Montag, 27. September 2010

C-Mitarbeiter vor die Tür setzen

Manchmal macht es richtig Spaß, einen polemischen Artikel zu lesen. Den Beitrag "Minderleister raus!" in der managerSeminare von einem Professor Knobloch, dessen Haltung zum Umgang mit Minderleistern angeblich durchaus im Einklang zu den "Grundsätzen und Werten der Bibel" steht, finde ich weniger spaßig. Dort geht es um sogenannte C-Leister, die "Under-Performer" (im Gegensatz zu den A-Leistern oder Top-Performern und B-Leistern oder auch Mitläufern). Andere Beschreibungen für die drei Schubladen: Der A-Leister spricht über Ideen, B-Mitarbeiter reden über Vorgänge und C-Mitarbeiter ziehen über Kollegen her. Das nenne ich mal eine gelungene Typologie.

Ähnlich banal sind die Tipps: Man sollte Mitarbeiter sorgfältig auswählen, um keine faulen Äpfel zu erwischen. Also z.B. auch den letzten Arbeitgeber anrufen. Man sollte die Probezeit nutzen und hier schon klare Ziele vereinbaren. Man sollte regelmäßig die Leistung beurteilen und zurückmelden, damit der C-Leister nicht überrascht wird, wenn er gekündigt wird. Wer will dagegen etwas sagen?

Nun kommt aber der Teil, der mich wirklich ärgert: Da ist einmal die Aussage, dass wir in Deutschland nicht mit Leistung umgehen können und deshalb "Low-Performer" jahrelang auf ihren Arbeitsplätzen belassen, womit wir den Fortbestand unserer Unternehmen riskieren. Ganz anders als in den USA, wo Leistung etwas bedeutet. Deshalb stehen die USA ja auch wirtschaftlich so toll da und in Deutschland liegt die Wirtschaft am Boden. Weil wir zu viele faule Äpfel beschäftigen. Nach den Erfahrungen von Herrn Knobloch bringen Weiterbildung, ernsthafte Gespräche und Abmahnungen in der Regel nichts, also setzen wir sie vor die Tür. Das ist nur fair, sagt er, dann hat der Mitarbeiter die Chance, woanders einen Arbeitsplatz zu finden, der ihm mehr Spaß macht und wo er besser hinpasst. Es sei denn, der potenzielle neue Arbeitgeber nimmt sich den Tipp mit dem Einholen von Referenzen zu Herzen und ruft uns vorher an - dann kriegt er den Job erst gar nicht.

Zum anderen sollen wir genau hinschauen, ob jemand nicht will oder nicht kann. Will er nicht, fliegt er sofort. Kann er nicht, probiert man es erst einmal mit Förderung - und wirft ihn raus, wenn auch das nichts hilft. Es kann natürlich sein, dass Herr Knobloch nur ein sehr kleines Unternehmen führt, in dem für einen Mitarbeiter nur eine einzige mögliche Aufgabe in Frage kommt - der Hinweis, dass man im eigenen Haus schaut, wo seine Fähigkeiten besser zum Einsatz kommen, fehlt nämlich. Führt man seine Argumentation fort, so ist der C-Leister ja auch ein gesellschaftliches Problem, dann sollten wir ihn vielleicht des Landes verweisen. So wäre die Gefahr gebannt, dass er in einem anderen Unternehmen weiteren Schaden anrichtet. Ich habe lange in einem Konzern gearbeitet, in dem Mitarbeiter, die nicht konnten, auf anderen Arbeitsplätzen weiter beschäftigt wurden, einfach aus sozialer Verantwortung heraus. Und das führte keineswegs dazu, dass die Leistungsträger ihren Hut nahmen.

Schon wieder lustig finde ich das Vorgehen im Unternehmen des Autors. Dort erhalten A-Mitarbeiter nach der Leistungsbeurteilung A-Briefe, B-Mitarbeiter B-Briefe und C-Mitarbeiter C-Briefe. Nanu, dachte ich, hat da die Auswahl versagt? Warum haben die C-Mitarbeiter die Probezeit überlebt? Und wieso bekommen Mitarbeiter Briefe, um zu erfahren, wie sie eingeschätzt werden?

Eine Botschaft wird hier nicht vermittelt, die aber mehr als offensichtlich ist: Leistung ist kein Persönlichkeitsmerkmal, sondern das Ergebnis vieler Faktoren. Wer einen Funken Verantwortung hat, der schaut sich diese genauer an. Dass am Ende eines solchen Prozesses auch eine Kündigung stehen kann, bestreitet ja niemand. Aber dafür muss man nicht mit dem Untergang der deutschen Wirtschaft drohen.

Rezension zum Thema:
Minderleister raus! managerSeminare 9/2010

Dienstag, 21. September 2010

Die Sache mit dem positiven Denken

Gleich zwei Artikel, die sich mit dem amerikanischen Traum beschäftigen - und dem Phänomen, dass dem Amerikaner das positive Denken vergeht. Der eine erschien in der Wirtschaftswoche und ist ein Auszug aus dem Buch "Smile or Die" der Amerikanerin Barbara Ehrenreich. Der andere stammt aus der Financial Times Deutschland und beschreibt den Niedergang der amerikanischen Durchschnittsfamilie. Beide Beiträge empfand ich als bedrückend, ja fast beängstigend.

Dass sich im Land der unbegrenzten Möglichkeiten die Kluft zwischen den Besserverdienenden und der durchschnittlichen Bevölkerung drastisch vergrößert hat, ist bekannt, ähnliche Phänomene kennen wir aus allen Teilen der Welt.

Bisher war es nur so, dass man uns Deutschen immer vorgehalten hat, wir würden den Reichen ihren Reichtum nicht gönnen und schürten so etwas wie Sozialneid, während man in den USA diese Unterschiede nicht nur toleriert, sondern sie als Anreiz begreift. Sie dienten zur Motivation, es selbst einmal ins Lager der Top-Verdiener zu schaffen, ganz gleich, woher man kommt. Und damit seien die Unterschiede auch der Motor für Fortschritt und Entwicklung.

Nun aber zeigen Statistiken zwei gravierende Entwicklungen: Zum einen ist das Durchschnittseinkommen der normalen Familie in den USA in den letzten 30 Jahren kaum gesteigen, und noch bitterer: Es ging ihnen am Ende eines Aufschwungs schlechter als zu Beginn.

Zum anderen stellt sich heraus, dass die Chance eines sozialen Aufstiegs in den USA deutlich geringer ist als zum Beispiel in vielen europäischen Ländern. Mit anderen Worten: Der amerikanische Traum bleibt heute tatsächlich für die meisten Amerikaner ein Traum, der Alltag besteht aus mehreren parallelen Jobs, Angst vor Erkrankung und Unfall und geringeren Chancen auf eine angemessene Bildung, die für die meisten nicht mehr zu bezahlen ist.

Womit sich die Frage stellt, ob das positive Denken nichts weiter als ein großer Schwindel ist. Etwa vergleichbar mit der Hoffnung auf den Lottogewinn: Jeder, der spielt, hat die Chance auf den Jackpot, aber kaum jemand wird diesen jemals erhalten.

Falsch, werden jetzt die Optimisten sagen: Positives Denken hilft beim Lotto natürlich wenig, aber beim eigenen Lebensweg sehr wohl. Weil man diesen, anders als beim Lotto, selbst beeinflussen kann. Tja, das ist einerseits richtig. Andererseits: Wenn die breite Masse der Menschen unter den derzeitigen Rahmenbedingungen ihren Lebensstandard nicht verbessert - liegt das dann wirklich daran, dass sie nur nicht positiv genug denken?

Drehen wir es mal anders herum: Jemand, der erfolgreich ist, wird immer von sich sagen, dass seine Fähigkeit, positiv zu denken, einen Anteil daran hatte. Aber ich fürchte, dieser Anteil wird gnadenlos überschätzt. In Wirklichkeit wird es so aussehen, dass eine ganze Reihe anderer Faktoren den Erfolg möglich gemacht haben, wobei der eigenen Optimismus nicht geschadet haben dürfte.

Und die Alternative? Barbara Ehrenreich sagt, dass die Menschen die Welt so sehen sollten, wie sie ist. Sie sollten die Chancen und Gefahren abschätzen und daraufhin eine realistische Einschätzung der eigenen Möglichkeiten vornehmen. Ein guter Rat? Was macht der Amerikaner, wenn er erkennt, dass er niemals im Leben zum oberen Prozent gehören wird, realistisch betrachtet? Er verliert seinen Optimismus. Und dann?

Rezensionen zum Thema:
Das Ende des amerikanischen Traum, Financial Times Deutschland 9.8.2010
Lächle oder stirb, Wirtschaftswoche 34/2010

Montag, 20. September 2010

Verlernen wir das Schreiben?

Das Ende einer Kulturtechnik? Verlernen wir das Schreiben mit der Hand? Was mir immer mehr auffällt, ist wie schwer mir tatsächlich das Verfassen von Scthriftstücken fällt, wie mühsam es ist, den Stift zu führen. Und das Ergebnis ist erschütternd: Unregelmäßig, fahrig, unleserlich. Mitunter erschließt sich die Bedeutung eines Wortes nur noch aus dem Zusammenhang.


Kein Wunder, sagen die Experten. Schreiben muss man üben, und zwar regelmäßig, sonst verlernt man es tatsächlich. Aber wer setzt sich schon hin und übt? Was früher selbstverständlich Teil des täglichen Lebens war, ist heute die Ausnahme. Wir hacken unsere Briefe in eine Tastatur, wir verfassen Notizen auf dem Smartphone und statt kurze Mitteilungen auf Zetteln an den Kühlschrank zu heften versenden wir lieber eine SMS. Den Stift nehmen wir nur noch in die Hand, um eine Unterschrift zu leisten - und die fällt dann schon schwer.

Nun treten wahrscheinlich die ersten Retter auf den Plan und plädieren dafür, die Kunst des Schreibens zu retten. Und wirklich, es erscheint auch mir kaum vorstellbar, dass die nächsten Generationen die Handschrift als Relikt aus der Vergangenheit betrachten werden. Sie werden kaum nachvollziehen können, wozu sie diese überhaupt noch in der Schule lernen sollen? Es werden Kinder in der ersten Klasse auftauchen, die eine Tastatur perfekt beherrschen und den Lehrer erstaunt anschauen, wozu sie denn die Worte mit einem Stift auf das Papier bringen sollen, wo man sie doch viel einfacher ausdrucken kann.

Wem das jetzt völlig absurd und undenkbar vorkommt, der sei daran erinnert, dass heute auch niemand mehr die Keilschrift beherrscht oder weiß, wie man per Rauchzeichen kommuniziert. Alles hat seine Zeit....

Noch etwas, das mir beim Versuch, die Zeilen auf das Papier zu bannen, auffiel: Ich hatte arge Mühe mich darauf zu konzentrieren, keine Fehler zu machen - die Löschfunktion fehlt ja völlig. Das war schon fast eine Überraschung. Welche Folgen diese Funktion für das Festhalten von Informationen bzw. die schriftliche Kommunikation hat, wäre mal interessant zu untersuchen...

Rezension zum Thema:
Das kann ja keiner lesen, Financial Times Deutschland, 13.8.2010

Samstag, 11. September 2010

Talentmanagement oder Personalentwicklung?

Talentmanagement - wie viel besser klingt das als der hausbackene Begriff "Personalentwicklung". Hat wohl auch damit zu tun, dass man es im Englischen ebenso verwenden kann - "Tälentmänitschment". Schmunzeln musste ich, als ich in der Serie "Summerschool" der FTD, in der der aktuelle Stand wichtiger Managementtrends auf einer Seite zusammengefasst und mit Beispielen versehen werden, das Thema "Personalentwicklung" fand - neben solchen inzwischen nur noch selten erwähnten Titeln wie Kaizen, Business-Process-Reengineering, Balanced Scorecard, Wissensmanagement oder Outsourcing. Warum wurde es nicht "Talentmanagement" genannt?

Ein Verdacht kam mir beim Lesen. Da werden Beispiele von Firmen aufgeführt, die sich ganz gezielt um ältere Mitarbeiter kümmern. Datev schneidet Seminare speziell auf diese Zielgruppe zu, bietet den "Senioren" die Möglichkeit, sich in ganz neue Aufgaben einzuarbeiten und setzt auf altersgemischte Teams.

Im Beispiel der Bädereikette "Der Beck" setzt man auf Quereinsteiger und Ungelernte. Von den 850 Mitarbeitern im Verkauf haben die wenigsten diesen Beruf erlernt. Sie wurden durch Produktschulungen und Verkaufstrainings für diese Tätigkeit fit gemacht. Und wer aus der Branche stammt, aber sich für eine andere Tätigkeit interessiert, hat dazu auch die Möglichkeit. So gibt es einen Bäcker als Verkaufsleiter oder eine Konditorin als Werbeleiterin.

Das nennt sich also "Personalentwicklung". Ältere Mitarbeiter und Ungelernte - und dann "Talentmanagement", das passt irgendwie nicht.
Mir ist der Begriff "Personalentwicklung" einfach sympathischer...

Rezension zum Thema:
Latente Talente, Financial Times Deutschland 3.8.2010

Mittwoch, 8. September 2010

Alleinstellungsmerkmal

Wer neue Mitarbeiter sucht und diesen etwas bieten will, sollte in die Personalentwicklung investieren. Den Rat haben wir schon oft gehört, nun wird er um eine neue Empfehlung bereichert: Das Angebot sollte ein Alleinstellungsmerkmal besitzen, eben ganz besonders sein, unverwechselbar und einzigartig. Auch "unique selling proposition" (USP) genannt.

Das Konzept des Alleinstellungsmerkmal taugt vielleicht für Produkte und Dienstleistungen (auch wenn hier Nachahmer mitunter mehr Erfolg haben als die Erstanbieter), aber sollten sich auch Personalentwickler darum bemühen?

Wohl kaum. Ich glaube, dass Personalentwicklung nur einen kleinen Teil der Gesamtvereinbarung zwischen Unternehmen und Mitarbeiter ausmacht. Sicher ist er wichtig, und sicherlich fragen viele Kandidaten beim Einstellungsgespräch danach, welche Entwicklungsmöglichkeiten sie erwarten dürfen. Aber kann man sie mit Maßnahmen locken, die es nur bei diesem einen Unternehmen gibt? Oder geht es nicht vielmehr darum, vernünftige, nachvollziehbare und vor allem verlässliche Personalentwicklung zu betreiben? Eben Personalentwicklung, die Hand und Fuß hat? Und die vor allem glaubwürdig ist?

Wer tolle Seminare an ungewöhnlichen Orten verspricht oder in Aussicht stellt, dass man als Mitarbeiter auch mal dem Vorstand über die Schulter schauen darf; wer großartige Jobrotationsmöglichkeiten oder einzigartige Führungskräfteentwicklungsprogramme verspricht, der mag vielleicht im ersten Moment Eindruck schinden. Aber erstens sind all diese Dinge ohnehin direkt kopierbar und alles andere als einzigartig. Zum anderen zeigt die Erfahrung, dass die Mittel für Personalentwicklung in der Regel als erstes gestrichen werden, wenn es ans Sparen geht.

Wäre es nicht viel wichtiger, die grundlegenden Dinge zu leisten, und zwar zuverlässig und "handwerklich" sauber? Den neuen Mitarbeiter so einarbeiten, dass er schnell in der Lage ist, sein Können zu zeigen, statt erst dann an seinen Arbeitsplatz zu stellen, wenn sein Vorgänger schon lange weg ist? Ihm einen Paten zur Verfügung zu stellen, damit er einen Ansprechpartner für alle offenen Fragen hat? Gerade am Anfang regelmäßige Gespräche mit seinem Vorgesetzten zusagen und auch einhalten und dabei vor allem nachfragen, was ihm als dem "Neuen" aufgefallen ist? Ihm erklären, dass es keine vorgegebenen Karrierepfade gibt (denn solche werden meist von der Realität schnell überholt), dafür Beispiele erzählen von Kollegen, die eine interessante Laufbahn vorweisen können? Ihm die Möglichkeit einräumen, seinen Weiterbildungsbedarf jederzeit zu formulieren und dann zu unterstützen, um ihn auch zu erfüllen? Und dafür einen kompetenten Ansprechpartner nennen?

Ich vergleiche das mit dem Gang zum Arzt. Wenn dieser mir ein tolles Medikament oder eine Behandlungsmethode empfiehlt, die kein anderer zu bieten hat, werde ich vielleicht im ersten Moment begeistert sein. Aber dann werde ich furchtbar misstrauisch. Will ich nicht viel lieber eine bewährte Methode, ein erprobtes Medikament? Eines, das mir wirklich hilft?

Mit anderen Worten: Gefragt ist das alltägliches "PE-Handwerk", aber das solide und zuverlässig. Normal? Wohl kaum - und vielleicht deshalb sogar ein Alleinstellungsmerkmal. Dann passt die Analogie zu dem Marketingkonzept doch wieder.

Rezension zum Thema:
Personalentwicklung als Marke, Personalmagazin 8/2010