Samstag, 20. September 2008

Büros der Zukunft

Immer wieder lesen wir, wie wohl das Büro der Zukunft aussieht - und dass es in manchen Unternehmen bereits existiert. Beschrieben werden dann Arbeitsplätze, die keinem Mitarbeiter direkt zugeordnet sind. Wer kommt, holt sich seinen Rollcontainer mit den wenigen Unterlagen, wählt sich ins System ein, automatisch wird sein Telefon für den Arbeitsplatz freigeschaltet und los geht's. Das Bild der Familie hat er dann als Bildschirmschoner vor Augen oder stellt es im Rahmen für die Zeit seines Aufenthaltes auf den Tisch - wenn im Rollcontainer noch Platz genug ist. Daneben gibt es Besprechungsräume, Sitzecken, Teeküchen, Ruheräume und auch Einzelbüros für Arbeiten, die besondere Konzentration benötigen.

Der große Vorteil: Man benötigt in der Regel weitaus weniger Arbeitsplätze als Mitarbeiter - vorausgesetzt, die Mitarbeiter können einen Teil ihrer Arbeit von außerhalb oder zu Hause erledigen. Das spart zudem Fahrkosten und Stellplätze in der Tiefgarage. Ich gestehe: Für diese Freiheit hätte ich auch auf die "eigenen vier Wände" in der Firma verzichtet und es irgendwie geschafft, das Chaos auf meinem Schreibtisch auf den Rollcontainer zu beschränken.

Allerdings ist das wohl nur ein kleiner Ausschnitt der Zukunft bzw. der Realität. Ich kenne Großraumbüros, in denen man aufstehen muss, um über Stellwände in die Box des Nachbarn zu schauen; gläserne Käfige, in denen nichts den Blick verstellt und die Telefonate durch kaum schallisolierte Glaswände mitgehört werden können; Call Center mit wenigen Quadratmetern Platz pro Agent, so dass eigentlich der Tierschutz eingreifen müsste; lange Flure mit geschlossenen Türen, hinter denen wie zu ewigen Zeiten die Sachbearbeiter sitzen. Und das ist ja nur die Welt der Büros...

Eine Anektdote dazu: Wir waren bei einem Kunden, dessen neues Verwaltungsgebäude nahezu vollständig aus Glas bestand. Es sollte die gläserne Organisation symbolisieren, Transparenz und Offenzeit als zentrale Werte. Wir wurden in ein winziges Besprechungszimmer geleitet (ganz aus Glas). Gegenüber hatten Mitarbeiter die Wände teilweise mit Papier abgeklebt, um etwas geschützt zu sitzen. Besonders verwunderte uns jedoch der große Stahlschrank in dem kleinen Raum, der nur Platz für einen Besprechungstisch mit drei Stühlen ließ. Der Personaler erklärte uns: "Die Architekten sind vom papierlosen Büro ausgegangen, jeder von uns hat nur wenige Zentimeter Regalfläche zur Verfügung, die restlichen Akten stehen im Keller. Man hat leider nicht daran gedacht, dass wir Personaler noch jede Menge Akten durch die Gegend schicken, die zudem verschlossen aufbewahrt werden müssen. Deshalb haben wir uns diese Lösung ausgedacht. Tut mir leid, dass es etwas eng ist."

Das ist wohl kaum gemeint, wenn von einer "wertegeleiteten Organisation" die Rede ist, oder?

Rezension zum Thema:
Wanderzirkus der Rollcontainer, Handelsblatt vom 29.8.2008
Kreuzgang und Klosterzellem, Wirtschaftswoche 7/2008

Donnerstag, 18. September 2008

Personalrekrutierung per Video?

Wer auf der Suche nach einer neuen Stelle ist, der fragt nicht nur nach dem zu erwartenden Gehalt oder den möglichen Aufstiegschancen. Er hätte auch zu gern gewusst, was ihn an seinem neuen Arbeitsplatz erwartet. Eines steht mal fest: Das, was darüber in den Stellenbeschreibungen zu lesen ist, kann man getrost als Fantasie abtun. Ein wahllos herausgegriffenes Beispiel:
"Wir bieten eine anspruchsvolle, interessante und spannende Aufgabe in einer dynamischen Organisation. Gestalten Sie Ihre und unsere Zukunft aktiv mit!" Wow! Wer's glaubt...

Wie aber sieht es tatsächlich aus in dem Unternehmen, bei dem Sie sich bewerben? Wie sind die Kollegen? Wie geht es dort zu? Einen Schnuppertag bieten die wenigsten an. Die Antwort: Videos im Internet. Immer mehr Unternehmen sollen inzwischen mit solchen Videos potenzielle Bewerber anzulocken versuchen. Was zunächst nach einer guten Idee klingt, ist auf den zweiten Blick arg kompliziert. Produziert man professionelle Filme, weiß der Betrachter zwar, dass hier viel Geld angepackt wurde, aber der Inhalt mit der Praxis wenig gemein hat. Wie dieser bekannte Streifen von Accenture bei Youtube - sehr authentisch...



Nun könnte man ja auch einfach die Kamera im Büro laufen lassen und zeigen, wie es wirklich zugeht. Oder die Kollegen bitten, sich mit Amateurvideos vorzustellen (habe in einer kurzen Recherche nichts dergleichen gefunden, vielleich hat ja jemand die entsprechenden Links parat). Das aber wiederum könnte peinlich bis abschreckend wirken. Ein Dilemma.

Der Ausweg: Professonell erstellte Amateurvideos, die so aussehen, als seien sie "echt". Wie bei den Rundgängen durch den Big Boss, wenn alle so tun, als arbeiteten sie wie immer, aber zuvor haben sie den kompletten Betrieb eifrigst auf Hochglanz poliert.

Der Bewerber hat am Ende nur die Möglichkeit, sich für den Arbeitgeber zu entscheiden, der das cleverste Video gedreht hat. Vielleicht ist die gute alte Stellenanzeige dann ja doch besser. Da weiß man wenigstens, dass die Aussagen auf jeden Fall gelogen sind.

Rezension zum Thema:
Achtung, Film täuscht, Wirtschaftswoche 36/2008

Sonntag, 14. September 2008

Warum halten wir so viel fest?

Wer hängt nicht an etwas, das er besitzt? Warum ist es schöner, ein Buch selbst im Regal stehen zu haben statt es sich auszuleihen? Warum ziehen wir einen Zaun um unseren Garten, statt eine gemeinsame Parklandschaft zu gestalten, die alle Nachbarn genießen können? Warum stehen im Plattenregal so viele CDs, dass ein einziges Leben nicht ausreicht, alle Titel zu hören, selbst wenn man rund um die Uhr Musik abspielen würde?

Kurz: Was treibt uns eigentlich an, Dinge zu besitzen, und zwar in einem Umfang, der bei manchen Menschen jede Vorstellung sprengt? Das Thema "Besitz" in der Ausgabe 7/2008 der Brand eins hat mich nachhaltig beschäftigt. Ich, der an jedem alten T-Shirt hängt und der kaum etwas wegwerfen kann. Wieso eigentlich?

Ich gestehe, dass ich ein sehr ambivalentes Verhältnis zu Besitz habe. Ich kann mich auf der einen Seite nur schwer trennen, auf der anderen Seite erscheint es mir immer sinnloser, sein Herz an Gegenstände zu hängen.

Was das mit Management zu tun hat? Nichts direkt sicherlich. Aber so, wie wir an Dingen hängen, so klammern wir uns auch an Gewohnheiten, an Lebensumstände, an Beziehungen, an unseren Job - und wenn er noch so belastend und frustrierend ist. Mag sein, dass ich im Moment besonders sensibel gegenüber allem, was scheinbar so unverrückbar ist, bin. Es ist mitunter bitter zu sehen, wie sich Menschen an Dinge wie Karriere, Status und Position klammern und was sie an Lebensqualität bereit sind, dafür zu opfern. Dann schon lieber an alten T-Shirts hängen...

Rezension zum Thema:
Ich brauche das nicht, Brand eins 7/2008

Sonntag, 7. September 2008

Management by Values?

Management by Objectives ist Schnee von gestern. Warum? Weil heute kaum jemand, der über ausreichend Realitätssinn verfügt, Ziele über einen längeren Zeitraum definieren kann. Wie auch? Ich habe mal einen Personalentwickler beraten, der in seinen Zielvereinbarungen die Einführung eines Vorgesetzten-Feedbacks stehen hatte. Die ersten Gespräche verliefen vielversprechend, doch vor dem nächsten Termin kam ein Anruf, den ich schon erwartet hatte: Das Unternehmen war übernommen worden, die neue "Mutter" hatte andere Pläne, und Vorgesetzten-Feedback gehörte schon gar nicht zu den priorisierten Themen.

Dabei hat man sich so viel davon versprochen: Wer sein Ziel kennt, der kann seine Handlungen daran ausrichten. Ziele geben Orientierung, sorgen dafür, dass alle an einem Strang ziehen (naja, zumindest theoretisch, wenn man nicht nur Inidividualziele vereinbart) und geben den Führenden das Gefühl, alles im Griff zu haben. Was kommt nun?

Werte als Orientierungshilfe?

Bei Lands' End, so behauptet deren oberste Personalentwickler, wird mit Hilfe von Werten geführt. Ist das eine Alternative? Ich finde ja. Relativ schnell erkennt jeder neue Mitarbeiter, was wirklich zählt im Unternehmen.
Beispiel: Mir hat einmal ein Außendienstmitarbeiter erzählt, dass er als Neuer nicht sofort einen Dienstwagen zur Verfügung gestellt bekommen konnte. Da er aber umgehend einen Wagen brauchte, bekam er ein älteres Modell. Problem: Dieses gehörte einer Kategorie an, die nicht seinem "Status" entsprach: Es hatte ein Schiebedach! Ein solches jedoch stand ihm nicht zu. Die Lösung? Sie ahnen es: Das Schiebedach wurde zugeschweißt. Eine Posse?

Bei Lands' End soll das anders sein. Wenn Werte wie "Respekt" und "Verantwortung" tatsächlich gelten, dann passt dazu, dass Mitarbeiter im Call Center selbst entscheiden, wie lange sie mit einem Kunden telefonieren. Oder das man auf Vorzimmer als Statussymbole verzichtet.

Kann man hier von einem "Management by Values" reden? Kann man. Wenn ich weiß, was in meinem Unternehmen zählt, bietet mir das eine Orientierung für mein Verhalten - gegenüber Vorgesetzten, Kollegen, Mitarbeitern und Kunden. Eigentlich ganz einfach. Für das Management gilt dann nur noch, dass es sich gemäß diesen Werten auch verhält - vorbildlich eben, auch wenn der Ausdruck altmodisch erscheint. So was von banal, oder?

Rezension zum Thema:
Blick hinter die Kultur-Kulisse, managerSeminare 2/2008

Ein interessantes Video zu dem Thema (Tipp von einem Leser) ist der Beitrag von Peter Kruse auf Youtube.

Donnerstag, 4. September 2008

Mehr experimentieren

Als Kinder und Jugendliche haben wir ständig experimentiert - mit Bauklötzen, Matsch, Papier, mit neu gewonnenen Freiheiten und Rechten, mit unseren physischen und psychischen Möglichkeiten. Aber irgendwann im Laufe unseres Lebens hören wir merkwürder Weise damit auf. Wir verlassen uns auf das Bekannte, das Vertraute.

Ich habe den Eindruck, Unternehmen funktionieren genauso. In ihrer "Jugend" wird noch fleißig herumprobiert, doch irgendwann ist es vorbei mit den Experimenten. Damit meine ich nicht die heute weit verbreitete (Un)sitte, die Organisation ständig neu zu gestalten. Das ist eher vergleichbar mit einem Wohnungsinhaber, der jedes Wochenende seine Möbel umräumt und am Montag nicht mehr weiß, in welchem Schrank sich seine Schuhe befinden.

Nein, ich meine die Art von Experimenten, bei denen eine neue Regel, eine neue Arbeitsform, eine neue Organisationsform in einem kleinen, überschaubaren Rahmen getestet werden. So wie bei dem Modellversuch, bei dem Führungskräfte einen Teil ihrer Tätigkeit von zu Hause ausführten. Auf diese Weise wollte man herausfinden, ob ein flexibler Arbeitseinsatz (flexible in Bezug auf Zeit und Ort) mit der Führungsaufgabe vereinbar ist.

Einmal unabhängig vom Ergebnis: Was hält Unternehmen eigentlich davon ab, solche Experimenten in begrenztem Umfang durchzuführen? Ich habe nie verstanden, warum man Veränderungen immer nach dem Motto "ganz oder gar nicht" umsetzt. Wieso probiert man nicht viel mehr einfach aus? Vertrauensarbeitszeit, Telearbeit für Führungskräfte, Mitarbeiterbeteiligung, Teamarbeit, Selbstorganisation und und und... Wo ist das Risiko? Klappt es nicht, dann hat man es wenigstens versucht.

Angst vor dem Ergebnis

Ich fürchte, der Grund für die mangelnde Experimentierfreude ist die Angst, es könnte ja klappen. Was, wenn die "Versuchskaninchen" begeistert sind und weitermachen wollen? Und was, wenn dann alle kämen?

Oder es ist umgekehrt: Die Angst, das Experiment könnte misslingen. Was, wenn das (Personal-)Management unbedingt Gruppenarbeit einführen will, aber der Feldversuch scheitert? Wie bringt man das den Chefs bei?

Das ist eben das Risiko von Experimenten. Sie können scheitern und sie können gelingen. Aber macht das nicht auch den Reiz aus? Würden sie das Leben in Organisationen nicht ungeheuer bereichern? Ich wünschte, mehr Verantwortliche hätten den Mut, neue Dinge auszuprobieren. Sie nicht gleich der ganzen Organisation überstülpen, sondern in kleinem Rahmen testen. Und das Risiko des Scheiterns, aber auch des Gelingens gelassen zu tragen.

Rezension zum Thema:
Mehr Flexibilität, PERSONAL 7/8/2008

Mittwoch, 3. September 2008

Niemand hört mehr zu

Kaum jemand hört noch richtig zu. Es ist erschreckend, wie sich Menschen in Gesprächen verhalten. Der Verlauf ist meist wie folgt: "Wie geht's?" oder "Was macht der Job?" oder "Wie geht es den Kindern?" Antwort: "Die Kinder sind bei unseren Verwandten in England." Doch das ist schon zu zu viel der Information. Sofort hat der andere eigene Erfahrungen zu berichten. "Mein Sohn ist zur Zeit in Frankreich. Er fühlt sich total wohl..." Und er erzählt und erzählt Dinge, nach denen ich nie gefragt habe. In mir wühlt es und ich möchte am liebsten brüllen: "Wer will das wissen? Frag mich nicht mehr, wenn du meine Geschichte nicht hören willst!"

Nicht nur von der Vielzahl an Medien werden wir zugeschüttet mit Informationen, die kein Mensch benötigt, es scheint, als seien auch die meisten Menschen bestrebt, andere mit unverlangten Texten einzudecken.

Es gibt noch eine zweite Art des "Nicht-Zuhörens", auch dazu ein Beispiel. Ein Kollege hat einem anderen Vorwürfe zu dessen angeblichen Äußerungen gemacht, es kam zum Konflikt. Die anderen unterhalten sich über den Fall und diskutieren, ob die Vorwürfe berechtigt waren oder nicht. Ich werfe ein: "Das lässt sich wohl schwer herausfinden, ist aber meines Erachtens nicht das Hauptproblem. Ich denke, er sollte die Geschichte im persönlichen Gespräch klären und in Zukunft den Kollegen in dem Moment ansprechen, in dem ihm das Verhalten geärgert hat statt im Nachhinein auf ihn loszugehen."

Antwort: "Aber wenn der Kollege das wirklich gesagt hat, dann verstehe ich seinen Ärger und würde das auch loswerden wollen."
Hallo? Habe ich etwas anderes gesagt? Habe ich nicht. Anders als in dem ersten Fall, in dem die Antworten erst gar nicht interessieren, wird hier nicht genau zugehört.

Meine frustrierende Erkenntnis: Viele wollen gar nicht zuhören, und wenn, dann versuchen sie nicht wirklich, die Botschaft zu verstehen. Beides hat erschreckend zugenommen, sei es im Berufsleben oder im Privatbereich. Ich frage mich natürlich, was mein Anteil daran ist, finde aber keine Erklärung. Vielleicht höre ich mir selbst nicht richtig zu?

Den folgenden Link schickte mir Roland Kopp-Wichmann zum Thema: Warum können viele Menschen nicht zuhören?

Dienstag, 2. September 2008

Altersgerechte Bezahlung?

Es gibt Kulturen, in denen Alter und Erfahrung besonderen Respekt genießen. Und es gibt Unternehmenskulturen, in denen Alter und die Dauer der Betriebszugehörigkeit dafür sorgten, dass das Gehalt kontinuierlich stieg und gegen Ende des Arbeitslebens seinen höchsten Stand erreicht hatte.
Bis der Ruf nach "Leistungsorientierter Bezahlung" immer lauter wurde. Warum eigentlich soll jemand nur deshalb mehr verdienen, weil er dem Unternehmen lange die Treue gehalten hat? Ist doch seine eigene Entscheidung. Es soll einzig und allein die Leistung zählen. Basta. Selbst in japanischen Unternehmen soll ein Umdenken stattfinden.

Ich kann mich gut erinnern, dass ich als junger Angestellter ähnlich dachte. Da erhielten Kollegen ein erheblich höheres Gehalt als ich, deren Leistung ich keineswegs deutlich über der meinen einstufte. Manchmal sogar traf das Gegenteil zu. Aber Leistung zählte offenbar nicht, man musste einfach lange durchhalten, dann stieg auch das Gehalt. Was für eine verkehrte Welt, dachte ich. Braucht man nicht gerade als junger Mensch das Geld, um sein Leben aufzubauen? Und wird es nicht im Alter eher unwichtiger?

Heute, gealtert und gereift, erlebe ich es wieder anders. Da kommen junge Menschen daher, haben noch nicht wirklich etwas auf die Beine gestellt und verlangen den gleichen Lohn wie ihre erfahrenen und verdienten Kollegen - wie kann das sein? Das soll "gerecht" sein? Es ist ein wirkliches Dilemma: Wer früher weniger verdient hat mit der Aussicht, dass mit fortschreitendem Alter das Gehalt steigen wird, fühlt sich jetzt betrogen. Und wie die heute noch jungen Leistungsträger im Alter reagieren werden, wenn man ihr Gehalt zugunsten der dann jüngeren Kollegen stutzt, ahnt man sicher.

Jetzt, wo der Nachwuchs knapp wird, kann es aber auch durchaus sein, dass die Unternehmen wieder umschwenken. Dennoch: Die Entlohnung an der tatsächlich erbrachten Leistung zu orientieren wird wohl bleiben - wobei die Frage immer wieder lauten wird: Was ist eigentlich "Leistung"? Und wie misst man diese?

Aber vielleicht wird es so wie in vielen Dingen: Es kommt darauf an, was einem Unternehmen wichtig ist: Will es loyale Mitarbeiter, wird es auch Loyalität und Treue zum Unternehmen honorieren. Wer ausschließlich auf die momentane Leistung schaut, wird damit leben müssen, dass die Leistungsträger sich wie jeder Marktteilnehmer verhalten: Sie wechseln wie Profi-Fußballer zum Arbeitgeber, der das höchste Gehalt zahlt. Wäre für alle, die das hohe Lied der leistungsorientierten Bezahlung singen, mal ein Anlass zum Nachdenken.

Rezension zum Thema:
Vergütung und Versorgung gestalten, PERSONAL 3/2008

Montag, 1. September 2008

Totes Holz

Wissen Sie, was "Deadwoods" sind? Mitarbeiter, die weder wollen noch können. 20% soll ihr Anteil im Unternehmen ausmachen. Da müssen Führungskräfte reagieren, im Zweifel ist die Trennung erforderlich. Im Gegensatz zu den "Workhorses", die zwar auch nicht so fähig sind, aber sehr willig. Bis zu 70% hiervon finden sich in den Unternehmen.

Sie stolpern über die Begriffe? Ich auch. Ich finde sie zynisch und menschenverachtend. Vielleicht bin ich da etwas zu empfindlich. Und vielleicht wirken sie in dem Buch, aus dem sie stammen (Praktische Psychologie für den Umgang mit Mitarbeitern), auch nicht so dramatisch. Aber sie klingen sehr vertraut, weil Personalberater sie im Rahmen von Management-Audits gerne verwenden, indem sie die beurteilten Manager in "Portfolios" einsortieren, deren Felder ähnliche Titel tragen.

Vor allem die Angabe von Prozentzahlen finde ich gefährlich. Spielen wir den Fall durch: Ein Manager hat 20 Mitarbeiter, also hat er darunter vier "Deadwoods" - statistisch gesehen. Findet er sie nicht, müssen in anderen Abteilungen eben deutlich mehr zu entdecken sein. Natürlich wird er Mitarbeiter haben, die weniger können und auch weniger motiviert sind als der Rest. Kritisch wird das, wenn alle tatsächlich die gleiche Aufgabe haben und die Diskrepanz erheblich ist. Ansonsten sind die Merkmale "Können" oder "Wollen" sicher nicht auf jede Anforderung anwendbar und eine solche Statistik wertlos.

Das eigentlich Gefährliche an dieser Betrachtung aber ist, dass sie die Führungskraft von ihrer Verantwortung freispricht. Wer vier "Deadwoods" unter seinen 20 Mitarbeitern hat, hat entweder bei der Einstellung gepennt und die falschen Mitarbeiter rekrutiert. Wenn es die richtigen waren, dann hat er sie falsch eingesetzt. Und wenn sie richtig eingesetzt waren und früher über das erforderliche Können verfügten, dann hapert es in Sachen Personalentwicklung. Mit der Statistik im Rücken kann der Vorgesetzte nun prima auftreten und sagen: "In jedem Unternehmen sitzen 20% Pfeifen, das ist doch ganz normal."
Ist es das?

Buchrezension zum Thema:
Lorenz, Michael / Rohrschneider, Uta: Praktische Psychologie für den Umgang mit Mitarbeitern. Die vier Mitarbeitertypen führen, Campus 2008.