Dienstag, 31. August 2010

Von Tieren lernen

Die Brand eins hat eine ganze Ausgabe dem Thema "Tierisch" gewidmet. Unter anderem geht es dabei natürlich auch wieder um die Frage, was wir von den Tieren lernen können. Ich habe mich schon mal darüber ausgelassen, was man uns alles als "Lernmodell" unter die Nase reibt. Überhaupt: Warum sollten ausgerechnet Tiere die besseren Menschen sein?


Und dann fällt mein Blick auf unseren Hund Ronja. "Eine Seele von Mensch", wie kürzlich eine Bekannte sagte. In der Tat, von diesem Tier würde ich mir gerne eine Scheibe abschneiden. Die unfassbare Gelassenheit. Die klaren Botschaften, wenn sie sich ihre Streicheleinheiten abholt oder mal kurz in den Garten möchte. Die Fähigkeit, der Welt ihren Lauf zu lassen und ganz entspannt im Hier und Jetzt zu leben. Sie regt sich nicht auf, wenn mal wieder etwas nicht nach ihrer Nase läuft. Sie freut sich, wenn sie mich sieht, ohne mich mit unwichtigen Botschaften zu überfrachten. Sie kann die Sonne genießen und hat aber auch kein Problem damit, wenn sie mal nicht scheint. Sie tobt herum, wälzt sich vor Wonne im Sand und auf Wiesen und freut sich einfach, dass sie lebendig ist. Sie hat unendliches Vertrauen und lässt sich geduldig von uns hin- und herrollen, am Bauch kraulen und sogar unseren Kopf auf ihrem weichen Fell lagern.

Okay, ich muss nicht unbedingt so verfressen sein wie sie und bei jedem Knistern von Papier aufspringen. Ich bin auch froh, dass ich nicht im Angesicht anderer Menschen (Hunde) zur Salzsäure erstarre. Und in stinkendem Fisch möchte ich mich auch nicht wälzen.
Aber wer sagt, dass wir alles von unseren Vorbildern übernehmen müssen? Ich glaube, ich werde in Zukunft gnädiger sein mit Artikeln zum Thema "Was wir lernen können von..." Zumindest, wenn es sich um Tiere handelt.

Und Führung kann man doch lernen

Ein Gastkommentar von Dr. Frank Edelkraut: Danke für Ihren Blog-Eintrag "Erfolgreiche Führungsstile" - ein immer wieder spannendes Thema. Mit den vorgestellten Meinungen gehe ich teilweise konform, teilweise nicht. Daher hier ein Kommentar.

Dass es einen richtigen Führungsstil gibt, bestreite ich ebenfalls. Das kann es auch gar nicht, da Führungsaufgaben und –situationen immer komplex sind und die unterschiedlichen Einflussfaktoren stets an irgend einer Stelle im Widerspruch zueinander stehen. "Eine" Lösung wird es nicht geben. Daher kann es aus meiner Sicht auch keinen Zusammenhang zwischen Führungsumwelt und Führungspersönlichkeit geben. Im Prinzip kann jede Persönlichkeit für unterschiedliche Situationen passende Verhaltensweisen an den Tag legen. Wie diese anschließend bewertet werden, ist dann eher vom Erfolg und der "Vermarktung" abhängig. Hierzu eine erlebte Anekdote.

Während einer Betriebsbesichtigung einer Studentengruppe unter Beteiligung mehrerer Führungskräfte eines Chemie-Unternehmens fällt eine Mitarbeiter in einen leeren, heißen Kessel. Drei Führungskräfte reagieren sehr spontan und nicht abgestimmt. Der vorgesetzte Abteilungsleiter reißt sich sein Sakko vom Leib und springt in den Kessel, um den Mann zu retten ("Held"). Eine andere Führungskraft ruft Arbeiter zusammen, um eine Rettung zu organisieren ("Koordinator"). Der Dritte rennt zum nächst gelegenen Telefon, um die Rettungskette auszulösen ("Controller"). Wer hat richtig, wer falsch reagiert?

Alle drei haben richtig, aber gleichzeitig falsch reagiert. Warum? Entscheidend ist in jeder (nicht nur Krisen wie im Beispiel) Führungssituation zu analysieren, welche Faktoren die Situation beeinflussen, Prioritäten zu setzen und dann zu entscheiden. Diese Kette wird bei spontanen Reaktionen zumindest an einer Stufe eine Schwäche aufweisen. Nach meiner Erfahrung wird meist zu wenig "durchdacht" und zu spontan "aus der Persönlichkeit heraus" gehandelt.
Unser Held hat die Priorität auf Geschwindigkeit und möglicherweise auf die persönliche Beziehung gelegt. Gleichzeitig hat er sich selbst massiv gefährdet und ein schlechtes Beispiel für das Verhalten in Unfallsituationen abgegeben. Der Koordinator hat die Priorität auf Verantwortlichkeit und ein abgesichertes Vorgehen gelegt und die Sicherheitsfachkräfte "in Szene gesetzt". Dafür benötigt er mehr Zeit und tritt als Führungskraft nicht so sehr in Erscheinung (u.U. Interpretation von Führungsschwäche). Der Controller hat die Priorität auf die Einhaltung der bestehenden Sicherheitsrichtlinien (diese sahen zuerst den Notruf vor) gelegt und gleichzeitig den Eindruck einer "Flucht" vermittelt. Es ist auch zu bezweifeln, dass die Werksfeuerwehr rechtzeitig eingetroffen wäre.

Diese Geschichte zeigt aus meiner Sicht zwei Dinge:

  1. Wenn Führung nötig ist (in Ausnahmefällen und für Entscheidungen) geht es nicht um Persönlichkeit, Theorie oder Verhalten alleine. Es muss die "beste Option" aus mehreren Alternativen entschieden und konsequent zum Ergebnis geführt werden.

  2. Dies können Führungskräfte (alle anderen auch) lernen. Führungskräftetrainings machen daher Sinn! Es geht aber nicht darum, definierte Verhaltensweisen und Theorien zu trainieren, sondern die Fähigkeit, Situationen und Sachverhalte schnell zu analysieren und durchdenken, zielgerecht zu entscheiden und konsequent zu handeln. Wenn diese Kette sichtbar oder vermittelt wird, wird das gezeigte Führungsverhalten auch von den Mitarbeitern akzeptiert. Egal ob der Held, Koordinator oder Controller zugange ist.
P.S. Der Mitarbeiter hat außer einer Platzwunde und einer leichten Atemwegsverätzung keinen Schaden davon getragen. Gelitten hat der Anzug des Vorgesetzten, der mit seinem Mitarbeiter nur aus dem Kessel herauskam, weil die anderen Mitarbeiter inzwischen zur Stelle waren und die geeigneten Rettungsmittel dabei hatten.

Dienstag, 24. August 2010

Erfolgreiche Führungsstile

Theoretische Modelle zum Thema "Führungsstil" gibt es viele, und die Suche nach der Antwort auf die Frage, welcher Führungsstil nun der wirklich erfolgreichste ist, scheint noch lange nicht beendet zu sein. Zwei Autoren in der Zeitschrift Führung + Organisation haben Studien zusammengetragen, die sich mit verschiedenen "Erfolgsmessungen" beschäftigt haben und in einer Meta-Analyse herausgefunden, dass im Grunde kein Stil dem anderen wirklich überlegen ist. Tröstlich für alle Anhänger des mitarbeiterorientierten Stils: Dieser hat besser abgeschnitten als in Zeiten der harten Fakten und Zahlen zu vermuten war.

In dem Beitrag wird ein Modell vorgestellt, das "Mitarbeiterorientierung", "Aufgabenorientierung", "transaktionale Führung" und "transformationale Führung" in einen Zusammenhang zur Organisation und zur Aufgabe stellt. Sehr verkürzt dargestellt bedeutet das:

In statisch-einfachen Umwelten bzw. Organisationen mit einfachen, monotonen Aufgaben ist ein aufgabenorientierter, transaktionaler Stil am wirkungsvollsten, hier sind eher "Controller" gefragt, während z.B. in dynamisch-komplexen Umwelten mit offenen Aufgaben die "Helden" zum Zuge kommen. Das sind die Führungskräfte mit dem transformationalen, mitarbeiterorientierten Stil. Daneben gibt es noch den "Coach" und den "Missionar".

Wissenschaftlich untersucht ist das Modell nicht, daher ist es müßig, hier darüber zu philosophieren, wie zutreffend es ist. Ich glaube, dass in dem Modell die Mitarbeiter völlig vernachlässigt werden: Ob ein bestimmter Stil erfolgreich ist, hängt neben der Umwelt und der Aufgabe sicher auch von den Persönlichkeiten der "Geführten" ab - insofern ist Führung wohl weitaus komplexer, als alle bestehenden Modelle das abbilden können.

Führungstrainings von begrenztem Nutzen

Interessant an dem Beitrag erschien mir der letzte Absatz. Hier geht es um die Frage, ob man nun Führungskräfte trainieren kann, sich je nach Umwelt und Aufgabe zu verhalten, sprich: Sind Führungskräfte in der Lage, den eigenen Führungsstil den Rahmenbedingungen anzupassen? Die Autoren verneinen dies. Sie glauben, dass "unterschiedliche Kontexte jeweils andere Führungspersönlichkeiten erforderlich machen". Ich neige dazu, ihnen zuzustimmen. Was allerdings bedeutet, dass Führungstrainings im Sinne von "TRAINING" nur bedingt erfolgreich sein können. Was außerdem bedeutet, dass Führungskräfte je nach Art der Organisation und der zu bewältigenden Aufgaben ausgewählt werden müssen.

Was aber auch bedeutet, dass, wer die Organisation und die Aufgaben verändern will, Führungskräfte austauschen muss. Wovon ich auf jeden Fall überzeugt bin.

Rezension zum Thema:
Welcher Führungsstil führt zum Erfolg? Zeitschrift Führung + Organisation 3/2010

Freitag, 20. August 2010

Wolfsrudel

In einem Interview in der Brand eins 8/2010 erzählt Irina Schefer, die Manager coacht und sie dazu auch manchmal mit einem Wolfsrudel zusammenbringt, welche Rollen es in einem solchen gibt. Da findet man den Leitwolf, der offensichtlich sehr intelligent seine Rolle wahrnimmt. Er praktiziert das "Management by Walk around", löst Konflikte und ist nicht nachtragend, ist fürsorglich und verantwortungsbewusst und bietet den Jungtieren die Möglichkeit, Fehler zu machen. Er lässt diese sich entwickeln und kann offenbar perfekt delegieren. Nur bei Gefahr übernimmt er ohne Wenn und Aber das Kommando.

Das klingt vertraut, als stamme es aus Managementratgebern. Hinzu kommen drei Hinweise, die mich haben aufmerken lassen. Da ist zum einen die Frage nach der Motivation. Können Leitwölfe auch motivieren? Antwort: So etwas gibt es nicht, weil es nicht nötig ist. "Wölfe sind von Natur aus zum Jagen motiviert." Sie haben Hunger und fühlen sich für das Rudel verantwortlich. Was Leitwölfe durchaus tun: Sie loben durch Zärtlichkeit. Und sie unterlassen alles, was demotivieren könnte.
Auch schon mal irgendwo gelesen, oder?

Der zweite interessante Hinweis: In Rudeln gibt es einen Omega-Wolf, eine Art Blitzableiter, der von anderen gebissen wird, ihre Aggressionen ableitet und kanalisiert und auch mal dazwischen geht, wenn es Streit gibt. Schefer nennt ihn eine Art "Hofnarren". Das klingt nach einer traurigen Rolle. Allerdings heißt es hier, dass diese Rolle in der freien Wildbahn seltener besetzt ist als im Gehege und auch nur temporär. Und dass der Omega-Wolf durchaus in der Hierarchie aufsteigen kann.

Und schließlich geht es um den Begriff der Karriere: Junge Wölfe verlassen das Rudel und gründen eine eigene Familie, in der sie den Leitwolf geben. Da das im Gehege allerdings nicht möglich ist, gibt es einen jährlichen Kampf um die Rangfolge. Was dabei für die Wölfe spricht: Es gewinnt nicht unbedingt das größte und stärkste, sondern das sozial und emotional intelligentere Tier.

Ich fantasiere mal ein bisschen, wohl wissend, dass solche Analogien immer hinken. Unternehmen sind wie ein Wolfsrudel im Gehege. Es gibt Machtkämpfe um die Alpha-Positionen und es gibt Blitzableiter, Menschen, die die Aggressionen ableiten und die "Bisse" der anderen abbekommen. Es sind auch immer die sozial Intelligenten, die aufsteigen, schließlich gehört ja schon einiges an Netzwerkfähigkeiten dazu. Ob es auch die emotional Intelligenten sind, wage ich zu bezweifeln.

Allerdings sind die Zäune der Gehege nicht unüberwindlich. Anders als im Wolfsgehege muss man nicht um seinen Rangplatz kämpfen, und die Rolle des Omega-Wolfes muss man ebenfalls nicht aushalten. Man kann seine eigene Familie, sprich: Sein eigenes Unternehmen gründen. Leider scheinen aber viele Menschen zu glauben, dass sie für immer in dem Gehege festsitzen, das Kämpfen sich nicht lohnt und es schließlich ganz bequem ist, regelmäßig gefüttert zu werden.
Mein Mitleid ist eher mit den Wölfen in den Gehegen - ihnen bleibt die Karriere außerhalb des Rudels verwehrt...

Foto: © Templermeister / PIXELIO

Donnerstag, 12. August 2010

Bachelor, Master, MBA und ein wenig Wehmut

Ich gestehe, dass ich mich als "Diplomer" mit Abschluss in den 80er Jahren mit dem neuen System von Bachelor und MBA schwer tue. Schlimmer noch - ich verstehe es nicht so wirklich.

Zugegeben: Mein Studium war bis zum Vordiplom nicht gerade aufregend. Man schaufelte sich eine Menge Theorie in den Kopf, und hätte mich damals jemand gefragt, ob ich mit dem Vordiplom in der Hand in der Lage wäre, einen Job anzunehmen, ich hätte herzhaft gelacht. Das war nicht das, was ich mir von Psychologie erwartet hatte.

Bis zum Hauptdiplom änderte sich das Bild und meine Einstellung. Nun hatte nach und nach die Praxis das Sagen, und endlich konnte ich mit meinem angereicherten Wissen auch etwas anfangen (dass Bekannte und Verwandte schon bald die Augen verdrehten, wenn sie Persönlichkeits- und Fähigkeitstests, oder noch schlimmer, projektive Verfahren über sich ergehen lassen mussten, gehörte dazu.)

Nun aber sieht die Sache ganz anders aus. Da sollen die Absolventen mit dem Bachelor in der Hand auf die Menschheit losgelassen werden. Das wissenschaftliche Know how benötigen sie nicht, das können sie sich aneignen, wenn ihnen nach einer entsprechenden Laufbahn zumute ist. Dann geht es an den Master, und das muss nicht unbedingt sofort im Anschluss an den Bachelor sein.

So weit, so gut. Wir haben damals eine Menge unnützes Zeugs gelernt. Wirft man all das über Bord, könnte ich mir durchaus vorstellen, Menschen auch in wesentlich kürzerer Zeit zu einem ganz passablen Diagnostiker auszubilden.

Was aber soll das Brimborium um den MBA-Titel? Ein Artikel der Financial Times Deutschland brachte die Sache auf den Punkt. Für Menschen mit einer Fachausbildung, die sich besser in Sachen Wirtschaft auskennen wollen (General Management) - also z.B. Psychologen, Ingenieure, Naturwissenschaftler... - bekommen hier das nötige Rüstzeug. Vielleicht ein bisschen so, wie wir früher versucht haben, uns durch die Wahl von geeigneten Nebenfächern breiter auszubilden. Natürlich viel besser, umfassender und vor allem teurer.

Nun gibt es aber doch auch Studiengänge wie Wirtschaftsingenieurwesen und Wirtschaftspsychologie - als die Verbindung zweier ehemaliger "Fakultäten". Und dann gibt es jede Menge Spezial-MBA-Ausbildungen (entweder spezialisiert auf bestimmte Themen wie Finanzen, Personal, IT etc. oder bezogen auf Branchen wie Gesundheit, Logistik...) - ein völliger Widerspruch, denn der Anspruch lautet ja, "General Manager" heranzuziehen. Aber das soll ein typisch deutsches Phänomen sein, woanders kennt man solche Ausbildungsgänge nicht.

Kein Wunder, dass der Ruf nach dem schönen alten Diplom nicht verstummt. Nicht nur, weil ein wenig Wehmut dabei mitschwingt.

Rezension zum Thema:
Klare Sache von Augenmaß, Financial Times Deutschland, 1.7.2010

Sonntag, 8. August 2010

Die Weisheit der Ökonomen

In der Financial Times findet sich eine Serie über "Neue Denker" in den Wirtschaftswissenschaften. Zugegeben, die Portraits sind so kurz, dass die Theorien der vorgestellten Wissenschaftler allenfalls rudimentär dargestellt werden können. Was aber auffällt: Immer wieder geht es um die Abkehr vom "Homo oeconomicus", vom Modellmenschen der Ökonomen, der sein Handeln danach ausrichtet, seinen Nutzen zu maximieren. Es scheint, als halte langsam aber sicher die Psychologie Einzug in die Welt der Ökonomie, man erkennt, dass der Mensch weitaus komplexer ist und keinesfalls einer einfachen Formel von der Art: "Wieviel kriege ich heraus, wenn ich den Betrag X investiere bzw. den Aufwand Y betreibe - übersteigt der Nutzen den Einsatz oder nicht?" folgt.

Mit Staunen, so scheint es, stellen die Ökonomen fest, dass Menschen offensichtlich nicht nur auf kurzfristige Nutzenmaximierung aus sind, und dass deshalb Anreizsysteme von der Art "Wir loben höhere Prämien aus, dann erhöhen die Mitarbeiter/Manager ihren Einsatz und das Unternehmen steigert seinen Ertrag - und das möglichst so, dass der Gewinn die ausgelobte Prämienhöhe übersteigt!" auch mal schwer in die Hose gehen können.

In einem Beitrag wurde behauptet, dass die Tatsache, dass Menschen Trinkgeld geben, für Ökonomen bis heute ein Rätsel darstellen. Allenfalls wenn der Betreffende annähme, er würde den Taxifahrer wiedersehen, könnte man von einem angenommenen Eigennutzen ausgehen. Mit Verlaub - was für ein Schwachsinn. Hier wird Eigennutz offensichtlich immer noch in extrem schlichten Zusammenhängen gesehen: "Ich gebe einem Taxifahrer Trinkgeld, damit er mich beim nächsten Mal besser behandelt/schneller befördert/freundlicher zu mir ist." War die Theorie des Homo oeconomicus wirklich jemals so schlicht?

Der Beitrag bietet eine andere Erklärung an. Professor Fehr von der Universität Zürich erklärt solch faires Verhalten als Folge der Evolution. Gesellschaften, in denen Versprechen eingehalten werden, in denen sich Menschen fair verhalten, funktionieren besser als andere, also ist es eine Frage des Überlebens einer Gesellschaft, fair zu handeln.

Eine interessante Annahme, die mich aber zu einem anderen Gedanken führt. Theorien über das Zustandekommen menschlichen Verhaltens haben wie alle Theorien einen Bezugsrahmen. Ich kann Verhalten vermutlich immer evolutionstheoretisch erklären: Verhalten wird gezeigt, weil es das Überleben der Spezies verspricht.

Ich kann aber auch von der psychologischen Seite kommen und die Behauptung aufstellen, dass Menschen als soziale Wesen bestrebt sind, gemocht zu werden, Anerkennung zu erhalten und sich einfach besser fühlen, wenn ihr Gegenüber sie für großzügig und dankbar hält statt für geizig und arrogant.

Hirnforscher werden vermutlich zu wieder anderen Theorien neigen und nachweisen, dass Menschen sich selbst mit irgendwelchen "Glückshormonen" belohnen, wenn sie anderen Gutes tun.

Wie auch immer: Mein Problem mit den meisten Theorien ist, dass sie entweder nur manches Verhalten erklären (Wenn ich ein Außendienstlern Reisen in exotische Länder in Aussicht stelle und diese den Umsatz prompt drastisch erhöhen, passt die Theorie des "Eigennutzes", wenn Menschen sich anstrengen und für die Firma aufopfern, ohne das Sonderprämien ausgelobt werden, versagt sie) oder dass sie so zurecht gedreht werden können, dass sie alles erklären (wie die erwähnte Evolutionstheorie).

Und ich bin ganz zuversichtlich, dass eine Univeraltheorie zur Frage: "Was motiviert Menschen eigentlich?" so rasch nicht gefunden wird.

Rezensionen zum Thema:
Die Vermessung der Rache, Financial Times Deutschland, 29.6.2010
Verhaltensforscher studieren den Betriebsalltag, Handelsblatt, 4.3.2010
Manchmal braucht es nur einen Stups, Financial Times Deutschland, 13.4.2010