Donnerstag, 28. März 2013

Von Messi lernen

Ich lese gerade "Radikal führen" von Reinhard Sprenger. Und stelle mal wieder fest, dass der "einzige deutsche Management-Guru" mir immer wieder aus der Seele spricht. Zum Beispiel, wenn es um die ganzen Erfolgsrezepte geht, die uns die Ratgeberliteratur anpreist. Das hat schon bei "In Search of Excellence" von Tom Peters und Richard Waterman nicht funktioniert. Weil, wie Sprenger feststellt, Berater in der Regel sich erfolgreiche Unternehmen anschauen, bestimmte Faktoren isolieren und daraus auf Muster schließen. Diese Muster gehen einher mit Erfolg, aber sind sie auch die Ursache für Erfolg? Eben in der Regel leider nicht, hier wird, wie so oft, "Korrelation mit Kausalität verwechselt" (Sprenger S.191).

Und weil wir eben nicht wissen, was genau Ursache und was Wirkung ist, warten wir nach wie vor auf die universale Erfolgsformel für Unternehmen. Gut für die Berater, sonst wäre das Geschäft ja auch sofort am Ende. Dann könnte man keine Bücher mehr schreiben mit dem schönen Begriff "Prinzip" im Titel. Ich habe mir mal den Spaß erlaubt, bei Amazon "Prinzip" als Suchbegriff einzugeben. Herrlich: "Das Arroganz-Prinzip", "Das Prinzip Uli Hoeneß", "Prinzip Menschlichkeit", "Das Prinzip Selbstverantwortung" (Sprenger), "Das Prinzip Gewinnen", "Das Prinzip der Pyramide", "Das Pinguin-Prinzip", "Das Günter-Prinzip"... Uff!

Warum gibt es trotz aller "Erfolgsprinzipien" dann doch keines, das sich durchsetzt? "Weil es für jedes Erfolgsrezept zig gültige Gegenbeispiele" gibt (Sprenger, S.193). "Erfolge sind und bleiben Singularitäten" (S.193), die Übertragbarkeit funktioniert nicht, weil alle diese Rezepte den jeweiligen Kontext ignorieren.

Die Konsequenz daraus? Es gibt kein Erfolgsrezept, die Idee, nach einem solchen zu suchen, kann man getrost aufgeben. Wenn es überhaupt eins geben kann dann dieses: "Keins zu haben" (S. 197).

Ja, denke ich, so ist es wohl. Und das hat ja auch seinen Reiz. Wie langweilig es wohl wäre, wenn plötzlich jemand daherkäme und tatsächlich die geniale Formel für unternehmerischen Erfolg gefunden hätte.

Wozu also noch nach Prinzipien suchen? Warum all die Bücher und Artikel nach dem Muster "Was wir lernen können von..."? Weil wir es einfach nicht wahr haben wollen, dass es kein Rezept gibt? Selbst Guru Sprenger kann es nicht lassen. So erklärt er uns in der Wirtschaftswoche, was die Welt vom genialen Fußballer Lionel Messi lernen kann: Bescheiden sein, viele Pausen machen, sich einer Sache ganz verschreiben, Talente früh entwickeln, Körpergröße nicht überbewerten...

Jede Wette, dass es Beispiele von Fußballern gibt, die mit genau gegenteiligen "Rezepten" erfolgreich sind: Große Klappe, viel laufen, jede Menge Marketing in eigener Sache machen, schon als Star eingekauft wurden und über eine stattliche Körpergröße verfügen. Wie sagt Sprenger: "Besser ist es, kein Rezept zu haben." Aber es lohnt sich, weiterhin solche Rezepte zu produzieren. Zumindest für Berater und Buchautoren. Und Management-Gurus....

Rezension zum Thema:
Mach mal Pause! Wirtschaftswoche 9/2013

Mittwoch, 20. März 2013

Manager an die Front

Es soll Unternehmen geben, in denen Top-Manager für eine gewisse Zeit (und wenn es nur für einen Tag ist) in der Produktion oder im Vertrieb stehen und die Folgen ihrer Entscheidungen direkt erleben können. Ich halte das für eine hervorragende Idee, die Schule machen sollte. Dann wünsche ich mir, einem Manager in einer der  beiden folgenden Situationen zu begegnen:

Der Kunde kommt zu einem bekannten Elektronik-Kaufhaus und möchte - als Folge einer falschen Beratung - einen Adapter eines ebenso bekannten Markenherstellers zurückgeben. In dem für Umtausch und Reklamationen vorgesehenen Bereich des Unternehmens zieht er eine Marke mit der Nr. 94, auf dem Anzeigegerät erkennt er die Zahl 87. Noch sechs geduldig auf den Bänken in dem an einen Wartesaal im Bahnhof erinnernden Raum wartenden Kunden sind vor ihm an der Reihe. Die Angestellten hinter den Bildschirmen - darunter vermutlich kein Top-Manager - hören sich die Beschwerden der Kunden geduldig an. Zwischendurch verschwinden sie hinter einem Vorhang und lösen bei den Wartenden leichte Panik aus, dass sie sich zur Kaffeepause verabschieden. Aber sie kehren mit Zetteln und Formularen zurück und lassen die nächste Nummer auf dem Anzeigegerät auftauchen.

Dann ist es so weit. Der Kunde legt den Adapter und den Kassenbon vor und bekommt als erstes zu hören: "Das ist länger als zwei Wochen her, da kann ich Ihnen kein Geld mehr zurück geben, sondern nur einen Geschenkgutschein." Der Kunde, der einfach nur gerne den richtigen Adapter hätte, ist verstimmt. "Haben Sie denn das richtige Teil?" Antwort: "Da müssen Sie in der Computerabteilung nachfragen." Frage: "Was ist, wenn der richtige Adapter weniger kostet?" - "Dann behalten Sie den Restbetrag auf dem Geschenkgutschein". Der Kunde, der eigens mit dem Wagen in die Stadt gefahren ist und im kostenpflichtigen Parkhaus des Kaufhauses sein Auto abgestellt hat, ist wenig begeistert. "Welchen Sinn hat die Zwei-Wochen-Regelung?" Die Frage könnte ihm jetzt vielleicht der Top-Manager, der für einen Tag in der Umtausch und Reklamationsabteilung arbeitet, beantworten, nicht aber der bedauernswerte Mitarbeiter hinter dem Tresen.

Szene 2 in einem Büro. Der Drucker streikt, der Service-Mitarbeiter, ein freundlicher Mann, hat den Fehler im Nu behoben. Auf die Frage: "Sagen Sie mal: Manchmal bleibt das erste Blatt eines Ausdrucks vorne am Auswurf hängen, rollt sich auf und alle weiteren Blätter fallen dann auf den Boden - kann man daran was machen?" Antwort: "Das liegt daran, dass das Papier feucht ist. Feuchtes Papier verbiegt sich, wenn es im Drucker erwärmt wird und das wiederum führt dazu, dass es an der Stelle hängenbleibt." - Nächste Frage: "Kann das nicht daran liegen, dass der Halter für den Papierauswurf falsch konstruiert ist?" - "Wie gesagt, es liegt am feuchten Papier. Papier hat die Eigenschaft, Feuchtigkeit anzuziehen. Mit ganz viel Druckerpapier könnten Sie prima feuchte Räume trockenlegen."

Nicht die Antwort, die der Kunde hören wollte. Ein neuer Versuch: "Okay - was kann man machen, damit das nicht passiert?" - "Na ja, Sie könnten das Druckerpapier in wiederverschließbare Plastikbeutel packen, damit es nicht feucht wird." Der Mann hat Humor, wie sich auch nach der nächsten Frage herausstellt. "Könnte man nicht bei der Konstruktion eines solchen Drucker berücksichtigen, dass Papier die Eigenschaft hat, Feuchtigkeit anzuziehen?" - "Oh, das ist eine japanische Firma. Kritisieren Sie mal japanische Hersteller für ihre Produkte, das nehmen die sehr persönlich, da müssen Sie ganz vorsichtig sein!"

Ich habe den leisen Verdacht, dass es sich hier vielleicht doch um einen Manager der deutschen Niederlassung gehandelt hat - wer hat sonst solche Insider-Informationen...


Dienstag, 12. März 2013

Positiv manipulieren

Wir beeinflussen andere immer, ob wir wollen oder nicht. Beeinflussung kann man auch als Manipulation bezeichnen. Also manipulieren wir ständig andere. Wer das nicht möchte, muss aufhören zu kommunizieren.

Da dies aber keine wirkliche Option ist, schon gar nicht für Führungskräfte, die ununterbrochen kommunizieren, manipulieren sie ihre Mitarbeiter. Ist das in Ordnung? Natürlich. Ist es auch in Ordnung, sie zu trainieren, wie sie ihre Mitarbeiter "besser" manipulieren können?

Ist es, sagen Anbieter von Führungstrainings bzw. eines Bachelor-Studiengangs für Nachwuchsmanager. Ihre Begründung: Bevor man unbewusst negativ manipuliert, ist es doch allemal besser, bewusst positiv zu manipulieren.

Das Beispiel sieht so aus:
Ein Manager holt seine Mitarbeiter nach einem missglückten Auftrag zusammen und erklärt ihnen, was alles schief gelaufen ist. Ihm ist nicht klar, dass er damit die Stimmung drückt und mehr Angst als Begeisterung auslöst. Sein anschließender Appell, alle Kreativität und Energie auf neue Aufgaben zu verwenden, verfehlt seine Wirkung.
Wäre er in der Kunst der positiven Manipulation geschult, würde er zuerst an die Kreativität und die Einsatzbereitschaft appellieren und dann die kritischen Punkte nachschieben.

Was uns der Autor hier sagen will: Würden Führungskräfte sich der Wirkung ihres Verhaltens bewusst, könnten sie wesentlich effektiver manipulieren - sprich führen.

Das klingt vernünftig - und gleichzeitig verführerisch. Weil es suggeriert, dass in der Kunst der positiven Manipulation geschulte Führungskräfte andere Menschen dazu bringen können, sich so zu verhalten, wie sie (die Führungskräfte) das gerne hätten. Ist offenbar auch so gemeint, weil uns als Vorbild die Werbung präsentiert wird. Die nämlich bedient sich geschickter Tricks, zum Beispiel des Prinzips der Knappheit: "Nur noch kurz im Angebot!" oder "Nur noch bis zum 31.3.!" Davon könnten Führungskräfte lernen, indem sie z.B. Mitarbeiter mit raren Aufstiegspositionen "motivieren".

Oder das Prinzip des "Konsens": Menschen folgen der Mehrheit - die Masse kann nicht irren. Also nicht "Nur 30% haben sich für eine Vorsorge angemeldet!" sondern: "75% der Besucher benutzen..."

Nun denn, versuchen wir es mal: "Sie wissen ja, dass Meier Ende des Jahres in Pension geht. Es gibt einige Interessenten für seinen Job. Aus meiner Sicht gehören Sie zu den ganz heißen Kandidaten. Allerdings wäre es sicherlich hilfreich, wenn Sie sich noch mal ordentlich ins Zeug legen..."

Oder so: "Nächsten Montag startet die neue Marketingkampagne. Fast alle Ihre Kollegen haben schon die Unterlagen angefordert. Wollen Sie nicht auch langsam...?"

Wollen Sie so geführt werden? Ich nicht. "Halt, halt", werden uns jetzt die Anbieter der positiven Manipulation zurufen, so platt geht es natürlich nicht. "Das muss schon subtiler passieren."

Vielleicht so? Man bringt die Werbung ganz unauffällig in Spielfilmen unter, in denen der Held eine bestimmte Automarke fährt oder unauffällig auf sein neues Handy schaut. Oder man verkauft das Waschpulver in einer extra großen Verpackung und suggeriert, dass man beim Kauf dieser Größe Geld spart. Rechnet man nach, stellt man fest, dass es gar keinen Unterschied gibt. Oder es sogar teurer ist.

Wollen Sie so geführt werden? Auch nicht? Vielleicht deshalb nicht, weil Sie irgendwann merken: "Hoppla, da hat mich mein Chef prima manipuliert. Er fängt mit der positiven Botschaft an, das dicke Ende kommt hinterher." Ist beim Productplacement auch so. Wer weiß, dass Produkte in Filmen untergebracht werden, dem fällt beim nächsten James Bond sofort auf, wenn der Held eine neue Automarke fährt...

Was ist dann mit "positiver Manipulation" gemeint? Nur das Vermeiden von unbewusst negativer Beeinflussung? Glaube ich einfach nicht, so leicht lass ich mich nicht beeinflussen...

Wie wäre es denn damit, Führungskräften beizubringen, klar und deutlich zu sagen, was sie vom Mitarbeiter erwarten? Was spricht dagegen zu sagen: "Die  letzte Kampagne hat nicht den angestrebten Erfolg gebracht. Ich persönlich bin enttäuscht und hatte ein anderes Ergebnis erwartet. Weil ich gehofft hatte, damit den Rückstand auf den Konkurrenten aufzuholen. Ich möchte, dass wir gemeinsam heute Ideen entwickeln, um..."

Und statt den Mitarbeiter, dessen Engagement noch größer sein könnte, mit dem Hinweis auf die knappen Stellen zu ködern, ihn konkret aufzufordern, bestimmte Aufgaben zu übernehmen.

Genau das nämlich ist es, was vielen Führungskräften fehlt und offenbar alles andere als einfach ist: Ihre eigenen Bedürfnisse zu benennen und die Erwartungen an die Mitarbeiter klar zu formulieren.

Und auf positive Manipulation getrost zu verzichten...

Rezension zum Thema:
Die Macht der Manipulation, managerSeminare 2/2013

Freitag, 8. März 2013

Dumm gelaufen

Wir hinken bei der Besprechung von Zeitschriften immer etwas hinterher - was nicht sonderlich dramatisch ist, weil wir ja keine tagesaktuellen Beiträge besprechen. Manchmal ist es sogar recht erhellend, erst Wochen später Artikel zu lesen. So zum Beispiel in diesem Fall:

In der Ausgabe 7/2013 der Wirtschaftswoche vom 11. Februar werden die besten Marken des Jahres 2013 gekürt - z.B. die beste Wachstumsmarke (Samsung), die beste Sportmarke (Adidas), die beste Produktmarke (Nivea). Und als Krönung die beste Unternehmensmarke: AMAZON. Das Unternehmen wird hier als "einer der einflussreichsten und innovativsten Konzerne der Welt" gefeiert. Das Erfolgsgeheimnis: "Der Kunde soll stets den Eindruck haben, bei Amazon den besten Deal zu bekommen." Oder anders ausgedrückt: Billiger geht's nimmer.

Zu dumm, dass dann der ARD-Bericht zwei Tage später Amazon in denkbar schlechtem Licht dastehen ließ. Ausbeutung von Mitarbeitern, Wachpersonal, unwürdige Arbeitsbedingungen. Wie verträgt sich das mit dem Anspruch der "besten Unternehmensmarke"?

Naja, es kommt eben auf die Kriterien an. Emotionalität und wirtschaftlicher Erfolg waren bei diesem "Markenwettbewerb" die wesentlichen Maßstäbe. Wen interessiert da die Art und Weise, wie der Erfolg zustande kommt? Alles hat halt seinen Preis.

Man könnte auch sagen: Dumm gelaufen. Hätte man vorher gewusst, wie Amazon die Strategie "Alles günstiger als woanders" in die Praxis umsetzt, hätte man vielleicht Abstriche gemacht. Aber offenbar war da doch etwas durchgedrungen. Am Ende des Artikels heißt es: "In Deutschland sorgte er mit niedrigen Stundenlöhnen und flexiblen Saisonarbeitsverträgen für Unruhe."

Vielleicht zu spät, um die Ehrung noch einmal zu überdenken. Wahrscheinlicher aber ist, dass wirtschaftlicher Erfolg und Image der Marke nichts mit Ethik zu tun haben. Und dann wundern wir uns, dass Manager entsprechende Prioritäten setzen.

Rezension zum Thema:
Offen für Veränderungen, Wirtschaftswoche 7/2013