Samstag, 29. Oktober 2011

Wie wird man zum "guten" Manager?

Stellen Sie sich vor, Sie bilden junge Menschen aus, diese erlernen ihren Beruf und machen einen hervorragenden Abschluss. Und am Ende müssen Sie erkennen, dass sich diejenigen, die am besten abschneiden, in der Praxis am wenigsten bewähren. Was würden Sie mit Ihren Ausbildern anstellen?

"Umfangreiche Analysen der McGill University Montreal sowie der Stanford University belegen, dass es keinen Zusammenhang zwischen MBA-Abschlüssen und einem erfolgreichem Management gibt - sondern exakt das Gegenteil. Das sollte zu denken geben". Sagt Stephan Jansen, Präsident der Zeppelin-Universität. Und Harvard-Professor Carl Mintzberg bezichtigt die Business Schools, dass sie lediglich Verwaltungsspezialisten nach den neuesten Managementmoden ausbilden.

Wie kann man angesichts dieser Feststellungen überhaupt noch jungen Menschen empfehlen, einen MBA-Abschluss anzustreben? Aber halt, es tut sich ja was. Nach den Wirtschaftsskandalen und Finanzkrisen der letzten Jahre setzen viele Managementschulen auf Ethik- und Softskill-Kurse, schließlich sind sie ja lernfähig. Aber reicht das? Fachleute wie der St. Gallener Managementprofessor Fredmund Malik kritisieren das als Feigenblattaktionen. Hauptsache, irgendwie reagieren, ansonsten wird weiter gewerkelt wie bisher. Vor allem auf das Instrument der Fallstudien, bei denen die Lehrenden die "richtige" Lösung in der Tasche haben, wird weiterhin gesetzt. Dabei sollte man inzwischen doch erkannt haben, dass es den einen, den richtigen Weg in der komplexen Welt von heute sicher nicht mehr gibt.

Aber was ist die Alternative?

Die Kritiker sind in der Regel ja selbst Anbieter solcher Studiengänge, und sie lassen sich einiges einfallen. Die einen bieten jeden Donnerstag ein Generalstudium, damit die angehenden Manager ihr Interesse für Gesellschaft und Umwelt entdecken. Hier können sie Kurse aus den Bereichen Biologie oder Steinmetzen belegen. Woanders können die Studierenden zwischen Schauspiel, Fernseh- oder Rundfunkmoderation, Tanz oder Musik wählen. Oder sie werden gefragt, welche Themen sie denn gerne studieren möchten, diejenigen, die am häufigsten gewählt werden, kommen ins Angebot.

Klingt das, als würden wir in Zukunft eine neue Generation von Managern erleben? Mit kommt das eher so vor, als sei man verzweifelt auf der Suche nach Alternativen, weil man erkannt hat, dass man Management eigentlich gar nicht lehren kann. Es wirkt wie ein wildes Herumexperimentieren, ein Stochern im Nebel. Den Studenten wird eine breite Palette von Themen vorgesetzt in der Hoffnung, dass sie sich genau das herauspicken, was einen erfolgreichen Manager ausmacht. Würden wir noch Mediziner oder Chemiker ausbilden, wenn wir feststellten, dass sich das, was sie an der Universität lernen, im Alltag gar nicht anwenden lässt? Was würden Studenten dieser Fächer wohl sagen, wenn sie plötzlich Steinmetz-Kurse angeboten bekämen?

Vielleicht sollte man MBA-Programme ganz einstampfen. Vielleicht sollte man einfach zugeben, dass niemand wirklich weiß, wie man in der heutigen komplexen Welt Unternehmen und Organisationen "richtig" lenkt. Vielleicht sollte man eingestehen, dass man Managementfähigkeiten letztlich nur durch konkretes Tun erwirbt und dem Managementnachwuchs die Gelegenheit bieten, sich in der Praxis zu bewähren. Ihn mit echten Aufgaben beschäftigen, mit realen Projekten. Und ihm zugestehen, hier auch mal zu scheitern.

Aber das wäre ja viel zu einfach. Und scheitern lassen? Undenkbar. Lieber erst einen Titel erwerben und dann scheitern lassen. Was aber viel stärker ins Gewicht fällt: Das Geschäftsmodell der Business Schulen wäre hinfällig. So lange man viel Geld damit verdienen kann, MBA-Titel zu verkaufen und es genügend Interessenten gibt, die diesen Titel erwerben möchten, wird wohl weiter fröhlich in Fallstudien gewühlt und - neuerdings - getanzt und musiziert.

Rezension zum Thema:
Programmwechsel bei voller Fahrt, Personalwirtschaft 7/2011

Donnerstag, 27. Oktober 2011

Lustige Arbeitszeugnisse

Müssen Sie auch mitunter ein Arbeitszeugnis schreiben? Dann werden Sie all die Formulierungen beherrschen, die man so benötigt, um gute, hervorragende und weniger beeindruckende Leistungen zu beschreiben. Oder besonders gutes Sozialverhalten bzw. deutlich weniger wünschenswertes. Und natürlich kennen Sie auch die Bedeutung bestimmter Floskeln am Ende eines Zeugnisse, von wegen "vollste Zufriedenheit" und "Wir wünschen ihr auf dem weiteren Berufs- und Lebensweg alles Gute und weiterhin viel Erfolg. " (Beides steht für die Note 1, falls Sie hier noch unsicher sein sollten.)

Nun hat eine Studie herausgefunden, dass die (als Floskeln getarnten) Noten immer besser werden - von "Kuschelnoten" ist hier die Rede. Vor allem bei der Abschlussbewertung (von wegen "vollste Zufriedenheit") gibt es offensichtlich nur noch die "vollste" Note, darauf sollte man sich als neuer Arbeitgeber also nicht mehr verlassen.

Der vermutete Grund: Auch die Mitarbeiter kennen inzwischen die Bedeutung der verschiedenen Floskeln und dürften ihrem Arbeitnehmer kräftig auf die Zehen steigen, wenn die einschlägigen Formulierungen fehlen. Und diese wiederum geben dem Wunsch offenbar lieber nach, als lange Streitigkeiten, möglicherweise noch vor Gericht, zu riskieren.

Einzig bei den Leistungsbewertungen gibt es wohl noch kleine Differenzierungen - aber echte Unterschiede sind selten. So bleibt schließlich nur noch eine wirklich nützliche Information: Wenn am Ende der Wunsch geäußert wird, der Mitarbeiter möge sich wieder bewerben, dann hat man es in der Tat mit einem wirklichen "Goldstück" zu tun.

Die Autoren der Studie kommen trotz dieser deprimierenden Erkenntnisse zu dem Ergebnis, dass Arbeitszeugnisse ihren Sinn erfüllen. Nur möge man sich nicht auf ein einzelnes stützen, sondern sich lieber mehrere anschauen - vielleicht ist der Vergleich aussagekräftig. Und noch einen Tipp haben sie bereit: Will man aussagekräftige Arbeitszeugnisse, dann solle man anfangen, selbst solche zu verfassen.

Ich frage mich, ob all das wirklich die Mühe wert ist. Wenn ich mir die vielen Arbeitszeugnis-Generatoren im Internet anschaue, die zahllosen Ratgeber und "Entschlüsselungstipps", dann drängt sich mir nur ein Gedanke auf: All das beschäftigt Heerscharen von Menschen und Anbietern, die Zeit und das Geld könnte man sinnvoller nutzen. Und noch ein Gedanke: Bei der gesetzlichen Vorgabe, wohlwollend zu formlieren, hat sicher niemand an die Nebenwirkungen dieses "Rechts" gedacht. Ein schönes Beispiel, wie eine Regel ungeahnte Folgen hat. Ich bin für ein ersatzloses Streichen des Arbeitszeugnisses. Würde der deutschen Wirtschaft viel Zeit und Geld sparen...

Rezension zum Thema:
Zwischen Wahrheit und Wohlwollen, Personalwirtschaft 7/2011

Dienstag, 11. Oktober 2011

Gibt es sie noch: Loyale Mitarbeiter?

In schlechten Zeiten sind die meisten Unternehmen schnell bereit, "Personalanpassungen" vorzunehmen. Da werden Mitarbeiter vorzeitig in den Ruhestand geschickt oder in Beschäftigungsgesellschaften ausgegliedert. Neue Mitarbeiter werden mit Zeitverträgen eingestellt oder lieber gleich über Zeitarbeitsfirmen beschäftigt. Praktikanten werden als billige Arbeitskräfte verheizt, Auszubildende nicht übernommen.

Und dann plötzlich schlägt, wie aus heiterem Himmel, der demografische Wandel zu. Nanu, wo kommt denn der her? Hätten wir das gewusst, hätten wir natürlich versucht, die wertvollen Fach- und Führungskräfte zu halten. Oder frühzeitig neue Mitarbeiter eingestellt. Oder den "Alten" alternative und flexible Arbeitszeitmodelle angeboten, statt sie gleich mit ihrem gesammelten Wissen nach Hause zu schicken. Oder die Auszubildenden übernommen...

Und nun? Nun wundert man sich, dass Auszubis Verträge unterschreiben und anschließend gar nicht kommen. Dass Mitarbeiter mühsam eingearbeitet werden und ganz schnell wieder weg sind. Dass die Bewerberzahlen einbrechen und der Ruf als wertvoller Arbeitgeber doch nicht ganz so wertvoll ist. Und jammert über die Zeiten, in denen man sich auf die Menschen nicht mehr verlassen kann und Loyalität offenbar ein Fremdwort geworden ist.

Stimmt nicht, sagt Professor Christian Scholz in der Financial Times Deutschland. Die Menschen sind schon noch loyal. Aber nicht gegenüber Unternehmen oder Organisationen, sondern gegenüber Werten und Führungskräften. Ich ergänze mal: Und gegenüber Kollegen.

Was folgt daraus? Genau: Man legt Programme zur Mitarbeiterbindung auf. Organisiert Treffen mit dem Vorstand, präsentiert sich witzig und cool auf Facebook, schafft flexible Arbeitszeiten für zurückkehrende Mütter, die sogar wieder als Führungskräfte arbeiten dürfen. Zahlt Praktikanten wieder Gehälter und bietet ihnen sogar Zuschüsse zur Miete an.

Alles keine verkehrten Aktionen sicherlich. Aber sind Menschen loyaler, wenn man Programme entwickelt, um sie zu halten? Ist doch nicht logisch, es sei denn, die Programme stehen für Werte, die glaubwürdig vorgelebt werden. Eine Weile werden Mitarbeiter schon bleiben, wenn sie plötzlich hofiert werden, ist ja auch ganz nett. Aber die gleichen Maßnahmen werden jetzt alle Unternehmen ergreifen, da wird es kaum Unterschiede geben. Und wenn dann die Führungskraft wechselt oder die Kollegen gehen - was hält einen dann noch?

Mag sein, dass Menschen eine Weile vergessen, wie sie behandelt wurden, als noch ausreichend Arbeitskräfte am Markt zu bekommen waren. Aber ich denke, sie werden die Programme schnell durchschauen, wenn dahinter nicht eine echte Wertschätzung zu spüren ist. Und genau da habe ich so meine Zweifel...

Rezensionen zum Thema:
Fessle mich! Financial Times Deutschland, 18.8.2011
Auf dem Präsentierteller, Financial Times Deutschland, 19.8.2011