Sonntag, 30. März 2008

Homo oeconomicus ist nicht auszurotten

Die Szene habe ich noch lebhaft vor Augen. Es war eine Runde mit lauter Personalern, jeder zuständig für einen eigenen Geschäftsbereich. Vorne stand ein Mitglied der Geschäftsleitung und berichtete über neue Entwicklungen im Unternehmen. Worum es genau ging, ist mir entfallen, aber in seinem Vortrag fiel der folgende Satz: "Meine Damen und Herren, machen wir uns doch nichts vor: Am Ende gibt es nur eine Sache, mit der man Menschen motivieren kann - GELD!" Ich war ziemlich fassungslos und schaute in die Runde. Nichts, keine Reaktion. Unterschiedliche Regungen auf den Gesichtern, aber kein Protest, keine Nachfrage.
Beim Hinausgehen fragte ich einen der Personalleiter: "Wieso hat niemand auf diese Feststellung reagiert? Es kann doch nicht sein, dass die HR-Leute dieses Menschenbild teilen?!" Antwort: "Man munkelt, dass er der nächste Personalvorstand wird!"

Kohle statt Vertrauen

Mal abgesehen von der herausragenden Zivilcourage der HR-Manager scheint der Glaube an den Homo oeconomicus nach wie vor weit verbreitet. Da schreibt Jack Welch in der Wirtschaftswoche 11/2008, dass man Top-Leister "reich machen soll". Und wer wenig Leistung zeige, der solle leer ausgehen, maximal das Grundgehalt bekommen. In der gleichen Ausgabe erklärt uns aber ein Professor der Volkswirtschaft, dass die These des Homo oeconomicus, der kühl kalkuliert und auf seinen Vorteil aus ist, in vielen Experimenten widerlegt ist. Beruhigend für Psychologen, dass man den Volkswirten ebenso wenig Glauben schenkt. Oder eigentlich mehr erschreckend.

Es ist offensichtlich so: Fragt man diejenigen, die die These von der "käuflichen Motivation" vertreten, wie es denn um ihre eigene Motivation bestellt ist, dann hört man immer: "Ich würde für mehr Geld sicher nicht mehr arbeiten - geht ja auch gar nicht. Aber die Mehrheit der Menschen..." Entweder der erste Teil der Aussage ist falsch - was laut der Experimente der Volkswirte unwahrscheinlich ist - oder sie pflegen mit unverbesserlicher Sturheit die These der "Mohrrüben-Motivation", um eben genau das nicht tun zu müssen, was die Experimente nahelegen: Sie müssten anderen vertrauen und sie für das honorieren, was sie von ihnen erwarten. Das aber ist ihnen offensichtlich nicht möglich. Weil sie sich selbst nicht trauen??

Rezensionen zum Thema:
"Bargeld lacht!" und "Empirische Haltlosigkeit", Wirtschaftswoche 11/2008

Mittwoch, 26. März 2008

Regel oder Zufall?

Eigentlich ganz logisch - aber nur eigentlich. Folgendes passierte unserer Familie im letzten Urlaub: Unsere Tochter verspürte den Drang zu duschen und nutzte als erste das geräumige Badezimmer. Kurze Zeit später ertönte ihr Ruf: Das Bad stand unter Wasser, der Abfluss schien verstopft. Sehr ärgerlich, und es dauerte eine Weile, bis wir alles aufgewischt hatten. Kurze Zeit später ging unser Sohn duschen, das Wasser lief brav ab. Wir analysierten beider Duschmethoden, konnten aber keine Unterschiede erkennen. Einen Tag später, zweiter Versuch unserer Tochter, erneute Überschwemmung. Unsere Aufforderung, sie beim nächsten Mal beim Duschen zu beobachten, lehnte sie empört ab. Als dann unser Sohn und auch wir trockenen Fußes das Badezimmer verließen, war unser Verdacht bestätigt: Es musste am Duschvorgang liegen, der Körperhaltung, Bedienung der Amaturen - sie machte offensichtlich einen Fehler beim Duschen.

Erst als sie es dann beim dritten Versuch ohne Überschwemmung schaffte, während ihre Mutter fluchend das Badezimmer trocken wischte, dämmerte uns, dass wir hier zwei zufällige Aufeinandertreffen zu einer Regel gemacht und unsere Tochter fälschlicherweise der Unfähigkeit beschuldigt hatten.

Kausale Zusammenhänge

Ist das nicht ein Fehler, den wir immer wieder begehen? Da steht zweimal innerhalb einer Woche etwas von einem Übergriff auf Obdachlose in der Zeitung, schon machen wir daraus eine Zunahme der Gewalttaten. Ein Mitarbeiter erleidet zum zweiten Mal einen Unfall, er muss etwas falsch machen. Aber auch umgekehrt: Ein Unternehmen trifft zweimal eine richtige Entscheidung, da muss es eine Regelhaftigkeit geben. Diese wird in umfangreichen Artikeln beschrieben und zur Nachahmung empfohlen. Prompt haben wir eine neue Managementmethode entdeckt. Vielleicht sollten wir einfach ein wenig vorsichtiger mit unseren Hypothesen sein und nicht hinter jedem mehrfach beobachteten Vorgang eine Regel vermuten. Oder den genialen Ratschlägen und Erkenntnissen der Experten und Berater glauben, die uns auf Grund ihrer Erfahrungen den ultimativen Erfolg versprechen. Oft genug dürfte es sich um puren Zufall handeln.

Sonntag, 23. März 2008

Gerüchte streuen

Ratgeber, wie man die eigene Karriere beschleunigt, gibt es wie Sand am Meer. Und die Wirtschaftszeitungen sind auch voll davon. Neues ist in der Regel nicht darunter - wo soll das auch herkommen? Was mir aber zunehmend gegen den Strich geht ist die Haltung, die in vielen Beiträgen zum Ausdruck kommt. Die Botschaft lautet: "Plane deine Karriere wie einen Werbefeldzug und bediene dich aller erlaubten Tricks. Leistung allein reicht nämlich schon lange nicht mehr!" Neuestes Beispiel: Die Wirtschaftswoche hat herausgefunden, dass Menschen von Natur aus gerne tratschen und klatschen. Das ist evolutionsbiologisch bedingt, denn je schlechter der Konkurrent da steht, desto besser sind die eigenen Chancen, sich fortpflanzungstechnisch durchzusetzen. Mmmm....

Nun soll der karrierebewusste Manager genau diesen Hang für sich selbst nutzen, indem er für positive Gerüchte über die eigene Person sorgt. Er bringt seinen Namen ins Spiel, wenn bereits ein populäres Gerücht die Runde macht. Er identifiziert die Gerüchteverbreiter im Unternehmen und füttert sie mit den richtigen Informationen. Er entwirft eine Erfolgsstory und stellt seine Erfolge heraus. Und er macht natürlich nicht den Fehler, seine eigenen Wohltaten selbst zu verbreiten, sondern "gewährt zahlreiche Gefallen", so dass andere positiv über ihn sprechen.

Wer so gezielt an seinem eigenen Ruf arbeitet, benötigt sicher eine eigene PR-Abteilung und eine gezielte Strategie. Oder er sucht sich Leute, die seine eigentliche Arbeit bewältigen, damit er sich voll und ganz auf die Verbreitung positiver Gerüchte konzentrieren kann.

Verlogener Blödsinn

Ziemlicher Unsinn, oder? Und was für ein Menschenbild: Nutzen Sie andere zur Verbreitung sensationeller Meldungen, setzen Sie diese wohldosiert für Ihre Zwecke ein und ignorieren Sie die "Kläffer", die Ihnen den Erfolg neiden. Bah...

In der nächsten Ausgabe wird der gleiche Autor dann wieder den Verfall der Werte und die rücksichtlosen Manager beklagen, die nichts anderes als den eigenen Aufstieg im Sinn haben. Wie verlogen. Nur gut, dass diese Tipps eh in der Praxis kaum umzusetzen sind - es sei denn, in der Redaktion der Wirtschaftswoche...

Rezensionen zum Thema:
Buzz-Verstärker / Das jüngste Gerücht, Wirtschaftwoche 10/2008

Montag, 17. März 2008

Managementtraining für Kleinkinder

Wohl dem, dessen Eltern sich frühzeitig Gedanken über berufliche Chancen machen. Es kann gar nicht früh genug sein, denken sich offensichtlich viele, und so boomen Angebote für die lieben Kleinen, denen z.B. schon im Kindergartenalter Englisch beigebracht werden soll. Eine Stunde pro Woche, blanker Unsinn, sagen Lernexperten, so lernen auch Kinder kein Englisch. Was soll's, werden sich die Eltern denken, vielleicht hilft es ja doch.

Noch viel beeindruckender: Da werden Kinder im Alter zwischen 2 und 9 Jahren in Fächern wie Biologie, Astronomie, Ökonomie, Geografie und, man lese und staune, "Ziele und Lebensstrategien" unterrichtet. Dabei werden Rollenspiele und Präsentationen geübt - videounterstützt. Damit der Nachwuchs früh lernt, vor Publikum ohne Lampenfieber frei und selbstbewusst zu sprechen.

Originalzitat: "... erkennen Methoden und Wege, wie man sich Ziele setzt und sie erreicht. Über Rollenspiele lernen sie ihre Gefühle zu analysieren, positive Problemlösungen unter Gleichaltrigen zu suchen und Regeln für die eigene Sicherheit aufzustellen."

Nicht, um hierfür Werbung zu machen, sondern für den Fall, dass Sie es nicht glauben können - das Unternehmen heißt FasTracKids® und hat Lizenznehmer in 40 Ländern. Na, da müsste einem doch noch viel mehr einfallen, um den vorausschauenden Eltern das Geld aus der Tasche zu ziehen. Man könnte Vorbereitungskurse für die theoretische Führerscheinprüfung anbieten, das spart eine Menge Zeit vor dem Abitur. Tischsitten und Anstandsregeln wären ein schönes Unterrichtsfach, das kommt in vielen Elternhäusern ohnehin zu kurz. Oder wie wäre es mit einem Bewerbungstraining? Könnte den Einstieg in die Grundschule erleichtern...

"Halt mal", könnten Sie sagen, "bieten Sie mit der Junior Management School nicht auch Kurse für Schüler an mit Themen, mit denen sonst erst Erwachsene im Berufsleben konfrontiert werden? Und müssen hierfür nicht auch die Eltern bezahlen?" Daran musste ich auch denken, als ich von den Vorschulkindermanagerkursen las. Ich möchte nicht ausschließen, dass es auch eine gewisse Anzahl von Schülern gibt, die auf einen mehr oder weniger starken Druck ihrer Eltern die Möglichkeit der jMS nutzen. Unsere Erfahrung aber zeigt, dass 16- bis 18jährige sehr wohl schon eigene Entscheidungen zu treffen in der Lage sind. Und selbstbewusst genug, wieder auszusteigen, wenn ihre Erwartungen nicht erfüllt werden. Ein erheblicher Unterschied, oder?

Rezension zum Thema:
Baby-Tuning, Financial Times Deutschland vom 20.2.2008

Sonntag, 16. März 2008

Fairer Handel

Geschichten über Unternehmer - im Sinne von Menschen, die etwas unternommen haben bzw. immer noch unternehmen - lese ich gerne. Und ich habe den Eindruck, dass die Zahl der Geschichten deutlich zunimmt. Ob es nun erfolgreiche Unternehmensgründer sind, Tagebücher von Start up-Unternehmern, Frauen, die das Unternehmen ihrer Väter übernommen haben - die Magazine sind voll von solchen Geschichten. Manche sind so, dass ich denke: "Ja, gute Idee", wie die Geschichte vom Pralinenclub. Bei manchen denke ich: "Hätte man selbst drauf kommen können", wie die Geschichte der stillgelegten Bahnhöfe, die ein junger Unternehmer wieder flott gemacht hat. Als ich, um auf sein Unternehmen zu verlinken, nach ihm im Internet suche, fällt mir diese dubiose Geschichte in die Hände - so kann es eben auch gehen, über die Fortsetzung mancher Unternehmergeschichten wird dann eben nicht mehr berichtet.

Die etwas anderen Geschichten

Und dann gibt es Geschichten von Menschen, die nicht nur wegen ihres unternehmerischen Mutes und Ideenreichtums faszinieren, sondern denen es gelingt, mit ihrem Unternehmen einen Nutzen zu stiften, der die Welt ein wenig besser macht. Wie der Verein TransFair, dessen Geschäftsführer im Handelsblatt vorgestellt wurde. Ein ehemaliger Zeitsoldat, der seinen Wehrdienst verweigerte, in Nicaragua für eine Alphabetisierungskampagne arbeitete, Folteropfern aus Lateinamerika half, Vorstandsmitglied bei Amnesty International war und nun Geschäfte mit Lidl macht. Ein Mensch, der Ethik und Unternehmertum auf eine Art verbindet, die überzeugt, und der seine Mitarbeiter sicher nicht in Kindergärten und soziale Einrichtungen schicken muss, damit sie dort lernen, was es heißt, sich sozial verantwortlich zu verhalten.

Und mir kam der Gedanke, Herrn Overath als Dozent für die Junior Management School zu gewinnen, wo er über seinen unternehmerischen Ansatz den zukünftigen Managern sicher höchst Interessantes zu berichten wüsste. Sollte uns das gelingen, werden wir über dieses Erlebnis an dieser Stelle ausführlicher berichten.

Rezensionen zum Thema:
Fairer Händler, Handelsblatt vom 29.2.2008
Schokoladenseite, Handelsblatt vom 18.1.2008
Der Bahnhofsvorsteher, Brand eins 6/2004

Mittwoch, 12. März 2008

Das Loch in der Wand

Ich hatte schon öfter davon gehört, aber erst der Beitrag in der Wirtschaft + Weiterbildung hat meine Neugiert entfacht. Kinder aus indischen Slums, die plötzlich in einem Loch einer Mauer um einen Software-Konzern einen Bildschirm und eine Tastatur entdeckten und innerhalb weniger Minuten den Weg ins Internet fanden. Zufall? Keineswegs, ein Wissenschaftler mit Namen Sugata Mitra wiederholte den Versuch in verschiedenen Städten und beobachtete überall das gleiche Phänomen: Die Kinder lernten nicht nur in Windeseile die Bedienung des Computers, sondern brachten sich sogar selbst die englische Sprache bei. Insgesamt beobachtete der Wissenschaftler und seine Kollegen überall in Indien 40.000 Kinder dabei, die sich gegenseitig unterrichteten und erstaunliche Kenntnisse aneigneten.

Diese bemerkenswerte Geschichte erhält eine geradezu erschreckende Wendung. Sobald man nämlich die Computer in Schulen aufstellte, interessierten sich die Kinder nicht mehr dafür - sie wurden verbunden mit Stundenplänen und Tests. Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit, dann würde ich mich tiefer in die Geschichte von Hole-in-the-Wall vertiefen (wie oft ich mich diesen Satz schon habe sagen hören, seufz...)

Hole-in-the-Wall übertragen?

Nun grüble ich darüber nach, ob sich dieses Prinzip übertragen lässt, etwa auf das Lernen von Erwachsenen oder Jugendlichen. Was dagegen spricht: In Indien nutzten ältere Jugendliche und Erwachsene diese Computerstationen gar nicht oder ließen sich die benötigten Informationen aus dem Internet von kleinen Kindern besorgen. Andererseits: Gibt es nicht auch Situationen, in denen wir als Erwachsene plötzlich unbändigen Spaß daran haben, etwas Neues zu lernen, ohne dass wir uns in einen Klassenraum setzen? Ich denke da an meine ersten Gehversuche mit dem Internet und HTML. Oder an die unbeholfenen ersten Schritte auf Inline-Skates. Am Anfang wollte ich es unbedingt allein hinkriegen, erst später nahm ich Hilfe von "Lehrern" an.

Was also kann man an Stelle eines Computers Jugendlichen oder Erwachsenen vorsetzen, dass sie anfangen, sich gegenseitig zu unterrichten? Was würde passieren, wenn man sie in einen Raum gefüllt mit "Lernstoff" setzt, seien es Bücher, Instrumente, Sportgeräte, Werkzeug...? Ist ja nur so ein Gedanke...

Rezension zum Thema:
Es geht auch ohne Lehrer, wirtschaft + weiterbildung 2/2008

Samstag, 8. März 2008

Teamprämien

Nein, es will mir nicht einleuchten, das ganze Brimborium mit der variablen Vergütung. Da gibt es die ausgefeiltesten Modelle, nach denen Menschen in Unternehmen entsprechend ihrer individuellen "Performance" entlohnt werden. Ob man die Erreichung vorab vereinbarter Ziele als Basis nimmt oder komplizierte Beurteilungen oder was auch immer versucht wird - die Idee ist immer die gleiche und nicht kleinzukriegen. Da können die Vertreter von Teamarbeitsmodellen noch so sehr betonen, wie unsinnig es ist, dass man einerseits von Mitarbeitern erwartet, im Team zu arbeiten, andererseits aber die individuelle Leistung bewertet und entlohnt.

Ist es denn nicht so: Menschen werden eingestellt, um mit anderen Menschen gemeinsam (wirtschaftliche) Ziele zu erreichen. Sind sie erfolgreich, sollen sie natürlich an diesem Erfolg teilhaben, sprich: Einen Teil des Gewinns erhalten, den das Unternehmen dank ihrer Arbeit einstreicht. Aber warum will man bei der Verteilung des Gewinns Unterschiede machen? Gibt es diese nicht im Gehalt? Drückt nicht das Gehalt aus, dass Menschen unterschiedlich "wertvolle" Beiträge zum Gesamtergebnis leisten? Da ist die Welt des Sports weitaus logischer: Mannschaften bekommen Siegprämien, da käme keiner auf die Idee, jeden einzelnen noch einmal gesondert zu entlohnen, nachdem der Trainer einen hochkomplexen Bewertungsbogen ausgefüllt hat. Ein Mannschaftssportler weiß, dass er einmal von der Leistung seiner Mitspieler profitiert so wie er an einem anderen Tag durch seine Leistung den Kollegen die Prämie sichert. Einzelsportler hingegen kassieren ihre Einzelprämie, und wenn sie mal schlecht drauf sind, gibt es eben keine Kohle.

Ideenmanagement und Teamprämien

Wie ich auf das Thema komme? Eine Firma mit Namen Rose Plastic sorgt dafür, dass die Mitarbeiter regelmäßig in Gruppen über neue Ideen diskutieren. Wie in so vielen Unternehmen werden die umgesetzten Ideen auch prämiert, allerdings gehen die Prämien hier an die Gruppe - auch wenn die Ideen usprünglich von einzelnen Mitarbeitern stammen mögen. Ich habe keine Ahnung, ob die "Urheber" das mitunter als unfair erleben, aber ist das in diesem Fall nicht völlig egal? Das Unternehmen macht damit deutlich, dass es nicht um den Erfolg eines einzelnen, sondern um den des Unternehmens geht. Ganz konsequent wäre es, die Prämien auf alle Mitarbeiter zu verteilen, aber hier stößt man natürlich schnell an Grenzen der "Gruppengröße".

Mein Fazit: Wer als "Einzelkämpfer" entlohnt werden will, der darf eben keinen Mannschaftssport betreiben, sprich: nicht in eine "Wirtschaftsgemeinschaft" eintreten, sondern muss als sich selbstständig machen. Und Unternehmen, die immer noch glauben, dass sie mit Einzelprämien für "Gerechtigkeit" und "Leistungsorientierung" sorgen, sollten sich überlegen, ob sie wirklich von Einzelleistungen abhängig sein wollen.

Rezension zum Thema:
Das richtige Klima für neue Ideen, Personalmagazin 10/2007

Donnerstag, 6. März 2008

Personalentwicklung für Lehrer

Nun hat mich das Thema doch stärker "gepackt" als gedacht. Ein Satz in einem Artikel über die Organisation "Teach First" erinnerte mich an eine Diskussion, die wir schon oft geführt haben. Der Satz lautet: "Die besten Lehrer sind diejenigen, die auch außerhalb der Schulen Erfahrungen gemacht haben." Nun kann ich mich an Lehrer erinnern, die zu meiner Zeit aushilfsweise Physikunterricht gegeben haben und dermaßen schlecht erklärten, dass der letzte Rest an Interesse bei mir und vielen anderen erlosch. Aber niemand sagt, dass Lehrer, die auch mal was anderes kennengelernt haben, automatisch gut sein müssen. Andererseits: Wer einmal eine Zeit lang vor Schulklassen gestanden hat, der kann sich lebhaft vorstellen, dass eine Tätigkeit in einer anderen Aufgabe nicht nur als Abwechslung, sondern als extreme Bereicherung erlebt werden müsste. Kann es sein, dass "Lehrer" eigentlich gar kein Beruf auf Lebenszeit sein sollte? Wäre es denkbar, dass Menschen unterschiedlicher Herkunft, Ausbildung und Erfahrung vor Schülern stehen, dies aber nur in einer begrenzten Phase ihres Berufslebens?


Ich finde, die Idee hat was. Bei "Teach First" werden Absolventen in einem Crashkurs auf die Herausforderungen in schwierigen Klassen vorbereitet, und wie es scheint, findet ihr Wirken vor den Augen der englischen Schulaufsichtsbehörde begeistere Zustimmung - was offensichtlich etwas heißt. Dass ein solcher Crashkurs kein Pädagogik-Studium ersetzt, dürfte klar sein. Dass ein Pädagogikstudium noch lange keinen Lehrer "macht", aber auch. Und wenn ich unsere Erfahrungen bei der Junior Management School betrachte, dann erleben wir Dozenten, denen es gelingt, Schüler für eine Materie zu begeistern, die jeder andere als "trocken" bezeichnen würde. Und diese Dozenten sind im "richtigen" Leben keine Lehrer.

Rezension zum Thema:
Mission im Klassenzimmer, Handelsblatt vom 22.2.2008

Dienstag, 4. März 2008

Gesunder Wettbewerb?

Zwei Artikel in der Financial Times Deutschland fordern einfach einen Kommentar zum Thema "Anreizsysteme" heraus. Der eine zeigt auf, wie der Schraubenhersteller Würth ein Heer von 30.650 Außendienstlern mit Hilfe eines ausgefeilten Prämiensystems weltweit zu Höchstleistung anspornt. Es gibt A-, B- und C-Verkäufer, es gibt Dienstwagen, die den Status dokumentieren. Es gibt den Erfolgs-Club und den Top-Club, in den man aufgenommen wird, wenn man einen Umsatz von über 75.000 Euro pro Monat erzielt. Und es funktioniert seit vielen Jahren, der Erfolg gibt dem System recht. Es ist wie ein Sog, von dem alle mitgerissen werden. Einen Satz in dem Beitrag kann man leicht überlesen: Sog wird erzeugt durch Kontrolle. Eins steht fest: Ein solches System funktioniert, wenn man es genau kontrolliert. Und genau das geschieht offensichtlich bei Würth: Die Zahlen werden täglich abgerufen, und sie allein geben den Ausschlag. Zitat Reinhold Würth: "Das System weiß immer Bescheid."

Ist das ein Beleg für die These, dass man eben nur ein ausgefeiltes Anreizsystem schaffen muss, um Leistung und Erfolg zu garantieren? Ein weiterer Satz in dem Beitrag scheint mir fast ebenso wichtig zu sein. Er stammt von einem Verkäufer, der hier zitiert wird mit den Worten: "Ich glaube, es funktioniert nur dann, wenn man Spaß hat." Ob das für alle 30.000 Außendienstler gilt, darf man bezweifeln, aber würde es nicht zumindest für einen Großteil zutreffen, könnte Würth nicht so erfolgreich sein.

Anreizsystem für Ärzte

In einem anderen Beitrag wird berichtet, dass es Pilotversuche von Krankenkassen gibt, die Ärzte erfolgsorientiert bezahlen wollen. So wie bei Würth die Zahl der verkaufen Schrauben gemessen werden, so könnte man den Erfolg von Ärzten daran ablesen, ob die Blutwerte ihrer Patienten sich verbessern. Oder an der Zeit, die verstreicht, bis ein krank geschriebener Angestellter wieder an die Arbeit geht. Man muss kein Prophet sein um zu erkennen, dass die "Nebenwirkungen" erheblich sein werden. Ich stand einmal im Eingangsbereich einer Arztpraxis und bekam mit, wie ein Patient verkündete, dass er unmöglich wieder an die Arbeit gehen könne und der Arzt schließlich die Verantwortung dafür tragen würde, wenn er einen Rückfall erleiden würde. Ich höre ihn schon sagen: "Herr Doktor, Sie wollen doch bestimmt Ihre Erfolgsprämie einstreichen. Dann schreiben Sie mich mal schön krank und ich verspreche Ihnen, dass ich innerhalb der Frist wieder an meinen Arbeitsplatz zurückkehre." Das Controlling-Instrument möchte ich kennen lernen, das diese Nebenwirkung verhindern hilft.

Schlimmer aber wird eine zweite Nebenwirkung sein: Warum sollte ein Arzt einen Patienten behandeln, von dem er weiß, dass die Erfolgsaussichten gering sind, während zehn andere mit positiven Prognosen warten? Weil er den Eid des Hippokrates geschworen hat, sicher. Der Schraubenverkäufer verhält sich keineswegs unethisch, wenn er vor allem diejenigen Kunden aufsucht, von denen er sich einen prächtigen Auftrag verspricht und zu allerletzt jene besucht, die von seinen Produkten weniger halten. Gelingt es ihm dennoch, den unwilligen Käufer zu überzeugen, kann er sich auf die Schulter klopfen. Was aber ist mit dem Patienten, der trotz allen guten Willens eben nicht innerhalb der (Prämien-)Frist wieder gesund wird?

Für mich machen diese Überlegungen einmal mehr deutlich, wie naiv so manche Strategen mit "Motivationsinstrumenten" umgehen. Zudem zeigen die beiden Beispiele, dass sich sogenannte "Erfolgsrezepte" eben keineswegs beliebig übertragen lassen. Eigentlich nicht wirklich überraschend, oder?

Rezensionen zum Thema:
Die Außendienstarmee, Financial Times Deutschland 8.2.2008
Der Reiz des Geldes, Financial Times Deutschland medbiz 2/2008

Montag, 3. März 2008

Baustelle Schule?

Ich weiß, damit mache ich mir keine Freunde. Aber ein Artikel in der managerSeminare zum Thema "Training und Schule" gibt mir den Anlass, das hier mal loszuwerden. Wenn wir Schüler an der Junior Management Schule (jMS) fragen, was sie von dem Unterricht in dieser Initiative erwarten, dann ist uns eine Antwort gewiss: "Auf jeden Fall nicht so wie Schule!"

Das ist bitter, aber deckt sich mit meinen Erfahrungen als Vater. Meine Kinder gehen gerne zur Schule, und ich glaube, dass sie es dort auch gut angetroffen haben. Dennoch höre ich auf die Frage: "Wie war's?" viel zu oft die einförmige Antwort: "Langweilig!" Wie kann das sein?

Wie kann Physik langweilig sein angesicht der unglaublichen Technologien, die uns das Leben heute erleichtern? Wie kann Chemie langweilig sein, wo unser ganzes Dasein von Chemie umgeben ist? Und Sprachen erst. Wieso singen die Kids ganze Lieder ihrer Lieblingsinterpreten auf Englisch mit, aber finden Englisch öde? Oder Geschichte? Ich erinnere mich, dass ich mich in Geschichte zu Tode gelangweilt habe, und heute werden historische Romane verkauft wie warme Semmel...


Video: Ausschnitt aus dem jMS-Unterricht "Gesprächsführung".

Geht das nicht anders? Es muss anders gehen, und die Arbeit am Curriculum der jMS zeigt mir, dass es anders geht. Allerdings ist der Zeitaufwand, den wir in ein dreistündiges Unterrichtsmodul stecken, erheblich, und trotzdem müssen wir manchmal jede Menge Anpassungen vornehmen, um die erwünschte Wirkung zu erzielen. Und wir greifen die Anregungen von Dozenten auf, die aus dem Unterricht kommen und Neues ausprobiert haben. Keine Frage, diesen Aufwand könnte ein Lehrer kaum betreiben. Oder doch? Ich weiß es nicht, aber ich bin davon überzeugt, wenn Lehrer ihre Erfahrungen austauschen, ihre besten Methoden weitergeben und voneinander lernen würden, würden die Chancen auf einen Unterricht, der alles andere als langweilig ist, drastisch steigen. Utopisch?

Rezensionen zum Thema:
Training trifft Schule, managerSeminare 12/2007

Müllhaufen Mitmach-Web?

Ich gebe zu, ich finde die Idee des Web 2.0 faszinierend: Wer von einer Sache Ahnung hat, stellt dieses Wissen anderen zur Verfügung und bekommt dafür deren Wissen zurück. Und da es dank der Web 2.0-Technologie so extrem einfach geworden ist, Wissen zu dokumentieren, sind die Hürden so niedrig wie noch nie. Unternehmen hoffen darauf, dass mit dieser Technologie endlich das Problem des "Wissensmanagement" gelöst wird, denn der Ansatz mit den Datenbanken, in die die Mitarbeiter ihr Know how einstellen und das dann von allen anderen bei Bedarf abgerufen wird, war schon bei der Entstehung fragwürdig.

Aber trägt die Idee? Wikipedia scheint der alles erschlagende Beweis zu sein. Wer sollte noch ein Lexikon oder eine CD mit Wissen erwerben, wenn es das ganze Wissen der Welt kostenlos im Netz der Netze gibt? Als entstehen tausende von Wikis, und das Wissen nimmt kein Ende.

Unsinn, sagt ein Medienunternehmer namens Andrew Keen, der ein Buch mit dem Titel "The Cult of the Amateur" geschrieben hat. Er hält wenig vom Mitmach-Web, wie er in einem Interview der managerSeminare verrät. "In Amerika gibt es einfach zu wenig qualitativ guten Content", sagt er. Nur in Amerika?
Die eigentliche Frage ist: Kann es funktionieren, dass wir Wissen, Filme, Musik, also vor allem immaterielle Güter, in Zukunft kostenlos erhalten? Keen argumentiert, dass, wenn es so käme, kein Mensch mehr eine Enzyklopädie kaufen würde, und das sei katastrophal für die Wirtschaft.

Aber genauso ist es ja: Brockhaus hat angekündigt, genau das zu tun: Das Wissen kostenlos ins Netz zu stellen. Vorbei die Zeiten, in denen eindrucksvolle Buchrücken im Wohnzimmerschrank intellektuelle Ansprüche dokumentierten. Keen fordert, dass die Experten wieder das Sagen haben sollten, und sie müssen den ach so verwöhnten Konsumenten endlich klar machen, dass es gute Inhalte gar nicht umsonst geben kann.

Was heißt "kostenlos"?

Aber vielleicht ist das alles gar nicht umsonst. Wir alle bezahlen dafür, und zwar mit der Duldung von Werbung. Mal zu Ende gedacht: Geniale Inhalte gibt es überall, finanziert von Unternehmen, die sich erhoffen, dass die Konsumenten andere Produkte erwerben, die irgendwie das Interesse der Zielgruppe treffen. Dann sind Filme nichts anderes als Transportmittel für Produkte (was zumindest bei James Bond Streifen schon perfekt funktioniert), und Musik dient nur der Untermalung von Werbebotschaften.

Und Wissen? Es wird so sein wie bei den kostenlosen Werbeblättchen in meinem Briefkasten. Die Inhalte sind so mies, dass einem das Papier leid tut, auf dem es gedruckt wird. Und wer will mir weismachen, dass die Werbetreibenden keinen Einfluss auf die Inhalte nehmen? Insofern tendierte ich dazu, Herrn Keen recht zu geben: Wer qualitativ hochwertiges Wissen haben möchte, wird auch in Zukunft dafür zahlen müssen. Und wer gute Musik und gute Filme sehen will, wird diese nicht bei You Tube und seinen Ablegern finden. Bleibt also die Frage, wie groß der Markt für Qualität ist. Und da bin ich mir dann wieder nicht mehr so sicher - zumindest wenn ich die Qualität der Fernsehformate betrachte, mit denen wir täglich belästigt werde.

Rezension zum Thema:
Web-2.0-Ideologen sind wirtschaftliche Analphabeten, managerSeminare 12/2007