Mittwoch, 28. Oktober 2009

Persönlichkeitstests und Journalismus

Um das vorweg zu schicken: Ich bin sehr vorsichtig, was Persönlichkeitstests angeht, erst recht, wenn sie als Ergebnis den Probanden bestimmten Typen zuordnen. Von wegen Schubladendenken, Vereinfachung und Stigmatisierung. Plötzlich gilt man als roter oder blauer Typ, als dominant oder gewissenhaft, als intro- oder extravertiert und für alle möglichen Aufgaben nicht mehr geeignet. Die Eignung oder fehlende Eignung mag zwar viel mit der Persönlichkeit zu tun haben, sie aber auf einen Typen zu reduzieren, dürfte Menschen selten gerecht werden.

Soweit teile ich die Kritik an "Typentests" und war ganz neugierig, als ich in einer Beilage der Financial Times Deutschland einen Beitrag über solche Tests las. Wissenschaftlern stünden die Haare zu Berge, hieß es dort. Und weiter über das HBDI (Herrmann Brain Dominance Instrument) - das ich nicht kenne - "Kein Wunder, dass HBDI bei einer Untersuchung von 23 Persönlichkeitstests durch die Stiftung Warentest auf dem vorletzten Platz landete."

Nanu, dachte ich, die Stiftung Warentest hat Persönlichkeitstests unter die Lupe genommen? Da hätte ich gerne gewusst, wie denn die mir bekannten Verfahren abgeschnitten haben. Ein MWonline-Leser schickte mir den Titel des Beitrags, es ging um Online-Tests zur Selbsteinschätzung. Das klang schon anders. Ich investierte 2 Euro und lud mir den Beitrag herunter. Erste Überraschung: Er stammt von März 2007, ein alter Hut also schon, und heißt: Eignungsprüfung im Netz. In der Tat wurden hier 23 Tests analysiert und bewertet, doch dann die zweite Überraschung: Es sind bei Weitem nicht nur Persönlichkeitstests, sondern auch Berufsinteressentests, Berufseignungstests und sogar ein "Fähigkeitentest".

Als nächstes staunte ich, dass die 23 Tests in 9 Tests für Jugendliche und 14 für Erwachsene unterteilt wurden - da konnte gar kein Verfahren den vorletzten Platz unter 23 belegen. Die Krönung aber ist: Der HBDI wird zwar als vorletzter Test aufgeführt, aber er schneidet mit der Note "befriedigend" besser ab als fünf andere Tests. Der Grund, warum er weiter hinten gelistet ist, wird auch erklärt: "Die Angebote von Herrmann Internation Deutschland ... umfassen zusätzlich zum Test eine persönliche Beratung. Sie sind daher nur bedingt mit den übrigen Tests vergleichbar. Deshalb haben wir sie in der Tabelle abgesetzt."

Noch einmal: Ich bin nach wie vor solchen Verfahren gegenüber sehr vorsichtig. Aber so wie in dem Beitrag der FTD mit Zitaten umgegangen wird, ist schlechter Journalismus. Da drängt sich der Verdacht auf, dass es gar nicht um eine kritische Bewertung geht. Worum dann?

Rezension zum Thema:
Beliebt, aber umstritten, Financial Times Deutschland vom 21.9.2009

Montag, 26. Oktober 2009

Über Fairness und Gerechtigkeit

Wenn Menschen sich vom Unternehmen fair behandelt fühlen, etwas als gerecht erleben, dann sind sie im Gegenzug auch bereit, sich für dieses Unternehmen zu engagieren, es praktisch "mit gleicher Münze heimzuzahlen". Banal? Eigentlich schon. Weshalb man sich angesichts der Forschung zu diesem Thema fragt, was es denn da noch zu forschen gibt. Aber gut, die Kollegen Sozialpsychologen sollen ja auch was zu tun haben.

Was passiert, wenn Menschen sich unfair behandelt fühlen? Erhöht sich damit die Wahrscheinlichkeit, dass sie das Unternehmen ausnutzen, Dinge mitgehen lassen, Arbeitszeit stehlen, ihren Einsatz zurückfahren? Natürlich, sie werden versucht sein, die "erlebte Ungerechtigkeit" mit gleicher Münze "heimzuzahlen."

Wie in einer Studie eben jener Sozialpsychologen nachgewiesen. Dabei hatte man zwei Fabriken eines Unternehmens verglichen. In beiden hatte man Gehaltskürzungen verkündet. Aber während in der einen die Kürzungen ausführlich begründet und mit den Mitarbeitern diskutiert wurden (auch "informationale Gerechtigkeit" genannt), hatte man den Mitarbeitern in der anderen Fabrik die Entscheidung nur lapidar mitgeteilt.

In der Zeit unmittelbar nach der Informatione erfasste man die Lagerbestände. Oder besser: Den Schwund der Lagerbestände. Und siehe da: In beiden stieg die Zahl der "vermissten"
Gegenstände an. In der ersten Fabrik allerdings nur geringfügig, in der zweiten jedoch erheblich. Das, was man den Mitarbeitern "weggenommen" hatten, holten sich diese auf nicht legale Weise zurück. Allerdings jene, die sich anständig behandelt fühlten, nicht im gleichen Ausmaß. Sie fühlten sich offensichtlich verpflichtet, ebenfalls Anstand zu zeigen. Die meisten wenigstens.

Wer hat Schuld?

Als ich ähnlich einmal in einem Seminar mit Führungskräften argumentierte, entrüsteten sich diese: "Sie wollen doch nicht den Vorgesetzten die Schuld geben, wenn Mitarbeiter stehlen? So weit kommt es noch. Unzureichende Information darf doch keine Rechtfertigung für Diebstahl sein!"

Knapp daneben ist auch vorbei. Wie so oft wechseln viele in dieser Diskussion auf eine andere Ebene, nämlich auf die moralische: Ist es richtig, mit Diebstahl zu reagieren? Und wer hat hier Schuld? (Nebenbei bemerkt: Würde man diejenigen, die sich so aufregen, fragen, wie viele Steuertricks sie kennen, um Vater Staat ein wenig von dem vorzuenthalten, was dieser so unfair einsackt, würde man sicher manchen Experten finden.)

Natürlich ist es nicht richtig, auf erlebte Ungerechtigkeit mit einem Eigentumsdelikt zu reagieren. Aber was ist die Konsequenz? Das Lager mit Videokameras überwachen, eine Detektei engagieren und die Diebe auf frischer Tat ertappen?

Wer über gesunden Menschenverstand verfügt, weiß, dass es für fairen Umgang miteinander keine echte Alternative gibt.

Rezensionen zum Thema:
Fairness lohnt sich! Welche Bedingungen innovatives Verhalten fördern, Wirtschaftspsychologie-aktuell 4/2008
Erlebte Ungerechtigkeit: Warum Mitarbeiter ihr Unternehmen schädigen, Wirtschaftspsychologie-aktuell 4/2008

Sonntag, 25. Oktober 2009

Wertschätzung als Holschuld?

In einem Leserbrief in der managerSeminare 10/2009 schrieb ein Herr Jäger: "Wertschätzung ist eine Holschuld". Der Mitarbeiter sollte sich auf den Weg begeben, sich diese Wertschätzung bei seinem Chef abzuholen. Gemeint ist: Sie sich zu verdienen, und zwar durch Leistung. Bekommt er sie nicht, sollte er seinen Chef abwählen. Die Abteilung wechseln, das Unternehmen wechseln oder noch besser: Selbst Chef werden.

Der Brief bezog sich auf einen Artikel (Vom Wert der Wertschätzung), in dem es (wieder einmal) darum ging, dass Menschen Anerkennung benötigen, und dass es Aufgabe von Vorgesetzten ist, ihnen diese zu "gewähren". Also eine Bringschuld...

Ja, was denn nun? Herr Jäger möchte ein Buch mit dem provozierenden Titel "Ausgekuschelt" verkaufen, also provoziert er. Aber hat er nicht Recht?

Die Antwort lautet: Hängt vom Empfänger der Botschaft ab. Steht der Mitarbeiter vor mir und klagt, wie wenig Anerkennung er erhält, dann würde ich ihm wie Herr Jäger raten, sich die Wertschätzung zu verdienen und, wenn sie dennoch ausbleibt, versuchen, den Chef zu wechseln.
Spreche ich mit der Führungskraft, die sich über fehende Loyalität beklagt, würde ich ihr empfehlen, es mal mit Wertschätzung zu probieren.

Solchen Diskussionen begegne ich immer wieder. Der eine argumentiert mit Blick auf die Vorgesetzten und hält ihnen ihre Versäumnisse vor, der andere hat den Mitarbeiter im Blick und reibt ihnen ihre Opferhaltung unter die Nase. Eben alles eine Frage der Perspektive...

Gesetz der zwei Füße

Freuen Sie sich auf Besprechungen? Oder sind sie eher eine Last, weil sie Ihre Zeit stehlen? Stunden, die Sie sinnvoller verbringen könnten? In denen Sie stattdessen gelangweilt herumsitzen, frustlosen Diskussionen beiwohnen, sich über ständig wiederkehrende Argumente ärgern, und am Ende dann doch nichts entschieden wird?

In der Tat stöhnen viele Menschen über die Flut an Meetings, ohne etwas daran zu ändern. Dabei gibt es Literatur genug zu dem Thema, und die Ratschläge, wie man es besser macht, kennt man im Grunde alle: Eine sorgfältige Vorbereitung, Unterlagen vorher verteilen, Killerphrasen unterbinden, Störungen behandeln, die Redezeit begrenzen, Entscheidungen protokollieren usw. usw. Wer mehr davon sucht, ist in der MWonline-Ideenfabrik gut aufgehoben. Warum hilft all das dennoch nicht weiter?

Als ich zum ersten Mal von Open Space hörte, dachte ich: "Das ist es. Man sollte das Gesetz der zwei Füße überall verbindlich einführen." Bedeutet: Wer auf einer Besprechung das Gefühl hat, nicht wirklich zum Thema etwas beitragen zu können oder nicht Neues zu erfahren, der verlässt die Besprechung einfach und geht sinnvolleren Beschäftigungen nach. Wie schnell würde überflüssige Besprechungen aus der Welt verschwinden, wie rasch würde eine Besprechungskultur entstehen, bei der es nicht mehr vorkommt, dass die Teilnehmer so nebenbei ihre E-Mails bearbeiten oder ihre Unterlagen mit fantasievollen Figuren vollkritzeln.

Aber würde man wirklich gehen? Hätte man nicht vor dem Ranghöchsten Angst, wenn man mitten in seinem Statement den Raum verlässt? Und hätte man nicht das Gefühl, doch etwas Wichtiges zu verpassen, das vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt besprochen wird? Dazu müsste man einen konkreten Zeitplan haben, auf den man sich verlassen kann, was wiederum bedeuten würde, dass sich jemand die Mühe macht, die Sitzung genau vorzubereiten und anschließend auch darauf zu achten, dass sich alle an die Zeiten halten. Aber genau das geschieht ja so selten...

Es ist eigentlich ganz einfach: Wie so oft liegt es am Leiter, in der Regel der Vorgesetzte. Auch diese Rechnung ist nicht neu. Würde er zwei Stunden in die Vorbereitung investieren und sich anschließend strikt an seine eigene Tagesordnung halten, könnte er vermutlich jede Besprechung um die Hälfte kürzen. Damit hätte er zwar seine eigene investierte Zeit nicht unbedingt wieder reingeholt, aber multipliziert man die eingesparte Zeit mit der Anzahl der Teilnehmer, würde sich die Sache immer rentieren.

Ich kannte mal eine Führungskraft, die begrenzte ihre regelmäßigen Meetings auf eine Stunde und packte auch nie mehr Themen hinein, als sie in dieser Zeit bewältigen konnte. Eines Tages überzog sie eine Besprechung um 15 Minuten. Am Ende entschuldigte sie sich bei den Mitarbeitern, dass sie deren Zeit in Anspruch genommen hatte und sagte zu, die 15 Minuten beim nächsten Mal "zurückzuzahlen". Was sie tatsächlich auch machte - indem sie beim nächsten Mal nach 45 Minuten fertig war.
Kleinlich? Oder nur konsequent? Ich fand es einfach ungemein effizient und glaubwürdig, und die Mitarbeiter äußerten sich extrem respektvoll über ihre Chefin.

Übrigens: Seit ich selbstständig bin, habe ich nur noch ganz selten in Sitzungen meine Zeit totgeschlagen. Selbstständige untereinander tendieren offensichtlich dazu, ihre Zeit als kostbares Gut zu behandeln. Wenn Angestellte unter den Teilnehmern sind, ist das nicht unbedingt so...

Rezension zum Thema:
Eine Runde Mitleid, Wirtschaftswoche 38/2009

Mittwoch, 21. Oktober 2009

Die Beziehung zum Vorgesetzten

Eigentlich bin ich es leid, die 500. Studie zum idealen Führungsverhalten zu lesen. Und tue es doch immer wieder. Vielleicht hoffe ich ja darauf, dass eines Tages jemand nachweist, dass Organisationen auch ohne Führung funktionieren und daher alle Ratgeber und Studien ab sofort überflüssig sind. Ein Scherz, keine Sorge, das Thema wird ein Dauerbrenner bleiben.

Die Universität Münster hat Mitarbeiter befragt, oder besser: Sie hat ihnen einen Fragebogen vorgelegt, mit dem sie

a) Verhaltensweisen ihres Vorgesetzten nach Häufigkeit,
b) sich selbst bezüglich ihrer Leistung, ihrer Zufriedenheit und ihrer Bindung zum Unternehmen einschätzen sollten.

Die Verhaltensweisen des Vorgesetzten im Fragebogen orientierten sich an bekannten Führungsstilen. Da gab es den transformalen, den transaktionalen, den ethischen, den aufgabenorientierten, den mitarbeiterorientierten usw.
Die Hypthese lautete: Es gibt einen Zusammenhang zwischen den einzelnen Führungsstilen und der Leistung, der Zufriedenheit und der Bindung zum Unternehmen. Und tatsächlich kam genau das auch heraus. Den höchsten Zusammenhang zu allen drei "Erfolgskriterien" hatte der Führungsstil "Austauschbeziehung". Darunter ist zu verstehen, dass der Vorgesetzte vor allem Wert auf eine positive, authentische Beziehung zum Mitarbeiter legt. Ist das der Fall, dann stimmen auch Leistung, Zufriedenheit und Bindung.

Weitere Zusammenhänge gab es zur transformationalen Führung (hier geht es um Visionen und Change Orientierung) und zur ethischen Führung.

Wunderbar, denke ich. Da hätten wir also endlich den Beleg dafür, dass erfolgreiche Führung etwas mit der zwischenmenschlichen Beziehung zu tun hat. Da möchte ich am liebsten alle Zweifel an dem Aufbau solcher Studien beiseite schieben. Z.B. die Frage, ob Mitarbeiter, die die Beziehung zu ihrem Vorgesetzten positiv beschreiben, nicht zwangsläufig auch mit sich und ihrer Leistung zufrieden sind. Oder umgekehrt: Wer seine Aufgabe nicht mag, mit seiner Arbeit nicht zufrieden ist und keine Leistung bringt - kann so jemand gleichzeitig eine positive Austauschbeziehung zu seinem Chef haben?

Und gleichzeitig denke ich nicht zum ersten Mal: Wie banal. Stimmt die Chemie, stimmt alles andere auch. Wer hätte es gedacht...

Rezension zum Thema:
Eine Frage des Stils, Personalmagazin 8/2009

Montag, 19. Oktober 2009

Keiner arbeitet für den Bonus

Die Financial Times Deutschland hat fünf junge Banker ein Jahr nach der Lehman-Pleite gefragt, wie es ihnen den so ergeht. Sie waren sich einig: Die ständigen Anspielungen auf die hohen Boni der Banker nerven, zumal sie überhaupt nicht im Investment-Banking-Geschäft tätig sind. Kann man nachempfinden.

Interessant ist die Darstellung, was sie eigentlich motiviert hat, in dieser Branche zu arbeiten. Spannend sei es, total interessant und reizvoll. Die Stimmung würde sie faszinieren, man sei am Puls des Marktes. Den meisten würde - wie ihnen - der Job einfach nur Spaß machen. Glaube ich ihnen auch.

Einer von ihnen behauptet, niemanden zu kennen, der den Job nur wegen der Boni macht. Mmmh... worauf liegt hier die Betonung? Beim schriftlichen Wort schwer zu erkennen. Auf dem "nur"?
Wenn er Geschichten über gierige Bonibanker liest, frage er sich immer: "Wo sind die eigentlich alle?"

Als mein Sohn klein war, wollte er unbedingt den Rasen mähen. Das war spannend, aufregend, das Klappern und Rattern faszinierte ihn. Später hat er überlegt, ob er nicht anderen Leuten anbieten könne, ihren Rasen gegen einen angemessenen Betrag zu mähen. Den Plan hat er wieder fallen gelassen. Aber ich glaube, hätte er ihn umgesetzt und wirklich Geld damit verdient - er hätte wohl kaum behauptet, er mache den Job, weil er das Klappern und Rattern faszinierend findet.

So ist das nun mal: Wir können etwas höchst spannend und interessant finden und mit Begeisterung ausüben. Werden wir dafür fürstlich entlohnt, kann dieser Reiz durchaus schnell an Stelle des alten treten. Wäre mal eine Untersuchung wert: Investment Banker zu fragen, ob sie den gleichen Job für ein durchschnittliches Fixgehalt eines "normalen" Angestellten ausüben würden...

Rezension zum Thema: Generation Leman, Financial Times Deutschland 15.9.2009

Dienstag, 6. Oktober 2009

Wer braucht noch Führungskräfte?

Die Zeiten haben sich geändert. Führungskräfte haben im Grunde keine wirkliche Funktion mehr. Die Ziele werden nicht vereinbart, sondern von oben vorgegeben. Der Vorgesetzte darf sie noch verkünden, keine tragende Rolle. Die Kontrolle der Ergebnisse? Auch keine Aufgabe für Führungskräfte mehr. Tagesgenaue Zahlen erhält das Controlling auf Knopfdruck, so weiß am Abend die Unternehmensleitung, was jeder einzelne geleistet hat.

Die Sache hat auch etwas Positives: Druck machen muss der Vorgesetzte auch nicht mehr, erledigt sich von selbst, wenn die Zahlen nicht stimmen. Und er muss sich auch keine Gedanken mehr über das Gehalt seiner Mitarbeiter machen, das richtet sich allein nach den Ergebnissen. Wozu aber ist sie dann noch da, die Führungskraft?

Nein, das ist weder Polemik noch Satire, sondern fast wörtlich aus einem Artikel über ein Verkaufstraining bei der Hypo Vereinsbank.
Zitat: "Eine Führungskraft einer Bank (wie in vielen anderen Branchen auch) muss heute nicht mehr dafür sorgen, dass oder wie gearbeitet wird. Es gibt schon so viel Druck durch die organisatorischen Bedingungen und die Arbeitsgestaltung, dass dies nicht die primäre Aufgabe einer Führungskraft ist."

Eine neue Aufgabe: Coaching

Da haben sich die Verantwortlichen den Kopf zerbrochen und herausgefunden, dass es doch noch eine sinnvolle Verwendung für die Positionsinhaber gibt: Sie werden zu Coachs umgeschult. Als solche begleiten sie den Mitarbeiter mit Fragetechniken, zeigen Neugier, geben maximal Ratschläge, und das regelmäßig, aber jeweils kurz. "Sonst wird das Thema totgeredet und Motivation zerstört."

Damit hat sich also das leidige Thema "Führung" endlich erledigt. Vergessen Sie alle Führungsratgeber, Lehrbücher, Seminare und Kongresse. Stellen Sie ab sofort nur noch Coachs ein. Die müssen auch nicht ständig präsent sein, die "Coachingspanne" darf bestimmt weitaus größer sein als die Führungsspanne. Den Autoren von der Hypo Vereinbank gebührt unser aller Dank! Und der Personalwirtschaft ein Preis für innovative, vor allem aber ehrliche Beiträge!

Rezension zum Thema:
Der Krise den Schrecken nehmen, Personalwirtschaft 6/2009

Montag, 5. Oktober 2009

Wohl wahr

Kürzlich habe ich lange mit einen Jugendlichen gesprochen, der auf der Suche nach seiner Berufung war - und der einfach keine Idee hatte, was er denn nun machen sollte. Ein Fazit des Gespräch lautete: Anfangen, egal womit! Niemand kann heute mehr vorhersehen, welchen Beruf er in Zukunft einmal ausüben wird - wobei der Begriff "Beruf" schon irgendwie nicht mehr passt.
Daran erinnerte ich mich, als ich in der Brand eins 9/2009 (Die Autonomen, S. 112) den Satz las (sinngemäß): "Das Leben ist zu lang für nur einen Beruf."

Vom Unterschied zwischen Unternehmern und Managern

Worin besteht der Unterschied zwischen einem Unternehmer und einem Manager? Zitat: "Als Unternehmer hätte ich kein schlechtes Gewissen, morgens zwei Stunden in einem Café zu sitzen und nachzudenken. Da zählt nur die unternehmerische Leistung, und die muss stimmen. Als Manager hätte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich Beispielfunktion habe." (Jürgen Großmann in einem Interview der Brand eins, 9/2009 S.24)

Sonntag, 4. Oktober 2009

Erschütternd


Ein erfolgreicher Unternehmer wechselt an die Spitze eine großen Konzerns und macht höchst interessante Erfahrungen. Die Rede ist von Jürgen Großmann, der aus einem hoch verschuldeten Unternehmen ein profitables Konglomerat aus 52 mittelständischen Betrieben machte und dann an die Spitze der RWE wechselte. Unabhängig von der Frage, was einen Unternehmer dazu treibt, in ein Angestellten-Dasein zu wechseln (denn nichts anderes ist auch ein Vorstandsvorsitz, wie Großmann selbst sagt: "Die Macht eines Vorstandsvorsitzenden wird überschätzt."), die mich schon interessiert hätte, finde ich einige Aussagen in einem Interview in der Brand eins höchst unterhaltsam.

Großmann stellt fest, dass er nach einem längeren Auslandsaufenthalt (fünf Tage Roadshow in den USA) an seinen Schreibtisch zurückkehrt und dort einen 40 cm hohen Stapel Papier vorfindet. Unterlagen, die ihm sein Stab zur Entscheidung vorgelegt hat. Er ist verärgert, weil diese hoch bezahlten Manager so viel Verantwortung an ihn zurück delegieren. Da kann man sich vorstellen, wie diese erwachsenen Menschen erzogen wurden, oder?

Dann kommt es aber so richtig dick. Großmann freut sich: "Eine der schönsten Erfahrungen hier im Haus ist, dass meine Kollegen und Mitarbeiter mittlerweile auch kontroverse Positionen einnehmen." Sensationell! Da freut sich ein Vorstandsvorsitzender, dass seine Kollegen eine eigene Meinung vertreten. Wohlgemerkt, die Rede ist hier von Konzernvorständen! Auf Nachfrage gesteht er ein, "dass eine eigene Meinung nicht immer belohnt wurde."

Wer die hehre Vorstellung hatte, dass auf Vorstandsebenen selbstständiges Denken gewünscht und gefordert wird, wird hier eines Besseren belehrt. Erschütternd? Auf jeden Fall. Dort herrscht offensichtlich klassisches Hierarchiedenken bis zum absoluten Gehorsam. Zivilcourage? Fehlanzeige. Nur einer bestimmt die Richtung, der Rest schweigt und knallt die Hacken zusammen. Da werden dramatische Fehlentscheidungen verständlich, wer nach Ursache für Wirtschaftskrisen sucht, sollte hier ansetzen.

Rezension zum Thema:
Es interessiert mich nicht, wer gegen mich intrigiert. Brand eins 9/2009