Samstag, 28. Januar 2012

Was verändern Mitarbeiterbefragungen?

Über Mitarbeiterbefragungen habe ich mich schon häufiger ausgelassen. Sie sind ja nicht grundsätzlich überflüssig. Je größer ein Unternehmen ist, umso weiter entfernt ist das Top-Management vom "einfachen Volk". Wenn dann der Personaler meint, es wäre mal wieder an der Zeit, dass die Vorstände ein wenig von der wahren Stimmung mitbekommen sollten, dann wird eben fleißig befragt. Oder aber man beteiligt sich an einem der zahlreichen Wettbewerbe - könnte ja sein, dass man gar nicht so schlecht abschneidet, macht sich gut für das Image. Von wegen "toller Arbeitgeber".

Aber was passiert nach der Befragung? Kienbaum hat dazu eine Befragung gemacht (Strategic Engagement Management) und herausgefunden, dass bei den meisten Unternehmen nach der Befragung viele Veränderungen angestoßen wurden. Allerdings scheitere ich beim Verständnis der Darstellung dieser Studienergebnisse.

Also: 58% der Befragten haben Veränderungen bei der Fluktuation und 56% bei der Arbeitszufriedenheit und der Unternehmenskultur festgestellt. Erstes Problem: Bei 70% der Befragten (insgesamt 128!) wurde eine Mitarbeiterbefragung durchgeführt. Heißt 58% nun 58% von allen Befragten? Oder von denjenigen, bei denen überhaupt eine Umfrage stattgefunden hat?

Zweites Problem: Woher wissen die Befragten, dass Veränderungen bei der Mitarbeiterfluktuation auf die Maßnahmen nach der Befragung zurückzuführen sind?

Was dann richtig rätselhaft wird: 47% beurteilen die Veränderungen bei der Fluktuation positiv. Wie ist das zu verstehen? Ich vermute, es ist so:

Man hat 128 Menschen befragt, 90 (=70%) davon berichten, dass in ihrem Unternehmen eine Mitarbeiterbefragung stattgefunden hat. Von diesen 90 haben 52 (=58%) festgestellt, dass es in Folge der Maßnahmen bei der Mitarbeiterfluktuation Veränderungen gegeben hat. Von diesen 52 fanden 24 (=47%) diese Veränderungen positiv. Das wäre bitter, oder?

Mmmh... es wird wohl anders sein. Von 128 Befragten haben 90 eine Mitarbeiterbefragung erlebt. Von den 128 haben 74 (=58% von 128) Veränderungen bei der Fluktuation nach der Befragung festgestellt, und diese wiederum fanden 60 (=47% von 128) gut. Klingt besser. Aber wie ist es wirklich?
Ich tendiere dazu, Beiträge über sogenannte Studien nicht mehr zu lesen...

Rezension zum Thema:
Erst fragen, dann ändern, Personalmagazin 10/2011

Freitag, 27. Januar 2012

Ich liebe es

Wissen Sie, was "Leadership Branding" bedeutet? Hier ein Beispiel. Ein Unternehmen wirbt mit dem Slogan "Innovation durch Technik" und präsentiert dazu die neusten Errungenschaften deutscher Ingenieurskunst. Sie besuchen das Unternehmen, und am Empfang versucht der Pförtner verzweifelt, Ihren Ansprechpartner mit Hilfe eines alten PCs zu lokalisieren. Anschließend greift er zu einem Telefon mit Wählscheibe, um Sie anzukündigen. Dumm gelaufen, oder?
Man sollte also tunlichst darauf achten, dass die Marke nicht durch solche Kleinigkeiten beschädigt wird. Und wer ist dafür zuständig? Die Führungskräfte natürlich. Sie müssen darauf achten, dass das Mitarbeiterverhalten im Einklang mit der Marke steht. Was bedeutet es wohl für das Verhalten, wenn ein Unternehmen mit dem Slogan "Ich liebe es" wirbt? Ich versuche mir vorzustellen, wie verliebt die Mitarbeiter dreinschauen müssen, wenn sie das Image des Frikadellenanbieters nicht beschädigen wollen. Angeblich lernt man das bei McDonald in eintägigen Workshops.

Oder "Wir lieben Lebensmittel". Da darf dann auch niemand mürrisch dreinblicken, wenn ein Kunde nervt. Halt - es heißt ja nicht "Wir lieben Kunden". Also wäre es im Einklang mit der Marke, wenn der Mitarbeiter von Edeka einem Kunden, der achtlos Tomaten betatscht, auf die Finger haut. Oder die herrlichen roten Äpfel erst gar nicht verkauft, weil er diese so sehr ins Herz geschlossen hat.

Ganz schön anspruchsvoll für Führungskräfte. Und die Marketingstrategen sollten sich genauer überlegen, was sie mit ihren Slogans anrichten, bevor die Berater ins Haus geholt werden müssen, um den Führungskräften "Leadership Branding" beizubringen.

Rezension zum Thema:
Herumstehen wie die Ölgötzen, Financial Times Deutschland, 30.11.2011

Sonntag, 22. Januar 2012

Was Männer nie machen würden

Als Frau nach ganz oben zu kommen, ist alles andere als einfach. Die Gründe sind hinlänglich diskutiert, und ob eine Frauenquote daran etwas ändert, darüber wird nach wie vor heftig gestritten.

Einen interessanten Aspekt habe ich in einem Beitrag über Margarete Haase, die Finanzchefin von Deutz, gefunden. Sie hat mehr als einmal in ihrer Laufbahn erlebt, dass man ihr die ganz großen Aufgaben nicht zutraute und daher Männer vorgezogen wurden. Sie aber wollte die Verantwortung und hat gerade deshalb die als nahezu hoffnungslos geltenden Herausforderungen gesucht. Mit Erfolg.

Als Top-Managerin versucht sie heute, Frauen zu fördern und macht dabei eine interessante Beobachtung. Wenn sie Frauen einen anspruchsvollen Job anbietet, bekommt sie nicht selten zur Antwort: "Da muss ich erst meinen Mann fragen." Würde so ein Mann reagieren? Eher selten. Ihr Rat an ihre Geschlechtsgenossinnen: "Natürlich sollen Sie Ihre Familie fragen. Aber zuerst sollten Sie sich selbst fragen, ob Sie den Job möchten. Und wenn Sie davon überzeugt sind, dann überzeugen Sie Ihre Familie."
So würden vermutlich Männer reagieren. Womit nicht das Problem verharmlost werden soll, dass nach wie vor Frauen, die nach mehr Verantwortung streben, an die berühmte gläserne Decke stoßen...

Rezension zum Thema:
Mrs Impossible, Financial Times Deutschland 15.11.2011

Freitag, 6. Januar 2012

Reißbrett-CV

Angeblich sehen es Personaler in der Finanzbranche gar nicht mehr so gerne, wenn ein Kandidat einen allzu glatten Lebenslauf hat. "Reißbrett-CV" heißt das wenig wertschätzend. Wer nur auf Lebenslaufpunkte achte, der würde seine Persönlichkeitsentwicklung vernachlässigen. Wenn jemand allerdings mal richtig gearbeitet hat, z.B. als Schuhverkäufer neben seinem Studium, dann hätte er deutlich mehr Lebenserfahrung.

Da sträuben sich mir doch die Nackenhaare. Jahrelang wird den jungen Leuten erklärt, wie wichtig es ist, einen lückenlosen Lebenslauf zu haben, immer schön zielstrebig und fleißig Abschluss nach Abschluss hinlegen, möglichst mit Bestnoten - und wenn sie sich dann brav daran halten, ist ihr Lebenslauf zu glatt. Nun sollen sie also auch noch Schuhe verkaufen, wunderbar.

Total scheinheilig. Ein wenig Exotik, ein wenig "reales Leben" (natürlich neben dem Studium, bloß kein Zeit verlieren), fertig ist die Persönlichkeitsentwicklung. Ich möchte den Personaler sehen, der einen Kandidaten einstellt, der nach dem Abi erst mal Schuhe verkauft hat, weil er noch keinen Schimmer hatte, was er wirklich mal im Leben erreichen wollte. Da hört es sicher ganz schnell auf mit dem Loblied auf die Persönlichkeitsentwicklung.

Und ich wette, es werden schon neue Bewerbungsratgeber gedruckt, die den jungen Menschen raten, ihren Lebenslauf ein wenig aufzumöbeln, indem sie ein paar Wochen kellnern oder im Supermarkt Regale aufräumen.

Rezension zum Thema:
Jagd auf Akademiker, Financial Times Deutschland vom 11.11.2011

Donnerstag, 5. Januar 2012

Präsentationsspezialisten

Eine sicherlich höchst interessante Entwicklung: Was bisher in der Produktion möglich war, nämlich komplexe Tätigkeiten in winzig kleine Arbeitsschritte zu zerteilen und diese praktisch getrennt voneinander durchführen zu lassen, ist dank Internet und weltweiter Vernetzung nun auch kein Tabu mehr für Wissensarbeiter. Da arbeiten IT-Spezialisten an einer Software, und zwar so, dass jeder nur einen winzigen Teilbereich programmiert. Die Aufträge werden ausgeschrieben, die Besten (oder Günstigsten?) werden engagiert, am Ende werden die Einzelteile zusammengesetzt und all das schneller und billiger, als das reale Teams jemals schaffen könnten.

Ein anderes Beispiel: Gesprochene Beiträge, die früher am Stück niedergeschrieben wurden, können heute parallel vielen Bearbeitern zur Verfügung gestellt werden, die einzelnen Abschnitte werden gleichzeitig transkribiert und in kürzester Zeit wieder zusammengefügt.

Wie schrecklich, dachte ich beim Lesen des Beitrags. Ähnlich wie bei dem Arbeiter in Chaplins "Moderne Zeiten" weiß der Einzelne überhaupt nichts mehr vom Gesamtauftrag, sieht nicht weder den Sinn seiner Arbeit noch bekommt jemals etwas vom Ergebnis mit. Tatsächlich aber dürfte auch das wieder nur ein Zwischenschritt sein. Heute die völlige Zersplitterung von Aufgaben, die morgen schon von Automaten übernommen werden. Kennen wir doch auch aus der Produktion.

Powerpoint-Spezialisten

Mich hat noch ein anderer Aspekt beschäftigt. Welcher Manager kommt heute noch ohne Powerpoint aus? Und wie viele Stunden verbringt er beim Gestalten und Zusammenfügen der einzelnen Charts? Das habe ich schon oft gedacht: Wie unsinng es doch ist, dass derjenige, der die Inhalte entwickelt, anschließend das Vielfache der Zeit dafür aufwendet, all das in eine ansprechende Form zu bringen. Das dürfte Spezialisten für die verbreitete Präsentationssoftware viel leichter fallen. Hier wäre eine Arbeitsaufteilung in der Tat sinnvoll.

Allerdings gibt es auch hier wieder höchst seltsame Nebenwirkungen. Es soll Unternehmen geben, die ihren Managern solche Spezialisten zur Verfügung stellen und diese angemessen honorieren. Prima, dachte ich, sehr vernünftig. Doch dann stellte sich heraus, dass diese Manager die externen Powerpoint-Spezialisten engagieren, um die Präsentationen zu gestalten, mit denen sie selbst anschließend vor den Vorstand treten.

Das ist genial, oder? Wir bezahlen Spezialisten, damit diese unsere Mitarbeiter darin unterstützen, uns zu überzeugen. Und dann sitzt der Vorstand da, völlig beindruckt von der professionellen Darbietung seiner Angestellten und nickt zustimmend.

Irgendetwas daran ist völlig schräg. Allerdings nicht die Tatsache, dass Manager das externe Know how nutzen. Sondern dass hier die Verpackung überhaupt eine Rolle spielt. Müsste ein Vorstand, der eine perfekte Präsentation zu sehen bekommt, nicht sofort aufschreien und fragen: "Wer hat so viel Zeit investiert, um dieses Kunstwerk zu erstellen?" War es der Manager selbst, müsste er sich fragen lassen, ob er sonst nichts zu tun hat. Hat er Spezialisten engagiert, müsste man die Kosten hierfür von seinem Gehalt abziehen. Unrealistisch? Vermutlich...

Rezension zum Thema:
Das Zeitalter der Spezialisten, Harvard Businessmanager 9/2011