Sonntag, 21. April 2013

Reichtum

Nahezu ein ganzes Heft hat die "Wirtschaftswoche" dem Thema "Reichtum" gewidmet. Einige Wochen bevor Bayern-Präsident Uli Hoeneß sich mit peinlichen Enthüllungen über Schwarz-Geld-Millionen in der Schweiz beschäftigen muss.

Der interessanteste Satz in den vielen Beiträgen lautet: "Geld verdirbt zwar nicht den Charakter, aber es macht ihn sichtbar." Ich bin mir da nicht so sicher. Was ist davon zu halten, wenn Menschen große Reichtümer anhäufen zulasten anderer oder wie hier zitiert wird: "Großen Reichtum anzuhäufen funktioniert, indem man sich einen Teil des Eigentums oder der Produktion anderer Menschen sichert." (aus: Cynthia Crossen: "The Rich and How They Got That Way"), und dann, wenn sie reicher sind, als man es sich vorstellen kann, ihre philanthropische Ader entdecken? Heißt das, ihr Reichtum bringt erst ihren wahren Charakter, nämlich den eines Menschenfreundes, ans Licht?

Ich weiß, so ist das nicht gemeint. Und dass eine Zeitschrift wie die Wirtschaftswoche uns erklärt, dass ohne wohlhabende Zeitgenossen die Welt ärmer wäre, wundert uns auch nicht. So lernen wir, dass einer Stadt (wie Stendal) ohne Reiche die Dynamik fehlt; dass Schwarz-Gelb die Wohlhabenden hätschelt und pflegt, damit sie im Lande bleiben und Rot-Grün sie am liebsten kräftig melken würde.

Wir erfahren - und das ist wiederum eine Diskussion wert -, dass man zwischen "gutem und schlechtem Reichtum" unterscheiden sollte. Wer per Steuerhinterziehung oder Lohndumping zu seinen Millionen gekommen ist, gehört zu den "schlechten" Reichen. Wohlhabende "Muster-Mittelständler" oder Stars aus Sport und Musik hingegen zu den Guten. Und spendable Stifter natürlich auch. Was die Frage aufwirft: Wozu gehören Adelsgeschlechter, die Millionen schwer sind, weil ihre Vorfahren vor Hunderten von Jahren als Raubritter kräftig Beute gemacht haben? Schwierig...

Bleibt noch die Kolumne von jemandem, der es wissen muss. Abtprimus Notker Wolf von den Benediktinern stellt die interessante Frage, was Reichtum überhaupt ist. Die Frage wird in dem Heft zwar an anderer Stelle schon beantwortet - nämlich über so viel Geld und Besitz zu verfügen, dass der eigene Lebensunterhalt nicht mehr durch Arbeit bestritten werden muss - aber der Pater hat noch mehr zu bieten: "Reichtum ist die Fülle materieller oder geistiger Güter, derer wir uns erfreuen..." Das ist irgendwie typisch, oder? Tröste sich, wem der materielle Reichtum versagt bleibt, man kann auch über geistigen Wohlstand verfügen.

Es kommt noch besser. Jesus antwortet in der Bibel auf die Frage, ob Reichen der Himmel verschlossen bleibe, mit dem Vergleich vom Kamel, dass eher durch ein Nadelöhr geht. Bitter für die Reichen, aber es gibt einen Ausweg. Es folgt der tröstliche Satz: "Menschlich ist das nicht möglich, aber bei Gott ist alles möglich." Aufatmen bei den Reichen. Geht also doch, das mit dem Kamel und dem Nadelöhr.

Und das Beste: Er zitiert das Gleichnis vom Gutsherren, der seinen Dienern etliche Talente (Gold) hinterlässt und auf Reisen geht. Als er zurückkommt, lobt er diejenigen, die sein Vermögen vermehrt haben. Denjenigen, der sein Geld vergraben hat, macht er zur Schnecke mit den Worten: "Hättest du das Geld wenigstens zur Bank gebracht!" (nicht mal das würde er heute vermutlich sagen).

Bisher hatte ich das immer so verstanden, dass es hier darum geht, etwas aus seinem "Talent" zu machen und sich nicht auf seinen Lorbeeren auszuruhen. Aber stimmt gar nicht. Pater Wolf sieht die Sache viel materieller: "Jesus sagt uns damit, dass Geld vermehren a priori keineswegs etwas Schlechtes, sondern nützlich und erforderlich ist..."
Und wer über kein reich gefülltes Bankkonto verfügt, darf sicher den Begriff "Talent" wörtlich nehmen...

Passende Artikel zum Thema:
Kamel durchs Nadelöhr, Wirtschaftswoche 13/2013
Eine verhängnisvolle Affäre, Wirtschaftswoche 13/2013
Vermögenswirksame Leistungen, Wirtschaftswoche 13/2013
Die Abzocker, Handelsblatt 25.2.2013



Keine Kommentare: