Sonntag, 30. Januar 2011

Rückkehrgespräche

Da staunt der Leser: Alles kommt irgendwann wieder. Im Zuge der vielen Veröffentlichungen zum Thema "Gesundheitsmanagement" hat ein Unternehmen das "Krankenrückkehrgespräch" ausgegraben. Ich kann mich dunkel erinnern: Es muss fast 20 Jahre her sein, als ich das erste Mal mit der Idee konfrontiert wurde. Und genau wie in dem Beitrag von 2010 haben wir damals Führungskräften beigebracht, wie man mit Mitarbeitern spricht, die nach einer Krankheit wieder am Arbeitsplatz erscheinen.

Eine typische Personalentwickler-Idee: Man entdeckt ein (vermeintliches) Defizit: Unsere Führungskräfte reden nicht mit ihren Mitarbeitern nach überstandener Krankheit, ein kurzes "Ah, auch wieder da?" muss genügen. So geht es natürlich nicht. Also setzt man einen Prozess auf, mit konkreten Vorgaben für den Ablauf und einem Gesprächsleitfaden. Ohne einen solchen fühlen sich die Vorgesetzten einfach verloren.

Dieser Leitfaden sieht vor, dass die Führungskraft erst einmal ihre Freude über die Rückkehr des Mitarbeiters zum Ausdruck bringt. Wörtlich: "Es freut mich, dass Sie wieder da sind. Wir haben Sie letzte Woche vermisst. Wie geht es Ihnen? Konnten Sie sich gut auskurieren?" Und sich anschließend erkundigt: "Könnte es sein, dass Ihre Erkrankung mit den Bedingungen am Arbeitsplatz zusammenhängt?" Um schließlich Hilfe anzubieten: "Haben Sie noch etwas auf dem Herzen? Möchten Sie gerne noch über ein anderes Thema sprechen?"

Die (verordnete) Freude und das (ernsthafte) Interesse sollte natürlich nicht zwischen Tür und Angel zum Ausdruck gebracht werden, sondern in einem ruhigen Raum, ungestört von Anrufen und Unterbrechungen. All das wird im Rollenspiel trainiert. Kein Scherz, haben wir Anfang der 90er Jahre auch gemacht.

Und die Praxis? Natürlich gibt es Führungskräfte, die nicht einmal wahrnehmen, dass ein Mitarbeiter länger abwesend war. Oder die im Vorübergehen den Rückkehrer mit einer Floskel "willkommen heißen". Das hat etwas mit schlechter Kinderstube zu tun. Aber kann man das durch die Einführung des "Rückkehrgesprächs" ändern? Das sieht dann so aus:

"Hallo Willi, auch wieder da? Hörmal, du weißt ja, wir müssen ein Rückkehrgespräch führen. Haben wir hiermit erledigt, einverstanden?"

Oder so: "Ah, Willi, da bist du ja wieder. Komm bitte mal in mein Büro, ich möchte mit dir ein Rückkehrgespräch führen." - "Ach, nicht schon wieder. Ich hatte die Grippe, die Kollegen haben mir schon erzählt, was sich getan hat, und mit der Arbeit hat das auch nichts zu tun. Sonst noch was?"

Bei dem Unternehmen, das das Rückkehrgespräch eingeführt hat, gehören diese Gespräche zu den Pflichten der Vorgesetzten. Angeblich stieg die gegenseitige Anerkennung. Da hätte man zu gern erfahren, woran man das wohl festmacht.

Bleibt die Feststellung: Führungskräfte, die ein ernsthaftes Interesse an Menschen haben, müssen kaum geschult werden. Den Rest mit einem Instrument zu erziehen, halte ich für vergebliche Liebesmühe.

Rezension zum Thema:
Mit Rückkehrgesprächen gegen Absentismus, Personalwirtschaft 12/2010

Dienstag, 25. Januar 2011

Enttäuschte Erwartungen

Was ist der Unterschied zwischen einem Bonus und einem Incentive? Ein Bonus ist in die Zukunft gerichtet, die Zusage über eine Zahlung für den Fall, dass ein bestimmtes Ergebnis erzielt bzw. übertroffen wird. Ein Incentive hingegen ist eine rückwirkend verteilte Anerkennung einer besonderen Leistung, meist in Form von Sachprämien, Reisen, Events etc.

Blödsinn. Beides funktioniert nach dem gleichen Prinzip. Mit dem einzigen Unterschied, dass man bei einem Bonus Kriterien festlegt, die nachprüfbar sind: "Wenn du x% mehr verkaufst, beträgt dein Bonus..." Der auf diese Weise "geköderte" Mitarbeiter kann seine Aktivitäten daran ausrichten. Über die Nebenwirkungen solcher Systeme ist schon viel diskutiert worden, ich habe mich oft genug dazu ausgelassen.

Und Incentives? Ich wage mal einen Vergleich. Sie schenken Ihrem Ehepartner zum ersten Hochzeitstag einen dicken Blumenstrauß und führen ihn ins Drei-Sterne-Restaurant. Im zweiten Jahr gibt es wieder einen großen Blumenstrauß und einen Opernbesuch. Im dritten Jahr kommen sie mit einer einzelnen Rose - oder vergessen den Tag ganz. Was passiert?

Ich denke, mit Incentives ist es ähnlich. Wenn Sie einmal damit beginnen, erzeugen Sie Erwartungen. Da können Sie noch so oft betonen, dass es kein "Anrecht" darauf besteht. Und es gibt wohl wenig, was schlimmer ist als enttäuschte Erwartungen...

Und dann gibt es da noch eine ganz besondere Variante: Wettbewerbe. Im Außendienst besonders beliebt. Die besten 10 Verkäufer dürfen zum Champions-League Finale zusammen mit dem Vorstand. Oder fahren mit Rennwagen gemeinsam über den Nürburg-Ring. Das wird - ähnlich wie der Bonus - vorher angekündigt, dann legt sich der Vertrieb so richtig ins Zeug. Funktioniert angeblich prima.

Mir sträuben sich bei solchen Methoden immer die Nackenhaare. Mich hat einmal ein Personaler in einem Workshop zum Thema "Zielvereinbarungssysteme" gefragt, ob ich denn wirklich glaube, dass sich Menschen ohne solche Anreize voll und ganz für ihr Unternehmen einsetzen würden. Er fände es ja auch schön, wenn man ohne Prämien, Zielvereinbarungssysteme und komplizierte variable Entlohnungsmodelle auskäme, aber nach seiner Erfahrung seien die Menschen nun mal anders.

Die Antwort lautete sinngemäß: Es ist die Frage, was hier Ursache und was Wirkung ist. Wenn Sie Mitarbeiter wollen, die ihre volle Leistung nur dann bringen, wenn man ihnen entsprechende Möhren vor die Nase hängt, dann behalten Sie diese Systeme. Und variieren Sie die Möhre, machen Sie sie jedes Jahr ein Stückchen größer und leben Sie mit den Nebenwirkungen.
Wenn Sie möchten, dass sich die Menschen in Ihrem Unternehmen für gemeinsame Ziele engagieren, weil sie darin einen Sinn sehen, dann schaffen Sie sie ab.

Was "Incentive-Wettbewerb" betrifft: Auch da muss man sich überlegen, ob man eine Mannschaft, die zusammen ein Ziel erreichen will, haben möchte, oder ob man Einzelkämpfer, die in Konkurrenz zueinander stehen, vorzieht. Und denen man immer wieder neue Sensationen bieten muss.

Nebenbei bemerkt: Natürlich soll man Erfolge feiern. Ob man mit seiner "Mannschaft" essen geht, eine gemeinsame Tour unternimmt - was auch immer. Die Grenze zwischen "Erfolge feiern" und "Incentives verteilen" ist dabei sicherlich fließend. Eine Frage der Kultur...

Rezension zum Thema:
Bonbons für die Mitarbeiter, acquisa 11/2010
Geld darf nicht verführen, managerSeminare 12/2010

Montag, 24. Januar 2011

Persönlichkeit

Wie wäre es, wenn uns die Genforscher endlich das Führungskräfte-Gen präsentieren könnten? Eine Kombination aus Genen, die alle erfolgreichen Führungskräfte gemeinsam haben. Oder wenn die Hirnforscher bestimmte Areale im menschlichen Hirn ausmachten, die bei erfolgreichen Führungskräften besonders stark ausgeprägt sind? Und wenn sie schon mal dabei sind, könnten sie auch gleich Entsprechendes für den Unternehmer aufspüren. Wir müssten dann nur noch potenzielle Existensgründer in die Röhre schieben und könnten auf diese Weise viele Unternehmenspleiten verhindern.

Und wir müssten nicht mehr all diese wissenschaftlichen Untersuchungen über die ideale Führungspersönlichkeit lesen. Denn im Grunde ist die Hoffnung ja die gleiche: Irgendwann entdeckt jemand die ideale Kombination an Persönlichkeitsmerkmalen, die den erfolgreichen vom weniger erfolgreichen Unternehmer, den fähigen vom unfährigen Chef unterscheidet.

Vergebliche Anstrengungen, fürchte ich. Was heißt "fürchten"? Im Grunde sollten wir dankbar sein, dass diese Versuche in eine Sackgasse münden. Lauter erfolgreiche Unternehmer? Nur noch fähige Chefs - wie öde. Aber warum sucht man dann immer noch danach? Vor allem: Warum werden solche Publikationen immer noch gelesen?

Es ist die Hoffnung. Erfolgreiche Unternehmer haben Spaß am Wettbewerb? Mal kurz nachgedacht, ob das auch auf mich zutrifft... Eigentlich schon. Könnte also sein, dass ich als Unternehmer Erfolg habe. Hoffentlich. Unternehmer sind risikofreudig? Bin ich auch. Könnte also klappen...

Zu dumm nur, dass immer wieder Experten auftauchen, die nicht an einen Zusammenhang zwischen Persönlichkeitseigenschaften und Führungserfolg glauben. Zu Recht, finde ich. Was damit zu tun hat, dass Führung (und eben auch Unternehmertum) derartig komplex ist, dass ein Erfolg durch die Kombination der unterschiedlichsten Kompetenzen möglich ist. Für einen erfolgreichen Dolmetscher mag Sprachbegabung eine wesentliche Rolle spielen, für einen erfolgreichen Bildhauer das räumliche Vorstellungsvermögen, für einen erfolgreichen Basketballer die Körpergröße. Ohne diese Merkmale wird es schwierig.

Bei Führung oder Unternehmertum jedoch gibt es offensichtlich keine derartig dominierenden Merkmale. Was offenbar niemanden daran zu hindern scheint, weiter eine "Studie" nach der anderen durchzuführen, um dann doch die ultminative Führungseigenschaft auszumachen. Die Hoffnungs stirbt zuletzt...

Rezensionen zum Thema:
Als Unternehmer geeignet? Wirtschaftspsychologie-aktuell 4/2009
Eine Frage der Führung, Personalmagazin 11/2010
 

Samstag, 15. Januar 2011

Rätselhafte Besprechungen

Besprechungen sind der Horror - die meisten zumindest. Und wenn sie nicht schrecklich sind, dann zumindest todlangweilig, was auch schrecklich ist. Angeblich häuft sich die Zahl, und weil Unternehmen rund um die Welt aktiv sind, tagt man von früh morgens per Videokonferenz bis in den späten Abend. Ein Meeting jagt das nächste. Dabei wird die Zeit aller Teilnehmer in der Regel sinnlos verschwendet und vermutlich eine Menge Wert vernichtet. Wissen wir.

Wir wissen auch, wie man es besser macht. Tipps dazu gibt es zuhauf, aber sie fruchten nicht. Genau das ist der Punkt, der mich interessiert. Wieso eigentlich nicht? Warum werden Meetings nicht sorgfältig vorbereitet? Warum werden nicht die richtigen Leute eingeladen? Warum werden Vielredner nicht gestoppt? Warum werden die Ergebnisse nicht für alle sichtbar festgehalten (wenn es denn Ergebnisse gibt)? Warum werden die Tagesordnungspunkte nicht priorisiert und kategorisiert? Und vor allem: Warum gibt es am Ende kein Besprechungsfeedback?

Vermutlich gibt es für jede Frage eine andere Antwort. Fehlende Vorbereitung? Kostest Zeit. Falsche Teilnehmer? Man möchte keinem auf die Füße treten. Vielredner reden lassen? Unterbrechen ist unhöflich. Ergebnisse visualisieren? Man könnte sich verschreiben. Keine Kategorisierung der Besprechungspunkte? Könnte peinlich werden, wenn überall ein "E" für Entscheidung steht und nichts entschieden wird. Kein Feedback am Ende? Wer traut sich schon, offen zu kritisieren. Usw.

Die wichtigste Frage aber: Warum lassen sich Menschen das gefallen? Warum steht niemand auf und moniert die sinnlose Zeitverschwendung? Warum meckern alle erst nach dem Meeting über den Unsinn?

Eine Erklärung: Besprechungen dienen der Absicherung. Menschen in Organisationen dürfen und wollen keine Fehler machen. Also wird wenig allein entschieden, sondern alles wird mit allen besprochen. Dann kann nachher niemand sagen, er habe von nichts gewusst. Daher auch die lustigen Verlaufsprotokolle.

Einspruch: Dann müsste man doch in Besprechungen auch Entscheidungen treffen, was aber selten geschieht. Ein Denkfehler. Man möchte natürlich schon selbst entscheiden, in den Besprechungen sucht man hierfür lediglich Unterstützung. Wenn alle anderen meinen Weg nach endlosen Diskussionen schließlich entnervt abnicken, ist das Ziel erreicht.

Eine andere Erklärung, die mir einfällt: Besprechungen dienen überhaupt nicht all den hehren Zielen, die in den Ratgebern stehen. Sie sind der Ersatz des klassischen Kaffeekränzchens. Als Arbeit getarnte soziale Ereignisse. Die Befriediung des Bedürfnisses nach Nähe und Bindung. Der moderne Mensch trifft sich nicht mehr in gemütlicher Runde zum lockeren Plausch, er hält Meetings ab. Je größer die Zahl der Besprechungen, an denen jemand teilnimmt, umso höher seine soziale Anerkennung.

Man stelle sich vor, der Manager kommt nach Hause und erklärt: "Ach, haben wir wieder nett Kaffee getrunken heute. Und das insgesamt sechs Stunden!" Da klingt doch viel besser: "Mannomann, was für ein Tag: Sechs Stunden Meeting mit meinem Boss und dem Boss von meinem Boss. Ich bin völlig fertig..."

Damit erübrigen sich auch alle guten Ratschläge zur Optimierung. Niemand will ernsthaft ein Ergebnis auf Besprechungen erzielen. Auf zur nächsten "Besprechung"...

Rezension zum Thema:
Schluss mit dem Alltagshorror, managerSeminare 12/2010

Freitag, 7. Januar 2011

Kühne Konzepte

"Fortschritt und Hierarchien - das verträgt sich kaum noch!" Das klingt nach einem spannenden Artikel. "Statt auf Hierarchien setzen Unternehmen auf Kooperation oder teilen ihr Wissen mit Branchenfremden!" Wow. Das hat mich neugierig gemacht, wie Sie sich denken können. Der Autor der Wirtschaftswoche versprach noch mehr, nämlich "kühne Konzepte hiesiger Vorreiter-Unternehmen".

Los geht's. Aber ach. Da taucht doch tatsächlich Ricardo Semler, CEO des brasilianischen Konzerns SEMCO auf. In seinem Unternehmen darf jeder Mitarbeiter zu einem Thema seiner Wahl eine Besprechung einberufen und dafür im Intranet Werbung machen. Wer sich für das Thema interessiert, nimmt teil. Eine schöne Idee. Zum ersten Mal gelesen habe ich davon 1993 in dem wirklich spannenden Buch "Das Semco-System", das leider nicht mehr zu kriegen ist (bin froh, ein Exemplar noch mein eigen nennen zu können).

Etwas weiter findet sich das Software-Unternehmen Itemis, das seinen Mitarbeitern einen Tag pro Woche zur eigenen Fortbildung einräumt - 4+1 nennt sich das System. Ein guter Ansatz, habe ich auch schon mehrfach gelesen. Schließlich Gore, das amerikanische Unternehmen (zuvor wurden Microsoft und Procter & Gamble vorgestellt, hiesige Unternehmen eben), das auf Hierarchien und Titel verzichtet und sich immer dann teilt, wenn eine Produktionseinheit an die 200 Mitarbeitergrenze gerät. Auch ein interessanter Ansatz, der die Schwerfälligkeit der großen Konzerne verhindern soll.

Was mich stutzig macht und irritiert: So spannend die Ansätze sind (wobei das Vorschlagswesen der Deutschen Post mir auch kein revolutionärer Ansatz zu sein scheint) - wie kommt es nur, dass man immer die gleichen Beispiele zu lesen bekommt? Da drängt sich doch der Verdacht auf, dass wir noch sehr weit weg von Organisationen ohne Hierarchien und Titel sind.

Der Verdacht wird auch in dem erwähnten Beitrag bestätigt. Procter & Gamble fädelte einen "spektakulären Deal" ein: Man tauschte über mehrere Wochen hinweg Mitarbeiter mit Google, um so von der jeweils anderen Kultur zu profitieren. Heraus kam eine Online-Marketing-Kampagne, bei der die Kunden aufgefordert wurden, die Werbespots von P&G durch den Kakao zu ziehen. Ein durchschlagender Erfolg - aber warum (Zitat) "hat Procter seitdem seine Mitarbeiter nicht mehr in andere Unternehmen geschickt"?

Hierarchien und Titel scheinen mir weitaus widerstandsfähiger zu sein, als solche Beiträge es nahelegen...

Rezension zum Thema:
Aufbrechen, bevor das Denken zementiert, Wirtschaftswoche 47/2010

Samstag, 1. Januar 2011

Beurteilung korrigieren


Das ist mal ein realistischer Fall. Nach einer Fusion wird das Beurteilungsverfahren geändert. Statt der alten Noten von 1 bis 6 gibt es jetzt A-, B- und C-Mitarbeiter. Nicht weiter schlimm, denn da man auch ein "Plus" vergeben darf, kommt man wieder auf die alten sechs Noten. Also kein Problem, denkt sich die (fiktive) Vorgesetzte und beurteilt wie bisher. Und teilt den Mitarbeitern im Gespräch ihre Einschätzung mit.

Doch dann wird sie zu ihrem Chef gerufen. Dieser erklärt ihr, dass der neue CEO den Eindruck hat, in dem "alten Unternehmen" wird zu gut beurteilt. Mindestens 10% der Mitarbeiter sollten in C landen. C steht für eine "unterdurchschnittliche" Leistung. Mal abgesehen von dem Unsinn einer erzwungenen Verteilung hat die Vorgesetzte nun das spezielle Problem, wie sie ihren Mitarbeitern erklären soll, dass sie ihre Beurteilung revidieren muss. Soll sie es überhaupt tun?

Die Experten in diesem Fall erklären ihr erst einmal, was alles falsch gelaufen ist. Wie immer stellt niemand das System an sich in Frage, sondern alle zeigen, wie man solche Systeme richtig einführt. Interessant an dem Fall ist die Bandbreite der Tipps, wie sie sich persönlich verhalten sollte. Der eine rät ihr, in den sauren Apfel zu beißen, der nächste empfiehlt, einen umfangreichen Change-Prozess zu initiieren, die dritte meint, sie solle standhaft bleiben und sich überlegen, das Unternehmen zur Not zu verlassen.

Der Beitrag brachte eine Erinnerung hoch. Genau diese Situation habe ich selbst einmal erlebt. Mein Chef forderte mich auf, meine Beurteilungen zu revidieren, weil unser Bereich "zu gut" war. Und war alles andere als begeistert, als ich mit dem Argument ablehnte, ich hätte die Mitarbeiter so beurteilt, wie ich sie sehe und ihnen das auch bereits mitgeteilt. Ich bin damals aus der Zwickmühle herausgekommen, ohne das Unternehmen zu verlassen und musste die Beurteilungen auch nicht revidieren. Wie das?

Meine Antwort war: Ich habe meine Beurteilungen abgeschlossen. Wenn jemand (gemeint war natürlich mein Chef) der Meinung ist, dass sie nicht zutreffen und korrigiert werden müssen, dann könne er das ja tun. Und das meinen Mitarbeitern persönlich mitteilen.
Er war wieder alles andere als begeistert, aber verzichtete auf eine Korrektur. Späte erfuhr ist, dass er andere Führungskräfte überzeugt hatte, ihre Mitarbeiter herabzustufen und so den erforderten Durchschnitt zu erreichen.
Organisationen bringen Menschen dazu, die merkwürdigsten Dinge zu tun...

Rezension zum Thema:
Werden die Mitarbeiter gerecht beurteilt? Harvard Businessmanager 9/2010