Montag, 27. Oktober 2008

Rotes Tuch Assessment Center

Da musste ich schmunzeln: Gefragt, was er von Assessment Centern hält, antwortet Fredmund Malik: "Wenig ... Der Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Ergebnis". Heinz Schuler, ein anerkannter Diagnostiker, beklagt, dass die Qualität der ACs drastisch nachgelassen hat. Er schreibt, dass diese Veranstaltungen für die Teilnehmer ein "faszinierender Initiationsritus" ist. Und bei Dorma hat man die Erfahrung gemacht, dass es nicht funktioniert, wenn man die Mitarbeiter durch ein Förder-AC schickt und dann weiß, was aus ihnen werden soll.

Die Beiträge erschienen in der Personalwirtschaft 4/2008. Im gleichen Heft berichtet die Bundesagentur für Arbeit, dass man dort mit Hilfe von Förder-ACs "zusätzliche Erkenntnisse gewinnen" will. Jeder, der eine Führungsaufgabe übernehmen soll, muss durch die Prozedur. Zumindest ist das die Idee. Eine gute Idee?

Ich traue mir zu, Ablauf und Nutzen von ACs beurteilen zu können, weil ich selbst zahlreiche von ihnen moderiert habe. Irgendwann habe ich mich gefragt, wie es sein kann, dass man über zwei bis drei Tage hochbezahlte Nachwuchskräfte von noch höher bezahlten Managern dabei beobachten lässt, wie sie sich um Projektbudgets streiten oder in Rollenspielen versuchen, den (Rollen)Erwartungen gerecht zu werden. Lässt man einmal außen vor, dass die Einschätzung des Verhaltens nach Kriterien selten funktioniert (weil wir Menschen nun mal ganzheitlich beobachten und beurteilen), dann müsste doch jedem mit Vernunft gesegneten und logisch denkenden Menschen auffallen, wie gering der Anteil an Zeit ist, in der die Kandidaten konkretes Verhalten zeigen und welche ungeheuere Potenzialaussagen hierauf basierend getätigt werden. Mal angenommen, man lässt eine Gruppendiskussion mit sechs Kandidaten beoachten, die 30 Minuten dauert. Dann hätte im Schnitt jeder Teilnehmer 5 Minuten Zeit, Verhalten zu zeigen.

Man addiere die Gesamtzeit an Verhalten einfach mal auf - ich wette, mehr als eine Stunde beobachtbares Verhalten je Kandidat (wenn man interessiertes Kopfnicken nicht als "Empathie" deutet) auf zwei bis drei Tage verteilt bringt ein AC nicht zustande. Da wird die Aussage von Malik verständlich.

Dennoch erfreut sich das Verfahren nach wie vor großer Beliebtheit. Warum? Schuler erklärt es u.a. damit, dass sich den Durchführenden die Möglichkeit bietet, "sich als Entscheidungsträger zu fühlen". Wer einmal miterlebt hat, mit welcher Begeisterung Manager Verhalten interpretieren und ihre "Urteile" fällen, weiß, was er meint.
Schade eigentlich, denn, um mit Malik zu schließen, "es gibt viel bessere Verfahren, die mit weniger Aufwand mehr leisten."

Corporate Brand

Das ist doch mal wieder ein feiner Begriff: Corporate Brand, zu Deutsch: Unternehmensmarke. Ein interessantes Phänomen, wenn man es recht bedenkt. Jede Teildisziplin des modernen Wirtschaftslebens betrachtet Unternehmen durch ihre Brille und kreiert für ihre Entdeckungen neue Namen. Hier haben die Marketingabteilungen zugeschlagen und verpassen nun ihrem Unternehmen eine "Marke". Eigentlich überflüssig zu erwähnen, dass das natürlich nur funktionieren kann, wenn das Top-Management, sprich der Vorstand, die entscheidende Funktion bei dem Prozess hat, gefolgt vom Marketing selbst.

Nun gibt es doch auch den Begriff der "Corporate Identity" - ist das was anderes? Wohl kaum, nur stammt der aus der Werbebranche. Die Werbetreibenden waren etwas schneller und haben damit früher viel Geld verdient.

Und was ist mit der Unternehmenskultur? Für den Begriff sind die Organisationstheoretiker verantwortlich, sie zu gestalten, lässt sich heute auch noch prima an den Mann bringen. Nach meinem Verständnis sollte es keine inhaltlichen Unterschiede zwischen den drei Begriffen geben. Aber da scheine ich einem Irrtum zu unterliegen, habe ich doch den interessanten Satz lesen dürfen, man müsse dafür sorgen, "dass es zwischen der Unternehmenskultur und der Markenidentität zumindest zu einer teilweisen Integration kommt. Zu große Lücken führen zur Unglaubwürdigkeit und zu fehlendem Commitment."

Ganz groß, oder? Es gibt da also eine Unternehmenskultur (die man, natürlich von ganz oben getrieben und unterstützt, gestaltet), und gleichzeitig gibt es eine (nach außen und innen kommunizierte) Unternehmensmarke. Es genügt, wenn sie teilweise übereinstimmt? Man stelle sich das Gelächter und zynische Grinsen der Mitarbeiter vor:

"Unsere Unternehmensmarke lautet: jung, dynamisch, innovativ - und wenn ich mal mit einem ungewöhnlichen Vorschlag komme, heißt es: Das haben wir noch nie so gemacht." Wehe dem, der sich einen solchen "Markenbildungsprozess" andrehen lässt...

Rezension zum Thema:
Potenzial nicht ausgeschöpft, Personalwirtschaft 4/2008

Montag, 20. Oktober 2008

Warnung vor dem Ex

Es ist nicht mehr aufzuhalten: Über die Internetseite, auf der man seine Nachbarn beschreiben und andere Menschen vor ihnen warnen kann, habe ich hier schon geschrieben (Böse Nachbarn). Die Steigerung beschrieb die Financial Times Deutschland am 19.8.2008: Es gibt eine Plattform, auf der verlassene Geliebte ihre Nachfolgerinnen vor dem Ex-Lover warnen können - mit vollem Namen und Foto! Da wird dann kein Detail ausgelassen. Bitter für den Betroffenen oder wohlverdiente Strafe? Ich find's so blöd, dass ich mir diesmal verkneife, die Seite zu nennen. Aber sie macht ein Dilemma so richtig deutlich.

Ich habe bei einem meiner wenigen Einkäufe bei ebay mal ewig lange auf die bestellte Ware gewartet, nachdem ich längst das Geld überwiesen hatte. Als ich das bei der Bewertung des Verkäufers vermerkte, erhielt ich von diesem einen Anruf, bei dem er mich böse beschimpfte und mit Beleidigungen nicht sparte. Da wurde mir klar, warum man so wenige negative Urteile bei ebay findet.

Die Frage ist, was gravierender ist: Der Schaden, der abgewendet wird, wenn Menschen vor anderen gewarnt werden oder derjenige, der durch verleumderische Äußerungen erzeugt wird, indem der Ruf eines Menschen ruiniert wird. Wie der eines Bankers, dessen Rivale, dem er die Frau ausgespannt hat, ihn solange im Internet bloßgestellte, bis er seinen Job verlor?

Lässt sich das Dilemma nicht vergleichen mit vielen anderen in der Rechtsprechung? Was ist z.B. schlimmer: Jemanden, dem man ein Kapitalverbrechen nicht eindeutig nachweisen kann, unschuldig einzusperren und damit zu ruinieren oder der Schaden, den er anderen zufügen kann, wenn er tatsächlich der Täter ist und es wieder tun wird?

Problem der Anonymität

Was an diesen Bewertungsportalen tatsächlich anwidert ist vielleicht weniger die Tatsache der Bewertung an sich. Nach wie vor gefällt mir der Gedanke, dass ich nicht erst selbst die Erfahrung machen muss, dass ein Hotel schlecht ist. Das hat es ja schon immer gegeben. Man denke nur an die begehrten Restaurantführer. Das Problem ist, dass die Bewerter anonym bleiben dürfen und die Betroffenen kaum die Möglichkeit haben, "sich zu bessern". Es müsste so etwas geben wie "Verjährung" oder die Löschung der Daten nach einem angemessenen Zeitraum.
Nur ist das Internet hier gnadenlos: Einmal veröffentlicht, findet man die Texte bis in alle Ewigkeit irgendwo gespeichert.

Ich bin gespannt, wohin sich diese Geschichte entwickelt. Dass sie sich von selbst erledigt, glaube ich kaum, denn Gemeinheiten über andere zu lesen, macht offensichtlich ungeheuer viel Freude - Schadenfreude. Davon lebt die Boulevard-Presse, warum nicht auch Internet-Portale?

Rezension zum Thema:
Moderner Pranger, Financial Times Deutschland vom 19.8.2008

Freitag, 17. Oktober 2008

Lernen neu entdecken

Manchmal wünsche ich mir, dass mir das Lernen noch mal so leicht fallen würde wie in der Jugendzeit. Zumindest meine ich mich zu erinnern, dass es damals leichter fiel, mag aber auch eine Verklärung sein. Ich weiß wohl, dass Lernen oft keinen Spaß gemacht hat und einfach lästig war. Und dass ich mir nach der letzten Prüfung an der Universität geschworen habe, dass dies die letzte Prüfung meines Lebens sein würde. Das war ein etwas voreiliger Entschluss, aber meine Abneigung gegen jede Form von Prüfung hat sich nie gelegt. Mag ein Grund sein, warum ich bis heute jedem Angebot formaler Qualifizierung mehr als skeptisch gegenüber stehe.

Wie schade eigentlich, denn welchen Spaß kann Lernen machen. Für mich das beeindruckendste Erlebnis war, als ich mich entschied, mich im fortgeschrittenen Alter auf Inline-Skates zu stellen. Was für eine wackelige Angelegenheit, unglaublich. Am Ende bin ich mit meinen Kindern Rampen hinauf und hinab gefahren und staunte über die Fähigkeit meines Körpers, solche Abläufe nicht nur zu erlernen, sondern auch noch weiter ausbauen zu können - selbst im Alter von zarten 45.

Heute bereitet es mir mächtigen Spaß, neue Bewegungsabläufe im Tennis zu erlernen und sie zu perfektionieren - naja, "perfektionieren" ist vielleicht übertrieben. Es ist einfach erhebend zu erleben, Fortschritte beim Erwerb einer Fertigkeit zu machen, und wenn diese Fortschritte noch so klein sind.

Umso trauriger empfinde ich daher die Tatsache, dass Lernen in so vielen Umfeldern, sei es in der Schule, in der Ausbildung, in Seminaren und Fortbildungsveranstaltungen, nach wie vor mit Begriffen wie "langweilig", "mühsam" o.ä. verbunden ist.

Rezension zum Thema:
Fitness fürs Gehirn, Wirtschaftswoche 40/2008

Dienstag, 14. Oktober 2008

Der Chef als Coach?

Die Diskussion um den Vorgesetzten als Coach macht auf mich inzwischen den Eindruck, als diene sie nur noch dazu, Coaching als Thema in den Medien zu halten. Irgendwie muss man ja im Gespräch bleiben. Und demonstrieren, dass Coaching einfach wichtig und unersetzlich ist. Wie ist es denn nun: Können Führungskräfte ihre Mitarbeiter coachen?

Klar, sie können. Um einen Vergleich aus dem Sport zu ziehen (beim Thema Coaching vielleicht naheliegend): Mein Sohn spielt Tennis. Hin und wieder unterliege ich der Versuchung, ihm Tipps zu geben, ihn nach Niederlagen aufzubauen oder vor einem Spiel nach seinen Erwartungen zu fragen. Schwierig! Wenn Eltern versuchen, ihre Kinder zu coachen, dann können Eltern-Kind-Beziehungen aus den Fugen geraten. Was erwartet der Vater von seinem Sohn? Bleibt das nur auf den Sport beschränkt oder lässt es sich auch auf andere Bereiche übertragen? Und was, wenn Erwartungen enttäuscht werden?

Überhaupt: Ein Trainer kann dem Sportler so manches abverlangen, was einem Vater kaum gestattet wird - und umgekehrt. Und dennoch: Es gibt Beispiele erfolgreicher Sportler, die von einem Elternteil trainiert werden. Nun kann man darüber streiten, ob sie nicht noch viel erfolgreicher hätten sein können, wenn es eben doch ein "Profi" gewesen wäre. Fakt aber ist: Es funktioniert.

Doch kein Coaching durch Vorgesetzte?

Trotzdem würde ich es immer vorziehen, die Rollen zu trennen - auch bei Führungskräften und Mitarbeitern.
Drücken wir es anders aus: Es hat viele Vorteile, wenn der Vorgesetzte nicht versucht, als Coach seiner Mitarbeiter aufzutreten. Aber darf er deshalb auch nicht coachen? Noch mal zum Tennis: Wenn ich meinen Sohn nach einem Spiel frage, wie es ihm geht und er froh ist, reden zu können; oder wenn er mir von sich aus erzählt, was ihn vor einem Match beschäftigt und ich ihm aufmerksam zuhöre; oder wenn er mich fragt, was er gegen einen bestimmten Spieler machen soll und ich zurückfrage, was ihm denn beim letzten Mal gelungen ist, dann handele ich wie ein Coach.

Und genau so, denke ich, sollten sich Führungskräfte verhalten: Wenn ihr Verhältnis zu einem Mitarbeiter die Rolle als Coach ermöglicht und der Mitarbeiter das möchte - warum nicht? Wenn sie sich in bestimmten Situationen auf Wunsch des Mitarbeiters wie ein Coach verhalten - wunderbar. Wenn sie sich aber aufdrängen und plötzlich vom Vorgesetzten zum Coach mutieren, weil dies der neuste Schrei der Führungslehre ist, dann bekommen sie prächtige Probleme. Garantiert.

Rezension zum Thema:
Die Führungskraft als Coach? Wirtschaftspsychologie aktuell 2/2008

Freitag, 10. Oktober 2008

Arbeit attraktiv machen?

Ich habe wieder angefangen zu lesen - stapelweise liegen die Zeitschriften herum. Ich habe noch keine Vorstellung davon, wie es eigentlich weitergeht. Nur dass es weitergeht - auch mit MWonline. Bleiben die Prioritäten wie bisher? Kaum vorstellbar, aber wer weiß...

Fest steht, dass ich viel zu viel Zeit und Mühe in Dinge gesteckt habe, die es nicht wirklich wert waren. Aber warum glaubte ich, dass sie so wichtig waren? Die letzten Monate haben mir gezeigt, wie schnell sich die Prioritäten verschieben können. Dabei zähle ich mich zu den glücklichen Menschen, die sich die Arbeit, die sie verrichten, selbst ausgesucht haben und dies jeden Tag auf's Neue tun.

Ich lese, dass in Holland Unternehmen händeringend Mitarbeiter suchen und das sehr beliebte Teilzeitmodell verwünschen. Der Niederländer hält nicht viel von Vollzeitbeschäftigung und zieht es vor, seine Freizeit zu genießen. Schlecht für die Wirtschaft, gut für den Niederländer. Ich komme mir vor wie ein Teilzeitarbeiter, obwohl ich nun jahrelang mehr als Vollzeit tätig bin, rund um die Uhr. Bis plötzlich alles anders wurde.

Bleibt nur ein Fazit: Regelmäßig darüber nachdenken, was man da so eigentlich treibt und ob es nicht eines Tages passiert, dass man feststellt, wie viel Zeit man sinnlos "verlebt" hat.

Und als Unternehmen bzw. als Führungskraft? Die Menschen, die man beschäftigt, fragen, was ihnen wichtig ist und dann gemeinsam schauen, ob es sich deckt mit dem, was das Unternehmen an Beschäftigung anzubieten hat. Das wird auch den niederländischen Firmen nicht erspart bleiben: Wenn es ihnen nicht gelingt, die Bedürfnisse der Menschen mit den eigenen Zielen in Einklang zu bringen, haben sie langfristig ein großes Problem. Gut für die Menschen...

Rezension zum Thema:
Holländer verzweifeln am Teilzeitmodell, Financial Times Deutschland vom 14.8.2008

Montag, 6. Oktober 2008

Trauer

Dass dieser Blog im Augenblick nicht fortgeführt wird, hat einen sehr traurigen Grund. Am 28. September starb meine Frau Bianca im Alter von 45 Jahren, nur vier Monate nachdem bei ihr Krebs festgestellt worden war. Im Moment fällt mir kein Managementthema ein, das es wert ist kommentiert zu werden. Wie sich die Bedeutung von Dingen ändern kann...

Eine Bitte an alle, die ihre Anteilnahme ausdrücken möchten: In den vergangenen vier Monaten hat uns der Verein "LebensWert" sehr geholfen. Ich denke, dass diese Einrichtung für Krebskranke und ihre Angehörigen ein Segen ist. Da sie auf Spenden angewiesen ist, würde ich mich über jede Unterstützung freuen. Hier die Kontoverbindung; Konto-Nr. 270 421 75 bei der Sparkasse Köln-Bonn, BLZ 370 501 98, Stichwort "Bianca Thönneßen". Alternativ kann man auch für 25 Euro im Jahr Mitglied werden.