Dienstag, 19. April 2011

Spuren hinterlassen

Ich erinnere mich gut an den Satz: "Frag dich immer, welche Spuren du in der Welt hinterlassen möchtest!" Ausgesprochen hatte ihn ein älterer Kollege, der einen großen Teil seines Berufslebens mit der Pflege seiner Karriere verbracht hatte. Die Erkenntnis, dass Karriere nicht alles ist, hatte ihn spät, aber nicht zu spät erreicht, fortan widmete er sich Interessen und Talenten, die lange brach gelegen hatten.

Der Satz mit den Spuren ist mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen, und diese Woche fand ich ihn in einem Aufsatz eines Harvard Professors, der seinen Studenten etwas über den Sinn des Lebens erzählt. Mal abgesehen davon, dass der Beitrag nur so trieft vor banalen Beispielen und Lebensweisheiten, so finde ich einen Rat doch interessant: Er ist der Meinung, dass die Studenten die Zeit des Studiums zum Nachdenken nutzen sollten. Eine Stunde am Tag mit Lesen und Denken zubringen, sich darüber klar werden, was ihnen wichtig ist, worum es ihnen wirklich geht, eben darüber, "welche Spuren sie in der Welt hinterlassen möchten". Später, als Manager, würde ihnen diese Zeit in der Regel fehlen.

Wir greifen das Thema regelmäßig bei den Schülern der Junior Management School auf beim Modul "Motivation und Werte". Anders als der Harvard Professoer verzichten wir aber darauf, Tipps zu geben von der Art: "Bleib deinen Prinzipien treu!" oder "Sorge dafür, dass deine Familie zur Quelle dauerhaften Glücks wird!" Wir sind immer wieder überrascht, wie klar schon die Wertehierarchie bei 17jährigen ausgebildet ist, welch unterschiedliche Position die Werte "Familie" oder "Karriere" einnehmen und wie sicher sich die Jugendlichen darin auch sind. Uns bleibt dann kaum anderes als die Botschaft zu vermitteln: "Entscheide im Sinne deiner Werte, aber sei dir über die Konsequenzen klar und mache nachher nicht andere dafür verantwortlich, wenn die (Neben-)Wirkung deiner Entscheidungen dann tatsächlich eintritt."

Kann man mehr erreichen? Kann man im Alter von 20 Jahren die Frage "Welche Spuren möchtest du auf dieser Welt hinterlassen?" wirklich beantworten? Gehört da nicht weitaus mehr Lebenserfahrung zu als ein paar Jahre Schulzeit und das eine oder andere Praktikum? Eine ernst gemeinte Frage: Welchen Rat würden Sie jungen Menschen geben außer dem, die Augen offen zu halten, wachsam und neugierig zu sein, sich stets zu fragen, ob das sie das, was sie tun und wie sie es tun, auch später noch vor sich selbst vertreten werden können?

Rezension zum Thema:
Der Sinn des Lebens, Harvard Businessmanager 1/2011

Dienstag, 12. April 2011

"Bei uns geht das nicht"

Alle Welt redet davon, dass sich Unternehmen verändern müssen, wenn sie den zukünftigen Anforderungen gewachsen sein wollen. Mehr noch: Wenn sie sich nicht ändern, dann werden sie bald aufhören zu existieren, weil sie einfach keine Leute mehr anlocken werden, die für sie arbeiten möchten.

Doch wenn es um grundlegende Änderungen geht, ist es vorbei mit der Begeisterung für Neuerungen. Wie ich darauf komme? Der Chef einer IT-Verbundgruppe hat ein Firmen-Wiki eingeführt und wird zu dem Thema als Vortragender eingeladen. Die Reaktionen lauten: "Coole Sache, aber bei uns geht das nicht." Kommt mir irgendwie vertraut vor. Über Offenheit und Vertrauen zu reden und solche Werte in aufwendige Firmenphilosophien zu schreiben, ist eine Sache. Sie umzusetzen eine völlig andere.

Bei der SYNAXON AG wurde ein Firmen-Wiki eingerichtet, in dem nahezu sämtliche Informationen abgelegt sind. Nur noch wenige Dinge sind bestimmten Führungskräften allein zugänglich (Daten bei Firmenübernahmen, Gehälter, Mitarbeiterbeurteilungen), ansonsten kann jeder auf alles zugreifen. Mehr noch: Jeder kann jeden Text bearbeiten, Führungskräfte haben lediglich ein Vetorecht. Was das bedeutet, ist an einem Beispiel anschaulich erklärt: Jemand kann ohne weiteres seine Stellenbeschreibung ändern und damit seine Verantwortlichkeiten heraufsetzen, und das würde dann ab sofort gelten. Denn auch sämtliche Regeln stehen in diesem Firmen-Wiki.

Offizielle Kontrollinstanzen hierzu gibt es offenbar nicht, stattdessen setzt man auf soziale Kontrolle. Da die Änderungen nicht anonym gemacht werden können, wird sich jeder gut überlegen, welche Informationen er ins Netz stellt.

Der "Erfinder", Frank Roebers, erklärt das so: Man gewährt einen enormen Vertrauensvorschuss, denn man geht davon aus, dass Mitarbeiter verantwortungsbewusste Menschen sind. Erst wenn das Vertrauen missbraucht würde, schreitet man ein. Bei den meisten anderen Unternehmen sei es genau umgekehrt: Man beginnt mit Misstrauen und lässt dann ausnahmsweise hier und da mal Vertrauen walten.

Er wundert sich, dass bei seinen Vorträgen alle ganz begeistert sind, aber es dann doch niemand nachmacht. Das Phänomen ist interessant, und der Satz: "Bei uns geht das nicht!" ist mir auch schon oft begegnet. Vermutlich entspringt er in den meisten Fällen auch einer tiefen Überzeugung nach dem Motto: "Wenn ich mir das bei unseren Mitarbeitern vorstelle, gibt das ein heilloses Chaos." Oder aber, wenn man es nicht mit dem Top-Management zu tun hat: "Wenn ich das unseren Chefs erzähle, werde ich nur völliges Unverständnis ernten." Wie schön, dass es dann doch immer wieder Beispiele von Unternehmern gibt, die solche Glaubenssätze überwinden.

Wer die Hoffnung noch nicht aufgegeben hat und Frank Roebers für einen Vortrag buchen möchte, der findet auf seiner Seite ein ganz spannendes Angebot. Ungewöhnlich.

Rezension zum Thema:
Wie ein Wiki Unternehmen radikal verändern kann, wirtschaft + weiterbildung 2/2011

Sonntag, 10. April 2011

Freiheit oder Sicherheit?

Ein Beitrag, der dieses Gefühl im Bauch erzeugt - kennen Sie das? Ein Stück Bewunderung, ein wenig Sehnsucht, ein bisschen Aufbruchstimmung. Es geht um vier kurze Portraits in der Brand eins von Menschen, die "ihr Ding" machen. Ein Maler, der eher ein Kunsthandwerker ist. Ein abgebrochener BWL-Student, der nie vor hatte, zu Ende zu studieren und mit seinem Partner ein Internet-Unternehmen betreibt. Eine Designerin, die skurille Bücher verfasst und Projekte für mehr als ein (Berufs-)leben im Schrank liegen hat. Ein Schüler, der sehnsüchtig darauf wartete, dass er 18 wurde, um Apps für das iPhone zu entwickeln. Und der nichts von linearen Lebensläufen hält.

Ein Zitat hieraus: "Irgendeinen Preis bezahlt man immer. Entweder den der Freiheit oder den der Sicherheit." So einfach ist es, in der Tat. Genauso habe ich es immer erlebt. Es ist schwer, sich selbst treu zu bleiben, wenn man angestellt ist. Und sich Sorgen zu machen und schlaflose Nächte zu haben, wie die Designerin erzählt, gehört wohl auch zum Preis der Freiheit.

Allerdings: Ganz so einfach ist es auch wieder nicht. Ich weiß, dass man angestellt sein und trotzdem (relativ) viel Freiheit genießen kann. Und inzwischen haben viele Menschen erfahren müssen, dass man angestellt sein kann und das mit der Sicherheit ein Trugschluss ist.

Umgekehrt: Auch als Selbstständiger kann ich das Gefühl von Sicherheit erleben. Eine Sicherheit, die von innen kommt. Andererseits ist das mit der Freiheit so eine Sache: Kaum ein Zwang ist stärker als jener, den man sich selbst auferlegt.

Rezension zum Thema:
Die tun was, Brand eins 3/2011

Dienstag, 5. April 2011

Eine einfache Philosophie

Banal, bekannt und nicht mehr als eine Fußnote wert. Oder doch nicht so banal? Ich bin auf jeden Fall über einen Absatz eines Artikels gestolpert, in dem über ein Mitarbeiterbeteiligungsmodell eines Handwerksbetriebes berichtet wird. Dort wird als Credo des Unternehmers genannt: "Nur mit zufriedenen Mitarbeitern kann ein Unternehmen erfolgreich Kunden gewinnen." Aber wie sorgt man für zufriedene Mitarbeiter? Auch das weiß der Unternehmer und nennt drei Merkmale:

  1. Die Tätigkeit muss Freude bereiten.
  2. Das soziale Umfeld muss stimmen.
  3. Die Mitarbeiter müssen ein vernünftiges Auskommen erzielen 
Ich habe keine Ahnung, ob der Handwerker die vielen Veröffentlichungen von Studien zum Thema "Motivation" oder "Was sich Absolventen von ihrem Arbeitgeber wünschen" verfolgt hat. Dort finden man in schöner Regelmäßigkeit genau diese Faktoren, meist sogar in der gleichen Reihenfolge: Interessante, herausfordernde Tätigkeit, nette Kollegen und ein gerechtes Entgelt. So einfach kann Mitarbeiterführung sein.

Dazu hat dieser Handwerker noch etwas ganz "Revolutionäres" eingeführt: Er beteiligt die Mitarbeiter am Erfolg. Wohlgemerkt: Er hat sich ganz bewusst gegen ein Prämiensystem entschieden. Noch ein Zitat: "Jeder sollte für seine normale gute Leistung am Gewinn beteiligt werden und nicht mittels einer Prämie für eine besondere Leistung." Und nun kommt etwas ganz Entscheidendes: Wer Mitarbeiter am Erfolg beteiligt, der sollte tunlichst auch die Frage nach der Höhe des Unternehmensgewinns beantworten können. Denn was geschieht sonst? Die Mitarbeiter stellen alle möglichen Vermutungen an über den Unternehmensgewinn und entwickeln völlig unrealistische Erwartungen. Diesen kann man nur mit Transparenz und Offenheit begegnen.

Genau das geschieht in dem kleinen Unternehmen. Regelmäßig werden beim "ZDF-Frühstück" (Zahlen-Daten-Fakten) die aktuellen Zahlen präsentiert. Was wiederum voraussetzt, dass die Mitarbeiter diese auch verstehen. Also nahmen sie zuerst an einer betriebswirtschaftlichen Schulung teil.

Sieh an, sieh an, dachte ich. Ich habe so manche Weiterbildungsprogramme erlebt, aber dass Mitarbeiter darin geschult werden, betriebswirtschaftliche Kennzahlen zu interpretieren und nachzuvollziehen, ist alles andere als "normal". Da könnte so mancher Konzern sich ein Scheibchen abschneiden.

Für alle, die sich für den innovativen Handwerker interessieren: Die Rede ist von der Team Steffen AG in Alsdorf. Ich war neugierig und habe mich ein wenig auf der Homepage umgeschaut. Der Besuch lohnt sich. Ich bin erneut auf Bemerkenswertes gestoßen. Unter "Unternehmensphilosophie" fand ich die mehr oder weniger typischen Sätze in solchen Texten, aber daneben gibt es einen Link, über den man zu einer Erklärung zur Unternehmensphilosohpie" gelangt. Dort erzählt der Inhaber, welche Überlegungen hinter den Sätzen stehen. Eine interessante Lektüre. Ob der Tippfehler in dem Link als Beweis dienen soll, dass Fehler wirklich erlaubt sind, weiß ich allerdings nicht :-)

Rezension zum Thema:
Kleine Maßnahmen ganz groß, Personalmagazin 2/2011