Montag, 28. Juli 2008

E-Learning in kleinen Happen

Meine Kollegen Egbert und Karsten sind wahre Meister in Sachen E-Learning. Hätte ich bisher noch gar nicht so behaupten können, aber offensichtlich gibt es einen Trend, der besagt, dass E-Learning und Wissensmanagement zusammenwachsen. Was das konkret heißt?

Wann immer ich ein technisches Problem habe, mir partout nicht einfallen will, wie ein bestimmter HTML-Befehl lautet oder irgendeine Einstellung des Browsers nicht mehr funktioniert, greift Karsten in die Tastatur und produziert über Google die richtige Lösung. Nur langsam stellt sich auch bei mir ein solcher Automatismus ein. Eine Musik läuft in einem Spielfilm, ich erkenne eine Zeile, tippe sie ins Suchfenster bei Google, finde den Text, suche den Song bei iTunes und lade ihn mir herunter. Klappt wunderbar (gestern Abend so geschehen beim Film "Collateral" mit dem Song "Shadow on the Sun").

Was das mit E-Learning zu tun hat? Weiß ich auch nicht so genau. Der Ansatz ist wohl der folgende: Wenn wir ein Seminar besuchen, sammeln wir Wissen, eignen uns bestimmte Kenntnisse an, im besten Fall üben wir ein bestimmtes Verhalten. Wenn es ganz dumm läuft, kehren wir zurück und genau dieses Wissen, dieses Verhalten wird gar nicht benötigt. Oder erst viel später, wenn wir es längst wieder vergessen haben. Viel anders ist das beim klassischen E-Learning auch nicht. Wir bearbeiten ein Programm und brauchen das Gelernte zunächst gar nicht.

Das neue E-Learning

Beim "neuen" E-Learning soll das alles anders sein. Wir stehen vor einem Problem, finden genau in diesem Moment die Lösung und wenden das neue Wissen direkt an. Dass es auf diese Weise viel schneller in unser Verhaltensrepertoire integriert wird und mühsame Transfer-Versuche aus dem Seminar überflüssig sind, leuchtet ein.

Ganz so revolutionär ist die Sache allerdings nicht. Früher hat man in eine Bedienungsanleitung geschaut, in ein Handbuch, ein Rezeptbuch. Oder einen Kollegen gefragt. Klappte auch. Dennoch besuchten wir Seminare. Werden wir damit aufhören?

Vielleicht. Die schnelle Lösung im Netz hat gegenüber dem mühsamen Blättern in Handbüchern klare Vorteile. Und der richtige Kollege war auch nicht immer zur Hand. Entscheidend wird aber sein, dass die Informationen so aufbereitet sind, dass jeder Anwender mit einem einigermaßen ausgebildeten gesunden Menschenverstand sie kapiert. Da das die Autoren von Handbüchern und Bedienungsanleitungen nicht schafften, bleiben hier doch einige Zweifel. Aber auch Optimismus...

Rezensionen zum Thema:
Der Trend zum Wissenshäppchen, managerSeminare 7/2008
Lernhäppchen für Eilige, acquisa 1/2008

Sonntag, 27. Juli 2008

Präsentieren wie die Amerikaner?

Vollgepackte Powerpoint-Folien, bunte Grafiken und Animationen - all das soll der Vergangenheit angehören? Angeblich ist man in den USA schon wieder viel weiter. Reden werden dort professionell vorbereitet und nach Erkenntnissen der Theaterwissenschaften gestaltet. Motto: Der Zuhörer will nicht nur informiert, er will unterhalten und begeistert werden. Mmmh - ich dachte, Powerpoint sei eine amerikanische Erfindung...

Egal. Dass eine Präsentation nicht nur das Abspulen von langweiligen Zahlen und Stichworten für den Redner bestehen sollte, hat sich herumgesprochen - offensichtlich in den USA schneller als hierzulande, siehe How NOT to use PowerPoint!

Aber müssen wir von Theaterleuten lernen, dass gute Reden ausgemacht werden durch gute Geschichten, persönliche Anekdoten, bildhafte Sprache und "Zuschauerorientierung"? Es ist eine Weile her, da durfte ich bei einer internationalen Veranstaltung, einer jener Assessment-Center ähnlichen Personalentwicklungsmaßnahme, eine ganze Reihe von Vorträgen genießen. Das Thema konnten die Kandidaten frei wählen. Beeindruckend war in der Tat die Präsentation eines Amerikaners, der sich als Thema "Was mir an Deutschland gefällt" ausgewählt hatte. Er zeigte uns schöne Bilder von Schloss Neuschwanstein und zitierte Goethe. Ich erinnere mich noch gut, wie die Beobachter den Kopf schüttelten über die platten Inhalte, doch dann fiel unvermeidlich der Satz: "Aber er hat's gut rübergebracht."

Lernen wir also von den Amerikanern, wie man interessant vorträgt, aber widerstehen der Versuchung, dass dies zu Lasten der Inhalte geht. Und schauen vor allem genau hin, wenn die Show allzu gut vorbereitet ist. Die Rede von Colin Powell vor dem UN-Sicherheitsrat zur Rechtfertigung des Irak-Kriegs war sicher glänzend inszeniert...

Rezension zum Thema:
Anforderung an die moderne Rede, managerSeminare 7/2008

Samstag, 26. Juli 2008

Fachwissen oder Soft Skills?

Was sollte bei der Besetzung einer Stelle den Ausschlag geben: Die Soft Skills des Kandidaten oder seine Fachkenntnisse? Die Fachkenntnisse natürlich, dafür stelle ich doch jemanden ein, oder? Unsinn, sagen die anderen, die Soft Skills. Die Fachkenntnisse kann man sich aneignen, aber wem die sozialen Fähigkeiten fehlen, dem wird man sie später kaum noch vermitteln können.

Ja was denn nun? Die Frage taucht zum Beispiel auch immer dann auf, wenn es um einen Auflandsaufenthalt geht. Da ereifern sich die Fachleute, dass bei Befragungen immer wieder herauskommt, dass bei der Auswahl von Kandidaten das Fachwissen an erster Stelle steht. An zweiter Stelle kommt die Beherrschung einer fremden Sprache. Die sozialen Fähigkeiten dagegen spielen keine große Rolle. Wo diese doch meist für das Scheitern einer Entsendung verantwortlich sind.

Würden wir es anders machen? Wenn man einen Projektmanager sucht, dann wird man in erster Linie nach einem gelernten Projektmanager schauen, oder? Und wird ein Ingenieur gebraucht, wird man nach einem qualifizierten Ingenieur suchen. Was ist daran erstaunlich? Soll man erst nach einem Menschen mit großen interkulturellen Verständnis Ausschau halten und wenn man diesen gefunden hat, fragen, ob er auch von der Sache Ahnung hat? Eben...

Sollte man Fachkompetenz und soziale Kompetenz auf eine Stufe stellen? Genau da beginnt das Problem. Viele werden froh sein, einen Fachmann zu finden, der bereit ist, einen schwierigen Auslandsjob zu übernehmen. Ihn dann noch genauer unter die Lupe zu nehmen oder intensiv in Sachen "kulturelles Verständnis" zu schulen, um dann festzustellen, dass die Wirkung gering ist - dieser Aufwand scheint immens, der Effekt zweifelhaft.

Es führt wohl kein Weg daran vorbei: Die Weichenstellung muss viel früher erfolgen, bei der Einstellung von neuen Mitarbeitern. Selbstverständlich wird man auch hier Leute vom Fach engagieren, aber wer in diesem Moment die sozialen Fähigkeiten geringschätzt, darf sich später nicht aufregen. Ich erinnere mich an einen Ausbildungsleiter, der mir (Psychologen) auf den Einwand: "Der junge Mann wird Ihnen noch so manchen Ärger bereiten!" lächelnd entgegnete: "Für die pädagogischen Aufgaben sind unsere Ausbilder zuständig, das kriegen die schon hin. Er kann rechnen und logisch denken, das genügt." Ein böser Irrtum.

Rezension zum Thema:
Internationales Personalmanagment, Wirtschaftspsychologie aktuell 1/2008

Montag, 21. Juli 2008

Nur Teil des Marketing-Mix?

Wieder einmal erklären uns die Marketing-Fachleute, wie wichtig es ist, dass Unternehmen ihre soziale Verantwortung wahrzunehmen. Und schon wieder kann ich nicht anders als mich zu ärgern. Der Tenor ist stets der gleiche. Wenn ein Unternehmen sich Gedanken um die "Corporate Social Responsibility" macht, dann bitteschön, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Dieser kann darin bestehen, dass...

...die Kunden Wert darauf legen, "saubere" Produkte zu erwerben,
...Absolventen angelockt werden, die für "saubere" Unternehmen arbeiten wollen,
...die Marke gestärkt bzw. nicht beschädigt wird.

Also bitte darauf achten, dass das soziale Engagement "nahe am Markenkern" liegt. Eine bekannten Brauerei ist das schnuppe, sie wirbt damit, dass mit jedem Kasten Bier ein Stück Regenwald gerettet wird. "Tarnkappenmarketing" nennt sich das, oder pures "Abverkaufen". Da wird der Verkauf eines Produktes gekoppelt an ein gesellschaftliches Anliegen. Funktioniert offensichtlich auch.

CSR als Studienfach?

Interessante Feststellung: Die betriebswirtschaftlichen Studiengänge scheuen noch davor zurück, CSR als eigenständiges Thema aufzugreifen. Es riecht zu sehr nach "Wirtschaftsethik", die dem Wettbewerbsgedanken entgegensteht. Aber wenn man CSR als Teil der Markenstrategie versteht und damit als Möglichkeit, den Umsatz anzukurbeln (oder ihn zumindest nicht zu gefährden), dann passt es wieder ins Konzept.

Warum mich das ärgert? Weil immer dahinter immer noch das Verständnis steckt, Unternehmen seien dazu da, Gewinne zu machen, um die Gesellschaft sollen sich andere kümmern. Die Politik z.B. oder die Non-Profit-Organisationen.

Klar, es ist naiv anzunehmen, dass ein Unternehmer ein Geschäft betreibt und sich dabei überlegt, wie er damit dem Gemeinwohl dient - statt nachzudenken, welche öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen er ergreifen kann, um als "sozial verantwortlich" wahrgenommen zu werden. Und wenn der eine Unternehmer ein Schwimmbad für seine Mitarbeiter und deren Angehörige baut, weil er damit seine "sozialen Verantwortung" nachkommt, und der andere, weil die Analysten solches Tun mit Wohlwollen zur Kenntnis nehmen, kann ja am Ende egal sein. Der Unterschied ist nur: Wenn CSR als Managementthema wieder aus der Mode kommt, wird der erste trotzdem das Schwimmbad weiter betreiben, während der zweite es zuschüttet.

Rezensionen zum Thema:
Als Tarnkappe ungeeignet
Die Spielregeln verbessern, nicht die Spielzüge
Integrität interessiert auch Geschäftskunden
Jetset legt wenig Wert auf Nachhaltigkeit
Wie misst man Verantwortung?
Financial Times Deutschland, 3.6.2008

Montag, 14. Juli 2008

Was Sieger anders machen

Seit dem Peters/Waterman-Bestseller "Auf der Suche nach Spitzenleistungen" erscheinen in schöner Regelmäßigkeit Bücher und Artikel, in denen uns erklärt wird, was erfolgreiche Unternehmen anders machen. Das Muster ist immer das gleiche: Man nehme Unternehmen, die besonders schnell wachsen, extrahiere einige sogenannte Erfolgsfaktoren und fertig ist die Rezeptur. Dann muss man diese nur noch anwenden.

Wenn es so einfach wäre. Nehmen wir doch diesen "Erfolgsfaktor": Sieger haben eine Vision und überzeugen Investoren, Mitarbeiter und Kunden. Wetten, unter den Verlierern gibt es Visionäre, deren Investoren viel Geld verloren haben?

Oder: Sieger orientieren sich konsequent an den Wünschen der Kunden. Und weil sie besonders kundenorientiert sind, können sie auch hohe Preise verlangen. Das so verdiente Geld stecken sie in die Forschung und die Entwicklung der Mitarbeiter, was wiederum die Ertragslage und die Innovationsfähigkeit stärkt. Angeblich stecken 97% der erfolgreichen Unternehmen Geld in die Weiterbildung ihrer Belegschaft. Da wüsste ich doch zu gern, was darunter verstanden wird.

All diese Erfolgsfaktoren sind doch unglaublich banal, oder? Fehlt nur noch der grandiose Tipp, dass Sieger eine gute Geschäftsidee brauchen. Was also haben wir von all diesen sogenannten Studien?

Drehen wir die Erkenntnisse mal herum: Es kann zumindest nicht schaden, eine Vision zu haben, in Forschung und Mitarbeiter zu investieren und sich um die Kunden zu kümmern. Und es könnte auch nicht schaden, sich mal die Strategien der "Verlierer" anzuschauen, der Unternehmen, die nicht wachsen, die vom Markt verschwinden oder kurz davon sind. Aber solche Geschichten sind halt nicht so schön zu lesen.

Da lobe ich mir doch einfache Fallstudien, die die konkreten Aktivitäten von Unternehmen beschreiben, die die Kurve gekriegt haben. Da ist völlig klar, dass es sich um Geschichten handelt: Schön zu lesen, aber eben nur Geschichten. Und bei denen kein Autor mir zugleich weismachen will, worin das tiefere Erfolgsgeheimnis besteht.

Rezensionen zum Thema:
Spezialisten wachsen am schnellsten, Financial Times Deutschland 30.5.2008

Sonntag, 13. Juli 2008

Handwerkskunst

Zwei Dinge sind mir an der Buchbesprechung des neuen Werkes von Richard Sennett aufgefallen: Zum einen erstaunt es mich immer wieder, wie viele Seiten man offensichtlich füllen kann, um eine einfache Botschaft zu vermitteln. Zum anderen dachte ich beim Lesen dieser Botschaft sofort: "Wie wahr!"

Es geht um Handwerkskunst (das Buch heißt auch "Handwerk"). Es ist offensichtlich ein Loblied auf die Werkstatt, auf die manuelle Arbeit und die Einstellung, eine Arbeit "um ihrer selbst willen gut zu machen". Die Kernhypothese lautet: Wir müssen heute so flexibel sein, dass wir gar keine Zeit mehr haben, eine Sache richtig zu beherrschen. Und genau das zeichnet den Handwerker aus: Er ist ein Meister seines Fachs, und das Ziel ist, gute Arbeit abzuliefern (wobei ich fürchte, dass auch viele Handwerker von heute immer weniger "handwerklich" arbeiten, sondern nur noch komplette Bauteile austauschen oder, wie in meiner Autowerkstatt, eine neue Software aufspielen).

Wie wörtlich ist das zu nehmen mit der manuellen Arbeit? Der Mensch dürfe sich nicht zu weit von manuellen Tätigkeiten entfernen, sonst drohe ihm Degeneration, sagt Sennett. Mit Grausen denke ich an meine stümperhaften Versuche, Dinge im Haus zu reparieren. Von HandwerksKUNST kann da keine Rede sein.

Und was ist mit meinen weniger manuellen Tätigkeiten? Kann ich diese auch "um ihrer selbst willen gut machen"? Ich bin da nicht so sicher. So ein Text wie dieser ist schnell verfasst, einmal klicken, fertig ist das "Werk". Welches Handwerksstück ist so schnell geschaffen? Müssen wir Schreiberlinge nicht eigentlich auch lange und sorgfältig feilen und schleifen, ehe wir das Ergebnis unseren Kunden anbieten? Würden wir so arbeiten, gäbe es wahrscheinlich nur einen Bruchteil dessen, was heute publiziert wird.
Nehme mir vor, noch sorgfältiger vorzugehen und Texte auch mal in die Schrottbox zu werfen, wenn sie misslungen sind.

Rezension zum Thema:
Handwerker aller Länder, Financial Times Deutschland 30.5.2008

Samstag, 12. Juli 2008

Michael Ballack und das deutsche Arbeitsrecht

Der deutsche Fußballer Michael Ballack soll in London über 150.000 Euro verdienen - pro Woche. Es ist zu vermuten, dass er sich um so etwas wie den Kündigungsschutz keine Gedanken machen muss. Dennoch taucht sein Name in einem Beitrag zum deutschen Arbeitsrecht auf. Das nämlich soll drastisch vereinfacht werden. Eine feine Sache, vermute ich mal, es soll ja mächtig kompliziert sein. Aber die auf 32 Seiten verkürzte Version erzeugt Widerstand, und zwar von jenen, die ebenfalls 150.000 Euro und mehr verdienen - pro Jahr, versteht sich. Für diese soll das Arbeitsrecht nur noch bedingt gelten, was dazu führen könnte, dass Unternehmen in solchen Fällen den Kündigungsschutz aushebeln.

Für unzumutbar halten das die Interessenverbände. Ihre Argumente: Wer so viel Geld verdient, ist ja keineswegs wirtschaftlich unabhängig wie der deutsche Nationalspieler. Er muss nicht einmal ein Top-Manager sein, auch hervorragende Experten bewegen sich in dieser Größenordnung. Als Grenze fordert man stattdessen 300.000 Euro.

So ist das also. Erst wenn jemand 25.000 Euro im Monat brutto verdient, dann kann man ihm zumuten, auf einen Kündigungsschutz zu verzichten. Hätten Sie gedacht, dass das deutsche Arbeitsrecht von den Besserverdienenden gerettet werden muss? Zumindest wissen wir jetzt, ab welchem Verdienst der abhängig Beschäftigte auf seine Sicherheit verzichtet.
Ich grüble die ganze Zeit darüber nach, ob die Differenz zwischen meinem derzeitigen Einkommen und der Untergrenze von 300.000 Euro dann den Wert darstellt, den die Selbstständigkeit für mich hat. Witzige Zahlenspiele...

Rezension zum Thema:
Verhandeln wie Ballack, Financial Times vom 26.5.2008

Montag, 7. Juli 2008

Alte Tugenden und der Erfolg

Wenn von innovativen und erfolgreichen Unternehmen die Rede ist, dann denkt man doch meist an glanzvolle Namen. Und an Wandel, rasche Veränderungen, Schnelligkeit... oder welche Begriffe fallen Ihnen ein? Etwa Geduld, Bodenständigkeit, Ausdauer oder gar Bescheidenheit?

Wie steht es denn mit diesen drei Namen: Toyota, Bose und Amazon? Auf den ersten Blick haben sie nicht viel gemeinsam. Es ist auch reiner Zufall, dass wir bei MWonline in wenigen Tagen über Artikel zu den Firmen gestolpert sind. Auffällig ist, dass alle drei als Erfolgsfaktoren Tugenden angeben, die so gar nicht zu passen scheinen in die schnelllebige Zeit mit ihren Managementmoden, den Predigten von "die Schnellen fressen die Langsamen" und ähnlichen eingängigen Sätzen.

Toyota soll sich durch eine gewisse Bodenständigkeit und Bescheidenheit auszeichnen - dort sollen Manager ein Zehntel von dem verdienen, was ihre Kollegen beim amerikanischen Konkurrenten erhalten. Bei Bose hat man es nicht eilig und verschläft auch mal einen Trend. Und sogar bei Amazon, dem Internetpionier, lässt man einem neuen Produkt viel Zeit, um sich zu entwickeln - fünf bis sieben Jahre, eine Ewigkeit im Internetgeschäft.
Da fällt mir ein, dass der DVD-Verleih soeben eingestellt wurde - weiß jemand, wann der ins Leben gerufen wurde?

Was ist die Lehre? "Keine Regel ohne Ausnahme" oder "Zurück zu traditionellen Tugenden"? Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass eine Kultur, in der man sich Zeit nimmt und Ideen auch reifen dürfen, mir wesentlich näher sind als solche, in denen unmittelbarer Erfolg verlangt wird und beim ersten Misserfolg alles wieder über den Haufen geworfen wird. Mehr noch: Wenn es um den langfristigen Erfolg eines Unternehmens geht, glaube ich fest daran, dass diese Werte die geeigneteren sind.

Rezensionen zum Thema:
"Der Suchende" und "Eins nach dem anderen", Brand eins 6/2008
The Contradictions that Drive Toyota’s Success, Harvard Business Review 6/2008

Freitag, 4. Juli 2008

Kunden zweiter Klasse

Unser Telefon war gestört, niemand konnte uns mehr erreichen. Anruf per Handy bei der Telekom. Eine freundlichen Stimme klärte mich ausführlich darüber auf, dass man Störungen auch im Internet melden könne und welche Möglichkeiten das digitale Fernsehen bietet. Dann wurde ich durchgestellt, nachdem ich meine Telefonnummer eingegeben hatte. Das heißt, ich hing in der Warteschleife. Die Minuten verrannen, und in mir erwachte der (falsche) Ehrgeiz herauszufinden, wer es länger durchhält. Ich verlor, nach 15 Minuten Beschallung durch das nervende Telekomgebimmel gab ich auf.

Zweiter Versuch, diesmal gab ich die Telefonnummer der Zentrale eines großen Konzerns bei uns um die Ecke ein. Sofort landete ich bei einem Servicemitarbeiter - es klingelte nicht einmal, so schnell ging das. (Habe ich bei den weiteren Versuchen, Hilfe zu bekommen, immer wieder gemacht, funktioniert garantiert!)

Kennen Sie Ihren Wert als Kunde?

Klar, das hat mich total geärgert. Als "kleiner Kunde" mit Flatrate bin ich nicht interessant für den Laden, also kann ich in der Warteschleife vergammeln. Dahinter steckt ein System. Jeder von uns kann sicher sein, dass er bewertet wird. Ich habe gelesen, dass meine Kreditwürdigkeit auch davon abhängen kann, ob ich eine kostenlose E-Mail-Adresse habe, was kein gutes Zeichen für meine finanziellen Verhältnisse wäre. Soll heißen: Über jeden Kunden werden Daten gesammelt, auf dubiose Weise miteinander verknüpft und zu einem "Score" verdichtet. Wann immer Sie sich als möglicher Kunde zu erkennen geben, rechnen Sie damit, dass der Anbieter einen Blick ins System wirft, das ihm dann mitteilt, ob es sich lohnt, dass er sich mit Ihnen beschäftigt. Bitter.

Würden Sie es anders machen?

Klar, für mich als "kleinen" Kunden ist das bitter. Aber würde ich es anders machen? Würde ich den potenziellen Käufers meines Wagens stehen lassen für jemanden, der nur mal eine kurze Frage zu dem Kilometerstand hat, aber erkennbar kein ernsthafter Interessent ist? Würde ich den Termin mit einem Kunden, der "nur mal so" schauen möchte, sausen lassen für einen Termin mit dem Repräsentanten eines großen Unternehmens, das mit MWonline kooperieren möchte?

Also muss man damit leben, als Kunde zweiter oder dritter Klasse behandelt zu werden? Vielleicht nicht. Denn wie man sieht, lassen sich solche Scoringsystem austricksen. Und vielleicht kann man ja daraus sogar ein Geschäftsmodell entwickeln: Dienstleister für kleine Kunden werden - die "dicken" Kunden konsequent ablehnen und damit werben, dass man alle gleich behandelt. Wäre doch mal eine Überlegung wert. Wer weiß, wie lange es sich dann der große Konzern erlauben kann, die "Premium-Kunden" bevorzugt zu behandeln.