtig Streit geben, denn da es ja etliche Beurteilungsdimensionen geben soll, wird man gegen jedes einzelne "Unterdurchschnittlich" vor Gericht ziehen - daher vermutlich 99% aller Bewertungen bei durchschnittlich bis überdurchschnittlich landen. Und schließlich wird der neue Arbeitgeber natürlich wissen wollen, ob es sich bei der Bewertung "durchschnittlich" um ein schlechtes oder ein gutes "Durchschnittlich" handelt. Was zum Beispiel soll das denn bedeuten, wenn man bei "Einhaltung von Regeln" nur durchschnittlich ist? Interessante Frage übrigens: Möchte ich jemanden einstellen, der bei "Einhaltung von Regeln" überdurchschnittlich abschneidet? :-)

Wenn wirklich der Gesetzgeber aktiv werden soll, um komplizierte Standards vorzugeben, was ja auch bei Kopfnoten in Schulzeugnissen wunderbar funktioniert hat, dann doch lieber gleich den ganzen Quatsch abschaffen.

Wenn schon eine "Bewertung" vom früheren Arbeitgeber, dann würde ich mir ein Empfehlungsschreiben wünschen. Darin stünde, für welche Aufgaben und Tätigkeitsbereiche ich den scheidenden Mitarbeiter wieder einstellen würde und das auch aus Überzeugung vertreten könnte. Kaum vorstellbar, dass ein Mitarbeiter auf keinem einzigen Tätigkeitsfeld zu irgendetwas in der Lage war. Wenn doch, wäre das zwar extrem bitter, aber dann gäbe es eben kein Empfehlungsschreiben vom letzten Arbeitgeber. Was ja nicht unbedingt nur am Mitarbeiter liegen muss.

Rezension zum Thema:
Arbeitszeugnisse - mehr als nur ein sinnfreies Ritual? Personalführung 3/2013

Mittwoch, 24. April 2013

Was ist Vertrauen?

Vertrauen scheint das neue Zauberwort in der Managementlehre zu sein. Naja, nicht ganz so neu. Aber irgendwie scheint klar zu sein, dass sich in einer Umgebung, die von Vertrauen geprägt ist, besser arbeiten lässt. Dass sowohl das Klima, die Motivation als auch die Leistung positiv beeinflusst werden, wenn Menschen das Gefühl haben, ihnen wird vertraut.
Doch mit der genauen Beschreibung des Phänomens "Vertrauen" tut man sich schwer. Und damit natürlich auch mit einfachen Rezepten, nach denen wir alle suchen. Wie ist das denn nun mit dem Vertrauen?

Mal ganz einfach: Man trifft eine Vereinbarung mit jemandem - mit einem Geschäftspartner, einem Mitarbeiter, einem Kollegen, einem Vorgesetzten usw. Diese Vereinbarung muss nicht unbedingt schriftlich niedergelegt sein. Sie muss nicht einmal ausgesprochen werden. Wenn ich einem Mitarbeiter den Schlüssel für die Kasse gebe, dann ist damit klar, dass ich davon ausgehe, dass er sich nicht aus ihr bedient.

Vertrauen bedeutet doch nun ganz simpel die Erwartung, dass sich der andere an die Vereinbarungen hält, ohne dass ich dies kontrolliere. Anders ausgedrückt: Je weniger Kontrolle ich ausübe, desto größer das Vertrauen. Zu einfach?

Eigentlich nicht. Wenn ich auf Kontrolle verzichte, signalisiere ich dem anderen, dass ich ihm voll und ganz vertraue, mir sicher bin, dass er sich so verhält, wie dies vereinbart wurde. Wenn Sie sich in Ihrem Unternehmen umschauen, können sie relativ schnell feststellen, wie es dort um das Vertrauen bestellt ist. Schauen Sie sich einfach an, wie viel kontrolliert wird, was kontrolliert und wie oft kontrolliert wird. Viel Kontrolle ist ein Zeichen dafür, dass den Mitarbeitern eher wenig vertraut wird.

Wie verhalten sich Menschen, denen man nicht vertraut? Relativ intelligent nach dem Motto: "Wer anderen nicht vertraut, der würde im Zweifelsfall selbst Vertrauen missbrauchen. Weil er selbst es mit der Arbeitszeit nicht so genau nimmt, glaubt er das von mir auch. Dann hat er es nicht besser verdient, wenn er übers Ohr gehauen wird." Misstrauen erzeugt in der Regel genau das Verhalten, dass man vermeiden möchte.

Also ist die absolute Abwesenheit von Kontrolle das Zeichen für das perfekte Unternehmen? Theoretisch ja, praktisch nein. Weil Menschen nicht perfekt sind. Menschen machen Fehler. Weil Mitarbeiter nun mal Menschen sind, werden sie sich hin und wieder nicht an Vereinbarungen halten. Oft genug ohne jegliche Absicht.

Wenn Mitarbeiter ihre Stunden selbst aufschreiben und diese Liste am Ende eines Monats Basis für das Zeitkonto ist, dann kann man den Ergebnisses trauen oder nachrechnen. Rechnet man nach, wird man feststellen, dass einige sich verrechnet haben. Zu ihren Gunsten oder zu Gunsten des Arbeitgebers.

Als Arbeitgeber habe ich nun die Wahl: Vertraue ich auch in diesem Fall, wohlwissend, dass es Fehler geben wird, die sich aber irgendwie ausgleichen? Und erspare mir das mühsame Nachrechnen? Das Beispiel ist nicht erfunden, sondern genau so aktuell passiert. Und in diesem Fall hatte sich ein Mitarbeiter tatsächlich zugunsten des Unternehmens, ein anderer zu seinen eigenen Gunsten vertan.

Wenn ich das Risiko nicht eingehen will, kontrolliere ich. Und erkläre, warum ich kontrolliere. Eben weil ich davon ausgehe, dass Fehler menschlich sind und (darauf kommt es an) es Situationen gibt, in denen ich Fehler nicht tolerieren kann oder darf. Hier geht es letztlich um eine Abwägung - wie immer. Ich muss abwägen, ob ich den Schaden, der mir bzw. dem Unternehmen entsteht, wenn ich gar nicht kontrolliere, tolerieren kann und will.

Genau die Überlegung stellen offenbar viele Unternehmer und Führungskräfte gar nicht an. Wenn ich hochkomplexe und teure Zeiterfassungssysteme installiere, weil ich fürchte, dass einige Mitarbeiter das Vertrauen missbrauchen könnten, berücksichtigen sie nicht die Wirkung des Misstrauens, das ich allen, auch den loyalen Mitarbeitern, entgegenbringe. Würden sie dies tun, würden sie vielleicht das Risiko, von wenigen Mitarbeitern "betrogen" zu werden, in Kauf nehmen.

Wenn ich hingegen Sicherheitskontrollen einführe, weil der Verrat eines Betriebsgeheimnisse durch einen einzigen Mitarbeiter die Existenz bedrohen könnte, dann dürften diese Maßnahmen auch so zu erklären sein, dass alle "ehrlichen" Zeitgenossen dies nachvollziehen können.

Also eigentlich doch ganz einfach, das mit dem Vertrauen...

Rezensionen zum Thema:
Selbstkontrolle von Mitarbeitern fördern
Vertrauen in der Krise
Vertrauen ist sowohl Substantiv als auch Verb
Vertrauen schafft Kreativität, Zeitschrift Führung + Organisation 2/2013

Sonntag, 21. April 2013

Reichtum

Nahezu ein ganzes Heft hat die "Wirtschaftswoche" dem Thema "Reichtum" gewidmet. Einige Wochen bevor Bayern-Präsident Uli Hoeneß sich mit peinlichen Enthüllungen über Schwarz-Geld-Millionen in der Schweiz beschäftigen muss.

Der interessanteste Satz in den vielen Beiträgen lautet: "Geld verdirbt zwar nicht den Charakter, aber es macht ihn sichtbar." Ich bin mir da nicht so sicher. Was ist davon zu halten, wenn Menschen große Reichtümer anhäufen zulasten anderer oder wie hier zitiert wird: "Großen Reichtum anzuhäufen funktioniert, indem man sich einen Teil des Eigentums oder der Produktion anderer Menschen sichert." (aus: Cynthia Crossen: "The Rich and How They Got That Way"), und dann, wenn sie reicher sind, als man es sich vorstellen kann, ihre philanthropische Ader entdecken? Heißt das, ihr Reichtum bringt erst ihren wahren Charakter, nämlich den eines Menschenfreundes, ans Licht?

Ich weiß, so ist das nicht gemeint. Und dass eine Zeitschrift wie die Wirtschaftswoche uns erklärt, dass ohne wohlhabende Zeitgenossen die Welt ärmer wäre, wundert uns auch nicht. So lernen wir, dass einer Stadt (wie Stendal) ohne Reiche die Dynamik fehlt; dass Schwarz-Gelb die Wohlhabenden hätschelt und pflegt, damit sie im Lande bleiben und Rot-Grün sie am liebsten kräftig melken würde.

Wir erfahren - und das ist wiederum eine Diskussion wert -, dass man zwischen "gutem und schlechtem Reichtum" unterscheiden sollte. Wer per Steuerhinterziehung oder Lohndumping zu seinen Millionen gekommen ist, gehört zu den "schlechten" Reichen. Wohlhabende "Muster-Mittelständler" oder Stars aus Sport und Musik hingegen zu den Guten. Und spendable Stifter natürlich auch. Was die Frage aufwirft: Wozu gehören Adelsgeschlechter, die Millionen schwer sind, weil ihre Vorfahren vor Hunderten von Jahren als Raubritter kräftig Beute gemacht haben? Schwierig...

Bleibt noch die Kolumne von jemandem, der es wissen muss. Abtprimus Notker Wolf von den Benediktinern stellt die interessante Frage, was Reichtum überhaupt ist. Die Frage wird in dem Heft zwar an anderer Stelle schon beantwortet - nämlich über so viel Geld und Besitz zu verfügen, dass der eigene Lebensunterhalt nicht mehr durch Arbeit bestritten werden muss - aber der Pater hat noch mehr zu bieten: "Reichtum ist die Fülle materieller oder geistiger Güter, derer wir uns erfreuen..." Das ist irgendwie typisch, oder? Tröste sich, wem der materielle Reichtum versagt bleibt, man kann auch über geistigen Wohlstand verfügen.

Es kommt noch besser. Jesus antwortet in der Bibel auf die Frage, ob Reichen der Himmel verschlossen bleibe, mit dem Vergleich vom Kamel, dass eher durch ein Nadelöhr geht. Bitter für die Reichen, aber es gibt einen Ausweg. Es folgt der tröstliche Satz: "Menschlich ist das nicht möglich, aber bei Gott ist alles möglich." Aufatmen bei den Reichen. Geht also doch, das mit dem Kamel und dem Nadelöhr.

Und das Beste: Er zitiert das Gleichnis vom Gutsherren, der seinen Dienern etliche Talente (Gold) hinterlässt und auf Reisen geht. Als er zurückkommt, lobt er diejenigen, die sein Vermögen vermehrt haben. Denjenigen, der sein Geld vergraben hat, macht er zur Schnecke mit den Worten: "Hättest du das Geld wenigstens zur Bank gebracht!" (nicht mal das würde er heute vermutlich sagen).

Bisher hatte ich das immer so verstanden, dass es hier darum geht, etwas aus seinem "Talent" zu machen und sich nicht auf seinen Lorbeeren auszuruhen. Aber stimmt gar nicht. Pater Wolf sieht die Sache viel materieller: "Jesus sagt uns damit, dass Geld vermehren a priori keineswegs etwas Schlechtes, sondern nützlich und erforderlich ist..."
Und wer über kein reich gefülltes Bankkonto verfügt, darf sicher den Begriff "Talent" wörtlich nehmen...

Passende Artikel zum Thema:
Kamel durchs Nadelöhr, Wirtschaftswoche 13/2013
Eine verhängnisvolle Affäre, Wirtschaftswoche 13/2013
Vermögenswirksame Leistungen, Wirtschaftswoche 13/2013
Die Abzocker, Handelsblatt 25.2.2013



Sonntag, 14. April 2013

Inhalt vor Verpackung

Das ist witzig. Kürzlich las ich wieder mal, dass die Stimme angeblich über ein Drittel zur Überzeugung beiträgt, während der Inhalt des Gesprochenen nur 7% ausmacht. Jedes Mal, wenn ich davon hörte, dachte ich: Was für ein Blödsinn - dann könnte ich ja sinnloses Zeugs brabbeln und würde allein durch meine Stimme und die Körpersprache (die angeblich 55% Anteil am Erfolg einer Botschaft hat) meinen Gegenüber gewinnen. Jedes Mal habe ich mir vorgenommen, doch einmal dieser merkwürdigen Behauptung, mit der alle Präsentations- und Rethorik-Trainer durch die Lande ziehen, auf den Grund zu gehen. Und habe es dann doch wieder vergessen.

Bei der Durchsicht der managerSeminare 3/2013 nun fand ich in "Wieners Wortblase" mit der Überschrift ("Von wegen Körpersprache", S.45) nun die Erklärung. Der amerikanische Psychologe Albert Mehrabian führte in den Sechziger Jahren Experimente durch, bei denen Probanden einzelne Worte mit unterschiedlicher Mimik und Betonung vortragen mussten.

EINZELNE Worte! Da ahnen wir, dass der Inhalt keine allzu große Rolle spielt, oder? Es lief wohl so ab: Menschen haben positive, negative oder neutrale Begriffe mal mit positiver, mal mit neutraler und mal mit negativer Betonung vorgetragen, und die Probanden sollten dann beantworten, was sie verstanden haben. Dabei spielten dann Mimik und Stimme eine größere Rolle als die Bedeutung des Wortes. Eben im Verhältnis 7 (Inhalt) zu 38 (Stimme) zu 55% (Mimik). Nicht besonders überraschend, oder? Was ist ein einzelnes Wort im Vergleich zur Komplexität der Mimik und der Stimme. Das dürfte sich nur dramatisch ändern, wenn man einen ganzen Satz spricht oder gar einen ganzen Vortrag hält...

Und seitdem werden in Trainings den Menschen diese Zahlen als Fakt unter die Nase gerieben, damit sie fleißig an Stimme und Körpersprache feilen. Man sollte in der Tat sogenanntes Expertenwissen hin und wieder mal hinterfragen. Und weiterhin getrost sein Hauptaugenmerk auf den Inhalt der eigenen Aussagen legen. Ein Dankeschön an Herrn Wiener und die managerSeminare.

Rezension zum Thema:
Arno Fischbacher: Geheimer Verführer Stimme

Samstag, 6. April 2013

Strategiewechsel

Strategiewechsel sind mittlerweile alltäglich. Wer länger in einem Unternehmen beschäftigt ist, wird vermutlich eine Menge solche Richtungswechsel erlebt haben. Aber verstehen sie die jeweilige Strategie auch? Stehen sie hinter ihr? Eine Studie hat 60.000 vertrauliche Antworten ausgewertet und festgestellt, dass das Verständnis von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst ist: Von den Arbeitsbedingungen z.B., speziell von Weiterbildungsangeboten und klaren Karrierewegen. Und vom Vertrauen ins Topmanagement. Hier war der Zusammenhang am größten.

Logisch, mag man sagen. Das Topmanagement entscheidet über die neue Strategie, also muss es sie auch verständlich rüberbringen. Die Autoren der Studien bezweifeln, ob das mit Hilfe der überall vertretenen Kaskadenmethode funktioniert. Und sie haben gute Gründe für diese Zweifel: Die Studie zeigte, dass das Verhalten der direkten Vorgesetzten keinen bedeutenden Einfluss auf das Strategieverständnis hat. Soll heißen: Selbst wenn die direkten Führungskräfte hinter der Strategie stehen und diese vertreten, heißt das noch lange nicht, dass die Mitarbeiter ihnen das abnehmen.

Wenn aber das Topmanagement sich vor die Mannschaft stellt, hat dies eine ganz andere Wirkung. Es kann sich dabei nicht durch andere vertreten lassen. Empfehlung der Autoren: "Vorstände müssen neue Wege finden, um die Distanz zwischen Topmanagement und Belegschaft zu verringern." Kaskadenförmig über die Organisation ausgebreitete Info-Veranstaltungen verfehlen möglicherweise den angestrebten Effekt.

Quelle: Charles Galunic / Immanuel Hermreck: Alles hängt am Vorstand, Harvard Business Manager 2/2013 S. 14/15

Donnerstag, 4. April 2013

Jammern

75 Prozent der Arbeitszeit verbringen Manager in Unternehmen mit der Vorbereitung, dem Besuch und der Leitung von Besprechungen. Das ist an sich ja kein Problem, denn Führung ist nun mal vor allem Kommunikation. Dumm nur, dass ein Großteil dieser Zeit alles andere als sinnvoll genutzt wird. Laut einer Studie, bei der über 400 Gruppen bei mehr als fünf Sitzungen begleitet und die Besprechungen aufgezeichnet wurden, wird dabei vor allem eins getan: Gejammert. Und zwar 16mal häufiger als dass über Lösungen bzw. die Umsetzung von Lösungen gesprochen wird.

Die Forscher stellten fest, dass Jammern ansteckend ist. Wenn ein Teilnehmer damit beginnt, schließen sich die anderen früher oder später an. Und es gibt einen mittleren Zusammenhang zum Unternehmenserfolg: Je mehr gejammert wird, desto schlechter die Innovationstätigkeit und der wirtschaftliche Erfolg (oder umgekehrt, das ist wie immer bei Statistik). Es gibt allerdings keinen Zusammenhang zur Persönlichkeitsstruktur der Beteiligten.

Was tun? Die Forscher empfehlen, von Standardbesprechungen Abstand zu nehmen, sondern nur dann Meetings einzuberufen, wenn konkrete Dinge zu besprechen sind. Außerdem sollte man hellhörig werden, wenn Sätze wie "Das geht nicht!" - "Das haben wir schon immer so gemacht!" oder "Das kostet zu viel!" fallen - solche Killersätze sollte man vermeiden.

Mmh, ein weiser Rat. Ob das funktioniert? Klingt so, als empfehle man Menschen, die erkältet sind und husten müssen, das Husten zu unterlassen. Okay, vielleicht etwas arg weit hergeholt. Aber ist nicht auch das Jammern ein Symptom? Eines, das offenbar sehr ansteckend ist? Wäre es dann nicht weiser, sich der Erkältung zu widmen?

Ich fürchte, so wie sich manche Krankheiten nicht ohne fremde Hilfe kurieren lassen, dürfte auch das Problem des Jammerns nur schwer aus eigener Kraft zu beseitigen sein. In diesem Fall würde ich eher empfehlen, jemanden hinzuzuziehen, der das Problem direkt anspricht und dem Team hilft, den Virus zu benennen und zu beseitigen. Was vermutlich umso schwieriger wird, je weiter er im Unternehmen verbreitet ist.
Quelle: Raus aus dem Jammertal, Harvard Business Manager 2/2013 S. 12-14

Mittwoch, 3. April 2013

Big Data

Beeindruckend, bemerkenswert, erstaunlich und - gruselig. Auf keinen Fall offenbar Science-Fiction. Die Rede ist von Big Data. Was das ist? Stellen Sie sich vor, jeder Einkauf mit einer Kreditkarte erzeugt eine bestimmte Datenmenge. Zum Beispiel wird dabei erhoben, was jeder Kunde genau gekauft hat. Wie viele Daten dabei weltweit pro Minute zusammenkommen, mag man nur ahnen. Und nun?

All diese Daten lassen sich auswerten. Bisher war das offenbar langwierig, einfach wegen der begrenzten Kapazität von Rechnern. Die Daten mussten erst auf Festplatten gespeichert und von dort wieder zur Analyse geladen werden. Das aber ist nun dank superschneller und dabei immer günstigerer Chip-Technologie gar nicht mehr nötig. Unfassbar leistungsstarke Arbeitsspeicher ermöglichen, dass die Daten sofort bearbeitet werden können. Und für erstaunliche Erkenntnisse sorgen.

Etwa diese: Die Einzelhandelskette Coop erkennt anhand der Daten in Kombination mit Wetterdaten den Bedarf an Grillfleisch und sorgt dafür, dass die Kühltruhen zum richtigen Moment gefüllt sind.

Praktisch, aber nicht sonderlich aufregend? Wie wäre es dann damit: Bei der US-Kette Target hat man die Zusammensetzung der Einkäufe ausgewertet und festgestellt, dass werdende Mütter bestimmte Produktkombinationen erwerben, die sich von den Einkäufen Nicht-Schwangerer unterscheiden. Die Trefferquote ist so hoch, dass man den Kundinnen passende Angebote nach Hause schickt.

Bei dem Bespiel ist mir nicht klar, ob man sogar die Schwangerschaft an der Zusammensetzung der Produkte erkennen kann, BEVOR die Mutter selbst etwas ahnt. Aber zumindest bevor der Vater einer  minderjährigen Schwangeren etwas von seinem Glück erfuhr. Man kann sich die Freude vorstellen.

Weitere Anwendungen, die nur grob erahnen lassen, was auf uns zukommt: Eine Immobilienfirma wertet aus, wie oft die Aufzüge in einem Bürogebäude in bestimmten Stockwerken anhalten. Sinken die Werte, weiß man lange im Voraus, dass ein Mieter vermutlich Pleite geht und kündigen wird. Dann kann man schon mal mit der Suche nach Nachmietern beginnen und Leerstände vermeiden.

Oder: Eine Krankenkasse stellt fest, dass ein seltenes Medikament plötzlich ungewöhnlich oft verschrieben wird und kommt einem Pferdedoping-Skandal auf die Spur.

Oder: Sensoren im Auto erfassen, wo sich der Besitzer rumtreibt und wie es um sein Fahrverhalten steht. Die Versicherung bietet im je nach Ergebnis der Auswertung einen Nachlass der Versicherungsprämie an.

Gerade das letzte Beispiel ließe sich prima fortspinnen. Wenn Sensoren in unseren Schuhen erfassen würden, wie viel wir uns bewegen, könnte doch unsere Krankenkasse Rabatt gewähren? Oder Sensoren in Zahnbürsten ermitteln die Häufigkeit der Anwendung. Vorausgesetzt, wir lassen nicht andere für uns laufen oder bürsten...
Und überhaupt wozu Sensoren? Kann unser Handy nicht unfassbar viele Daten liefern? Die Anwendung von Big Data auf diesem Gebiet wird uns noch mächtig beschäftigen, denke ich.

Bleibt ein kleines Problem: Werden wir gefragt, ob wir das wollen? Im Fall der Sensoren im Auto erfolgt die Anwendung mit Zustimmung der Autofahrer. Ob das die Regel oder die Ausnahme bleibt, wird sich zeigen. Ich vermute mal, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Zukunft immer komplizierter und für niemanden mehr zu durchschauen sein werden. Auf jeden Fall ein ganz großes Geschäft und viele spannende Fragen...

Rezension zum Thema:
Immer auf die Sekunde, Wirtschaftswoche 10/2013

Donnerstag, 28. März 2013

Von Messi lernen

Ich lese gerade "Radikal führen" von Reinhard Sprenger. Und stelle mal wieder fest, dass der "einzige deutsche Management-Guru" mir immer wieder aus der Seele spricht. Zum Beispiel, wenn es um die ganzen Erfolgsrezepte geht, die uns die Ratgeberliteratur anpreist. Das hat schon bei "In Search of Excellence" von Tom Peters und Richard Waterman nicht funktioniert. Weil, wie Sprenger feststellt, Berater in der Regel sich erfolgreiche Unternehmen anschauen, bestimmte Faktoren isolieren und daraus auf Muster schließen. Diese Muster gehen einher mit Erfolg, aber sind sie auch die Ursache für Erfolg? Eben in der Regel leider nicht, hier wird, wie so oft, "Korrelation mit Kausalität verwechselt" (Sprenger S.191).

Und weil wir eben nicht wissen, was genau Ursache und was Wirkung ist, warten wir nach wie vor auf die universale Erfolgsformel für Unternehmen. Gut für die Berater, sonst wäre das Geschäft ja auch sofort am Ende. Dann könnte man keine Bücher mehr schreiben mit dem schönen Begriff "Prinzip" im Titel. Ich habe mir mal den Spaß erlaubt, bei Amazon "Prinzip" als Suchbegriff einzugeben. Herrlich: "Das Arroganz-Prinzip", "Das Prinzip Uli Hoeneß", "Prinzip Menschlichkeit", "Das Prinzip Selbstverantwortung" (Sprenger), "Das Prinzip Gewinnen", "Das Prinzip der Pyramide", "Das Pinguin-Prinzip", "Das Günter-Prinzip"... Uff!

Warum gibt es trotz aller "Erfolgsprinzipien" dann doch keines, das sich durchsetzt? "Weil es für jedes Erfolgsrezept zig gültige Gegenbeispiele" gibt (Sprenger, S.193). "Erfolge sind und bleiben Singularitäten" (S.193), die Übertragbarkeit funktioniert nicht, weil alle diese Rezepte den jeweiligen Kontext ignorieren.

Die Konsequenz daraus? Es gibt kein Erfolgsrezept, die Idee, nach einem solchen zu suchen, kann man getrost aufgeben. Wenn es überhaupt eins geben kann dann dieses: "Keins zu haben" (S. 197).

Ja, denke ich, so ist es wohl. Und das hat ja auch seinen Reiz. Wie langweilig es wohl wäre, wenn plötzlich jemand daherkäme und tatsächlich die geniale Formel für unternehmerischen Erfolg gefunden hätte.

Wozu also noch nach Prinzipien suchen? Warum all die Bücher und Artikel nach dem Muster "Was wir lernen können von..."? Weil wir es einfach nicht wahr haben wollen, dass es kein Rezept gibt? Selbst Guru Sprenger kann es nicht lassen. So erklärt er uns in der Wirtschaftswoche, was die Welt vom genialen Fußballer Lionel Messi lernen kann: Bescheiden sein, viele Pausen machen, sich einer Sache ganz verschreiben, Talente früh entwickeln, Körpergröße nicht überbewerten...

Jede Wette, dass es Beispiele von Fußballern gibt, die mit genau gegenteiligen "Rezepten" erfolgreich sind: Große Klappe, viel laufen, jede Menge Marketing in eigener Sache machen, schon als Star eingekauft wurden und über eine stattliche Körpergröße verfügen. Wie sagt Sprenger: "Besser ist es, kein Rezept zu haben." Aber es lohnt sich, weiterhin solche Rezepte zu produzieren. Zumindest für Berater und Buchautoren. Und Management-Gurus....

Rezension zum Thema:
Mach mal Pause! Wirtschaftswoche 9/2013

Mittwoch, 20. März 2013

Manager an die Front

Es soll Unternehmen geben, in denen Top-Manager für eine gewisse Zeit (und wenn es nur für einen Tag ist) in der Produktion oder im Vertrieb stehen und die Folgen ihrer Entscheidungen direkt erleben können. Ich halte das für eine hervorragende Idee, die Schule machen sollte. Dann wünsche ich mir, einem Manager in einer der  beiden folgenden Situationen zu begegnen:

Der Kunde kommt zu einem bekannten Elektronik-Kaufhaus und möchte - als Folge einer falschen Beratung - einen Adapter eines ebenso bekannten Markenherstellers zurückgeben. In dem für Umtausch und Reklamationen vorgesehenen Bereich des Unternehmens zieht er eine Marke mit der Nr. 94, auf dem Anzeigegerät erkennt er die Zahl 87. Noch sechs geduldig auf den Bänken in dem an einen Wartesaal im Bahnhof erinnernden Raum wartenden Kunden sind vor ihm an der Reihe. Die Angestellten hinter den Bildschirmen - darunter vermutlich kein Top-Manager - hören sich die Beschwerden der Kunden geduldig an. Zwischendurch verschwinden sie hinter einem Vorhang und lösen bei den Wartenden leichte Panik aus, dass sie sich zur Kaffeepause verabschieden. Aber sie kehren mit Zetteln und Formularen zurück und lassen die nächste Nummer auf dem Anzeigegerät auftauchen.

Dann ist es so weit. Der Kunde legt den Adapter und den Kassenbon vor und bekommt als erstes zu hören: "Das ist länger als zwei Wochen her, da kann ich Ihnen kein Geld mehr zurück geben, sondern nur einen Geschenkgutschein." Der Kunde, der einfach nur gerne den richtigen Adapter hätte, ist verstimmt. "Haben Sie denn das richtige Teil?" Antwort: "Da müssen Sie in der Computerabteilung nachfragen." Frage: "Was ist, wenn der richtige Adapter weniger kostet?" - "Dann behalten Sie den Restbetrag auf dem Geschenkgutschein". Der Kunde, der eigens mit dem Wagen in die Stadt gefahren ist und im kostenpflichtigen Parkhaus des Kaufhauses sein Auto abgestellt hat, ist wenig begeistert. "Welchen Sinn hat die Zwei-Wochen-Regelung?" Die Frage könnte ihm jetzt vielleicht der Top-Manager, der für einen Tag in der Umtausch und Reklamationsabteilung arbeitet, beantworten, nicht aber der bedauernswerte Mitarbeiter hinter dem Tresen.

Szene 2 in einem Büro. Der Drucker streikt, der Service-Mitarbeiter, ein freundlicher Mann, hat den Fehler im Nu behoben. Auf die Frage: "Sagen Sie mal: Manchmal bleibt das erste Blatt eines Ausdrucks vorne am Auswurf hängen, rollt sich auf und alle weiteren Blätter fallen dann auf den Boden - kann man daran was machen?" Antwort: "Das liegt daran, dass das Papier feucht ist. Feuchtes Papier verbiegt sich, wenn es im Drucker erwärmt wird und das wiederum führt dazu, dass es an der Stelle hängenbleibt." - Nächste Frage: "Kann das nicht daran liegen, dass der Halter für den Papierauswurf falsch konstruiert ist?" - "Wie gesagt, es liegt am feuchten Papier. Papier hat die Eigenschaft, Feuchtigkeit anzuziehen. Mit ganz viel Druckerpapier könnten Sie prima feuchte Räume trockenlegen."

Nicht die Antwort, die der Kunde hören wollte. Ein neuer Versuch: "Okay - was kann man machen, damit das nicht passiert?" - "Na ja, Sie könnten das Druckerpapier in wiederverschließbare Plastikbeutel packen, damit es nicht feucht wird." Der Mann hat Humor, wie sich auch nach der nächsten Frage herausstellt. "Könnte man nicht bei der Konstruktion eines solchen Drucker berücksichtigen, dass Papier die Eigenschaft hat, Feuchtigkeit anzuziehen?" - "Oh, das ist eine japanische Firma. Kritisieren Sie mal japanische Hersteller für ihre Produkte, das nehmen die sehr persönlich, da müssen Sie ganz vorsichtig sein!"

Ich habe den leisen Verdacht, dass es sich hier vielleicht doch um einen Manager der deutschen Niederlassung gehandelt hat - wer hat sonst solche Insider-Informationen...


Dienstag, 12. März 2013

Positiv manipulieren

Wir beeinflussen andere immer, ob wir wollen oder nicht. Beeinflussung kann man auch als Manipulation bezeichnen. Also manipulieren wir ständig andere. Wer das nicht möchte, muss aufhören zu kommunizieren.

Da dies aber keine wirkliche Option ist, schon gar nicht für Führungskräfte, die ununterbrochen kommunizieren, manipulieren sie ihre Mitarbeiter. Ist das in Ordnung? Natürlich. Ist es auch in Ordnung, sie zu trainieren, wie sie ihre Mitarbeiter "besser" manipulieren können?

Ist es, sagen Anbieter von Führungstrainings bzw. eines Bachelor-Studiengangs für Nachwuchsmanager. Ihre Begründung: Bevor man unbewusst negativ manipuliert, ist es doch allemal besser, bewusst positiv zu manipulieren.

Das Beispiel sieht so aus:
Ein Manager holt seine Mitarbeiter nach einem missglückten Auftrag zusammen und erklärt ihnen, was alles schief gelaufen ist. Ihm ist nicht klar, dass er damit die Stimmung drückt und mehr Angst als Begeisterung auslöst. Sein anschließender Appell, alle Kreativität und Energie auf neue Aufgaben zu verwenden, verfehlt seine Wirkung.
Wäre er in der Kunst der positiven Manipulation geschult, würde er zuerst an die Kreativität und die Einsatzbereitschaft appellieren und dann die kritischen Punkte nachschieben.

Was uns der Autor hier sagen will: Würden Führungskräfte sich der Wirkung ihres Verhaltens bewusst, könnten sie wesentlich effektiver manipulieren - sprich führen.

Das klingt vernünftig - und gleichzeitig verführerisch. Weil es suggeriert, dass in der Kunst der positiven Manipulation geschulte Führungskräfte andere Menschen dazu bringen können, sich so zu verhalten, wie sie (die Führungskräfte) das gerne hätten. Ist offenbar auch so gemeint, weil uns als Vorbild die Werbung präsentiert wird. Die nämlich bedient sich geschickter Tricks, zum Beispiel des Prinzips der Knappheit: "Nur noch kurz im Angebot!" oder "Nur noch bis zum 31.3.!" Davon könnten Führungskräfte lernen, indem sie z.B. Mitarbeiter mit raren Aufstiegspositionen "motivieren".

Oder das Prinzip des "Konsens": Menschen folgen der Mehrheit - die Masse kann nicht irren. Also nicht "Nur 30% haben sich für eine Vorsorge angemeldet!" sondern: "75% der Besucher benutzen..."

Nun denn, versuchen wir es mal: "Sie wissen ja, dass Meier Ende des Jahres in Pension geht. Es gibt einige Interessenten für seinen Job. Aus meiner Sicht gehören Sie zu den ganz heißen Kandidaten. Allerdings wäre es sicherlich hilfreich, wenn Sie sich noch mal ordentlich ins Zeug legen..."

Oder so: "Nächsten Montag startet die neue Marketingkampagne. Fast alle Ihre Kollegen haben schon die Unterlagen angefordert. Wollen Sie nicht auch langsam...?"

Wollen Sie so geführt werden? Ich nicht. "Halt, halt", werden uns jetzt die Anbieter der positiven Manipulation zurufen, so platt geht es natürlich nicht. "Das muss schon subtiler passieren."

Vielleicht so? Man bringt die Werbung ganz unauffällig in Spielfilmen unter, in denen der Held eine bestimmte Automarke fährt oder unauffällig auf sein neues Handy schaut. Oder man verkauft das Waschpulver in einer extra großen Verpackung und suggeriert, dass man beim Kauf dieser Größe Geld spart. Rechnet man nach, stellt man fest, dass es gar keinen Unterschied gibt. Oder es sogar teurer ist.

Wollen Sie so geführt werden? Auch nicht? Vielleicht deshalb nicht, weil Sie irgendwann merken: "Hoppla, da hat mich mein Chef prima manipuliert. Er fängt mit der positiven Botschaft an, das dicke Ende kommt hinterher." Ist beim Productplacement auch so. Wer weiß, dass Produkte in Filmen untergebracht werden, dem fällt beim nächsten James Bond sofort auf, wenn der Held eine neue Automarke fährt...

Was ist dann mit "positiver Manipulation" gemeint? Nur das Vermeiden von unbewusst negativer Beeinflussung? Glaube ich einfach nicht, so leicht lass ich mich nicht beeinflussen...

Wie wäre es denn damit, Führungskräften beizubringen, klar und deutlich zu sagen, was sie vom Mitarbeiter erwarten? Was spricht dagegen zu sagen: "Die  letzte Kampagne hat nicht den angestrebten Erfolg gebracht. Ich persönlich bin enttäuscht und hatte ein anderes Ergebnis erwartet. Weil ich gehofft hatte, damit den Rückstand auf den Konkurrenten aufzuholen. Ich möchte, dass wir gemeinsam heute Ideen entwickeln, um..."

Und statt den Mitarbeiter, dessen Engagement noch größer sein könnte, mit dem Hinweis auf die knappen Stellen zu ködern, ihn konkret aufzufordern, bestimmte Aufgaben zu übernehmen.

Genau das nämlich ist es, was vielen Führungskräften fehlt und offenbar alles andere als einfach ist: Ihre eigenen Bedürfnisse zu benennen und die Erwartungen an die Mitarbeiter klar zu formulieren.

Und auf positive Manipulation getrost zu verzichten...

Rezension zum Thema:
Die Macht der Manipulation, managerSeminare 2/2013

Freitag, 8. März 2013

Dumm gelaufen

Wir hinken bei der Besprechung von Zeitschriften immer etwas hinterher - was nicht sonderlich dramatisch ist, weil wir ja keine tagesaktuellen Beiträge besprechen. Manchmal ist es sogar recht erhellend, erst Wochen später Artikel zu lesen. So zum Beispiel in diesem Fall:

In der Ausgabe 7/2013 der Wirtschaftswoche vom 11. Februar werden die besten Marken des Jahres 2013 gekürt - z.B. die beste Wachstumsmarke (Samsung), die beste Sportmarke (Adidas), die beste Produktmarke (Nivea). Und als Krönung die beste Unternehmensmarke: AMAZON. Das Unternehmen wird hier als "einer der einflussreichsten und innovativsten Konzerne der Welt" gefeiert. Das Erfolgsgeheimnis: "Der Kunde soll stets den Eindruck haben, bei Amazon den besten Deal zu bekommen." Oder anders ausgedrückt: Billiger geht's nimmer.

Zu dumm, dass dann der ARD-Bericht zwei Tage später Amazon in denkbar schlechtem Licht dastehen ließ. Ausbeutung von Mitarbeitern, Wachpersonal, unwürdige Arbeitsbedingungen. Wie verträgt sich das mit dem Anspruch der "besten Unternehmensmarke"?

Naja, es kommt eben auf die Kriterien an. Emotionalität und wirtschaftlicher Erfolg waren bei diesem "Markenwettbewerb" die wesentlichen Maßstäbe. Wen interessiert da die Art und Weise, wie der Erfolg zustande kommt? Alles hat halt seinen Preis.

Man könnte auch sagen: Dumm gelaufen. Hätte man vorher gewusst, wie Amazon die Strategie "Alles günstiger als woanders" in die Praxis umsetzt, hätte man vielleicht Abstriche gemacht. Aber offenbar war da doch etwas durchgedrungen. Am Ende des Artikels heißt es: "In Deutschland sorgte er mit niedrigen Stundenlöhnen und flexiblen Saisonarbeitsverträgen für Unruhe."

Vielleicht zu spät, um die Ehrung noch einmal zu überdenken. Wahrscheinlicher aber ist, dass wirtschaftlicher Erfolg und Image der Marke nichts mit Ethik zu tun haben. Und dann wundern wir uns, dass Manager entsprechende Prioritäten setzen.

Rezension zum Thema:
Offen für Veränderungen, Wirtschaftswoche 7/2013


Mittwoch, 27. Februar 2013

Potenzialanalyse für Achtklässler?

Wenn man sich ärgert, sollte man erst einmal eine Nacht drüber schlafen. Wenn man sich besonders stark ärgert, vielleicht auch zwei oder drei Nächte. Und was, wenn der Ärger anhält? Einen Blog-Beitrag schreiben.

Vielleicht erst einmal zum Hintergrund. Ich habe viele Jahre Assessment Center entwickelt und noch mehr moderiert. Ich bilde mir ein, eine ziemlich genaue Vorstellung davon zu haben, was dieses Instrument kann und was nicht. Weshalb ich heute keine ACs mehr betreue.
Und ich weiß, dass es bestimmte Merkmale gibt, die unabdingbar für dieses Instrument gelten (auch wenn die Praxis nicht selten weit davon abweicht.) Als da wären:

Das Mehraugenprinzip: Ein Kandidat wird bei der Durchführung der Übungen von mehreren Beobachtern, die speziell geschult sind, beobachtet.
Das Anforderungsprofil: Damit die "richtigen" Kompetenzen beurteilt werden können, wird im Vorfeld ein Anforderungsprofil erstellt, zu dem dann die passenden Übungen erstellt werden. Irgendwie sinnvoll, oder? Wenn ich die konkreten Anforderungen einer späteren Aufgabe oder Stelle nicht kenne - was soll ich dann messen?

Nun zum "Stein des Anstoßes". Auch hier erst einmal zum Hintergrund. Die Schule soll auf das Leben vorbereiten, allerdings, so haben die Experten festgestellt, hilft sie jungen Menschen nur wenig, wenn es um die bedeutende Frage geht: Was mache ich nach der Schule? Da die Schulabgänger immer jünger werden, stellt sich für viele diese Frage nun noch früher.  Also haben sich verantwortungsbewusste Menschen überlegt, dass hier Handlungsbedarf besteht. Herausgekommen ist unter anderem eine Potentialanalyse für alle Schüler/innen der Jahrgangsstufe 8 - wir reden hier von 14jährigen! 

Was darunter zu verstehen ist? Ein Verfahren, bei dem Arbeitsproben im Rahmen einer "eintägigen Durchführung im Umfang von mind. sechs Stunden an einem außerschulischen Lernort mit Bezug zu mindestens zehn verschiedenen Berufsfeldern" den Schwerpunkt bilden. "Die Schüler/innen erhalten Aufgaben, die sie einzeln oder in Kleingruppen bearbeiten, wobei Elemente aus Assessment-Verfahren exemplarisch zum Einsatz kommen können. Sie werden dabei von eigens geschultem Personal beobachtet und eingeschätzt (i.d. Regel ein/e Beobachter/in für je vier Jugendliche)."

Kein Witz. Wo andere versuchen, spezifische Anforderungen eines Berufes mit möglichst realitätsnahen Arbeitsproben abzubilden (z.B. für eine Ausbildung zum Schreiner mit dem  Zusammensetzen eines Bausatzes), sollen hier in sechs (!) Stunden zehn Berufsfelder abgedeckt werden. Wie das wohl aussehen soll: Ein Rezept nachkochen für den Koch, eine elektrische Schaltung montieren für den Elektriker, einen Dreijährigen beruhigen für den Erzieher, einen unverständlichen Text verfassen für den Juristen, einen Frosch zerlegen für den Chirurgen....??

Die zu erfassenden Kompetenzen werden gleich mitgeliefert:

Grobmotorik, feinmotorische Handgeschicklichkeit, Textverständnis, Fähigkeit, Handlungsanweisungen umzusetzen und fachbezogenes Wissen praktisch anzuwenden, Sprachbeherrschung, rechnerisches Denken und räumliches Vorstellungsvermögen, Fähigkeit, strukturiert vorzugehen, Orientierung im Raum, Fähigkeit zur Sachanalyse, kreative Lösungsansätze,
Konzentrationsfähigkeit, Sorgfalt, Bearbeitungsgeschwindigkeit, Ausdauer, Auffassungsvermögen, kommunikativer Anteil an Lösungsschritten bei Gruppenaufgaben, Fähigkeit zu vermitteln und zu kooperieren, Motivation, Leistungsbereitschaft, Geduld. 

Halbes Augen-Prinzip

Statt eines Mehr-Augen-Prinzips gilt hier das Prinzip "Halbes Auge" - vier Schüler pro Beobachter. Nachvollziehbar, wenn man sich überlegt, dass das AC das aufwendigste und kostspieligste Verfahren in der Eignungsdiagnostik darstellt. Hier sollen die Kosten 100 Euro (!) pro Schüler betragen. Inklusive Auswertungsgespräch, bei Bedarf auch noch mit den Eltern. Auf die Qualifikation der Fachleute, die hier zu Werke gehen, bin ich gespannt.

Woher ich das habe? Es geht um "Das neue Übergangsystem Schule - Beruf in NRW", die Empfehlungen für die Potenzialanalyse können auch heruntergeladen werden.

Ich schenke mir weitere Anmerkungen und bin gespannt auf kompetente Kommentare.

Aber zurück zum Ärger: Als ich 17 war, habe ich aus Interesse an einem Berufseignungs- und Neigungstest teilgenommen. Der Psychologe empfahl mir, es mit Förster zu versuchen. Worauf ich mich entschloss, Psychologie zu studieren. Hätte ich mal auf ihn gehört, wäre mir zumindest dieser Ärger erspart geblieben.

Donnerstag, 21. Februar 2013

Vertrauen managen?

Welche Art von Unternehmenskultur hätten Sie denn gerne? Eine, in der Mitarbeiter Anerkennung und Wertschätzung genießen? In der es fair zugeht, Führungskräfte den Mitarbeitern vertrauen und umgekehrt? In der Ideen und Innovationen gedeihen? In der keine Angst vor Fehlern herrscht? In der die Menschen gerne arbeiten und sich wohl fühlen?

Sicher, eine Utopie. Aber man darf ja träumen. Und versuchen, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass eine solche Kultur wahrscheinlicher wird. Indem man sich zum Beispiel um mehr Vertrauen bemüht. Ein schwieriges Unterfangen. Wie so oft, wenn es um Fragen der Kultur geht. Woran liegt das?

Vielleicht daran, dass man so etwas wie Vertrauen gar nicht managen kann? Ein Projekt kann man managen, soll heißen: Man setzt sich ein Ziel, plant Maßnahmen, stellt die notwendigen Ressourcen zur Verfügung, kontrolliert die Umsetzung bzw. die Ergebnisse und justiert nach, wenn es notwendig ist. (Naja, Projektmanager werden vielleicht widersprechen und halten auch Projekte für nicht "managebar".)

Aber wie managt man Vertrauen? Da beginnt das Problem schon bei der Zielformulierung. Woran erkennt man, ob Führungskräfte ihren Mitarbeitern vertrauen? Daran, dass sie wenig Kontrolle ausüben. Aber welche Maßnahmen beschließt man? Untersagt man den Managern, zu kontrollieren? Wohl kaum. Was dann?

Man appelliert an sie: "Vertraut euren Mitarbeitern!" Das funktioniert aber ebenso wenig wie der Appell: "Erkennt und wertschätzt die Leistung der Mitarbeiter." Warum nicht?

Vielleicht ist das am anschaulichsten mit einer anderen bekannten Forderung zu demonstrieren. Führung funktioniert, wenn man seine Mitarbeiter mag. (Eine gute Frage an Manager: "Mögen Sie Ihre Mitarbeiter?" Wenn Sie hierauf die Antwort erhalten: "Ich muss sie führen, nicht mögen", dann wissen Sie, dass es ein Problem mit Wertschätzung und Vertrauen gibt - garantiert!)

Nun fordern Sie mal Menschen auf, ihre Mitmenschen zu mögen. Ist "jemanden mögen" etwas, das wir aktiv TUN können? Wohl kaum. Müssen wir uns also damit begnügen, dass die eigenen Manager ihre Mitarbeiter zufällig mögen oder nicht? Ihnen vertrauen oder nicht? Ihre Leistung wertschätzen oder eben nicht?

Vielleicht kann man all das nicht managen wie oben beschrieben. Aber wir können Manager anhalten, darüber nachzudenken. Sich selbst zu fragen, wie es denn mit der Zuneigung (hoppla, was für ein Begriff im Zusammenhang mit Management), dem Vertrauen und der Wertschätzung bestellt ist. Wäre mal eine spannende Geschichte: Der Vorstand trifft sich und reflektiert über das Ausmaß der Zuneigung, der Wertschätzung und des Vertrauens gegenüber der nächsten Ebene. Da würde ich gerne mal dabei sein. :-)

Aber wenn das eventuell arg viel verlangt ist, dann könnte man auch einmal die Systeme im Unternehmen bezüglich der genannten Merkmale betrachten. Zumindest bezüglich der Merkmale Vertrauen und Wertschätzung. Welche Kontrollmechanismen gibt es? Welche Daten werden erhoben und was signalisiert das? Eher Vertrauen oder eher Misstrauen? Und was ist mit Sanktionsmechanismen? Was wird belohnt, was eher bestraft? Welche Signale werden hier bezüglich Wertschätzung und Anerkennung ausgesendet?

Statt alljährlich die Mitarbeiter zu befragen, wie sie sich fühlen, das Geld lieber in solche Analysen stecken. Und vielleicht doch mal ganz oben mit der Frage beginnen: "Mögen Sie Ihre Mitarbeiter?"

Rezension zum Thema:
Risiken und Chancen einer widerspenstigen immateriellen Ressource, Personalführung 2/2013

Montag, 11. Februar 2013

Hört auf zu motivieren 2

Nachdem eine kleine Diskussion in Gang gekommen ist, hier einige weitere Überlegungen zu dem Thema, angeregt durch Kommentare und Fragen zu meinem Beitrag "Hört auf zu motivieren".

Wie wir nicht erst seit F.Schulz von Thun (Miteinander reden) wissen, besteht jede Botschaft auch aus einem Appell, oder anders ausgedrückt: Wann immer wir kommunizieren, wollen wir eine Reaktion beim anderen erzeugen. Und sei es "nur", dass er uns zuhört. Damit ist jegliche Form der Kommunikation gleichzeitig auch ein Versuch zu motivieren. Aber meinen wir das, wenn wir im Zusammenhang mit Führung von "Motivation" reden?

Eher nicht. Das wäre ja auch zu einfach. Wir bitten jemanden, etwas zu tun. Oder wir fordern ihn auf. Wie auch immer: Dann kann er entscheiden, ob er unserer Bitte, unserer Aufforderung folgt oder nicht. Wir könnten Führungskräfte darin schulen, ihre Appelle klar und deutlich zu formulieren, alles wäre Kommunikation, nicht Motivation.

Was aber, wenn der andere sich entscheidet, unserer Aufforderung nicht nachzukommen, aus welchen Gründen auch immer. Müssen wir dann "motivieren"? Oder verhandeln wir dann nicht eher? Wir bieten ihm eine Gegenleistung. Eine Prämie z.B. Das meinte ich mit "Bezahlen". Wann immer ich mit einem anderen einen Preis aushandle, schließe ich einen Vertrag. Nicht unbedingt einen schriftlichen, aber immer einen Vertrag. Er kennt den Preis und weiß, was er dafür zu leisten zugesagt hat. Das ist transparent und nachvollziehbar. Er kann sich auf den Vertrag einlassen oder nicht.
Ist das Motivation?

Oder geht es nicht um noch etwas anderes? Ich möchte, dass der andere sich so verhält, wie ich es gerne hätte, aber ohne klaren Vertrag. Ich stelle etwas in Aussicht, das ich bereit bin zu zahlen, wenn es mir passt und angemessen erscheint. Viele Firmen stellen Budgets für Einmalzahlungen zur Verfügung. Damit können die Führungskräfte besondere Leistungen honorieren. Ohne vorherigen Vertrag. Sie ziehen die Belohnung aus der Tasche, wenn sie es für angemessen halten.

Ist das Motivation? Ich würde es operantes Konditionieren nennen. Oder Dressur. Mal kommt die Futterpille, dann ein paar Mal nicht, dann kommt sie wieder. Und der andere strengt sich an in der Hoffnung, dass sie irgendwann wieder verabreicht wird. Wollen wir Führungskräften helfen, Mitarbeiter zu konditionieren?

Also gar kein Geld für Leistung ausschütten? Natürlich. Ich bin ein großer Befürworter von erfolgsabhängiger Entlohnung. Wenn Unternehmen Gewinne machen und vorher klar kommunizieren, wie viel hiervon auf die Mitarbeiter nach welchem Muster verteilt wird, dann weiß jeder, was ihn bei welchem Ergebnis erwartet. Ist das Motivation? Ich würde es eine klare Absprache nennen: Leistung und Gegenleistung. Transparent und nachvollziehbar.

Loben heißt Erziehen wollen

Was ist mit Lob, über das sich doch jeder freut? Ich zähle es zur Kategorie der Einmalzahlungen. Der Vorgesetzte lobt, wenn er das für angemessen hält. Und hält es zurück, wenn es ihm "zu viel" wird. Wie die Futterpille.

Aber halt, es geht doch um "ernst gemeinte Wertschätzung". Allein das ist doch ein interessanter Ausdruck. Was soll denn das sein? Etwas anderes als echte Freude über ein Verhalten, ein Ergebnis? Freude, weil dem Mitarbeiter etwas Besonderes gelungen ist. Weil man gemeinsam ein Ziel erreicht hat. Weil ein unerwartetes Problem schnell und unbürokratisch gelöst wurde.
Wenn das gemeint ist, dann bin ich sehr für Loben.

Aber Freude ist kein Lob, Freude ist, nach Schulz von Thun, zuerst einmal Selbstmitteilung. Wie würden wir uns fühlen, wenn jemand, dem wir mit einem Geschenk eine Freude machen, uns für unsere Anstrengungen lobt - mit der Absicht, uns zu motivieren, damit wir uns bei der nächsten Gelegenheit wieder viel Mühe zu geben?

Ein Lob enthält immer eine "Beurteilung". Eine positive zwar, aber es bleibt eine Beurteilung. Eine Beurteilung erfolgt von oben nach unten (nachzulesen bei Marshall Rosenberg: "Gewaltfreie Kommunikation"), vom Erwachsenen-Ich zum Kindheits-Ich. Es hat den Anspruch der Erziehung.
Daher hüte ich mich, Führungskräfte zu erklären, wie man "ernst gemeint lobt".

Was bleibt dann noch übrig? Nachdem also nichts von all dem "Motivation" sein soll? Eben das, was wir aber auch schon lange wissen. Dass Menschen von sich aus motiviert sind, etwas zu tun. Wenn sie einen Sinn darin sehen, was sie tun. Wenn sie, in der Rolle eines Mitarbeiters, nicht das leisten, zu was sie sich vertraglich verpflichtet haben, eben nicht "motiviert" werden müssen, sondern man gemeinsam herausfinden muss, was sie davon abhält, sich an den Vertrag zu halten. Und diese Hürden beseitigt. Eine so anspruchsvolle Aufgabe, dass Führungskräfte darüber kaum Zeit bleiben wird, noch zusätzlich zu "motivieren"...

Bleibt noch eine Frage: Wenn es mir gelingt, mit diesem Beitrag Leser zu "motivieren", hierauf zu antworten - was ist das dann? Widerspreche ich mir damit nicht völlig?

Keineswegs. Natürlich möchte ich damit eine Reaktion auslösen, das ist eben Kommunikation (siehe oben). Das tue ich, indem ich ein Problem schaffe. Wir lieben Probleme und Herausforderungen: Ob Kreuzworträtsel, ungelöste wissenschaftliche Fragen, scheinbar unbezwingbare Berge oder Wüstenregionen - Menschen sind motiviert, Probleme zu lösen.

Ob jemand auf mein erzeugtes Problem reagiert und wer reagiert, kann ich nicht beeinflussen. Die Leser, die von sich aus motiviert sind, werden reagieren. Andere müsste ich dafür bezahlen.

Samstag, 9. Februar 2013

Erfolge der Stars?

Mal angenommen, man könnte tatsächlich herausfinden, was erfolgreiche CEOs von weniger erfolgreichen unterscheidet - was dann? Im Harvard Business Manager 01/2013 werden uns die weltweiten Top 50 präsentiert. Ihr Erfolg über viele Jahre wird dabei gemessen an der länderbereinigten Rendite, der branchenbereinigten Rendite und der Entwicklung der Marktkapitalisierung. Mit anderen Worten: Am finanziellen Erfolg. Überschrieben ist der Beitrag mit "Die 50 besten Manager der Welt". Ganz oben thront Steve Jobs (Apple), gefolgt von Jeff Bezos (Amazon) und Yun Jong-Yong (Samsung).
Und dann versuchen die Autoren, Zusammenhänge herzustellen. Z.B. zwischen Erfolg und Region. Da schneiden Inder, Brasilianer und Mexikaner besonders gut, Japaner und Chinesen eher schlecht ab. Amerikaner und (Kontintal-)Europäer liegen im Mittelfeld.

Oder zwischen MBA-Titel und Erfolg (MBA-Absolventen sind häufiger weiter vorne platziert). Ganz großartig: Wie schneiden CEOs ab, die einem nicht erfolgreichen CEO folgen? Ergebnis: Besser. Zumindest in den USA, China, Indien oder Großbritannien. Nicht in Europa, Japan und Lateinamerika. Genialer Tipp: Wenn Sie viel Shareholder-Value schaffen wollen, sollten sie bei einem schlechten Unternehmen in den oben genannten Ländern anheuern. Ist vermutlich nicht mal ironisch gemeint...

Was sind solche sogenannten Studien eigentlich wert? Außer dass sie dem Ego der oben platzierten Menschen (zumeist Männer - was ist wohl hieraus abzuleiten?) dienen, helfen sie niemandem, finde ich. Ich bezweifle, dass es einen Zusammenhang zwischen der Person auf dem Chefsessel und finanziellem Erfolg gibt. Wieso wird das hier einfach vorausgesetzt?

Was würde wohl herauskommen, wenn man sich die Leitungsteams anschauen würde? Oder die Finanzchefs? Oder die Chefs der Forschungs- und Entwicklungsabteilungen? Wären möglicherweise die gleichen Unternehmen ganz vorne? Und dann?

Und was ist überhaupt Erfolg? Ist ein Fußballtrainer, der mit Real Madrid die Champions League gewinnt, besser als einer,  der es mit Bayern München schafft? Und was ist, wenn Madrid wirtschaftlich nahezu pleite, aber Champions League Sieger ist?

Ein Ergebnis der "Studie" finde ich allerdings höchst erfreulich. Die Autoren haben auch den Zusammenhang zwischen (wirtschaftlichem) Erfolg und verantwortungsvollem Wirtschaften untersucht - und keinen gefunden. Anders ausgedrückt: "Gutes tun" führt nicht automatisch zu mehr Gewinn oder Wert. ALLERDINGS: Es verhindert es offenbar auch nicht. Es gibt Unternehmen, die soziale Verantwortung zeigen und trotzdem zur "Elite" zählen.

Man kann also getrost aufhören, Manager damit zu ködern, dass sie aus Rendite-Gründen sozial verantwortlich handeln müssen (ist ja ohnehin unglaubwürdig, wenn man bedenkt, wie ungemein erfolgreich das organisierte Verbrechen ist). Sie können sich aber auch nicht damit herausreden, dass Geschäft und Verantwortung für Mensch, Umwelt und Gesellschaft einander ausschließen. Ist doch zumindest ein Trost...

Rezension zum Thema:
Die 50 besten Manager der Welt, Harvard Business Manager 1/2013

Sonntag, 3. Februar 2013

Führungserfahrung

Ist Führungserfahrung wichtig, um als Führungskraft erfolgreich zu sein? Oder anders herum: Steigt die Wahrscheinlichkeit für erfolgreiche Führung mit der Anzahl der Jahre mit Erfahrung?

Zumindest würden wir vermuten, dass jemand, der schon mal Menschen geführt hat, in kritischen Situationen auf seine Erfahrungen zurückgreifen kann, wenn er denn aus ihnen gelernt hat. Und haben wir die Wahl zwischen zwei Kandidaten - einen mit und einen ohne jegliche Erfahrung - würden wir erst einmal dem erfahreneren mehr zutrauen.

Ein großer Fehler, wie wir jetzt von der Wissenschaft gezeigt bekommen. Man hat die Leistung von Kandidaten in einem Assessment Center verglichen und dabei als Kriterien für Erfahrung die Anzahl der Jahre mit Führungsverantwortung, die Anzahl der geführten Mitarbeiter und das Lebensalter herangezogen.

Und siehe da: Keines der drei Merkmale korreliert mit einer der im AC erfassten Kompetenzen. Wenn überhaupt, dann negativ. Menschen mit Führungserfahrung schnitten bei der Kompetenz "Führungsfähigkeit" (was soll das denn sein?) tendenziell schlechter ab, ebenso die älteren. Und wo man schon mal dabei war, schaute man auch gleich nach, wie das denn mit dem Geschlecht aussah. Und siehe da: Weibliche Teilnehmer waren im AC geringfügig besser als ihre männlichen Konkurrenten.

Was sagt uns das? Drei ziemlich nahe liegende Hypothesen:

1. Führungserfahrung hat nichts mit Führungserfolg zu tun, oder anders ausgedrückt: Führungskraft sein bedeutet noch lange nicht, Führungskraft können.

2. Assessment Center erfassen alles andere als Führungsfähigkeit.

3. Ältere Menschen haben im AC schlechtere Karten.

Die Autoren der Studie tendieren zur ersten Hypothese und raten daher, lieber auf das AC zu setzen als auf ein Merkmal wie Führungserfahrung. Sehr gewagt.

Und wo sie schon mal dabei waren, schauten sie auch gleich nach, wie ob es einen Zusammen zwischen Geschlecht und AC-Ergebnis aussah. Und siehe da: Weibliche Teilnehmer waren im AC geringfügig besser als ihre männlichen Konkurrenten. Wenn es im AC zugeht wie in der Schule, dann wundert es mich nicht wirklich.

Wieder mal ein Beitrag, der der Wissenschaft alle Ehre macht...

Rezension zum Thema:
Führungserfahrung: Wie nützlich ist sie wirklich? Personalführung 1/2013 


Hört auf zu motivieren

Immer wieder beschäftigen sich ernsthafte Menschen mit der Frage: Kann man Menschen mit Geld motivieren? Oder: Funktionieren monetäre Anreize besser als nicht-monetäre? Oder: Wie muss ein Anreizsystem aufgebaut sein, um eine Leistungssteigerung zu bewirken?

Es ist frustrierend. Wieso setzt sich die Erkenntnis nicht durch, dass man Menschen gar nicht motivieren kann? Vielleicht hängt es einfach am Gebrauch der Sprache. Was meinen wir mit "motivieren"? Vielleicht: Andere zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen? Wenn das so gemeint ist, dann funktioniert das mit Geld natürlich ganz ausgezeichnet. Wenn der Preis stimmt, kann man Menschen zu vielen Dingen "motivieren", wenn auch nicht zu allem. Aber ist es das, was man meint, wenn man im Zusammenhang mit Führung von "Motivation" spricht?

Ich schlage vor, immer dann, wenn ich anderen Menschen für ihre Leistung/ihr Verhalten eine Gegenleistung wie z.B. Geld/eine Prämie/ein Honorar biete, nicht von Motivation zu sprechen, sondern von Bezahlung. Wir schließen mit anderen Menschen Verträge, in denen wir festhalten, was sie leisten und welches Honorar sie hierfür bekommen. Das ist doch eigentlich so einfach, dass ich die ganze Diskussion um die Wirkung von Anreizen nicht mehr nachvollziehen kann.

Aber schauen wir genauer hin. Habe ich einen Mitarbeiter mit einem Vertrag und stelle fest, dass er die versprochene Leistung nicht mehr bringt, dann fange ich doch nicht an, mit zusätzlichen "Honoraren" zu locken, sondern kläre das Problem. Was anderes ist es, wenn ich neue Ziele formulieren und vom Mitarbeiter eine andere Leistung als die vereinbarte erwarte. Auch dann setze ich keine Prämie aus, nach der er sich hoffentlich strecken wird, sondern ändere den Vertrag.

Aber ach, dazu müsste ich ja in beiden Fällen mit ihm REDEN. Ich fürchte, hier liegt der Grund dafür, dass sich Unternehmen "Anreizsysteme" ausdenken und hoffen, dass diese den Führungskräften das Gespräch bzw. die Verhandlung ersparen.

Nicht-monetäre "Anreize"

Dann gibt es noch die Vertreter der "nicht-monetären" Anreize, die uns erklären, dass es doch viel effektiver (und kostengünstiger) ist, wenn man Menschen mit - ehrlich gemeinter - Anerkennung motiviert. Diesen Denkfehler halte ich für noch viel gravierender. Ich würde auch hier nicht von Motivation sprechen, sondern ebenfalls von Bezahlung. Die Währung ist eine andere, aber es ist ein Preis, den ich dafür bezahle, dass der andere das tut, für das ich ihn engagiert habe. Nur dass es kaum in einem schriftlichen Vertrag festgehalten wird.

Das macht die Sache mit dem Lob bzw. der Anerkennung so verlockend. Ähnlich dem Versuch, mit einem unerwarteten Bonus Anerkennung zu vermitteln. Beide Versuche zu "motivieren", gehen von einem ungleichen Verhältnis aus, nämlich dass der eine Vertragspartner einige zusätzliche Reserven in der Hinterhand hat, die er zurückhält und dann "ausschüttet", wenn der andere die versprochene Leistung erbringt. Da macht es keinen Unterschied, ob das monetär oder nicht monetär ist.

Aber all das ist nicht neu, längst bekannt seit Sprengers "Mythos Motivation". Trotzdem erklärt man immer noch Führungskräften, dass sie loben, Anerkennung aussprechen sollen und stellt ihnen ein Budget zur Verfügung, mit dem sie "überraschende" Einmalzahlungen verteilen können.

Soll das heißen, dass Mitarbeiter keine Anerkennung brauchen? Quatsch, wir alle brauchen Anerkennung. Wir freuen uns sehr, wenn wir eine Leistung erbracht haben und sehen, dass der andere zufrieden ist. Oder mehr noch: Geradezu begeistert ist. Aber unsere Freude bricht in sich zusammen, wenn wir erkennen, dass der andere die Anerkennung ausspricht, weil er uns damit für die Zukunft motivieren will. Wir fühlen uns geradezu hintergangen und betrogen, zumindest manipuliert.

Mit anderen Worten: Trainer, hört auf, Führungskräften beizubringen, wie man lobt. Der Zusatz "ehrliche Anerkennung" hilft auch nicht viel weiter. Ebenso wenig wie die Empfehlung, sich mehr für das, was die Mitarbeiter treiben, zu interessieren. Wer Interesse zeigt mit der Intention zu motivieren, verhält sich ebenso wie derjenige, der unerwartete Prämien verteilt. Er schüttet eben Interesse aus.

Wenn überhaupt, dann bringt ihnen bei, auf ihre eigene Gefühle zu achten und bei empfundener Freude diese zum Ausdruck zu bringen. Mag sein, dass es Führungskräfte gibt, die das verlernt haben. Wobei ich fürchte, dass ein Führungstraining damit eigentlich überfordert ist.

Was bleibt dann überhaupt noch, wenn Führungskräfte fragen: "Was kann ich tun, um meine Mitarbeiter zu motivieren?" Auch das ist extrem banal. Die Antwort lautet: "Fragen Sie Ihre Mitarbeiter, was sie davon abhält, ihren Vertrag zu erfüllen?" Und dann kümmern Sie sich darum, das, was "de-motiviert", zu beseitigen.
Und fragen Sie sich und die Mitarbeiter: "Was tragen Sie als Führungskraft dazu bei, dass sich die Mitarbeiter so verhalten, wie sie sich verhalten?"
Aber auch das ist längst bekannt. Wie gesagt: Frustrierend...

Rezension zum Thema:
Motivation von innen statt Karotte von außen, Wirtschaftspsychologie-aktuell 4/2012

Samstag, 2. Februar 2013

Discounter Teil 2

Ein wahres Lehrstück in Sachen Unternehmenskultur. Zum Schmunzeln einerseits, ernüchternd andererseits. Ich hatte von dem Schild beim Discounter Netto erzählt, in dem die Kunden aufgefordert wurden, sich zu melden, wenn die Schlange an der Kasse zu lang wird. Was sie auch taten, wie ich beobachten konnte.

Und ich hatte über die spürbare Begeisterung der Belegschaft berichtet, mit der sie schließlich der Aufforderung nachkam, eine weitere Kasse für die wartenden Kunden zu öffnen. Nun nehmen wir einmal an, so etwas kommt häufiger vor - welche Reaktionsmöglichkeiten hat der Betreiber eines solchen Ladens?

Er könnte in Stoßzeiten von sich aus zwei Kassen öffnen. Er könnte eine Schelle anbringen, mit er ein Kollege gerufen wird, wenn es zu voll wird. Er könnte seine Mitarbeiter schulen, schneller zu reagieren. Er könnte... das Schild entfernen. Hat er gemacht. Unglaublich? Tatsache!


Montag, 28. Januar 2013

Umgang mit Zahlen

Vielleicht ist es einfach zu spät am Abend, um solche Artikel zu lesen. Auch auf die Gefahr hin, sich zu blamieren: Wenn es in einem wissenschaftlichen Beitrag heißt: "Wer nicht im Einklang mit seinen Werten lebt, hat ein 21-fach höheres Burnout-Risiko." Wie lässt sich das in Prozent ausdrücken? Denn einen Satz später heißt es: Ein mangelndes Gesundheitsverhalten erhöht das Risiko um 20 Prozent?
Ist eine Erhöhung um 20% dann gleich dem 20-fachen Risiko?

Eine wirklich ernst gemeint Frage an Statistik-Experten....

Rezension zum Thema:
Gleichgewicht als Chance, wirtschaftspsychologie-aktuell 4/2012

Ende der Hierarchie?

Es wird immer wieder beschworen - das Ende der Hierarchie. Sind Vorstandsvorsitzende überflüssig? Braucht die moderne Unternehmenswelt keine Geschäftsführer mehr? Ich finde das ein höchst spannendes Thema und hätte meinen Spaß daran, wenn Hierarchien tatsächlich an Bedeutung verlieren. Allerdings habe ich das so oft gelesen, ohne dass es konkrete Auswirkungen auf die Praxis hatte, als dass ich ernsthaft an einen solchen Trend glauben kann.

Zwar erschien es mir bisher nicht nur wünschenswert, sondern auch höchst sinnvoll, dass erwachsene Menschen sich auf Augenhöhe begegnen, statt sich wie Kinder zu verhalten und in Abhängigkeit von sogenannten Führungskräften zu begeben. Oder Menschen ihren Wert daran bemessen, wie viele andere Menschen "an sie berichten". Und ebenso unbegreiflich finde ich nach wie vor, dass Menschen sich am Arbeitsplatz Dinge gefallen lassen, die man im Privatleben niemals mit ihnen machen dürfte. Doch die Abgesänge auf die Hierarchie erschienen mir bisher meist als rein theoretisch.

Nun stand in der Wirtschaftswoche ein Interview mit Gary Hamel, in dem er das CEO-Prinzip als überkommen bezeichnet. Ja klar, denke ich, alles schon da gewesen. Und als ich auch noch lese, dass Kontrollen natürlich weiterhin stattfinden muss, denke ich, dass am Ende doch wieder alles beim Alten bleibt. So wie immer, wenn es heißt: Mitarbeiter in Entscheidungen einbinden, aber am Ende muss einer die Verantwortung übernehmen.

Aber was ist gemeint mit "Wir müssen Kontrolle verbinden mit der Freiheit des Internets"? Auch nur eine Floskel ohne Mehrwert? Vielleicht nicht. Könnte Kontrolle nicht auch so funktionieren wie bei Wikipedia? Dass Menschen mit Ahnung und Fachwissen die Kontrolle übernehmen statt Vorgesetzte ohne das Expertenwissen? Und mehr noch: Könnte Führung nicht auch so funktionieren wie im Internet: Dass Menschen Einfluss und damit Macht haben, je mehr andere Menschen ihnen freiwillig folgen wie bei Twitter oder Facebook? Sicher schwierig, sich das praktisch vorzustellen. Aber wenn Unternehmen der Zukunft immer mehr zu lockeren und projektorientierten Interessengemeinschaften werden, könnte genau das tatsächlich passieren. Dann werden Menschen mit genialen Ideen andere anlocken und mit diesen die Ideen umsetzen - und dafür keine Titel und Positionen vorweisen müssen. Und wenn sie von statusbesessenen Hierarchen gestoppt werden, die Ideen an anderer Stelle umsetzen.

Berechtigte Frage der Wirtschaftswoche: Aber zeigt nicht der Erfolg von charismatischen Unternehmern wie Steve Jobs, dass solche CEOs extrem erfolgreich sein können? Antwort: Das ist eher die Ausnahme. Daher ergibt es gar keinen Sinn, solche Persönlichkeiten zu suchen, die "meisten selbsternannten Leader haben nicht viel auf der Pfanne." Bittere Erkenntnis, die ich einschränken würde. Sie haben nicht die Ausstrahlung und die Überzeugungskraft eines Steve Jobs, aber sind in der Regel gute Fachleute. Nur redet man ihnen immer noch ein, dass die wahre Karriere die eines Managers ist, und damit beginnt das Drama.

Rezension zum Thema:
Das CEO-Konzept hat ausgedient, Wirtschaftswoche 52/2012

Samstag, 26. Januar 2013

Neulich beim Discounter

Ein höchst interessantes Erlebnis. Ich musste ziemlich zügig ein einfaches Produkt erstehen. Bei Netto um die Ecke sollte das kein Problem sein. Habe es auch mit einmal Nachfragen gefunden und bin dann schnell zur Kasse. Doch ach - dort hatte sich eine lange Schlange gebildet, und es war nur eine Kasse besetzt. Der Kassierer war sichtlich gestresst, erst recht, als die ersten Kunden ihn aufforderten, eine zweite Kasse zu öffnen. Mit gutem Recht, denn die Schlange wurde immer länger und über dem Gang hing ein Schild mit der Botschaft: "Warteschlange nein danke! Stehen mehr als 5 Kunden vor Ihnen an der Kasse? Sprechen Sie uns an! Vielen Dank!"

Gute Idee. Nur müssen die Mitarbeiter dabei auch mitspielen. Der Kassierer griff schließlich zum Telefon. Weitere Kunden riefen von hinten, man möge doch endlich eine zweite Kasse öffnen. Einige gingen an der Schlange vorbei und forderten erneut eine weitere Kasse. Der Kassierer erwiderte entnervt, sie würde gleich geöffnet. Wurde sie aber nicht. Der Unmut wuchs, bis schließlich eine Verkäuferin mit langem Gesicht und alles andere als begeistert zwischen den Regalen hervortrat und dem Unmut ein Ende bereitete.

Ich fotografierte das Schild, weil ich die Begebenheit aus zwei Gründen interessant fand. Zum einen bin ich auch Kunde beim Konkurrenten Aldi, und mir fiel auf, wie völlig anders dort die Mitarbeiter auf längere Schlangen reagieren. Nicht nur, dass sie ohne Aufforderung einen "Alarm" auslösen, wenn sich Warteschlangen bilden. Nein, sie bleiben auch noch gut gelaunt, egal, wie groß der Druck ist.

Was macht wohl den großen Unterschied aus? Ich kann nur mutmaßen. Er dürfte im Management begründet liegen. Irgendetwas, das die einen richtig machen, läuft bei den anderen völlig falsch. Und zwar so verheerend falsch, dass ich mir kaum vorstellen kann, dass das Unternehmen auf Dauer überleben kann. Also habe ich einmal bei Wikipedia nachgeschaut und folgenden Passus gefunden:

Das Unternehmen gerät seit der Plus-Übernahme immer wieder wegen des Betriebsklimas und Führungsstils in die Kritik. So warfen beispielsweise Mitarbeiter (inkl. Führungskräfte) und Vertreter der Gewerkschaft ver.di dem Unternehmen vor, Mitarbeiter massiv unter Druck zu setzen. Das Unternehmen widersprach sämtlichen Vorwürfen. Nachdem das Unternehmen wiederholt wegen Lohndumpings und Unterschreitung der Tariflöhne öffentlich kritisiert worden war, kündigte es im April 2011 einen Mindestlohn für Aushilfen von 7,50 pro Stunde zuzüglich tariflicher Leistungen an.

Irgendwer hat da etwas gründlich missverstanden. Oder hängt immer noch dem Glauben an, dass Gehalt etwas mit Motivation zu tun hat...

Und so geht die Geschichte weiter: Discounter Teil 2

Dienstag, 22. Januar 2013

In Balance

Ein sehr vertrautes Thema: Wie sorgt der Freiberufler für die richtige Balance zwischen Arbeit und Freizeit? Das Dilemma ist klar. Der Selbstständige kann sich seine Zeit selbst einteilen - ideal eigentlich, denn dann kann er sich auch die freien Stunden und Tage "genehmigen". Andererseits: Jede Stunde, die er nicht arbeitet, wird auch nicht bezahlt (was beim Angestellten ja eher selten ist.) Da überlegt man es sich dreimal, welche Aufträge man annimmt bzw. wie viel Freizeit man sich gönnt.

Zwei "Studien" haben sich mit dem Thema beschäftigt und Erstaunliches herausgefunden. Die Arbeitszeit hat einen hohen Einfluss auf die "Work-Life-Balance" von Freiberuflern. Soll heißen: Je mehr sie arbeiten, desto größer ist der Work-Life-Conflict. Entsprechend lautet der praktische Tipp: "Eine zeitliche Überforderung sollte ... grundsätzlich vermieden werden." Oha...

Erkenntnis Nr. 2: Der Work-Life-Conflict reduziert sich mit steigendem Einkommen. Soll heißen, dass der Selbstständige weniger Stress und Druck empfindet, wenn er genug verdient. Irgendwie nachvollziehbar, dann muss er sich weniger Sorgen machen, wenn er sich mal eine Auszeit gönnt. Praktische Empfehlung: Unternehmen sollten für eine angemessene Bezahlung sorgen. Anders als beim Angestellten: Er kann noch so viel Geld bekommen - zu mehr Work-Life-Balance führt das nicht automatisch. Nachvollziehbar.

Schließlich Erkenntnis Nr. 3: Eine bewusste Trennung zwischen Arbeit und Privatleben führte laut dieser Studie nicht zu einer besseren Work-Life-Balance. Offenbar hat der "Freelancer" kein so großes Problem mit der Vermischung (bzw. dem Dauerzustand, dass Arbeit und Leben eins sind) wie häufig angenommen.

Ich vermute, das hängt sehr von der Motivation ab. Menschen, die gezwungen wurden, z.B. durch Jobverlust, in die Selbstständigkeit zu wechseln, mögen die strikte Trennung vermissen. Für die anderen scheint es mir eher so zu sein, dass sie die Trennung erst gar nicht als sinnvoll ansehen. Wer das, was er tut, freiwillig und aus Überzeugung macht - warum sollte er sich zwingen, um 18.00 Uhr damit aufzuhören? Hier erscheint mir die erste Erkenntnis dann doch nicht so banal: Belastend dürfte weniger die fehlende Trennung von Freizeit und Beruf sein als vielmehr eine hohe zeitliche Beanspruchung. Und die wiederum hat etwas mit der Fähigkeit zu tun, Prioritäten zu setzen, Nein sagen zu können und es auszuhalten, mit weniger Aufträgen vielleicht auch etwas weniger Geld zu verdienen.

Was zur zweiten "Studie" führt, bei der sieben (!!) Interviews mit Freiberuflern im Zeitraum von einem Jahr (!!) geführt wurden. Hiervon haben sechs berichtet, dass sie sich selbst disziplinieren oder es vorhaben. Z.B. indem sie feste Auftraggeber suchen, Arbeits- und Privatraum trennen, feste Arbeitszeiten einrichten oder ihre Arbeitszeiten aufzeichnen. Das nennen die Autoren "Bürokratiemaßnahmen", wodurch die Freiberufler doch stark den Angestellten ähnlich werden. Sie interpretieren dies so, dass Freiberufler die "hohen Flexibilitätsanforderungen inzwischen kritisch hinterfragen und sich ihnen insgeheim widersetzen, indem sie sich Möglichkeiten zur Begrenzung dieser Flexibilität suchen."  Gewagte Hypothese nach einer höchst wissenschaftlichen Untersuchung...

Rezensionen zum Thema:
Flexible Beschäftigungsformen, Zeitschrift Führung + Organisation 6/2012
Arbeit und Leben im Einklang, Zeitschrift Führung + Organisation 6/2012