Dienstag, 25. November 2008

Das Senioritätsprinzip

Gerecht war es nie, das Senioritätsprinzip, oder? Wer lange genug in einem Unternehmen aushielt, der steigerte sein Einkommen und seinen Status nahezu automatisch, solange er sich nichts Dramatisches zu Schulden kommen ließ. Das war dann für die jüngeren Kollegen mitunter unerträglich: Da saß der Senior im Büro gegenüber, verrichtete die gleiche Arbeit (oder deutlich weniger) und erhielt ein erheblich höheres Gehalt.

Damit soll nun endgültig Schluss sein. Streng nach Leistung will man nun honorieren. Wer weniger leistet, bekommt auch weniger, Alter spielt jetzt keine Rolle mehr. Na endlich, werden viele sagen, denen die Ungerechtigkeit schon lange gegen den Strich ging. Aber geht es nun gerechter zu?

Das System war nur scheinbar ungerecht. In Zeiten, in denen man sich darauf verlassen konnte, bis ans Ende seiner Berufslaufbahn in einem Unternehmen zu verbringen (es sei denn, man wechselte und verbesserte sich dadurch auch entgeltmäßig), glich sich diese vermeintliche Ungerechtigkeit doch irgendwann aus. Viel arbeiten und wenig verdienen in jungen Jahren, weniger arbeiten und viel verdienen im fortgeschrittenen Alter - quasi als Ausgleich, dass man früher in Vorleistung gegangen ist. Da es alle gleichermaßen betraf, war es durchaus gerecht - es sei denn, man schied vorzeitig aus dem Berufsleben aus. Und wenn der jüngere Kollege aufbegehrte, dann konnte der weise Schreibtischnachbar lächeln und sagen: "Mein junger Freund, mir ging es nicht anders, als ich jung war. Irgendwann wirst du auch dahin kommen, wo ich heute stehe!"

Leistung als Maßstab?

Das wird es nicht mehr geben. Leistung soll der einzige Maßstab für das Honorar sein. Gerechter? Nicht für diejenigen, die sich früher für weniger Geld ein Bein ausgerissen haben und nun kürzer treten - sie werden um ihren "Vorschuss" gebracht. Das, worauf sie sich die ganze Zeit verlassen haben, tritt nun nicht mehr ein. "Ihr leistet HEUTE weniger, also bekommt Ihr HEUTE auch weniger!" werden sie zu hören bekommen. Was Ihr früher geleistet habt, zählt nicht mehr. Verwundert es, wenn ihre Motivation gegen Null geht?

Gerecht wäre es, den (psychologischen) Vertrag zu erfüllen und ihnen den (verspäteten) Lohn auszuzahlen. Will man das System nun umstellen, was ja durchaus seine Berechtigung hat, müsste man parallel dazu die jüngeren nach ihrer Leistung bezahlen. Das aber würde teuer werden und ist schon deshalb kaum realistisch. "Pech gehabt" ist alles, was man den "Senioren" sagen wird...

Es sei denn, sie werden auf einmal dringender denn je benötigt. Über einen Satz musste ich besonders schmunzeln. Er stammt von einem Geschäftsführer, der ausdrücklich Ingenieure im Alter jenseits der 55 sucht. "Sollen die Jungen doch ihre Fehler an den Maschinen der Konkurrenz machen!" Jau...

Rezensionen zum Thema:
Abschied vom Senioritätsprinzip, Personalführung 10/2008
Der König und sein Prinz, Financial Times Deutschland, enable 10/2008

Sonntag, 23. November 2008

Teil 2: Assessment Center zur Personalentwicklung

Hier folgt nun Teil 2 zur Frage: Welche Alternativen gibt es zum klassischen Assessment Center? Diesmal geht es um das sogenannte Personalentwicklungs-AC, häufig auch Development Center genannt. Im Gegensatz zum bereits besprochenen Auswahl-AC, bei dem sich vorrangig die Frage nach Aufwand und Nutzen stellte, sehe ich diese internen Veranstaltungen, die angeblich der Analyse des Potenziales von Nachwuchskräften dienen, als völlig überflüssig an. Schauen wir uns die beiden "schlagkräftigsten" Argumente für ein solches AC an:

1. Ein AC ist in der Lage, "verborgene Potenziale" eines Kandidaten, die im beruflichen Alltag nicht beobachtet bzw. beurteilt werden können, aufzudecken.

2. Ein AC ist in der Lage, die Potenziale objektiv dank des Mehraugenprinzips unter quasi experimentellen, sprich: standardisierten Bedingungen, zu erfassen, was im sonstigen beruflichen Alltag nicht möglich ist.

Was ist das: Potenzial?

Verborgene Potenziale? Mal abgesehen davon, dass Potenziale in einem Unternehmen überhaupt nur dann verborgen bleiben können, wenn man Menschen keine Gelegenheit gibt, sie zu zeigen: Welche sollten das denn sein, die ganz plötzlich in Präsentationen, Rollenspielen, Gruppendiskussionen oder Postkorbübungen zum Vorschein kommen? Wenn jemand einige Jahre im Unternehmen ist und man immer noch nicht weiß, ob er präsentieren kann, ein schwieriges Gespräch führen, sich in Besprechungen einbringen oder unter Zeitdruck seine Aufgaben bearbeiten kann, dann muss sich das Management doch die Frage gefallen lassen, wo man diesen "Kandidaten" denn die ganze Zeit "versteckt" hat?

Meine These: Die Beobachtungen, die in einem AC gemacht werden, sind in der beruflichen Realität bereits 100fach gemacht worden, das Wissen ist längst "im Unternehmen". Mag sein, dass es nicht bei denjenigen ist, die auf Personalkonferenzen über das Schicksal der Kandidaten entscheiden - aber es ist vorhanden.

Vorteil Mehraugen-Prinzip

Objektivität im Sinn von "Wahrheit" gibt es nicht, bleibt also die angeblich so hilfreiche Funktion, dass hier mehrere Beobachter verhindern, dass es zu einer einseitigen Einschätzung durch einen einzigen Vorgesetzten kommt. Je nachdem, wie gut ein AC konzipiert und moderiert wird, mag das sogar gelingen. Aber wenn man denn (oft zu Recht) dem Urteil eines Vorgesetzten nicht traut - warum fragt man dann nicht mehrere kompetente Menschen, wie sie das Potenzial der Kandidaten einschätzen? Wozu muss man erst alle in ein Hotel karren und sie tagelang einsperren?

Gegenrede: Das ist deshalb nicht sinnvoll, weil ja alle auf Basis unterschiedlicher Erfahrungen zu ihrer Einschätzung kommen, dann sind die Ergebnisse nicht vergleichbar.

Meine These: Der vermeintliche Nachteil, dass bei mehreren "Potenzialeinschätzern" unterschiedliche Beobachtungssituationen vorliegen, ist in Wirklichkeit ein gewaltiger Vorteil gegenüber jedem AC. Das nämlich klammert alle anderen möglichen Situationen aus und bietet nur einen Ausschnitt - und der ist noch durch die künstliche Laborsituation stark beeinträchtigt - egal, wie gut ein AC konzipiert ist.

Um die These an einem Beispiel zu belegen: In einem Verfahren, bei dem wir einen Kandidaten auf Grund beruflicher Situationen in der Vergangenheit von mehreren "Beurteilern" haben beschreiben lassen, die unterschiedliche Perspektiven einnahmen, kam es zum Teil zu erheblichen Widersprüchen, die in solchen Einschätzungen gipfelten wie: "Informiert umfassend und zeitnah" und "informiert nur, wenn es dem eigenen Vorteil dient". Oder: "Kann gut zuhören" auf der einen und "sollte lernen zuzuhören" auf der anderen Seite.

Die Erklärung war recht naheliegend: Die Vorgesetzten des Kandidaten fühlten sich bestens informiert und erlebten ihn als aufmerksam und interessiert, die Kollegen sahen in ihm einen gnadenlosen Opportunisten. Versuchen Sie mal, das in einem AC zu erheben. Nicht schwer zu raten, wie dieser Kandidat in einem AC abschneiden würde...

Das Wissen im Unternehmen nutzen

Damit ist die Alternative zum AC für mich so naheliegend wie nur etwas: Nutzen Sie das Wissen, das über den jeweiligen Kandidaten bereits im Unternehmen vorhanden ist und erheben Sie es so sorgfältig wie möglich. Das ist mit einem überschaubaren Aufwand machbar und praktisch vielfach erprobt. Anschließend führen Sie eine "Beobachterkonferenz" durch, oder besser eine "Personalentwicklungskonferenz", wo diejenigen, die über Einsatzmöglichkeiten der Kandidaten entscheiden, so professionell moderiert werden, dass sie zu Ergebnissen kommen, die jedes AC-Gutachten übertreffen.

Einziger Nachteil: Das Ritual, durch das die Entscheider selbst hindurchgegangen sind, entfällt und damit der beliebte Grund: "Mein Lieber, wir mussten alle dadurch, das hat uns auch nicht geschadet. Zeigen Sie mal, was Sie so drauf haben...."

Dienstag, 18. November 2008

Was haben Zielvereinbarungen mit der eigentlichen Arbeit zu tun?

Ein Satz aus einem Beitrag über Zielvereinbarungen bei der Polizei (eine lustige Idee!) ließ mich aufmerken: "Besondere Probleme bereitet die Differenzierung zwischen der Zielarbeit und der täglichen Polizeiarbeit."
Das ist mir immer wieder begegnet. Offensichtlich gibt die "eigentliche Arbeit", das wofür man eingestellt und bezahlt wird, und es gibt die Ziele - der Begriff "Zielarbeit" war mir bisher neu. Erstere, die tägliche Arbeit, dient also nicht der Zielerreichung. Kann das sein?
Natürlich nicht, völliger Unsinn. Was man schon daran sieht, dass doch die Ziele immer aus den übergeordneten Unternehmenszielen abgeleitet werden sollen. Sagen die Zielstrategen.

Also: Da hat das Unternehmen als Ziel, einen bestimmten Gewinn zu erwirtschaften, ein Produkt schneller als andere auf den Markt zu bringen usw. usw. Wie soll das anders zu schaffen sein als mit der täglichen Arbeit? Doch wenn man nun daran geht, die Ziele auf die unteren Ebenen "herunterzubrechen" (warum muss ich dabei immer an "übergeben" denken?), dann findet man plötzlich bei dem Mitarbeiter in der Produktion oder dem Polizisten auf seiner Dienststelle nur noch "alltägliche Arbeit". Was auch sonst? Damit sorgt er schließlich dafür, dass die übergeordneten Ziele erreicht werden.

Das wäre ja völlig in Ordnung, nur: Was schreibt man dann in die netten Formulare zur Vereinbarung von Zielen? Dinge wie: "Erwischt 10 Taschendiebe im Jahr"?

Erinnert mich an das Vorschlagswesen, das auch immer wieder hervorgekramt wird. Man soll seine Arbeit machen und "daneben" noch Verbesserungsvorschläge einreichen. Nicht als Teil seiner eigentlichen Arbeit, sondern Mitdenken als "freiwillige Zusatzleistung".

Da zeigt sich der ganze Unsinn von einst so gut gemeinten Managementmodellen. Ziele um der Ziele willen vereinbaren ist genauso hirnrissig wie Verbesserungsvorschläge zu machen, um bestimmte Quoten zu erfüllen. Auf diese Weise werden Instrumente um der Instrumente willen bedient und erzeugen nichts als Frust.

Rezension zum Thema:
Ziel verfehlt, Personal 9/2008

Samstag, 15. November 2008

Nutzen im Kerngeschäft?

Wenn ein Schokoladenhersteller sich für den Erhalt des Regenwaldes engagiert, weil jedes Grad Erderwärmung der Schokoladenindustrie Millionen kostet, dann klingt das nach einer sinnvollen Verbindung von Kerngeschäft und "Corporate Social Responsibility". Aber was hat eine Brauerei mit dem Regenwald zu tun? Hatte sie die falschen Berater?

Die Beiträge, die penetrant die Forderung wiederholen, soziales Engagement müsse einen nachweisbaren Nutzen für das Kerngeschäft bringen, reißen nicht ab. Im Personalmagazin 6/2008 fanden wir endlich mal eine Anzahl praktischer Beispiele - dachten wir zumindest. Da stellt ein Unternehmen, das Büromöbel herstellt, seine Kantine für Konzerte zur Verfügung. Nutzen im Kerngeschäft? Eine exzellente Presse und Aufmerksamkeit in der Region. Nanu? Ist deren Kerngeschäft, Aufmerksamkeit zu erlangen? Mikrosoft unterstützt Mitarbeiter, die sich sozial engagieren, indem sie hierfür freigestellt werden. Nutzen im Kerngeschäft? "Die vom Unternehmenszweck losgelöste, gesellschaftliche Verantwortung." Hallo? Hier wird sogar ausdrücklich betont, dass die Aktivitäten vom Kerngeschäft losgelöst sind.

Alle Beispiele sind ähnlich konstruiert. Da lobe ich mir die Aussage des letzten Unternehmens, dem Buchholz-Fachinformationsdienst, der den "Verein Hoffnung für die Zukunft" unterstützt. Aussage: "Das Unternehmen verweist darauf, dass ein Nutzen für das Unternehmen weder erzielt noch beabsichtigt ist." Geht doch...

Rezensionen zum Thema:
Für alle und fürs Kerngeschäft
Wo die Vorreiter ansetzen
Personalmagazin 6/2008

Montag, 10. November 2008

Wenn Geist und Zeit knapp werden

Das klingt nach einem spannenden Buch, auch wenn jedes Thema für sich nicht neu ist: Die sieben Knappheiten von Henrik Müller, von dem ein Vorabdruck in der Financial Times Deutschland erschienen ist. Diese sieben sind: Menschen, Geist, Zeit, Energie, Macht, Boden und Wasser.
Menschen und Geist hängen unmittelbar zusammen: Die Weltbevölkerung wächst zwar weiter, aber die Qualifizierten sterben aus. Mit Geist ist Bildung und Ausbildung gemeint - es gibt immer weniger Menschen mit dem dringend benötigten Wissen, hier schlägt der demografische Wandel in den Industrienationen gnadenlos zu.

Auch die Knappheit an Zeit dürfte eine Folge dieser Entwicklung sein: Wenn es immer weniger qualifizierte Menschen gibt, müssen die anderen länger arbeiten - für sie kann der Tag nicht lang genug sein, und ihre Pensionierung können sie weit nach hinten schieben.

Auch wenn mir klar ist, dass es reine Polemik ist: Wenn in der selben Woche in der FTD gleich zwei Beträge über arbeitslose Investmentbanker erscheint, die zu Tausenden auf der Straße stehen und sich von ihrem Luxusleben verabschieden, dann drängt sich die Frage auf, ob sie nicht umgeschult werden können um dort eingesetzt zu werden, wo helle Köpfe gebraucht werden. Um endlich auch mal Dinge von Wert zu produzieren. Ein Investment-Banker in New York, der nun die Buchaltung im Frisörladen seiner Frau führt, scheint mir für die Lösung der Probleme dieser Welt keinen allzu großen Beitrag leisten zu können...

Rezensionen zum Thema:
Die sieben Knappheiten
Das große Warten
Das Streben geht weiter
Financial Times Deutschland, 15.9.-19.9.2008

Freitag, 7. November 2008

Teil 1: Assessment Center zur Personalauswahl

Die Diskussion um das Assessment Center ist in vollem Gang, schön, dass in diesem Blog mal Meinungen ausgetauscht werden. Einer der ersten Kommentatoren fragte mich nach Alternativen zum AC. Nun denn...

Zunächst möchte ich unterscheiden, ob es um die Auswahl von externen Bewerbern geht oder um die interne Entwicklung von Kandidaten. In beiden Fällen werden ACs eingesetzt, in diesem Beitrag möchte ich auf das Auswahl AC und seine Alternativen eingehen. Teil 2 folgt später.

Was weiß ein Arbeitgeber, der einen neuen Mitarbeiter einstellen will? Wenig, wenn er keine Referenzen einholt. Er hat die Bewerbungsunterlagen, das wars. Dass der Einsatz eines ACs hier verlockend ist, verstehe ich. Dann kann man neben dem - hoffentlich gut geführten - Einstellungsinterview den Kandidaten beim Agieren zuschauen, sie sozusagen Probehandeln lassen. So wie Fußballvereine neue Spieler zum Probetraining bestellen.

Das, was man dort beobachtet, ist allerdings vor allem erst mal nur eines: Die Fähigkeit von Menschen, in einer künstlichen Situation das Verhalten zu zeigen, was von ihnen erwartet wird - oder besser: von dem sie glauben, dass es von ihnen erwartet ist.

Muss ja nicht verkehrt sein: Jemand, der im Rollenspiel seinen "gespielten" Kunden höflich so lange bequatscht, bis er etwas kauft, hat gezeigt, dass er dieses Verhalten zeigen kann. Ob er es in der realen Situation dann auch tut, steht auf einem anderen Blatt. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass er auch in anderer Umgebung das Verhalten reproduziert, ist höher als bei einem Konkurrenten, der es im AC eben nicht gezeigt hat. Er mag es zwar auch können, aber wir wissen es nicht.
Das spricht also für ein Auswahl AC. Und was spricht dagegen?

Warum das AC nicht die beste Alternative ist

1. Die meisten Beobachter sind nicht in der Lage, differenziert zu beobachten und Kriterien auseinander zu halten - und sage mir keiner, er würde die Beobachter intensiv schulen. Würde er das tun, wäre der Aufwand so immens, dass das ganze Verfahren völlig unwirtschaftlich wäre. Bleibt die Beobachtung durch Experten (die selten im Unternehmen "vorrätig" sind). Wer sich das erlauben kann und damit zum eigenen Eindruck (z.B. aus dem Einstellungsinterview) eine zweite Meinung einholt, warum nicht? Nur besteht dann die Gefahr, dass man die Entscheidung delegiert und beim Scheitern immer auf die Fachleute zeigen kann.

2. ACs sind etwas für Wettkampftypen. Es gibt Kandidaten, die sich in der Konkurrenzsituation wohl fühlen und Spaß daran haben, sich zu behaupten und durchzusetzen. Wenn ich genau solche Personen suche, halte ich das Verfahren sogar für sehr geeignet - auf in den Ring, der Stärkste möge gewinnen. Die anderen aber fühlen sich unwohl, gezwungen, sich zu produzieren, sich darzustellen, zu kämpfen. Wer gut ist und die Wahl hat, wird sich diesem Verfahren nicht stellen und zu einem anderen Untenehmen gehen.

3. Der Aufwand ist zu hoch: X hochbezahlte Beobachter sitzen ihre Zeit ab und beobachten jeden Kandidaten jeweils wenige Minuten beim Verhalten - egal, wie gut man so etwas organisiert. Rechnen Sie einfach mal nach...
Warum sie dennoch immer wieder durchgeführt werden? Der hohe Aufwand suggeriert: Wir haben alles getan, um den besten Kandidaten zu entdecken, mehr geht nicht. Kritisieren Sie mal vor Beobachtern, die sich so viel Mühe geben, das Verfahren - damit kritisieren Sie auch deren Aufwand und Einsatz. Wer lässt sich schon gerne sagen: Nett gemeint, aber wenig sinnvoll.

4. Die Entscheidung treffen selten diejenigen, die am Ende mit dem Auserwählten zusammen arbeiten. Oder kennen Sie ACs, in denen zukünftige Kollegen und Mitarbeiter als Beobachter sitzen? Das nährt den Verdacht, dass es sich beim Beobachterspiel um eine Art Machtdemonstration handelt: AC Beobachter zu sein ist ein Privileg, das man sich verdienen muss.

Die Alternativen

Trotz aller Vorbehalte - Kandidaten in eine Situation zu bringen, in denen sie sich verhalten müssen, ist ein guter Ansatz. Aber muss man sie dafür auf einer Bühne gegeneinander antreten lassen? Warum lädt man sie nicht ein, den Tag im Unternehmen zu verbringen, mit zukünftigen Chefs und Kollegen zu sprechen, diese zu befragen und deren Fragen zu beantworten und das Unternehmen kennen zu lernen? Glauben sie mir - ein härterer Test als der, sich den zukünftigen Kollegen zu stellen, ist das AC sicher nicht. Nur haben sie anschließend ein Meinungsbild vieler. Mit einem entscheidenden Vorteil: Wer ja sagt zu dem Neuen, der wird ihn nachher auch entsprechend unterstützen und dafür sorgen, dass er integriert wird und "funktioniert".

Womit wir bei einem weiteren Nachteil des ACs sind: Wenn der Kandidat nachher nicht die Erwartungen erfüllt, wer wird dann wohl versagt haben: Die Top-Manager, die gleich zu mehreren den Betreffenden einer peniblen Prüfung unterzogen haben oder sein Vorgesetzter, der ihn einarbeitet? Und wird dieser in der Probezeit den Mut haben zu sagen: "Liebe hochqualifizierte und gestandene Managerkollegen, da habt Ihr kräftig daneben gelegen?"
Also sagt er am Ende der Probezeit lieber: "Das wird schon irgendwie!"

Mein Fazit: Ein Einstellungsinterview, das sich auf das Verhalten, die Erfolge und Misserfolge des Kandidaten in der Vergangenheit konzentriert und dann - absolut zulässig - aus dem vergangenen auf zukünftiges Verhalten schließt, verbunden mit einem "Schnuppertag" (so gelesen in der Ausgabe 6/2008 Seite 98 des Personalmagazin, praktiziert von der Firma IKB Leasing GmbH) halte ich für die weitaus tauglichere Alternative. Mal abgesehen davon, dass man die Probezeit viel mehr nutzen sollte, um sich der Entscheidung auch wirklich sicher zu sein, was leider selten geschieht.

Teil 2, das AC als Personalentwicklungsmaßnahme, folgt in Kürze.

Dienstag, 4. November 2008

Vergessen Sie alle Erfolgsrezepte!

Haben Sie schon mal ein Haus gebaut? Oder ein altes umgebaut? Sich über Bauleiter, Architekten und Handwerker geärgert und fassungslos erlebt, was alles schief gehen kann? Und wenn Sie sich dann über die schiefen Fliesen oder die Risse in selbigen beschwert haben, die Antwort erhielten: "Das ist im Rahmen der DIN-Norm!" Wen interessiert in diesem Moment eine Norm? Ich kenne einen Architekten, der sich häufig über Bauherren aufregt, die unendlich viel Ärger machen. Und dann lese ich von einer Firma, die erkannt hat, wie leicht es sich leben lässt, wenn man die Welt mal durch die Brille des Bauherren betrachtet. Auf einmal lebt es sich leichter - und alle haben weniger Ärger.

Fazit: Wer sich nur auf sein Produkt konzentriert und die Bedürfnisse des Kunden aus den Augen verliert, handelt sich unnötigen Ärger und Frust auf beiden Seiten ein. Eine Regel von allgemeiner Gültigkeit?

Keineswegs. In dem gleichen Heft findet sich ein Beitrag über eine Web-Design-Firma in Chicago, die eine Software vertreibt, mit der Internetseiten gestaltet werden. Hier melden sich regelmäßig Kunden, die Sonderwünsche haben und mit der vorgegebenen Lösung nicht so ganz zufrieden sind. Doch die unkonventionellen Macher pfeifen darauf. Zitat: "Ich schreibe eine Software für uns und freue mich, wenn andere sie auch benutzen wollen!" Vorschläge der Kunden werden gleich in den Mülleimer geworfen. Erfolgreich ist das Unternehmen dennoch.

Fazit: Glaube an dein Produkt und lass dich nicht von den Kunden hin- und herzerren. Sonst ist man irgendwann der Sklave seiner Kunden.

Mein Fazit: Es gibt eben nicht DEN Weg zum Erfolg, und deshalb auch kein Patentrezept. Ist ja auch gut so, sonst würden alle den gleichen Weg gehen. Warum aber suchen dann alle nach der Erfolgsformel? Warum lesen wir zum 1000. Mal Beiträge zum Thema "Was wir vom Unternehmen X oder Y lernen können?" Ich mag nach wie vor solche Erfolgsgeschichten - aber die daraus abgeleiteten Erfolgsfaktoren schenke ich mir...

Rezensionen zum Thema:
Die Kümmerer, Brand eins 10/2008
Die Kraft des Mittelfingers, Brand eins 10/2008

Sonntag, 2. November 2008

Macht, Status und Geld

Nehmen wir es mal so wie es in der Financial Times geschrieben stand. Es geht darum, wie Headhunter einen Manager dazu bringen, ihren Arbeitgeber zu wechseln und eine neue Stelle anzutreten. Zitat eines Personalberaters: "Das Gehalt muss steigen, die Position ranghöher sein als die jetzige, der Titel schöner klingen." Passt ja wunderbar ins derzeitige Bild des Managers, den nichts anderes interessiert als Kohle und Status. Ich gebe zu, dass ich dort lieber den Satz gelesen hätte: "Am ehesten lassen sich Manager durch herausfordernde Aufgaben, durch die Aussicht auf eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und eine Unternehmenskultur des Vertrauens und gegenseitigen Respekts zum Wechseln motivieren."

Stand dort aber nicht. Wenn wir der Aussage Glauben schenken, dann sind wir noch weit entfernt von so etwas wie einem Wertewandel. Welches Verständnis können Mitarbeiter dieser Führungskräfte erwarten, wenn diese Erfolg an Gehaltssteigerung und mehr Macht und Status messen?
Ich stelle mir vor, dass zu einem Manager, der gerade den Arbeitgeber gewechselt hat, ein Mitarbeiter kommt mit dem Ansinnen, sich weiter zu entwickeln. Dass dieser Manager auf den Gedanken kommt, ihm eine interessantere Aufgabe anzubieten, die Möglichkeit eröffnet, weitere Fähigkeiten z.B. durch Trainings zu erwerben oder ihm gar in Aussicht stellt, mehr Zeit für die Familie zu haben, ist extrem unwahrscheinlich. Und würde der Mitarbeiter genau danach fragen, würde dieser Manager wahrscheinlich nur denken: "Keinen Ehrgeiz, der Mann!"

Mich hat mal jemand gefragt, wie er wohl seinem Chef klarmachen kann, dass er in seiner jetzigen Lebensphase etwas mehr Zeit für sich selbst benötigt. Meine Antwort: "Sagen Sie es ihm doch!" Seine Reaktion: "Das versteht der nie. Ich glaube, ich werde ihm erklären, dass ich einige meiner derzeitigen Aufgaben auf meine Mitarbeiter übertragen werde und mich etwas rar machen möchte, um zu schauen, wer von ihnen das Zeug zu mehr Verantwortung hat." Das nennt man dann wohl taktisches Vorgehen.

Rezension zum Thema:
Gutes Netzwerk ist wertvoller als jede Datenbank, Financial Times Deutschland, 8.9.2008