Sonntag, 27. Juni 2010

Was wir lernen können von...

Die Band Greatful Dead, nicht gerade mit einer Menge Top-Ten-Hits gesegnet, ist eine der profitabelsten Band der Geschichte. Anpassungsfähig, flexibel, weitsichtig sind die Attribute, die ein Managementprofessor ihr unterstellt. Ein Beispiel : Schon lange vor der Krise der Musikindustrie und der "Kostenlos-Kultur" des Internets hat sie ihre Songs verschenkt und Geld mit anderen Dingen wie Konzerten und Merchandising-Artikeln verdient. Davon kann sich modernes Management eine Scheibe abschneiden, möchte man meinen. Aber helfen solche Geschichten wirklich weiter?

Das Muster ist eigentlich immer das Gleiche: Man nehme irgendein Phänomen, etwa aus der Natur, suche nach bestimmten Prinzipien und Regeln und wende sie auf die Führung von Unternehmen an. Es wird sich schon etwas finden lassen, das man übertragen kann. Beispiele gibt es zuhauf: Wir lernen von Vogelschwärmen, von Ameisenhaufen, von Wolfsrudeln. Wir blicken auf Sportler, Künstler, charismatische Politiker, Entdecker, Polarforscher, Menschen, die ein schwieriges Schicksal überwunden haben usw. usw.

Nehmen wir den Polarforscher Ernest Shackleton. Er hat eine völlig intuitive Personalauswahl betrieben, seine Leute in ein extrem riskantes Abenteuer geführt und nach dem Scheitern heil wieder nach Hause gebracht. Letzteres wird uns als mustergültiges Krisenmanagement vorgestellt, das allerdings nicht nötig gewesen wäre, wenn das ganze Unterfangen besser geplant gewesen wäre. Taugt Sheckleton damit als Vorbild für Manager?

Ich denke, man könnte nahezu alles und jedes als Beispiel für "richtiges Managerverhalten" heranziehen. Wie wäre es mit einem Stein, der sich von niemandem beindrucken lässt und unbeirrbar seinen Platz in der Welt behauptet - und das über Millionen von Jahren? Oder vielleicht die Fliege, die blitzschnell auf jede Gefahr reagiert und sich nicht abschütteln lässt?

Irgendwie tendieren wir offensichtlich alle dazu, unablässig nach Vorbildern zu suchen, nach Erfolgsmustern und Erfolgsrezepten. Bringen sie uns wirklich weiter? Ich glaube, all diese Analogien und Helden haben maximal anregenden, in der Regel unterhaltsamen Wert, mehr kaum. Bei jedem lässt sich ein Stückchen herausschneiden, bei dem einen die Beharrlichkeit, beim nächten die Risikobereitschaft, dann wieder die Flexibilität oder das Festhalten an Prinzipien. Nimmt man all das dann zusammen, bleibt nur Ratlosigkeit: Die Mischung, die herauskommt, ist die berühmte eierlegende Wollmilchsau, und zurück bleibt die tröstliche Erkenntnis, dass man letzten Endes seinen eigenen Weg suchen muss. Und die Geschichten von der Art "Was wir lernen können von..." sollten wir maximal als nette Bettlektüre konsumieren, wenn sie den wenigstens gut erzählt werden.

Rezension zum Thema:
Mit Garcia als BP-Chef hätte es so was nie gegeben, Financial Times Deutschland, 21.5.2010
Helden wie wir, Brand eins 5/2010

Mittwoch, 23. Juni 2010

Kompetenzen managen?

Zu dem Thema reicht ein Blogbeitrag bei weitem nicht aus. Ich sitze vor den Artikeln zum Thema "Kompetenzmanagement" und weiß nicht so recht, wo ich anfangen soll. Weil ich mit dem, was dort beschrieben wird, in der Tat auch wenig anfangen kann. Zunächst lese ich, dass man für die Einführung eines Kompetenzmanagements nicht weniger als fünf Jahre veranschlagen muss. Da wundert sich der Leser das erste Mal. Dann erklärt uns der Experte, dass ein Kompetenzmanagement zu einer objektiven Einschätzung von Mitarbeitern führt, obwohl Führungskräfte "aus Gewohnheit eher zu einer subjektiven Beurteilung neigen." Dass so ein Unsinn überhaupt noch gedruckt wird...

Der nächste "Stolperstein": Kompetenzen und Skills sind zwei paar Schuhe. Eine Kompetenz sei "die Fähigkeit, das Richtige im richtigen Moment zu tun", und Skills sind "Fertigkeiten wie Schreiben und Lesen". Ach so - und die Fähigkeit, richtig zu schreiben und zu lesen ist dann eine Kompetenz? Da neige ich eher der Ansicht eines weiteren Experten zu, der da sagt, "es gibt überhaupt keine allgemein akzeptierte Definition von Kompetenzmanagement".

Dann das erste Praxisbeispiel, bei dem in einem Unternehmen zwölf Kompetenzen entwickelt wurden, die jeweils mit "Verhaltensankern" versehen werden, damit die Beurteiler auch wissen, was z.B. mit "Handelt kundenorientiert und wirtschaftlich" gemeint ist. Beispiel für einen solchen Anker: "Handel ertrags- und kostenorientiert und berücksichtigt bei Entscheidungen auch die Folgen außerhalb des eigenen Verantwortungsbereiches." Da soll der arme Vorgesetzte ankreuzen, wie hoch der Erfüllungsgrad auf einer Skala von 1 bis 5 ist. Was macht er, wenn der Betreffende zwar ertragsorientiert handelt, aber die Folgen außerhalb seines Bereiches nicht berücksichtigt? Zwei Aspekte in einer Beschreibung - wie soll das gehen? Also bräuchte man viel mehr Verhaltensanker, aber da sagt ein anderer Experte: "Eine vollständige, freingranulare Kategorisierung von Kompetenzen führt oft zu voluminösen und damit unübersichtlichen und schwer handhabbaren Kompetenztaxonomien." Zu dumm...

Noch eine höchst bemerkenswerte Entdeckung: Auf der Skala von 1 bis 5 stellt der Wert 4 die Anforderung auf einer Stelle als "erfüllt" an, und die 5 weist darauf hin, dass eine Anforderung überfüllt ist. Wie bitte? Jemand handelt kostenorientierter und ertragsorientierter als er mus? Oder berücksichtigt er die Folgen außerhalb seines Verantwortungsbereiches zu sehr? Ohne Worte...

Ein letztes Modell, dessen Einsatz durchaus Mut beweist. Mal unabhängig von der Beschreibung der verwendeten "Kompetenzbegriffe" wie Durchblick, Weitblick, Konsequenz etc. (die nicht besser oder schlechter als andere sind), wird bei Ströer die Beurteilung von der Führungskraft selbst, ihrem Vorgesetzten und ihren Mitarbeitern ausgefüllt. Dann werden die passenden Bildungsmaßnahmen durchgeführt und im nächsten Jahr geschaut, was sich verändert hat. Erkenntnis des Personalentwicklers: Man braucht einen langen Atem. Und ich befürchte, dass man eine solche "270-Grad-Beurteilung" im jährlichen Rhythmus nicht durchhalten wird.

Es bleibt dabei: Ich kann mit dem Thema wenig anfangen und glaube, dass die Versuche, komplexe menschliche Fähigkeiten, "das Richtige zu tun", sich nicht mit derartigen Modellen "einfangen" lassen.

Rezensionen zum Thema:
Die Qualifikationslücken rechtzeitig erkennen / Mitarbeiterprofile per Knopfdruck / Nichts für Dünnbrettbohrer / Wirksam führen im Spannungsfeld, Personalwirtschaft 5/2010

Montag, 21. Juni 2010

Was ist eigentlich eine Apanage?

Das ist in der Tat zum Schmunzeln. Da hat eine Umfrage unter 815 Managern stattgefunden, wie sich denn ihre Boni in Zeiten der Krise entwickelt haben. Und siehe da: Unternehmen, denen es wirtschaftlich schlechter ging, haben weniger ausgezahlt bzw. die Boni sogar ganz gestrichen. In Unternehmen hingegen, die Gewinn gemacht haben, wurde fleißig weiter ausgeschüttet.
Na und, werden Sie sagen, das ist doch okay so, oder? Dachte ich auch, aber dann meinte ein Vergütungsexperte in dem Beitrag der Financial Times Deutschland, dass ein Unternehmensergebnis nicht unbedingt von der Leistung der Manager abhängt, und man deshalb nach der individuellen Leistung über die Höhe des Bonus entscheiden solle.

Da reibt man sich doch verwundert die Augen: Als Manager Prämien kassierten, obwohl ihre Unternehmen rote Zahlen schrieben, heulte die Fachwelt auf - schließlich könne es doch nicht sein, dass Unternehmen Verluste schreiben, während die Manager absahnten - und die Mitarbieter möglicherweise noch Einkommensverluste hinnehmen mussten.

Was nun? Der gleiche Experte wehrte sich auch gegen die Feststellung eines anderen Fachmannes, der die Boni für Manager als "Apanage" bezeichnet. Laut Wikipedia versteht man darunter eine Abfindung der nichtregierenden Mitglieder eines Adelsgeschlechts mit Landbesitz oder Geld zur Ermöglichung eines standesgemäßen Lebenswandels.

Ich finde das eine sehr gelungene Erklärung für den fehlenden Zusammenhang zwischen Leistung, Unternehmensergebnis und Prämienhöhe. Tatsächlich werden Boni ja im Voraus ausgehandelt, und wirklich variabel sind sie in aller Regel nicht. Das läuft doch eher so ab: Ein Unternehmen möchte einen bestimmten Kandidaten für eine Top-Position verpflichten, bei den Verhandlungen wird ein entsprechender Bonus vereinbart. Je nach Höhe lässt dieser den Manager in die Riege der Top-Kandidaten aufrücken, ähnlich der Gehälter von Top-Fußballern. Ob diese nachher tatsächlich die Leistung bringen oder nicht - zunächst hat man es erst einmal geschafft.
Der Bonus steht für den Marktwert, und dieser wiederum für Ansehen und Anerkennung - man gehört dazu bzw. lässt die Konkurrenz weit hinter sich.

Geld sei nicht die einzige Form der Wertschätzung, sagt Experte Nr. 1, aber eine, die sich direkt vermittle. Experte Nr. 2 sieht das als einen Denkfehler an, der Wirtschaft fehle ein anderes System der Belohnung - eines, das über Ehre und Ansehen funktioniere. Irgendwie rührend naiv, oder? Es müsste schon ein gewaltiges Umdenken einsetzen, um Geld als Maßstab für Status und "Wert" in der Gesellschaft abzulösen. So lange sich Unternehmen dazu verleiten lassen, einen Bonus zu verdoppeln, wenn der Manager mit Abwanderung droht (wie in dem Beitrag berichtet), wird sich hieran sicher nichts ändern.

Rezension zum Thema:
Es geht um die Wurst, Financial Times Deutschland, 12.05.2010

Dienstag, 15. Juni 2010

Selbst- und Fremdwahrnehmung

Das Phänomen dürfte jeder Trainer kennen, der in Sachen Führungskräftetraining unterwegs ist. Noch ehe man die erste Einheit so richtig gestartet hat, fallen Sätze wie diese: "Das sollten Sie mal unseren Vorgesetzten erzählen!" oder "Eigentlich müssten unsere Chefs hier sitzen, die hätten es nötiger." Nicht selten wird auf diese Weise aus einem Seminar zum Thema "Wie führe ich meine Mitarbeiter?" eine Veranstaltung mit dem Titel: "Wie führe ich meinen Vorgesetzten?"

Wenn ich nun von Umfragen lese, in denen Führungskräfte so gar nicht zufrieden mit dem Entscheidungsverhalten ihrer Chefs sind, weil diese oft schon eine Lösung im Kopf haben und nur noch der Form halber die Mitarbeiter einbinden, dann wundert mich das erst mal nicht. Wenn dann das obere Management gefragt wird, was es denn vom Entscheidungsverhalten im eigenen Unternehmen hält, und dieses dann ganz zufrieden ist, dann wird daraus schnell gefolgert, dass hier offensichtlich Fremd- und Selbstbild weit auseinander klaffen.

Ist das so?

Noch einmal zurück zu unseren Seminarteilnehmern. Würde man tatsächlich die nächste Ebene im Seminar sitzen haben und fragen, wie es denn so um das Führungsverhalten steht, so beschweren diese sich auch massiv über ihre Chefs. Und das setzt sich nach oben weiter fort. Findige Trainer lassen diese Diskussion eine Weile laufen und fragen dann ganz arglos: "Was glauben Sie denn, würden Ihre Mitarbeiter sagen, wenn wir sie hier im Seminar hätten?"

Meist ist dann einen Augenblick Ruhe, und schon bald meldet sich der erste und gesteht ein, dass die Mitarbeiter vermutlich Ähnliches über sie berichten würden. Worauf sich eine Diskussion über die Rahmenbedingungen anschließt, dass man oft ja gar nicht anders kann usw. usw.

Das Selbstbild ist also gar nicht so weit weg vom Fremdbild. Vielleicht wird ja oft nur falsch gefragt. Statt alle Ebenen das Gleiche zu fragen ("Wie zufrieden sind Sie mit...") wäre es mal interessant zu fragen: "Was glauben Sie, wie zufrieden Ihre Mitarbeiter mit Ihrem Führungsverhalten sind?" Ich schätze, dass dann Fremdbild und vermutetes Fremdbild weitaus enger beieinander liegen.

Was nicht bedeutet, dass das in der besagten Umfrage erfasste Entscheidungsverhalten in Wahrheit besser ist. Ich fürchte, dass das Konsultieren der nächsten Ebene und die Berücksichtigung der erhobenen Argumente nach wie vor nicht allzu weit verbreitet sind...

Rezension zum Thema:
Der einsame Entscheider, Financial Times Deutschland, enable 5/2010

Dienstag, 8. Juni 2010

Outsourcing als Auslaufmodell?

Kann doch alles nicht wahr sein, dachte ich, als ich den Artikel in der Wirtschaftswoche las. Da gibt es also immer mehr Unternehmen, die ihre Produktion zurück nach Deutschland holen. Vorbei die Zeit, in denen jeder möglichst billig in China, Indien, Rumänien oder wo auch immer produzieren ließ? In manchen Branchen offensichtlich. Beim Wettbewerb "Die Beste Fabrik" der Wirtschaftswoche werden Unternehmen vorgestellt, die große Teile der Produktion wieder nach Deutschland verlagert haben.
Die Gründe: Es gab viele Qualitätsprobleme, die Lieferzeiten verzögerten sich und die Gehälter stiegen schneller als die Qualifikation der Leute. Nicht nur, dass nun wieder vermehrt in Deutschland produziert wird. Nun lassen angeblich auch russische und chinesische Unternehmen hierzulande fertigen. Dahinter steckt nicht nur die berühmte deutsche Qualitätsarbeit, sondern auch die Erkenntnis, dass man am besten dort produziert, wo der Markt ist. Entsprechend ziehen sich auch deutsche Unternehmen nicht völlig aus diesen Ländern zurück - nur lassen sie eben vornehmlich für den dortigen Markt produzieren. Wenn damit das Hin- und Her-Schippern von Vorprodukten und Produkten ein Ende hätte, wäre das doch auch schon was.

Mein Verdacht war, dass die ganze Outsourcing-Welle eine von jenen typischen Geschichten ist, wo einer anfängt und plötzlich alle Welt losrennt nach dem Motto: Wenn es die anderen machen, können wir ja nicht zurückstehen. Was wohl auch stimmt.
Der andere Verdacht lautete, dass die Medien diesen Hype kräftig unterstützt haben. Also habe ich mal bei MWonline in den Artikeln der letzten Jahre gestöbert und war doch ein wenig überrascht: Die Warnungen vor Qualitätsmängeln, Kommunikations- und Lieferproblemen gab es von Anfang an. Was mir den Glauben an die Fachjournalisten und Experten zumindest ein wenig zurückgibt.

Rezension zum Thema:
Projekt Aufbruch, Wirtschaftswoche 19/2010

Montag, 7. Juni 2010

Wie hilft man seinen Führungskräften?

Da fällt es mir schwer, gelassen zu reagieren. Zugegeben, beim Thema "Mitarbeiterbeurteilung" habe ich ein dünnes Fell, weil der Unsinn einfach kein Ende nimmt. Diesmal bin ich über dieses Modell gestolpert:

Es stammt aus einem mittelständischen Unternehmen namens Kostmann und ist im Zusammenhang mit der Einführung des strukturierten Mitarbeitergespräches eingeführt worden. Hier hat der Vorgesetzte die Aufgabe, seine Mitarbeiter in eines der vier Felder einzusortieren - das Ganze nennt sich "Mitarbeiterbewertung". Nun sind solche Portfolio-Darstellungen in vielen Zusammenhängen ja allseits bekannt und nicht weiter aufsehenerregend.
Hier aber irritieren mich drei Dinge besonders: Zum einen heißt es, zuvor hätte es keine nachvollziehbare Mitarbeiterbeurteilung gegeben und die Bewertung basierte lediglich auf subjektiven Einschätzungen des Vorgesetzten. Hallo? Wo sind denn hier die objektiven Einschätzungen?

Zum zweiten sieht es so aus, als füllt der Vorgesetzte die Kästchen nach dem Mitarbeitergespräch aus. Heißt das, der Mitarbeiter erfährt gar nicht, in welcher Schublade er landet? Ungewöhnlich wäre es nicht.

Der gravierendste Grund für meine Irritation jedoch ist die Benennung der vier Felder. Mal oben links angefangen: Da ist ein Mitarbeiter nicht sonderlich motiviert, erreicht aber seine Ziele oder hat hohes Potenzial. Daraus folgt, dass mit ihm eine "disziplinäres Gespräch" geführt wird. Merkwürdig: Jemand erreicht seine Ziele, obwohl er nicht motiviert ist? Da wäre doch ein disziplinäres Gespräch mit seiner Führungskraft fällig, oder?

Unten links: Wer weder motiviert ist noch seine Leistung bringt und über kein Potenzial verfügt, der ist in der Tat ein Problem, und die Trennung wäre ein durchaus logischer Schritt. Aber hier hat der Vorgesetzte schon ein dickes Problem, wenn er jemanden dort "einsortiert". Er wird sich fragen lassen müssen, was er denn getan hat, um den Mitarbeiter zu motivieren - es sei denn, er selbst ist neu in der Funktion. Aber selbst dann wäre es ja durchaus eine Überlegung wert, mal mit dem Betreffenden zu reden.

Unten rechts: Hoch motivierte Leute ohne Potenzial zu schulen - äh, was soll dabei herauskommen? Hoch motivierte Menschen, die ihre Ziele nicht erreichen - da mag Training durchaus eine Maßnahme sein - aber auch hier vielleicht eher ein Training der Führungskräfte.

Ganz problematisch aber wird es beim Quadranten oben rechts. Da sitzen diejenigen, die motiviert sind, ihre Ziele erreichen und Potenzial haben. Keine Frage, hier sollte man sich überlegen, wie diese weiter gefördert werden können. Aber was legt diese Darstellung nahe? Dass man aus den Mitarbeitern unten rechts und oben links bitteschön High Potentials machen soll - bis irgendwann alle oben rechts landen?

So nett solche Darstellungen gemeint sind, um Führungskräften die "Führungsarbeit" zu erleichtern, so schlecht sind sie ausgeführt. Mag sein, dass es beim ersten Durchgang noch gelingt, die Mitarbeiter hier einzusortieren, quasi als erste Bestandsaufnahme. Spätestens beim zweiten Mal aber bekommt jede Führungskraft arge Probleme, wenn sie nicht alle Mitarbeiter ins rechte obere Feld befördert hat. Eine höchst unerfreuliche Nebenwirkung aller Beurteilungsinstrumente. Aber welcher Personalstratege denkt bei der Einführung genialer Instrumente schon weiter als ein Jahr?

Rezension zum Thema:
Reden ist doch Gold, Personalmagazin 5/2010

Dienstag, 1. Juni 2010

Wertschätzend kündigen

Eine Bank möchte sich von 350 Mitarbeitern trennen, und zwar so, dass es möglichst wenig Ärger und Aufsehen gibt. Das sagt sie so natürlich nicht, sondern spricht von einem wertschätzenden und reibungslosen Personalanpassungsprozess. Dafür hat man sich etwas Besonderes einfallen lassen: Eine "Perspektivenberatung". Gemeint ist, dass man Mitarbeitern einen Aufhebungsvertrag anbietet und gleichzeitig die Möglichkeit einräumt, sich bei der Entscheidung, ob man dieses Angebot annimmt, extern beraten zu lassen. Bis zu acht Coachingstunden können sie mit einem Outplacementberater verbringen, um zu der Entscheidung zu gelangen.

Nimmt der Mitarbeiter dann das Angebot der Aufhebung seines Vertrages an, kann er eine mehrmonatige "Newplacement"-Beratung nutzen - beim gleichen Outplacement-Berater. Dass dieser hier in einen Interessenkonflikt kommt, weisen beide Seiten weit von sich. "Zwischen Mitarbeiter und Berater bestehe ein absolutes Vertrauensverhältnis." Was ich mir durchaus vorstellen kann, trotz Interessenkonflikts.

Was mir aber viel schwerer fällt zu glauben, ist die angebliche Freiwilligkeit. Ich versuche mir das einmal vorzustellen. Da sagt der Arbeitgeber: "Wir wollen 350 Mitarbeiter entlassen. Wer dabei sein möchte, melde sich bitte freiwillig. Er bekommt ein Coaching mit maximal acht Sitzungen, das ihm helfen soll zu entscheiden, ob er wirklich gehen will." Den Kontakt stellt die Personalabteilung her. Eigentlich keine schlechte Idee. Statt von oben Mitarbeiter auszuwählen, verkündet man nur den Abbau-Plan und schaut dann mal, wer sich denn ohnehin mit Abwanderungsgedanken trägt.

Oder läuft das in der Praxis eher so ab: "Herr Müller, wir werden 350 Leute abbauen. Sie könnten einer von ihnen sein. Wir bieten Ihnen einen Aufhebungsvertrag an. Wenn Sie nicht wissen, ob Sie das Angebot annehmen möchten, können Sie ein Coaching mit einem externen Berater in Anspruch nehmen. Er wird Ihnen helfen, zu einer Entscheidung zu kommen!"

Was, wenn der Mitarbeiter sich coachen lässt und - unterstützt von seinem Coach - zu dem Ergebnis kommt, dass er doch lieber bleiben möchte? Der zitierte Berater meint, am Ende könne ebenso die Entscheidung des Mitarbeiters stehen, dass er auf seiner Position verbleiben will.

In beiden Fällen, ob freiwillig gemeldet oder von oben nahegelegt, stelle ich mir das mehr als schwierig vor. Eigentlich möchte ich ja gehen, lautet die Botschaft im ersten Fall, aber das Coaching hat mich überzeugt, dass ich doch besser bleibe. Wie da wohl die Zukunft des Mitarbeiter aussieht?
Im zweiten Fall heißt die Botschaft: Eigentlich wollen wir dich loswerden, aber nun müssen wir dich wohl behalten. Auch keine gute Voraussetzung für die weitere Zusammenarbeit.

Andererseits: In beiden Fällen wissen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, dass die andere Seite mit der aktuellen Situation nicht zufrieden ist. Das ist vielleicht ja eine Chance, von vorne anzufangen...

Rezension zum Thema:
Das Prinzip der Freiwilligkeit, Personalwirtschaft 4/2010