Mittwoch, 21. Dezember 2011

Ein schwieriges Jahr?

Keine Angst, das wird kein Jahresrückblick 2011. Lediglich ein paar Gedanken über unsere Wahrnehmung von Ereignissen. Und darüber, wie unsere Wahrnehmung beeinflusst wird.

Ich war kürzlich Gast in einem Unternehmen, das nach einem schwierigen Neuanfang eine erstaunliche Entwicklung genommen hat. Der Personalchef präsentierte die aktuellen Zahlen und seine Ideen für die nächsten Jahre. Er sagte einen bemerkenswerten Satz, sinngemäß: "Wir wissen, dass die Aussichten für das kommende Jahr nicht rosig sind, aber wir sind sehr zuversichtlich, dass wir mit unseren Maßnahmen gut aufgestellt sind und aus den Krisenjahren viel gelernt haben." Das war keine PR-Aussage, sondern sehr glaubwürdig, da er gleichzeitig ebenso offen über die Hürden und Herausforderungen für das Unternehmen berichtete.

Aus diesem Treffen ging ich so optimistisch wie schon lange nicht mehr nach Hause. Und stellte fest, dass meine Stimmung in den letzten Monaten stark geprägt war von Überschriften, die das genaue Gegenteil dieser Zuversicht darstellten. Bekanntlich bespreche ich regelmäßig die Financial Times Deutschland, eine Zeitung, die mir bezüglich der Vielfalt der dargestellten Perspektiven immer gut gefallen hat. Allerdings hatte meine Motivation, sie am Morgen aufzuschlagen, merklich nachgelassen.

Denn die Überschriften allein können den Leser in tiefe Depressionen stürzen. Europa am Abgrund, die Welt vor dem Chaos, Katastrophen rund um den Globus und die Wirtschaft am Ende. Nein, irgendwann mag man das nicht mehr lesen, so wie man von Dauerregen irgendwann genug hat.

Da ich kein Anhänger des positiven Denkens bin, sondern im Zweifelsfall eher ein "Verdränger", habe ich die Lektüre nach und nach auf das Nötigste beschränkt (ich gebe zu, dass ich den Sportteil immer noch ausgiebiger gelesen habe). Bis mir dann eines Tages die FAZ in die Hände fiel, und neuerdings auch dank eines Probe-Abos die Süddeutsche Zeitung. Und siehe da: Deren Headlines vermittelten einen ganz anderen Eindruck. Die Nachrichten waren offenbar die gleichen, aber die Titel in der Regel sehr neutral, maximal Neugier weckend.
Beispiel von heute zu Syrien: FTD: "Assads Regime lässt 280 Deserteure niedermetzeln" - SZ: "Gefangenenchor".
Und zu Nordkorea: FTD: "Zombie-Staat unter Waffen" - SZ: "Blumen und rote Flagge".

Ich frage mich also, wie schrecklich dieses Jahr nun wirklich war. Wie schief ist mein Bild von der Wirklichkeit?

Mein Vorsatz für das kommende Jahr: Wacher, aufmerksamer hinzuhören und hinzuschauen. Meine Quellen wechseln, hin und wieder die Perspektiven verändern. Wäre einen Versuch wert...

Mittwoch, 7. Dezember 2011

Inspirations-Outsourcing

Es ist doch immer schön, etwas Neues zu lernen. Sie kennen den Begriff "Inspirations-Outsourcing" und wissen, was sich dahinter verbirgt? Hut ab, mir war er bisher unbekannt. Bis ich den Beitrag im Harvard Businessmanager entdeckte, der uns erklärt, wie Führungskräfte die Motivation ihrer Mitarbeiter den Kunden überlassen. Bzw. sie an den Kunden delegieren. Kein Witz. Praktisch, oder?

Wer jetzt hofft, ein großes Problem los zu sein, der sieht sich schnell getäuscht. Hinter der Idee steckt ein ganz alter Hut: Motiviert und leistungsbereit sind wir immer dann, wenn wir sehen, dass unsere Arbeit sinnvoll ist und Nutzen stiftet. Und eine entsprechende Wertschätzung erfährt. Der Denkfehler vieler Führungskräfte besteht darin anzunehmen, dass sie mit etwas Lob und einer entsprechenden Prämie diese Wertschätzung vermitteln können. Experimente zeigen, dass es überhaupt keinen Effekt erzielt, wenn sie Mitarbeitern etwas von zufriedenen Kunden erzählen. Führungskräfte werden diesbezüglich offenbar alles andere als kompetent wahrgenommen.

Stattdessen, so die Autoren, sollte man dem Mitarbeiter ermöglichen, Feedback direkt vom Endkunden zu bekommen. Call Center Agenten, die Gelder für Stipendien einsammeln sollten, waren top-motiviert, nachdem ein Stipendiat sie besuchte und erzählte, wie ihm das Stipendium geholfen hat. Oder wie wäre es, die Dankesschreiben von zufriedenen Kunden denjenigen zur Verfügung zu stellen, die hieran maßgeblich beteiligt waren? In manchen Unternehmen landen diese Schreiben in der Ablage.

Alles wie so oft furchtbar banal. Und ein Problem unserer arbeitsteiligen Welt. Die Menschen, die nur einen Teil der Leistung am Kunden erbringen, sind oft so weit weg vom Endkunden, dass sie gar nicht mitbekommen, was aus ihrer eigenen Arbeit wird. Mit anderen Wort: Der Sinn ihrer Tätigkeit geht flöten - obwohl es (hoffentlich) einen gibt.

Die Botschaft für Führungskräfte ist ebenso banal: Sorgen Sie dafür, dass die Rückmeldung des Endkunden beim Mitarbeiter landet, das erspart Ihnen eine Menge Arbeit. Und ist eine echte Führungsaufgabe. Was übrigens nicht bedeutet, dass Sie ab sofort darauf verzichten können, Leistungen von Mitarbeitern zu würdigen. Nur eben nicht stellvertretend, sondern authentisch - wenn Sie selbst wirklich mit einer gezeigten Leistung zufrieden sind.

Wenn der Begriff "Inspirations-Outsourcing" dazu beiträgt, dass sich in diesem Sinn etwas verändert, nehme ich ihn gerne in mein Vokabular auf - so albern ich ihn auch finde.

Rezension zum Thema:
Wie Kunden Mitarbeiter motivieren, Harvard Businessmanger 8/2011

Mittwoch, 30. November 2011

Auch eine Art Mitarbeiterbindung

Ein Professor der Wharton School erklärt im Personalmagazin (Ausgabe 9/2011, S. 35/36), dass heutzutage Mitarbeiter viel schneller bereit sind, einem Arbeitgeber den Rücken zu kehren. Daher gewinnt die Themen "Talentmanagement und Mitarbeiterbindung" eine immer stärkere Bedeutung. Und damit wir verstehen, was damit gemeint ist, kommt ein Beispiel aus der Praxis, und das geht so:

Bei UPS stellte man eine hohe Fluktuation bei den Fahrern fest. Das Problem wurde analysiert und man fand heraus, dass sie häufig wegen Rückenproblemen den Job wechselten. Die Rückenschmerzen rührten daher, dass die Fahrer ihre Fahrzeuge selbst beladen mussten.
Schlimm für das Unternehmen. Nicht, weil die Fahrer gesundheitliche Probleme bekamen, sondern weil diese ja einen engen Kontakt zu den Kunden pflegten und man befürchtete, dass mit dem Weggang der Fahrer auch die Kunden den Anbieter wechselten.

Eine Lösung musste her, und die sah so aus: Man stellte spezielle Packer ein, mit der Folge, dass die Fluktuation insgesamt zwar nicht sank (vermutlich verließen nun die Packer ständig das Unternehmen), aber (Zitat!) "das ist nicht so wichtig", weil die Fahrer nun länger blieben und damit der Kundenstamm nicht in Gefahr geriet.
Das nenne ich gelebte Mitarbeiterbindung!

Rezension zum Thema:
Ständig auf dem Sprung, Personalmagazin 9/2011

Freitag, 25. November 2011

Mit kranken Mitarbeitern reden

Keine leichte Situation, in der Tat. Ein Mitarbeiter fällt häufiger aus, und als Führungskraft sind Sie sich unsicher, ob das Fehlen etwas mit dem Job zu tun hat. Oder gar mit Ihnen. Auf jeden Fall denken Sie, Sie müssten mit dem Mitarbeiter reden. Aber wie sprechen Sie ihn an?

Ich habe in einem Beitrag in der Personalwirtschaft die einschlägigen Tipps gefunden. Sie äußern sich besorgt, schildern Ihre Beobachtungen, bitten um Stellungnahme und vereinbaren am Ende konkrete Maßnahmen. Vorausgesetzt, die Erkrankung hat etwas mit dem Arbeitsplatz zu tun. Und dann bin ich über einen Hinweis gestolpert. Dieser Ansatz unterscheide sich vom bekannten Rückkehrgespräch. Es ginge um das Interesse an der Situation des Betroffenen und "die Suche nach ehrlichen Hilfsangeboten".

Was sagt uns das über das "beliebte" Rückkehrgespräch? Hier geht es also nicht um Interesse und Hilfe - worum dann? Die Rede ist von einem disziplinarischen Charakter des Krankenrückkehrgesprächs.

Ich fürchte, das ist das Dilemma aller institutionalisierten Gespräche. Immer wieder versuchen Personalentwickler und wohlmeinende Manager, ihren Führungskräften eine "Regelkommunikation" zu verordnen. Ich habe nichts gegen Empfehlungen, wie man vernünftig Gespräche führt. Einem Mitarbeiter zu kündigen, ist alles andere als einfach. Kritik zu äußern fällt nicht nur Führungskräften schwer. Tabu-Themen anzusprechen, ist für niemanden einfach. Verhandlungen über eine Gehaltserhöhung machen erhebliche Kopfzerbrechen. Und deshalb sind wir dankbar für Ratschläge, die weiterhelfen und die Situation entspannen.

Unangenehm wird es dann, wenn Anlässe definiert werden, zu denen Gespräche geführt werden müssen. Das Mitarbeiterjahresgespräch, das Krankenrückkehrgespräch, das Personalentwicklungsgespräch usw. Manchmal mag der Zeitpunkt genau der richtige sein, aber leider passt er oft genug eben nicht. Was aber viel schwerer wiegt: Wie will man ehrliches Interesse demonstrieren, wenn der andere weiß, dass mir das Gespräch von oben vorgegeben wird? Eine Führungskraft, die sich regelmäßig nach dem Wohlergehen ihrer Mitarbeiter erkundigt, wird damit wenig Probleme haben, ein "Rückkehrgespräch" zu führen. Sie dürfte so viel Vertrauen aufgebaut haben, dass der Mitarbeiter ihr das Interesse abnimmt. Ansonsten aber wird jede Form von "Pflichtgespräch" als nicht authentisch, erzwungen und letztlich unglaubwürdig rüberkommen.

Ein Dilemma. Für die Personalentwickler, die doch so gern die Kommunikation im Unternehmen verbessern wollen. Und die Führungskräfte, die Gespräche führen müssen, die sie nicht führen wollen und auch nicht wirklich können.


Rezension zum Thema:
Zum Wohle der Mitarbeiter, Personalwirtschaft 8/2011

Mittwoch, 16. November 2011

Selbstorganisation

Keine dumme Frage für Menschen, die glauben, sich um alles kümmern zu müssen: "Welche Aufgaben können NUR Sie selbst übernehmen?" Führungskräfte, die sich diese Frage stellen, können vermutlich ihren Arbeitstag prächtig entschlacken. Eine weitere lautet: "Wo werden Sie am meisten gebraucht?" Wenn Sie mit Hilfe der beiden Fragen einmal schauen, was Sie so den ganzen Tag treiben, dann könnte es sein, dass Sie sich von einigen Tätigkeiten rascher trennen.

Woher ich diese Weisheiten habe? Aus einem Beitrag mit dem Titel "Organisation ist alles" (Harvard Businessmanager 7/2011). Darin behauptet ein vielbeschäftigter Manager, Professor, Buchautor und Anwalt namens Robert Pozen, dass er ständig viele Funktionen gleichzeitig ausübte, ohne dabei in Stress zu geraten. Natürlich lässt er uns an weiteren Erfolgsgeheimnisse teilhaben. Unter anderem diesen:

Halten Sie die Dinge kurz und einfach! Vor allem Ihren Alltag. Das sieht so aus, dass er um 7.00 Uhr aufsteht, duscht und sich anzieht. Er legt die Sachen am Abend vorher raus, und damit er keine Zeit mit der Entscheidung, was er anziehen soll, vergeudet, hat er fünf Winter- und fünf Sommeroutfits. Um 7.15 Uhr sitzt er am Frühstückstisch, wo er jeden Morgen das Gleiche isst (spart auch viel Zeit): Ein Müsli und eine Banane. Dabei liest er zwei Zeitungen und braucht für all das 15 Minuten.

Weitere wichtige Tipps für alle Manager, die viel reisen: Er packt immer den gleichen Koffer, die gleiche Umhängetasche, in beiden befindet sich immer das Gleiche - z.B. eine kleine Taschenlampe, damit er im Taxi, das schlecht beleuchtet ist, arbeiten kann.

Darin liegt also das Geheimnis der Erfolgreichen: Sie schaffen sich standardisierte Abläufe, so dass sie keine wertvolle Zeit mit alltäglichen Entscheidungen verschwenden. Das kann man sicher noch perfektionieren:

Man besucht stets das gleiche Restaurant um stets die gleiche Uhrzeit, so dass der Ober schon bereit steht - ebenso wie das Essen und das Getränk, das immer gleich ist.

Schuhe kauft man am besten im Dutzend, jedes Jahr auf's Neue die lästigen Prozeduren des Anprobierens kann man sich sicher ersparen.

Seiner Frau und seinen Kindern schenkt man jedes Jahr das Gleiche zu Weihnachten - macht langwierige Entscheidungsprozesse nach dem Motto "Was soll es denn diesmal sein?" überflüssig.

Zur körperlichen Fitness wählt man einen Sport, bei dem man weiter arbeiten kann - Radfahren im Fitness-Studio mit integriertem Laptop und Tastatur. Oder schafft sich auch hier Routinen. Ob Herr Pozen, der zur körperlichen Ertüchtigung Tennis-Doppel spielt, immer auf der gleichen Position steht? Wechsel wären doch reine Zeitverschwendung.

Aber mal im Ernst: Sich den Alltag zu erleichtern, indem man sich besser organisiert, ist ein Tipp, auf den ich auch ohne diesen Beitrag gekommen wäre. Den kompletten Tag perfekt durchzustrukturieren können meines Erachtens nur Leute, denen genau diese Art zu leben und zu arbeiten entgegen kommt. Wie langweilig, werden diejenigen sagen, die die Abwechslung lieben. Und mit der Erkenntnis leben müssen, dass beides vielleicht doch nicht geht: Ein spannendes Leben ohne Stress. So hat auch dieser Artikel sein Gutes...

Rezension zum Thema:
Organisation ist alles, Harvard Businessmanager 7/2011

Donnerstag, 10. November 2011

Die Sache mit den Familienunternehmen

Ein Zufall. Da finde ich in der Financial Times Deutschland ein Essay von zwei österreichischen Ökonomen, die mit dem Mythos aufräumen, Familienunternehmen seien erfolgreicher als solche, die sich am Kapitalmarkt orientieren. Sie führen in dem provokativ formulierten Beitrag einige Gründe an, z.B. den, dass in Familienunternehmen die Tendenz besteht, den eigenen Sprössling an die Spitze zu hieven, egal, ob er nun kompetent ist oder nicht. Ob er zuvor Kunstgeschichte studiert hat oder sich als  Sozialpädagogikstudent die Zeit vertrieben hat - egal. Hauptsache, das Unternehmen bleibt in Familienhand.

Eine andere Art der "Vererbung" sei, dass manchmal auch Frauen, die zunächst als Geliebte, dann als Ehefrau und schließlich als Witwe die Qualifikation "erwerben", den Inhaber zu ersetzen. Böse, böse...

Und dann fällt mir der Beitrag in der Brand eins über den Chef der Messer Group in die Hände. Der sein Studium abbrach, in einer Werft jobbte, Plüschtiere verkaufte, schließlich eine Ausbildung zum Industriekaufmann machte und dann in das Familienunternehmen eintrat. Das war längst in der Hand der damaligen Höchst AG. Hier hatten fremde Manager das Sagen, und die stellten den ungeliebten "Eindringling" kalt. Hielten ihn für völlig ungeeignet. Demütigten ihn, legten ihm nahe, sich völlig rauszuhalten.

Als Jürgen Dormann, Anbeter des Shareholder Value, aus dem Konzern ein reines Life-Science-Unternehmen machen wollte, war für den Industriegasespezialisten kein Platz mehr. Das Unternehmen sollte verkauft werden, aber wie das in so einer Situation ist: Man muss die Braut erst mal richtig attraktiv machen. Also wurde hinzugekauft, was das Zeug hielt. Ob sinnvoll oder nicht. Millionen wurden in den Sand gesetzt, während der Geschäftsführer Golf spielte oder mit Kunden auf Großwildjagd ging. Als das Unternehmen kurz vor dem Ruin stand, wurde es an Finanzinvestoren veräußert, diese machten Stefan Messer zum Geschäftsführer. Es gelang ihm, das Unternehmen zurück in Familienhand zu holen. Er ist, verständlicherweise, nicht gut zu sprechen auf die, von den oben genannten Professoren so hochgelobten, "Fremdmanagern".

Ich weiß, ein unterschätzter Sprössling ist noch lange kein Beleg dafür, dass Familienunternehmen die bessere Alternative sind. Aber ebensowenig lässt sich die Tatsache widerlegen, dass, egal wie verantwortungsvoll Manager gestrickt sind, diese stets mit Geld hantieren, das nicht ihnen selbst gehört. Und dass man höchst misstrauisch werden sollte, wenn Top-Manager mit ihrem Golf-Handicap von zwölf oder besser schwärmen.

Allerdings: Stefan Messer hat einen hohen Preis gezahlt. Zumindest da haben unsere Ökomomen aus dem Nachbarland Recht. Familienunternehmer dürften wohl eher selten Vätermonate genießen. Oder ein Golf-Handicap von 12 und besser erreichen...

Rezensionen zum Thema:
Vorsicht vor den Lucky Sperms! Financial Times Deutschland, 16.9.2011
Der Steher, Brand eins 10/2011

Einen Sinn finden

Die Ausgabe 10/2011 der Brand eins, die wir soeben gelesen und besprochen haben, geht auf die Suche nach dem Sinn - und diese führt sie natürlich zu Menschen, die einen Sinn in dem, was sie tun, gefunden haben.

Eine Unternehmerin hilft Führungskräften internationaler Unternehmen, sich in der Fremde zurechtzufinden. Zitat: "Wenn ich mich frage, ob das, was ich tue, sinnvoll ist, schaue ich auf meine Website und lese das Feedback zufriedener Kunden."

Ein junger Mann, der mit der Schule nicht klar kam, findet seine Bestimmung, als er ein Praktikum im Krankenhaus absolviert. Zitat: "Hier bekommst du ein Lächeln von den Patienten, wenn du ein bisschen Zeit für sie hast, morgens ein Brötchen für sie schmierst, ihnen beim Duschen hilfst."

Ein Polizeidirektor, der noch 10 Jahre bis zur Pensionierung hat, geht nach Kabul, wo er den Neuaufbau der afghanischen Polizei unterstützt. Dort erlebt er, dass Polizisten eine Gruppe von Frauen, die für ihre Rechte demonstrieren, vor wütenden Männern schützt. Und fühlt sich gut.

Es stimmt. Manchmal fühlt man sich einfach gut. Dazu genügen Kleinigkeiten. Kleine Rückmeldungen in Mails. Wie diese:

Zitate:
"Es ist so wohltuend, dass Sie nicht auf jeden Mainstream aufspringen. Es hat immer so etwas von "sich dem mutig in den Weg stellen". Von Querdenken."

"Dankeschön für die schnelle Reaktion."

"Ihre Mitglieder- und Anbieterbetreuung ist ausgesprochen gut, klar formuliert und individuell angepasst."

"Phantastisches Editorial! Sie haben es genau "getüpft" wie der Schweizer sagt..."

"Ich möchte mich mal wieder bei Ihnen für Ihren wunderbaren Service bedanken."

"Schön, wenn man merkt, dass es im doch recht anonymen "Orbit" Gleichdenkende gibt."

"Bin regelmäßiger Leser Ihres Blogs. Spannend."

"Vielen herzlichen Dank! Das ging ja super schnell, wie die Feuerwehr!"

"Ich bin sprachlos ob Ihrer prompten Antwort."

"Bei der Gelegenheit möchte ich auch ein Lob aussprechen für Ihr Angebot, das immer wieder inspirierend und informativ ist!"

"Herzlichen Dank für Ihre Zeit, Mühe und natürlich auch für die sehr nachvollziehbaren inhaltlichen Tipps."

...

Ich werde häufig gefragt: "Wie motiviert Ihr euch eigentlich immer noch - Jahr für Jahr alle diese Artikel zu lesen. Sich durch die ewig gleichen Themen zu wühlen. All die als Neuigkeiten verkauften "Weisheiten" zu besprechen?"

Manchmal genügt eine einfache Mail, um weiter zu machen.

Rezensionen zum Thema:
Da geht noch was! Brand eins, Ausgabe 10/2011

Samstag, 29. Oktober 2011

Wie wird man zum "guten" Manager?

Stellen Sie sich vor, Sie bilden junge Menschen aus, diese erlernen ihren Beruf und machen einen hervorragenden Abschluss. Und am Ende müssen Sie erkennen, dass sich diejenigen, die am besten abschneiden, in der Praxis am wenigsten bewähren. Was würden Sie mit Ihren Ausbildern anstellen?

"Umfangreiche Analysen der McGill University Montreal sowie der Stanford University belegen, dass es keinen Zusammenhang zwischen MBA-Abschlüssen und einem erfolgreichem Management gibt - sondern exakt das Gegenteil. Das sollte zu denken geben". Sagt Stephan Jansen, Präsident der Zeppelin-Universität. Und Harvard-Professor Carl Mintzberg bezichtigt die Business Schools, dass sie lediglich Verwaltungsspezialisten nach den neuesten Managementmoden ausbilden.

Wie kann man angesichts dieser Feststellungen überhaupt noch jungen Menschen empfehlen, einen MBA-Abschluss anzustreben? Aber halt, es tut sich ja was. Nach den Wirtschaftsskandalen und Finanzkrisen der letzten Jahre setzen viele Managementschulen auf Ethik- und Softskill-Kurse, schließlich sind sie ja lernfähig. Aber reicht das? Fachleute wie der St. Gallener Managementprofessor Fredmund Malik kritisieren das als Feigenblattaktionen. Hauptsache, irgendwie reagieren, ansonsten wird weiter gewerkelt wie bisher. Vor allem auf das Instrument der Fallstudien, bei denen die Lehrenden die "richtige" Lösung in der Tasche haben, wird weiterhin gesetzt. Dabei sollte man inzwischen doch erkannt haben, dass es den einen, den richtigen Weg in der komplexen Welt von heute sicher nicht mehr gibt.

Aber was ist die Alternative?

Die Kritiker sind in der Regel ja selbst Anbieter solcher Studiengänge, und sie lassen sich einiges einfallen. Die einen bieten jeden Donnerstag ein Generalstudium, damit die angehenden Manager ihr Interesse für Gesellschaft und Umwelt entdecken. Hier können sie Kurse aus den Bereichen Biologie oder Steinmetzen belegen. Woanders können die Studierenden zwischen Schauspiel, Fernseh- oder Rundfunkmoderation, Tanz oder Musik wählen. Oder sie werden gefragt, welche Themen sie denn gerne studieren möchten, diejenigen, die am häufigsten gewählt werden, kommen ins Angebot.

Klingt das, als würden wir in Zukunft eine neue Generation von Managern erleben? Mit kommt das eher so vor, als sei man verzweifelt auf der Suche nach Alternativen, weil man erkannt hat, dass man Management eigentlich gar nicht lehren kann. Es wirkt wie ein wildes Herumexperimentieren, ein Stochern im Nebel. Den Studenten wird eine breite Palette von Themen vorgesetzt in der Hoffnung, dass sie sich genau das herauspicken, was einen erfolgreichen Manager ausmacht. Würden wir noch Mediziner oder Chemiker ausbilden, wenn wir feststellten, dass sich das, was sie an der Universität lernen, im Alltag gar nicht anwenden lässt? Was würden Studenten dieser Fächer wohl sagen, wenn sie plötzlich Steinmetz-Kurse angeboten bekämen?

Vielleicht sollte man MBA-Programme ganz einstampfen. Vielleicht sollte man einfach zugeben, dass niemand wirklich weiß, wie man in der heutigen komplexen Welt Unternehmen und Organisationen "richtig" lenkt. Vielleicht sollte man eingestehen, dass man Managementfähigkeiten letztlich nur durch konkretes Tun erwirbt und dem Managementnachwuchs die Gelegenheit bieten, sich in der Praxis zu bewähren. Ihn mit echten Aufgaben beschäftigen, mit realen Projekten. Und ihm zugestehen, hier auch mal zu scheitern.

Aber das wäre ja viel zu einfach. Und scheitern lassen? Undenkbar. Lieber erst einen Titel erwerben und dann scheitern lassen. Was aber viel stärker ins Gewicht fällt: Das Geschäftsmodell der Business Schulen wäre hinfällig. So lange man viel Geld damit verdienen kann, MBA-Titel zu verkaufen und es genügend Interessenten gibt, die diesen Titel erwerben möchten, wird wohl weiter fröhlich in Fallstudien gewühlt und - neuerdings - getanzt und musiziert.

Rezension zum Thema:
Programmwechsel bei voller Fahrt, Personalwirtschaft 7/2011

Donnerstag, 27. Oktober 2011

Lustige Arbeitszeugnisse

Müssen Sie auch mitunter ein Arbeitszeugnis schreiben? Dann werden Sie all die Formulierungen beherrschen, die man so benötigt, um gute, hervorragende und weniger beeindruckende Leistungen zu beschreiben. Oder besonders gutes Sozialverhalten bzw. deutlich weniger wünschenswertes. Und natürlich kennen Sie auch die Bedeutung bestimmter Floskeln am Ende eines Zeugnisse, von wegen "vollste Zufriedenheit" und "Wir wünschen ihr auf dem weiteren Berufs- und Lebensweg alles Gute und weiterhin viel Erfolg. " (Beides steht für die Note 1, falls Sie hier noch unsicher sein sollten.)

Nun hat eine Studie herausgefunden, dass die (als Floskeln getarnten) Noten immer besser werden - von "Kuschelnoten" ist hier die Rede. Vor allem bei der Abschlussbewertung (von wegen "vollste Zufriedenheit") gibt es offensichtlich nur noch die "vollste" Note, darauf sollte man sich als neuer Arbeitgeber also nicht mehr verlassen.

Der vermutete Grund: Auch die Mitarbeiter kennen inzwischen die Bedeutung der verschiedenen Floskeln und dürften ihrem Arbeitnehmer kräftig auf die Zehen steigen, wenn die einschlägigen Formulierungen fehlen. Und diese wiederum geben dem Wunsch offenbar lieber nach, als lange Streitigkeiten, möglicherweise noch vor Gericht, zu riskieren.

Einzig bei den Leistungsbewertungen gibt es wohl noch kleine Differenzierungen - aber echte Unterschiede sind selten. So bleibt schließlich nur noch eine wirklich nützliche Information: Wenn am Ende der Wunsch geäußert wird, der Mitarbeiter möge sich wieder bewerben, dann hat man es in der Tat mit einem wirklichen "Goldstück" zu tun.

Die Autoren der Studie kommen trotz dieser deprimierenden Erkenntnisse zu dem Ergebnis, dass Arbeitszeugnisse ihren Sinn erfüllen. Nur möge man sich nicht auf ein einzelnes stützen, sondern sich lieber mehrere anschauen - vielleicht ist der Vergleich aussagekräftig. Und noch einen Tipp haben sie bereit: Will man aussagekräftige Arbeitszeugnisse, dann solle man anfangen, selbst solche zu verfassen.

Ich frage mich, ob all das wirklich die Mühe wert ist. Wenn ich mir die vielen Arbeitszeugnis-Generatoren im Internet anschaue, die zahllosen Ratgeber und "Entschlüsselungstipps", dann drängt sich mir nur ein Gedanke auf: All das beschäftigt Heerscharen von Menschen und Anbietern, die Zeit und das Geld könnte man sinnvoller nutzen. Und noch ein Gedanke: Bei der gesetzlichen Vorgabe, wohlwollend zu formlieren, hat sicher niemand an die Nebenwirkungen dieses "Rechts" gedacht. Ein schönes Beispiel, wie eine Regel ungeahnte Folgen hat. Ich bin für ein ersatzloses Streichen des Arbeitszeugnisses. Würde der deutschen Wirtschaft viel Zeit und Geld sparen...

Rezension zum Thema:
Zwischen Wahrheit und Wohlwollen, Personalwirtschaft 7/2011

Dienstag, 11. Oktober 2011

Gibt es sie noch: Loyale Mitarbeiter?

In schlechten Zeiten sind die meisten Unternehmen schnell bereit, "Personalanpassungen" vorzunehmen. Da werden Mitarbeiter vorzeitig in den Ruhestand geschickt oder in Beschäftigungsgesellschaften ausgegliedert. Neue Mitarbeiter werden mit Zeitverträgen eingestellt oder lieber gleich über Zeitarbeitsfirmen beschäftigt. Praktikanten werden als billige Arbeitskräfte verheizt, Auszubildende nicht übernommen.

Und dann plötzlich schlägt, wie aus heiterem Himmel, der demografische Wandel zu. Nanu, wo kommt denn der her? Hätten wir das gewusst, hätten wir natürlich versucht, die wertvollen Fach- und Führungskräfte zu halten. Oder frühzeitig neue Mitarbeiter eingestellt. Oder den "Alten" alternative und flexible Arbeitszeitmodelle angeboten, statt sie gleich mit ihrem gesammelten Wissen nach Hause zu schicken. Oder die Auszubildenden übernommen...

Und nun? Nun wundert man sich, dass Auszubis Verträge unterschreiben und anschließend gar nicht kommen. Dass Mitarbeiter mühsam eingearbeitet werden und ganz schnell wieder weg sind. Dass die Bewerberzahlen einbrechen und der Ruf als wertvoller Arbeitgeber doch nicht ganz so wertvoll ist. Und jammert über die Zeiten, in denen man sich auf die Menschen nicht mehr verlassen kann und Loyalität offenbar ein Fremdwort geworden ist.

Stimmt nicht, sagt Professor Christian Scholz in der Financial Times Deutschland. Die Menschen sind schon noch loyal. Aber nicht gegenüber Unternehmen oder Organisationen, sondern gegenüber Werten und Führungskräften. Ich ergänze mal: Und gegenüber Kollegen.

Was folgt daraus? Genau: Man legt Programme zur Mitarbeiterbindung auf. Organisiert Treffen mit dem Vorstand, präsentiert sich witzig und cool auf Facebook, schafft flexible Arbeitszeiten für zurückkehrende Mütter, die sogar wieder als Führungskräfte arbeiten dürfen. Zahlt Praktikanten wieder Gehälter und bietet ihnen sogar Zuschüsse zur Miete an.

Alles keine verkehrten Aktionen sicherlich. Aber sind Menschen loyaler, wenn man Programme entwickelt, um sie zu halten? Ist doch nicht logisch, es sei denn, die Programme stehen für Werte, die glaubwürdig vorgelebt werden. Eine Weile werden Mitarbeiter schon bleiben, wenn sie plötzlich hofiert werden, ist ja auch ganz nett. Aber die gleichen Maßnahmen werden jetzt alle Unternehmen ergreifen, da wird es kaum Unterschiede geben. Und wenn dann die Führungskraft wechselt oder die Kollegen gehen - was hält einen dann noch?

Mag sein, dass Menschen eine Weile vergessen, wie sie behandelt wurden, als noch ausreichend Arbeitskräfte am Markt zu bekommen waren. Aber ich denke, sie werden die Programme schnell durchschauen, wenn dahinter nicht eine echte Wertschätzung zu spüren ist. Und genau da habe ich so meine Zweifel...

Rezensionen zum Thema:
Fessle mich! Financial Times Deutschland, 18.8.2011
Auf dem Präsentierteller, Financial Times Deutschland, 19.8.2011

Donnerstag, 29. September 2011

Hobbypsychologen

Das ist doch sehr erfreulich: Immer häufiger finden psychologische Themen Eingang in die einschlägige Wirtschaftspresse. Vor einigen Wochen erklärte uns die Wirtschaftswoche psychologische Alltagsphänome ("Eigentlich bin ich ganz anders", Ausgabe 27/2011), jetzt hat sie die Psychopathen unter den Managern aufgetrieben ("Wahnsinns-Typen", Ausgabe 36/2011). Aber wie das so ist, wenn Laien über ein Fachthema schreiben: Heraus kommt eine Menge Unsinn. Der leider zum Teil sogar gefährlich ist.

Eine amerikanische Studie hat herausgefunden, dass der Anteil an Psychopathen unter Managern höher ist als in der Gesamtbevölkerung. Deutlich höher, nämlich bei 6% im Vergleich zu 1%. Das liest sich dann so: "Immerhin neun Führungskräfte hatten mehr als 25 Punkte, davon acht mehr als 30. Zwei kamen sogar auf 33, einer auf 34 Punkte". Dazu muss man wissen: Wer mehr als 25 Punkte auf der Expertenskala erzielt, ist psychopathie-gefährdet, ab 30 gilt man als Psychopath. Befragt wurden 203 Personen. Wie nun die Zahl von 6% zustande kommt, bleibt unklar.

Egal, so genau nehmen wir es nicht, wir bekommen weitere Zahlen präsentiert. So z.B. seien 25% aller Strafgefangenen in Deutschland psychisch auffällig (gemeint ist wohl: Sie zählen zu den Psychopathen - oder was sonst?). Da ein Prozent der Bevölkerung ja zu den Psychopathen gehört, müssten das 400.000 Männer sein - aber nur 60.000 sitzen im Knast. Klar, so der Experte Robert Hare, manche sitzen auch in der Vorstandsetage.

Und: "Schätzungen zufolge hat der durchschnittliche Psychopath bis zu seinem 40. Lebenjahr vier gewalttätige Verbrechen begangen." Alle 400.000 männlichen Psychopathen? Auch die Manager?

Das ist sauberer Journalismus, oder? Mal abgesehen davon, dass hier keine Quellen genannt werden: Was soll uns das alles eigentlich sagen? Dass es miese Typen unter Führungskräften gibt? Wissen wir. Dass Menschen mit Macht oft nur schlecht umgehen können? Wissen wir auch. Dass wir von Glück sagen können, wenn Menschen statt zu Verbrechern zu Führungskräften werden?

Ich finde es prima, das psychologische Themen Eingang in die Wirtschaftspresse finden. Aber ein wenig seriöser dürfte es schon sein.

Rezension zum Thema:
Wahnsinns-Typen, Wirtschaftswoche 36/2011

Donnerstag, 15. September 2011

Miteinander reden

Die modernen digitalen Medien sind ein Segen. Mit ihrer Hilfe können Unternehmen viel schneller und unkomplizierter sowohl extern als auch intern kommunizieren. Seit dem Web 2.0 (Blogs, Tweets, Wikis, Sozial Media usw) sogar in einen Dialog treten. Wo früher per Mitarbeiterzeitschrift in einer Richtung informiert wurde und höchstens mal ein Leserbrief zurück kam, da erhält man heutzutage unmittelbar Antworten - selbst wenn man gar nicht gefragt hat.

Diese Medien lassen sich auch gezielt nutzen. Sei es, dass man Kunden auffordert, Produkte zu entwickeln (so hat McDonalds eine sehr erfolgreiche "Gestalte deinen eigenen Burger"-Kampagne geschaffen) oder Mitarbeiter bittet, sich an strategischen Prozessen zu beteiligen (so hat IBM weltweit die Mitarbeiter an der Entwicklung von Unternehmenswerten beteiligt).

Allerdings, so die Experten, könnten all diese Medien das persönliche Gespräch nicht ersetzen. Sollen sie doch auch gar nicht, oder? Die Erfindung des Briefes oder des Telefons hat ja auch das Gespräch nicht überflüssig gemacht. Aber sie haben wie auch die neuen Medien wie e-Mail oder Chat die Bandbreite der zwischenmenschlichen Kommunikation erweitert. Dinge, die man früher vertagen musste, weil der andere eben nicht verfügbar war, oder weil es ewig gedauert hat bis zur nächsten Konferenz oder zum Redaktionsschluss der Mitarbeiterzeitung, können heute auf andere Art und Weise viel schneller geklärt werden.

Natürlich konnte man mit Briefen und Telefonkonferenzen auch schon früher mehrere Menschen gleichzeitig ansprechen, aber 40.000 Mitarbeiter weltweit an der Entwicklung von Werten zu beteiligen, das ist in der Tat erst jetzt denkbar, oder?

Was ist also gemeint, wenn betont wird, all das könne das persönliche Gespräch nicht ersetzen? Eigentlich nur eines: Es gibt Themen, die lassen sich viel besser im direkten Kontakt sinnvoll klären. Wenn der andere oder die anderen mit uns an einem Tisch sitzen und uns in die Augen schauen, uns persönlich erleben mit all unseren "Kommunikationskanälen". Und die Möglichkeit haben, Dinge sofort zu klären, nicht erst im Online-Forum auf eine Antwort zu warten oder per Mail irgendwann eine Reaktion zu erzielen.

Genau das aber ist die Kunst, die wir wohl alle erwerben müssen: Eben das eine vom anderen unterscheiden zu können. Statt eine SMS zu versenden, zum Telefonhörer greifen. Statt das Handy zu benutzen, ein Treffen vereinbaren - je nachdem, wie wichtig uns die Botschaft und der Empfänger ist. Oder wie viel uns daran liegt, dass wir eine Sache mit der notwendigen Ruhe und Ausführlichkeit klären können. Das dürfte Managern sicher nicht leicht fallen, aber wer von uns erlebt das nicht auch jeden Tag selbst immer wieder?

Rezension zum Thema:
Financial Times Deutschland:
Wir müssen reden, 4.8.2011
Moderne Mitschnacker, 5.8.2011

Mittwoch, 14. September 2011

Kein Betriebsausflug

Praktisch, denkt sich der Personalentwickler. Verbinden wir doch Teambildung, Personalentwicklung und soziales Engagement und bauen mit einer Gruppe Mitarbeiter für den örtlichen Kindergarten ein neues Klettergestell. Die Öffentlichkeitsarbeit hat auch noch etwas davon, das lässt sich in den Medien gut darstellen - Imagegewinn garantiert. Leider sind solche Aktionen nicht so leicht organisiert wie ein Betriebsausflug, und die gemeinnützige Organisation, die hiervon vor allem profitieren soll, hat die Arbeit. Das gilt umso mehr, wenn die Tätigkeit spezielle Fähigkeiten erfordert und der Nachwuchsmanager "auf Abwegen" erst mühsam angeleitet werden muss. Mit anderen Worten: Wer sich in Sachen Corporate Volunteering engagieren will und glaubt, bei den kooperierenden Non-Profit-Unternehmen auf helle Begeisterung zu stoßen, der könnte auf dem Holzweg sein.

Einen etwas anderen Ansatz findet man in der Literatur immer wieder: Unternehmen sollten ihre sozialen Aktivitäten so planen, dass sie zur Unternehmensstrategie passen. Alles im Dienste des Profits, sonst ist es unglaubwürdig. Konnte ich noch nie so wirklich nachvollziehen. Aber nun ist mir ein Ansatz über den Weg gelaufen, der mir gut gefallen hat. Da geht ein Unternehmen hin und schaut, über welche speziellen Kompetenzen die eigenen Mitarbeiter verfügen. Sodann überlegt man sich, wo sie diese so einsetzen können, dass sie Menschen, die der Hilfe anderer bedürfen, wirklich Nutzen bringen.

Schwarzkopf lässt Mitarbeiter, die sich freiwillig melden, in Zusammenarbeit mit SOS-Kinderdörfern in Peru und Indien Jugendliche in die Grundfertigkeiten des Friseurhandwerks einweisen. Die Idee ist, dass die Jugendlichen einen leichteren Einstieg in den Beruf finden oder sich gar eines Tages damit selbstständig machen. Interessanter Aspekt dabei: Natürlich würde der eine oder andere Mitarbeiter, wenn er sich sozial engagiert, nicht unbedingt das Gleiche tun wie an jedem "normalen" Arbeitstag. Allerdings kann ich mir gut vorstellen, wie viel Freude es macht zu erleben, dass man mit seinen Fähigkeiten anderen Menschen zu Erfolgen verhilft - und dabei nicht unbedingt überlegen muss, ob sich das Ganze auch finanziell lohnt.

Was wäre noch alles denkbar, wenn man hier mal weiter überlegt? Könnten Non-Profit-Organisationen Hilfe von Beratern und Anwälten gebrauchen? Was wäre, wenn Ingenieure und Techniker mit ihren Kernkompetenzen für ein Altenheim tätig würden? Denkt man an Ärzte ohne Grenzen, ist das Modell doch alles andere als neu. Von Personalentwicklung und Unternehmensstrategie spricht hier niemand.

Rezension zum Thema: 
Entwicklungshilfe mit der Friseurschere, Personalwirtschaft 6/2011

Sonntag, 11. September 2011

Selbstständig denken lassen

Wenn Ideologien ins Spiel kommen, hört der Spaß auf. Laut Wirtschaftswoche hat die letzte NRW-Landesregierung einen Modellversuch an Schulen gestartet, bei dem in der 9.Klasse für drei Jahre das Fach "Wirtschaft" zur Pflicht wurde. Angeblich sind alle Betroffenen begeistert, die Wirtschaft ohnehin.

Doch ob der Versuch fortgesetzt wird, steht in den Sternen. Die neue Regierung zeige keine sonderlichen Anstrengungen, die wissenschaftliche Erfolgskontrolle zu unterstützen, und ohne diese wird man am Ende der drei Jahre nicht entscheiden können, ob der Versuch wirklich etwas gebracht hat. Der Grund für die geringe Neigung, die Einführung des Faches voranzutreiben, sind angeblich "politisch-ideologische Scharmützel". Die Sorge linker Politiker sei es, dass das Fach "zur Vermittlung allzu liberalen Gedankenguts genutzt werden" könnte.

Besteht aber nicht in ganz vielen Fächern die Gefahr, das einseitige Positionen vermittelt werden? Wer stellt den sicher, dass in Geschichte, Politik, Erziehungs- und Sozialwissenschaften kein Unsinn erzählt wird? Und wie lässt sich das Fach Religion "ideologiefrei" vermitteln?

Meine Tochter musste sich nun schon mehrmals anhören, dass optimische Menschen nicht an Krebs erkranken, woraus der Schluss gezogen wurde, dass, wer an Krebs erkrankt, kein glücklicher Mensch sei. Wie schützt man seine Kinder vor solchen Lehrern?

Am ehesten doch dadurch, dass man sie zum selbstständigen Denken anleitet. Was wiederum dadurch unterstützt werden kann, dass gerade in den genannten Fächern eben nicht "EINE" Wahrheit verbreitet, sondern dass es durchaus sehr unterschiedliche Auffassungen gibt mit einer Vielzahl von  nachvollziehbaren Argumenten. Wäre Schule nicht ein Ort, wo sich junge Menschen gerade zu kontroversen Themen eine Meinung bilden könnten, wenn man sie nur mal selbst denken lassen würde?  

Rezension zum Thema: 
Einzeller statt Euro, Wirtschaftswoche 33/2011

Mittwoch, 31. August 2011

Die Suche nach Charisma

Keine Frage: Es gibt Menschen, die üben auf andere eine besondere Anziehungskraft aus. Aber vielleicht ist schon dieser Satz falsch. Richtig müsste er heißen: Jeder Mensch über auf andere Menschen eine Anziehungskraft aus, manchen aber gelingt es, auf mehr Menschen in dieser Art zu wirken. Wenn diese Ausstrahlung viele Menschen berührt, spricht man wohl von Charisma.

Nicht weiter erstaunlich, dass man immer wieder versucht ist, das Besondere an dieser Fähigkeit zu beschreiben. Warum gelingt es manchen Menschen, viele andere von etwas zu begeistern, anderen eher nicht? Man könnte es nun einfach so hinnehmen, so wie man akzeptiert, dass es Leute gibt, die besonders gut Basketball spielen können, die besonders strahlend blaue Augen haben, die sich extrem elegant bewegen können.

Aber nein, Charisma soll etwas mit Führung zu tun haben. Große Führer haben besonders viel Charisma, und da eben viele Menschen so sehr danach streben, andere zu führen, hätten sie gerne ein Stück dieser besonderen Ausstrahlung. Also wie geht das?

Gar nicht, fürchte ich. Blödsinn, ich fürchte es nicht, ich bin eher froh darüber. Und bin genervt von den Beratern, die uns erklären, was Charisma ist und was man tun kann, um dieses zu entwickeln.

Hier ein paar Bespiele:
"Vertraue darauf, dass du es schaffst... Erfolgreiche Führungskräfte haben immer einen narzisstischen Kern ... "

"Suche dir eine Krise und wenn notwendig mache eine ..." Menschen folgen uns, wenn wir ihnen das Krisenhafte einer Situation überzeugend klar machen.

"Verkünde die Bewältigungstheorie enthusiastisch ... Charisma und Gehemmtheit ... passen nicht zusammen."

"Suche dir identitätsschwache, erfahrungssüchtige, beziehungshungrige und haltlose Menschen und bestärke diese positiv." Diese nämlich lassen sich für ein Ziel einnehmen und begeistern. "Wer von einem Führer nichts braucht, lässt sich nicht in einem charismatischen Beziehungsvertrag einbinden."

Die letzten beiden Tipps in dem Aufsatz lauten "Inszeniere dich rituell." und "Schaffe eine Elite."

Sollte jemand mit diesen Ratschlägen Probleme haben, dann gibt es dafür eine Erklärung. "In gewisser Weise sind wir Deutschen aufgrund unserer Geschichte vielleicht beim Thema Charisma skeptischer als andere Nationen."

Keine Ahnung, ob meine Skepsis was mit unserer Geschichte zu tun hat. Wenn ja, bin ich dankbar dafür. Dann hätte diese Geschichte einen Sinn.

Vielleicht ist es ja so: Es gibt Ideen, die eine große Kraft haben. Weil sie in eine Zeit passen, zur rechten Zeit kommen, bestimmte Bedürfnisse treffen. Und wenn zufällig Menschen sich genau für diese Ideen begeistern, die gleichzeitig auch gut andere begeistern können, dann wird daraus eine große Sache. Leute mit "Charisma" ohne Ideen wird man für Blender halten, und Ideen, die nicht begeisternd präsentiert werden, keine Beachtung finden.

Und ich warte auf Beiträge, in denen uns erklärt wird, wie man große Ideen entwickelt und sie begeisternd verkündet. Auf dass wir alle kleine Steve Jobs werden... 

Rezension zum Thema:
Warum Charisma eine Krise braucht, Wirtschaftspsychologie-aktuell 1/2011


Dienstag, 16. August 2011

Werte pflegen

Da war ich schon ziemlich neugierig: Was stellen Unternehmen an, um ihre Werte bei den Mitarbeitern lebendig zu halten? Vier Beispiele sollten mustergültig sein. Um es vorweg zu nehmen: Ich fand sie alle vier eher merkwürdig als vorbildlich. Hier kommen sie:

Bei Hilti lässt man verkleidete Menschen am Arbeitsplatz auftauchen. Diese stehen für bestimmte Werte (ein Mr.C für Competition) und sollen so die Mitarbeiter daran erinnern, diese auch zu leben. Hat was vom Nikolaus und Knecht Ruprecht, die - allerdings nicht ganz so überraschend - einmal im Jahr die lieben Kleinen daran erinnern, auch schön brav das zu tun, was ihre Eltern ihnen sagen.

Bei Sapient Nitro werden Mitarbeiter, die sich in besonderer Art und Weise um einen Unternehmenswert verdient gemacht haben, mit dem Core Value Award ausgezeichnet und an der Wall auf Fame verewigt. Wahrscheinlich so lange, bis die Werte neu formuliert werden oder der Mitarbeiter genug hat vom Werterummel und das Unternehmen verlässt.

Bei Telefónica sorgten Kulturagenten dafür, dass die Werte mit Leben gefüllt werden und übergaben am Ende die Verantwortung für die Umsetzung der Maßnahmen an die Führungskräfte. Eine besonders beliebte Methode, die ich schon selbst erlebt habe. Die Kulturagenten stürzen sich mit Feuereifer auf die Aufgabe und die anderen sagen sich: Lass sie mal machen. Besonders begeistert sind am Ende die Vorgesetzten, die bis dahin skeptisch abgewartet haben.

Am ehesten kann ich da noch dem Ansatz bei W.L.Gore folgen. Hier holt man die Mitarbeiter in regelmäßigen Abständen zusammen und veranstaltet Kultur-Workshops in Form des World Cafés. Hier diskutiert man über die Unternehmenswerte und über Möglichkeiten der Optimierung in der täglichen Arbeit.

Zu Beginn dieser Workshops bekommen die Teilnehmer einen Film gezeigt, in dem der Unternehmensgründer seine Werte erläutert. Ich stelle mir vor, wie die Mitarbeiter spätestens bei der zweiten Vorstellung des Films reagieren. Und irgendwie drängt sich das Bild einer Sekte auf, in der alle Mitglieder regelmäßig dem Gründer und seiner Botschaft lauschen...

Den Ansatz, immer mal wieder die Werte zum Thema zu machen, halte ich allerdings schon für sinnvoll. So wie wir selbst uns und unsere Ziele und Wünsche immer wieder hinterfragen und prüfen, ob sich die Prioritäten nicht verändert haben, ob wir noch zum dem stehen, was wir uns vorgenommen haben, sollten auch Unternehmen hin und wieder klären, ob der Weg, den sie einschlagen, auch noch zu ihnen passt. Wie oft merken wir zwar, dass sich die Atmosphäre verändert, wenn etwa das Unternehmen schnell wächst, die Kunden wechseln, die Rahmenbedingungen sich ändern. Dann stand vielleicht mal am Anfang ein Wert besonders im Mittelpunkt, aber er spielt längst keine große Rolle mehr. Ein Nachdenken darüber, ob das in Ordnung ist oder ob man nicht lieber doch zu ihm zurückkehren möchte, halte ich für extrem sinnvoll.

Ich stelle mir das auch gar nicht so schwer vor. Der Geschäftsführer könnte doch in Gesprächen mit den Mitarbeitern die Frage stellen: "In unserer Firma spielte Kollegialität von Anfang an eine große Rolle und stellte einen zentralen Wert da. Empfinden Sie das heute auch nocht so?" Solche "Reflexionsgespräche" bedürfen meines Erachtens keiner "Wall of Fame" oder Ansprachen des großen Vorsitzenden. Man muss sie nur führen.

Rezension zum Thema:
Mitarbeiter inspirieren, Personalmagazin 6/2011

Donnerstag, 4. August 2011

Burn-out diagnostizieren?

Als "einen Glücksfall" bezeichnet ein Beitrag der wirtschaft + weiterbildung die Popularität des Burn-out-Phänomens für einen Oberarzt und seine Kollegen, die ein Programm entwickelt haben, in dem Führungskräften vermittelt wird, wie sie Erschöpfungszustände erkennen können. Vorgesetzte sollen klinische Fälle zumindest einmal gesehen haben, um angemessen reagieren zu können. Das denken auch Personaler, die in einer Umfrage bestätigt haben, dass die Führungskräfte Burn-out nur schlecht erkennen und mehr Kenntnisse über die Symptome haben sollten.

Für den falschen Weg halten das andere Experten. Sie möchten Führungskräfte allgemein für Abweichungen im Verhalten sensibilisieren. Und ihnen beibringen, wie sie Mitarbeiter in einem solchen Fall ansprechen können. Mit anderen Worten: Genau das lernen, was ihr Job ist. Menschen zu befähigen und zu unterstützen, ihrer Aufgabe nachzugehen. Und wenn sie merken, dass diese beeinträchtigt sind, warum auch immer, angemessen reagieren.

Da kann ich nur zustimmen, sonst müssten Führungskräfte ja zu Medizinern ausgebildet werden. Sie müssten Suchtsymptome diagnostizieren, Haltungsschäden erkennen, Infarktgefährdungen wahrnehmen und wer weiß was sonst noch...

Mich beschäftigt aber eine ganz andere Frage. Bei der erwähnten Umfrage unter Personalern ist herausgekommen, dass eine wirklungsvolle Maßnahme die betriebliche Gesundheitsförderung sein soll - sagen die Personaler. Damit soll psychischen Belastungen vorgebeugt werden. Gleichzeitig werden als Hauptbelastungsfaktoren der starke Erfolgsdruck, der Zeitdruck, die ständige Erreichbarkeit und die Arbeitsverdichtung genannt.

Hier stimmt doch etwas nicht, oder? Mal angenommen, ein Unternehmen stellt fest, die Mitarbeiter erkranken häufig und die Ursache ist die hohe Schadstoffbelastung an den Arbeitsplätzen. Würde man dann den Führungskräften beibringen, die Symptome einer Vergiftung zu erkennen und ein umfassendes Gesundheitsförderungsprogramm ins Leben rufen mit Waldläufen zum Ausgleich und einer Anlaufstelle außerhalb des Unternehmens für vergiftete Mitarbeiter, die sich anonym Hilfe holen können?

Wenn doch der Druck am Arbeitsplatz die Ursache für die psychischen Belastungen ist - wieso kümmert man sich nicht darum? Warum analysiert man nicht mal, warum der Druck stetig wächst? Vermutlich würde man dann feststellen, dass zu viel Arbeit auf zu wenigen Schultern ruht, aber neue Mitarbeiter einzustellen ist offenbar weitaus weniger attraktiv als Experten mit der Entwicklung von Gesundheitsprogrammen zu beschäftigen, entsprechende Beratungen einzukaufen und externe Anlaufstellen einzurichten, an die sich die überforderten Mitarbeiter wenden können. Da kann man schöne Projekte mit wunderbarer Außenwirkung aufsetzen, fröhliche Mitarbeiter beim Rückentraining zeigen und feine Seminare zur Stressreduktion durchführen.
Merkwürdig...

Rezensionen zum Thema:
Führungskräften zu Therapeuten ausbilden, wirtschaft + weiterbildung 6/2011
Chefs sind ratlos gegenüber Burn-out-Opfern,  wirtschaft + weiterbildung 6/2011

Samstag, 30. Juli 2011

Einem Versuch überlassen?

Eine der typischen Fallgeschichten im Harvard Businessmanager: Eine Unternehmerin bekommt von einem privaten Investor das Angebot, drei Millionen in ihr Unternehmen zu investieren. Der "Business Angel" möchte dafür eine Beteiligung von 25%, einen Sitz im Verwaltungsrat und ein Stimmrecht bei strategischen Entscheidungen." Das Angebot will er gar nicht diskutieren, sie möge sich den Vertrag durchlesen und ihm bis Ende der Woche eine Entscheidung mitteilen.

Die Unternehmerin sieht eine Menge Vorteile in dem Angebot, aber sie hat auch Zweifel, ob sie mit dem Investor an Bord an ihren Werten wird festhalten können. Was soll sie tun?

Es folgen drei Empfehlungen von Experten. Zwei von ihnen sind selbst Partner von Venture-Capital-Gesellschaften, und beide raten ihr, auf den Vorschlag einzugehen. Dabei wiederholen sie die Vorteile aus der Fallstudie. Einer schließt seine Empfehlung mit dem Satz: "Ob beide ... menschlich als Führungsteam harmonieren, sollten wir einem Versuch überlassen."

Da kann einen der tiefe Frust packen. Herr, lass Hirn regnen - was nutzen all die vielen Beiträge über Unternehmenskultur, die Wirkung von Werten und Zielen? Offenbar sind sie das Papier nicht wert, auf dem sie verfasst werden, wenn hier diejenigen, die über das Kapital verfügen, diesen lästigen weichen Faktoren im Zweifelsfall keine Bedeutung beimessen. Man stelle sich nur vor, die Unternehmerin würde dem Rat folgen und der Versuch zu harmonieren, misslingt. Und dass er misslingt, davon kann man ausgehen, je weiter die Wertvorstellungen auseinander gehen.

Da lobe ich mir den Rat der dritten Expertin. Sie sieht potenzielle Konflikte durch die unterschiedlichen Wertesysteme und kommt zu dem Ergebnis, dass es bei einem interessanten Geschäftsmodell auch andere potenzielle Investoren gibt, die von der Persönlichkeit her besser passen.
Man kann es ruhig noch deutlicher sagen: Man sollte sich nur Leute an Bord holen, die in den Grundansichten mit einem übereinstimmen, ansonsten lieber sein Ding allein durchziehen. Ich fürchte aber, dass viele Unternehmer solchen Ratgebern wie denen in dem Beitrag folgen. Und dass viele Investoren ein ziemlich schlichtes Verständnis davon haben, was Unternehmen ausmacht...

Rezension zum Thema:
Ein Investor mit Agenda, Harvard Businessmanager 5/2011

Samstag, 23. Juli 2011

Eine gute Frage

Ich kann mich gut erinnern, dass in einer Runde von Managern eine Personalleiterin feststellte: "Wer in einem großen Unternehmen arbeitet und kündigt, um sich selbstständig zu machen, der ist einfach nur nicht in der Lage, sich zu behaupten." Die Botschaft war eindeutig: "Der Wechsel in die Selbstständigkeit ist das Eingeständnis von Schwäche."

Ich hatte damals gerade meinen Arbeitsplatz bei einem Konzern aufgegeben und das Abenteuer der Selbstständigkeit gewagt. Und war für einen Moment verunsichert. War ich "konzern-untauglich"? Die Irritiation hielt nur kurz. Ich war bis dahin gut klargekommen, trotz all der Dinge, die das Leben in einer Großorganisation bestimmen. Die Mikropolitik, die unsinnigen Meetings, das unablässige Beschäftigen mit der Sicherung der eigenen Abteilung, der eigenen Aufgabe und Position, mit Gerüchten, Umstrukturierungen, neuen Vorgesetzten, merkwürdigen und nicht nachvollziehbaren Entscheidungen. Trotz der Komplexität, die durch noch komplexere Regelwerke beherrscht werden sollte, trotz der Konzernrundschreiben, der Leitlinien und Grundsätze, der scheinbar sinnlosen Rituale und dem weit verbreiteten Statusdenken.

Ich empfand den Ausstieg als mutig, als großen Schritt und hielt all die anderen für unfähig, ihn zu gehen, was durch so manche bewundernde Äußerung aus den unterschiedlichsten Hierarchie-Ebenen bestätigt wurde. Mit anderen Worten: Ich war nicht unfähig, in der Großorganisation zu bestehen - ich wollte es einfach nicht mehr.

Aber es war auch etwas Wahres an der Aussage. Mir fehlt in der Tat die Fähigkeit, tagein tagaus darüber nachzudenken, wie ich meine Karriereziele erreiche, welche Stelle mich reizt, wie ich die hierfür wichtigen Menschen kennenlerne und für mich gewinne. Mich hat schon immer die Aufgabe viel mehr gereizt als die Position. Und ich stellte mir bei allen möglichen Gelegenheit die Frage: "Was mache ich hier eigentlich?"

Über diese Frage bin ich jetzt wieder in einem Artikel über "Intelligentes Leben im Konzern" gestoßen, der witzige Titel der Ausgabe 6/2011 der Brand eins. Da heißt es sinngemäß, dass viele Angestellten den Sinn dessen, was sie tun, immer seltener nachvollziehen können, ihre eigene Rolle nicht verstehen und den eigenen Beitrag nicht erkennen.

Heute kommt dieser Satz bei mir nur noch ganz selten vor - und wenn, dann tatsächlich in Veranstaltungen mit Vertretern jener Großorganisationen, auf die ich mich eingelassen habe und dann feststelle, dass meine Anwesenheit dort nur bedingt sinnvoll ist.

Vielleicht ist es der Satz, der jeden mehr als nachdenklich machen sollte, wenn er zu häufig gedacht wird. Vielleicht wäre es gut, in diesen Momenten innezuhalten und zu versuchen, ihn zu beantworten. Vielleicht hat man ja nur für einen Moment vergessen, wozu man das, was man tut, gerade tut. Wenn einem aber keine Antwort einfällt, wird es Zeit für eine Veränderung. Das muss ja nicht unbedingt der Ausstieg sein.

Die Personalleiterin ist übrigens einige Jahre später auch in die Selbstständigkeit gegangen...

Rezension zum Thema:
Berichte aus dem Apparat, brand eins 6/2011

Montag, 11. Juli 2011

Parallel-Laufbahnen

Führungskräfte haben dank ihrer Position gewisse Rechte und Pflichten. Sie erhalten Informationen, die sie (zumindest teilweise) an die ihnen unterstellten Mitarbeiter weitergeben. Sie sind aufgerufen, die Aufgaben zu koordinieren, ihnen Ziele vorzugeben, ihre Leistungen zu beurteilen und entsprechende Sanktionen zu verhängen. Und sie selbst werden nicht nur nach ihren eigenen Leistungen, sondern auch nach den Leistungen der an sie berichtenden Menschen gemessen.
Damit übernehmen sie auch die Verantwortung und werden hierfür verantwortlich gemacht. Der Lohn dafür ist nicht nur Geld, sondern auch und vor allem ein gewisser Status, der mit der Position verbunden ist.

Das Dumme an der Sache: Die Anzahl von Führungspositionen in einer Organisation ist begrenzt. Diese Begrenzung hat etwas mit dem Aufbau der Organisation und der Anzahl der Mitarbeiter zu tun. Und damit, dass die Zahl der Mitarbeiter, die sinnvoll von einem Manager "geführt" werden können, eine gewisse Größe nicht übersteigen kann - egal, wie "lean" eine Organisation ist.
Was dazu führt, dass eben nur eine kleine Zahl von Angestellten in den "Genuss" einer solchen Stelle kommt, während diese einer größeren Zahl von Mitarbeitern verwehrt bleibt.

Nun sind unter den anderen Mitarbeitern durchaus solche, die sich durch besondere Fähigkeiten auszeichnen, auch diesen möchte man auch gerne die gebührende Anerkennung zukommen lassen. Nicht aus reiner Menschenliebe, sondern weil man sie ja nicht verlieren, vielmehr ans Unternehmen binden will.

Irgendwann sind die Personaler auf die Idee gekommen, dass es doch möglich sein müsste, weitere Laufbahnmodelle zu entwickeln. Da gibt es also den "Senior Principal Project Manager", den "Senior Principal Experten", den "Pincipal Project Manager" und den "Master Experten" usw. Man etabliert einen klaren Stellengenehmigungsprozess, entwickelt ein anspruchsvolles Auswahlverfahren und stellt sicher, dass die neuen Positionsinhaber mit den parallelen Managern gleichgestellt werden in Sachen Informationszugang, Weiterbildung und Entlohnung.

Klingt doch erst mal gut, oder? Bis man irgendwann feststellt, dass die Zahl dieser Stellen zunimmt und eine unerwartete Dimension annimmt. Wie kann das sein?

Ganz einfach: Die Führungskräfte dieser Mitarbeiter sehen eine Möglichkeit, ihren Leistungsträgern eine Aufwertung zukommen zu lassen. Wo sie bisher mit einer Gehaltserhöhung gescheitert sind, machen sie sie nun zum "Master Experten" und erfüllen auf diese Weise den Wunsch nach Anerkennung. Irgendwo sitzt der Personaler und versucht verzweifelt, die Flut der Expertenstellen abzuwehren. Und wundert sich, dass trotz aller "Gleichstellung" der Status des "Senior Principal Project Managers" keineswegs als gleichwertig mit dem eines Top-Managers erlebt wird.

Parallele Laufbahnen funktionieren nicht

Was läuft hier falsch? Managementpositionen sind mit Macht über andere ausgestattet und erfüllen eine klare Funktion in einer Organisation. Eine hierarchische Organisation braucht Führungskräfte und die Stelleninhaber brauchen den Status, um ihre Aufgabe zu erfüllen.

Ein Projektmanager oder ein Experte jedoch kann seinen Job auch erfüllen ohne den Status oder Titel des "Principal Project Manager" oder "Principal Expert", die neu geschaffene "Stelle" ist gar keine neue Stelle. An der Tätigkeit ändert sich gar nichts,  während sich für einen Mitarbeiter, der plötzlich Führungskraft wird, die Aufgabe gewaltig ändert. Ein Titel aber, der keine Funktion hat, ist nur die Hälfte, wenn überhaupt etwas wert.

Um das auszugleichen, sucht man nach zusätzlichen Privilegien, z.B. den Zugang zu Informationen, die man ohne den Titel nicht erhält. Aber ist das nicht schon mehr als merkwürdig? Wie kann es sein, dass es Informationen im Unternehmen gibt, die den Experten oder Projektmanagern bisher vorenthalten wurden, nun aber, mit der Einführung einer neuen "Laufbahn", plötzlich zugänglich sind? Entweder brauchen die Mitarbeiter diese Informationen für die Ausübung ihrer Tätigkeit nicht, dann sind sie maximal "nice to have". Oder aber sie sind tatsächlich wichtig für ihren Job, dann aber waren sie es auch vorher und hätten längst zur Verfügung stehen müssen.

Bleiben Gehalt, Dienstwagen und sonstige Statussymbole. Sicher werden die so aufgewerteten Experten und Projektmanager das zu schätzen wissen. Aber vielleicht werden sie auch nur denken, dass ihnen all das eigentlich schon länger zusteht, weil sie nun mal die eigentlichen Experten sind. Oder weil Projektmanagement eine Tätigkeit ist, die wegen ihrer Komplexität eine solche Anerkennung längst verdient hätte.

Statt sich wohlklingende Namen und parallele Karrierepfade auszudenken, wäre es vielleicht mal an der Zeit, über den Wert von Experten auf der einen und den Wert von Managementpositionen und über die Automatismen in Hierarchien auf der anderen Seite nachzudenken. Wie wäre es, sich von der Idee zu lösen, Führungsaufgaben praktisch auf "Lebenszeit" zu vergeben, die, wenn man nicht völlig versagt, immer weiter ausgebaut werden? Sie also zeitlich zu begrenzen, so wie auch Projektmanager eine Aufgabe mit einem Verfallsdatum haben? Wie wäre es auf der anderen Seite, Gehalt und Privilegien nicht von der Position im Organigramm und der Anzahl der Mitarbeiter abhängig zu machen, sondern vom Wert für das Unternehmen? Hätte dann nicht so mancher Experte einen viel höheren Status als eine Führungskraft, die vielleicht austauschbar ist?

Solche "Kunstprodukte" wie "Senior Principal Expert" könnte man sich dabei ersparen - auch Expertenwissen kann veralten und dazu führen, dass der Titel nichts mehr wert ist.

Rezension zum Thema:
Projektlaufbahn als Alternative? - Wirtschaftspsychologie-aktuell 4/2010

Montag, 4. Juli 2011

Über ein Thema führen

Eine Studie hat herausgefunden, dass Unternehmen, in denen nicht über die Hierarchie, sondern über Themen geführt wird, wirtschaftlich erfolgreicher sind. Führungskräfte, so die Aussage, sollten für ein bestimmtes Thema, für eine Idee stehen, es mit Nachdruck und Engagement verfolgen und auf diese Weise den Mitarbeitern Orientierung bieten, sie begeistern und mitziehen.

Eigentlich keine wirklich neue Erkenntnis, aber ein Aspekt von Führung, der vielleicht häufig übersehen wird. Wenn über Führungspotenzial gesprochen wird, geht es um Kompetenzen wie Durchsetzungsfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Belastbarkeit, Integrität etc., aber wer schaut hin, ob eine (potenzielle) Führungskraft für ein Thema steht und für welches? Ich kenne Führungskräfte, die sind hervorragende Taktiker, haben ein großes Netzwerk, agieren politisch geschickt und haben entsprechend Karriere gemacht - aber wenn ich sagen sollte, welches konkrete Thema ich mit ihnen verbinde, fällt mir wenig ein. Höchstens die eigene Karriere...

Die Autoren des Beitrags in der PERSONAL empfehlen, ein Thema zu suchen, das "tragfähig, authentisch und glaubwürdig ist". Da liegt das Problem vieler Personalentwicklungsprogramme, fürchte ich. Sie suchen nach Führungskräften mit den genannten Kompetenzen und erzeugen damit den Eindruck, "Führung" sei ein eigenständiges Ziel. Ich habe immer ein Problem damit, wenn junge Leute sagen: "Ich möchte mal Führungskraft oder Manager werden!" Maler, Musiker, Biologe, Gärtner... all diese Berufe stehen für ein Thema, aber "Manager"? Kann das funktionieren, wenn lauter Manager die Business Schulen verlassen mit dem Ziel, zu "managen", egal was?

Eine weitere Empfehlung der Autoren lautet zu prüfen, ob das Thema, für das man selbst steht, für das Unternehmen von Bedeutung ist. Sie nennen das den "Relevanz-Test". Ein weiser Rat, der darin gipfelt, dass man sich ein anderes Unternehmen oder einen anderen Unternehmensbereich suchen sollte, wenn das Thema nicht geeignet ist, das eigene Unternehmen voran zu bringen.

Ich würde den Gedanken gerne fortsetzen und den Unternehmen empfehlen, bei potenziellen Managern genau hinzuschauen, ob sie tatsächlich für eine Idee stehen, sich für sie begeistern können und sie glaubwürdig vertreten. Würde übrigens auch in der Politik ganz hilfreich sein...

Rezension zum Thema: 
Hierarchie war gestern, PERSONAL 3/2011

Samstag, 25. Juni 2011

Personal Branding

Wer in der heutigen Welt etwas werden möchte, der braucht eine "Eigenmarke". Der Fachbegriff lautet "Personal Branding". Irgendwie scheint alle Welt diesen Blödsinn als Fakt zu akzeptieren. Worum geht es eigentlich?

Darum, dass der moderne Mensch sich längst von der Vorstellung verabschiedet hat, nach der Ausbildung bzw. dem Studium einen Job für's Leben zu ergattern und in diesem glücklich zu werden. Stattdessen hüpft er von einer Tätigkeit zur nächsten, macht sich selbstständig, arbeitet an Projekten mit, lässt sich kurzzeitig wieder einstellen usw. Berufsvagabunden oder Jobnomaden werden sie genannt - was übrigens eher ein Zeichen dafür ist, dass diese "Lebensform" bisher alles andere als normal ist. Warum sollte man sonst einen eigenen Namen hierfür erfinden?

Egal - wer sich nicht mehr über eine bestimmte Position oder einen "Beruf" definiert, der muss durch seine "Marke" überzeugen. Und die baut er heutzutage im Internet auf. Facebook, Xing, Twitter, Linkedin sei Dank. Hier pflegt man seinen Lebenslauf, sein Image, seine Fotos, seine Kompetenzen - man baut sich eine Marke auf, etwas, für das man steht, das einen unverwechselbar macht.

Längst reicht es offenbar nicht mehr, eine unverwechselbare Persönlichkeit zu sein mit einem einzigartigen Lebenslauf (oder kennen Sie zwei Menschen mit identischem Lebenslauf?), man muss die Eigenmarke hegen und pflegen.

Ich finde dieses Bild der Markenbildung dämlich und überflüssig. Dass man versucht, aus einem Produkt eine Marke zu machen, ist nachvollziehbar. Produkte sind kopierbar, austauschbar, günstiger herzustellen, im ungünstigsten Fall verschwinden sie völlig von der Bildfläche. Aber Menschen? Als hätten wir nicht genug damit zu tun, uns weiter zu entwickeln, sollen wir nun nach allen Regeln der (Marketing-)Kunst unseren Lebenslauf frisieren, professionelle Fotos von uns ins Internet stellen und unsere Marke genau definieren.

Vor allem dann, wenn uns plötzlich einfällt, mal etwas ganz anderes zu machen. Dann nämlich wird es unangenehm. Jemand könnte ja unsere alte Identität im Internet entdecken und uns mit unserer abgestreiften Marke verwechseln - wie furchtbar wäre das wohl? Also aufgepasst: Erst einmal eine Weile ganz zurückziehen, so eine Phase der Besinnung wirkt sehr glaubwürdig. In dieser Auszeit basteln wir an unserer neuen (Internet-)Persönlichkeit, legen uns eine neue Identität zu und tauchen dann mit entsprechendem Getöse wie Phönix aus der Asche wieder auf. Und überlegen uns natürlich einen triftigen Grund, warum wir uns eine neue Marke zulegen. Dieser darf aber nicht nach Flucht oder Versagen klingen, sondern muss wie ein geplanter Neuanfang wirken. So wie bei unserem Außenminister Guido Westerwelle, der auf einem kleinen Abstecher ins Ausland zu der Erkenntnis gelangte, sich nicht mehr als Parteivorsitzender zu präsentieren. Also verkündete er, er wolle der neuen Generation Platz machen.

Das war so richtig clever, perfektes (Selbst-)Marketing. Wie schreibt der werte Kollege in der Wirtschaftswoche: "Das mag ein durchschaubares Manöver gewesen sein. Das Kommunikationskonzept dahinter aber war genau richtig." Wie kann ein Konzept richtig sein, wenn alle Welt das Manöver durchschaut? Und warum sollte das Gleiche nicht jedem anderen passieren, der sich "neu erfindet"? Peinlich...

Rezension zum Thema:
Ich bin viele - aber wer eigentlich zurzeit? Wirtschaftswoche 23.5.2011

Freitag, 24. Juni 2011

Unbedingt lesen

Über 16.000 Artikel haben wir bei MWonline inzwischen gelesen, da wundert es nicht, dass wir immer seltener einen Beitrag mit Top-Bewertungen versehen. Vieles, ja das Meiste ist irgendwie schon mal da gewesen, immer häufiger bleibt der Eindruck, in der Welt des Managements ist praktisch alles gesagt. Und dann fällt einem die Brand eins zum Thema "Respekt" in die Hand mit einem Beitrag über eine schwedische Schule, die Rinkeby Skolan im Norden von Stockholm. Sie liegt wohl in einer Gegend, in der kaum noch Schweden leben, sondern fast 100% Ausländer, vor allem Asylanten aus den Krisengebieten der Welt.

Das kaum Vorstellbare: Ihre Schüler schneiden bei landesweiten Vergleichen stets hervorragend ab. Dabei stand sie schon vor dem Aus, halb verfallen und abgebrannt. Unerwartet sagte ein Kandidat für den Rektorposten zu, stellte Bedingungen, die sonst kein Schulleiter stellen konnte, z.B. dass er die Lehrer selbst auswählen darf und dass er eng mit der Polizei kooperieren kann.

Das Ergebnis sind nicht nur besonders gute Schüler, sondern ein intaktes Sozialleben, enge Verbindungen zu Hochschulen und Unternehmen, keine Disziplinprobleme und viele staunende Gäste - darunter auch Manage aus Deutschland.

Der Beitrag ist unbedingt lesenswert. Ich weiß, ich warne immer davor, von einem "Erfolgsmodell" auf andere Bereiche zu übertragen nach dem Motto "Was wir lernen können von..." Diesmal mache ich es trotzdem.

Da ist einmal die starke Betonung der Kommunikation. Menschen brauchen ein "Betriebssystem": Ihre Sprache. Dort lernen die Kinder zu kommunizieren: Sprechen, schreiben, lesen und hören. Manche beherrschen fünf Sprachen. Es gibt "Zuhör-Übungen" im Unterricht! Ein schöner Satz: "Aufmerksames Zuhören ist der größte Respekt, den man erweisen kann."

Nicht Verhandeln von Regeln

Dann gibt es eine "Nicht-Verhandelbarkeit" von Regeln. Diese sind denkbar einfach: Nicht fluchen. Keine rassistischen Sprüche. Keine Gewalt. Die anderen nicht stören. Pünktlich sein. Jedem Respekt erweisen. Jeden ausreden lassen. Auch ein toller Satz: "Über bestimmte Dinge wird hier nicht diskutiert, damit über andere umso mehr geredet wird."

Der kleinste Regelverstoß wird sofort geahndet. Innerhalb von einer Viertelstunde sitzen Lehrer, Mentor und die Eltern zusammen, meist ist die einzige Maßnahme ein Gespräch mit dem Schüler. Mehr ist nicht nötig. Von der Schule verwiesen wurde noch niemand. Regelbrecher gelten nicht als cool, sondern als doof.

Ich glaube, dass hier Prinzipien deutlich werden, die weit über Schule hinausgehen. Klare Regeln, Zuhören, Konsequenz im Umgang mit Regelverstößen - wäre das nicht auch denkbar in Unternehmen?

Noch zwei Beispiele, die zwar nicht direkt übertragbar sind, aber indirekt schon: Der Unterricht beginnt sofort, nicht mit 20 Minuten Verspätung, wenn der letzte Schüler ruhig ist. Wie wäre es, wenn auch in Unternehmen Besprechungen püntlich begännen? Wie viel Zeit würde den Mitarbeitern geschenkt?

Es gibt keine gemeinsame Pausen für alle 340 Schüler. Hat jemals jemand im deutschen Schulwesen nachgedacht, wie fantasielos es ist, zur gleichen Zeit alle Klassenräume zu leeren und hunderte, wenn nicht tausende von Schülern an die frische Luft zu setzen? Und dann ständig Lehrer zum Aufpassen und Verhindern von Streitigkeiten einzuteilen?

Übertragen auf Unternehmen (aber nicht nur hierauf): Wie oft stellen wir tradierte Verhaltensweisen und Selbstverständlichkeiten in Frage?

Noch einmal: Unbedingt lesen! Ein Dankeschön der Brand eins!

Rezension zum Thema: 
Die Weltschule. Brand eins 5/2011

Dienstag, 7. Juni 2011

Mitarbeiterzufriedenheit und Vorstandsgehälter

Mitunter stolpert man über kurze Meldungen und glaubt seinen Augen nicht zu trauen. So wie bei dem Bericht über die variablen Bezüge der Vorstandsmitglieder der Telekom. Diese sollen nach einem Beitrag in der Financial Times Deutschland nicht mehr ausschließlich von finanziellen Zielgrößen abhängen, sondern auch von der Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit. Das ist an sich schon eine bemerkenswerte Entdeckung, vermutlich nimmt da jemand die Balanced Scorecard ernst.

Wie sich das für richtige Manager gehört, setzen sich diese anspruchsvolle Ziele. Offenbar auch in Sachen Mitarbeiterzufriedenheit. Also gab es hier einen konkreten Wert, den man unterbieten wollte. Aber ach, die Mitarbeiter machten ihren Chefs einen Strich durch die Rechnung. Sie beklagten unter anderem, dass es mit den vorhandenen Ressourcen in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich sei, dem geforderten Qualitätsanspruch gerecht zu werden. Statt der angestrebten 62% in diesem Kriterium zufriedener Mitarbeiter waren es nur 59%. Der Vorstand verfehlte also sein Ziel - was ja vorkommen soll in einer nicht perfekten Welt.

Was nun? Wer meint, die Antwort läge doch auf der Hand, der glaubt in der Tat, er hätte es mit einer Satire zu tun. Wir erfahren, dass das verfehlte Ziel keineswegs zu reduzierten Vorstandsbezügen führt. Da man ja gelernt hat, dass kurzfristige Ziele extrem schädlich sind, wurde vereinbart, dass die Ergebnisse erst über einen Zeitraum von vier Jahren gehaltsrelevant sind. Also hat man noch drei Jahre Zeit, die Scharte auszumerzen.

Aber man ist offenbar noch viel lernfähiger. Manchmal muss man unrealistische Ziele auch anpassen. Genau das ist dann auch hier geschehen: Die Zielgrößen wurden geändert, offenbar traut man sich nach diesen Erfahrungen nicht mehr zu, die Mitarbeiterzufriedenheit in dem angestrebten Ausmaß zu erhöhen. Oder beabsichtigt auch in Zukunft nicht, die gewünschten Ressourcen zur Erreichung der Qualitätsziele zur Verfügung zu stellen.

Völlig verdutzt aber war ich, als ich las, dass einer der Vorstände seinen Vertrag nicht auf das neue System umgestellt hat: Personalvorstand Sattelberger. Da hätte mich mal die Begründung interessiert...

Rezension zum Thema:
Beschäftigte wischen Telekom Führung eins aus, Financial Times Deutschland 20.4.2011


P.S. Habe gerade versucht, das Bauherren-Büro der Telekom zu erreichen - vergeblich, nach längerem Klingeln ertönt regelmäßig ein Besetzt-Zeichen.

Sonntag, 5. Juni 2011

Eine Gewissensfrage

Sie werden als Berater angesprochen, ein totalitäres Regime in Sachen wirtschaftlicher Entwicklung zu unterstützen. Ihnen ist durchaus bewusst, dass dieses Regime gnadenlos gegen Kritiker im eigenen Land vorgeht und Demokratie ein Fremdwort ist. Nehmen Sie den Beratungsauftrag (so Sie sich ihm denn gewachsen fühlen) an?

Ein Harvard Professor namens Dani Rodrik beantwortet in der Financial Times Deutschland die Frage ganz pragmatisch. Muss er auch, denn er hat selbst schon Diktatoren beraten. Seine Empfehlung: Wenn es denn den Menschen im Lande dient, darf man sich durchaus "die Hände schmutzig machen". Wenn Sie allerdings den Eindruck haben, Sie werden nur benutzt, um das Regime zu legitimieren, sollten Sie sich fernhalten.

Ich finde es immer sehr reizvoll mit Vergleichen aus anderen Bereichen zu arbeiten. In dem Artikel führt Herr Rodrik folgendes Beispiel an: Ein Terrorist hat Geiseln genommen und verlangt für alle Essen und Getränke. Wenn Sie ihm dies gewähren, helfen sie den Geiseln, aber auch den Terroristen. In diesem Fall ist das Wohl der Geiseln wichtiger! Mit anderen Worten: Helfen Sie dem Diktator, sein Land wirtschaftlicher erfolgreich zu machen, geht es auch den Menschen besser. Und das ist doch prima.

Ich finde, dieser Vergleich hinkt ganz fürchterlich. Der Terrorist engagiert Sie nicht für viel Geld, sondern droht die Geiseln zu ermorden, wenn man seinen Forderungen nicht nachkommt. Ein Berater, der einen Auftrag von Schurken annimmt mit der Rechtfertigung, den armen Unterdrückten zu helfen, ist meines Erachtens ein übler Heuchler.

Falls Sie mir in diesem Moment zustimmen sollten, warten Sie noch einen Moment. Ein Firmenchef bietet Ihnen einen Beratungsauftrag an. Sie wissen, dass er ein Tyrann ist und seine Leute knechtet. Lehnen Sie den Auftrag ab?

Eine Gewissensfrage...

Rezension zum Thema:
Guter Diktator, schlechter Diktator, Financial Times Deutschland 21.4.2011

Samstag, 28. Mai 2011

Welchen Einfluss hat der Boss?

In der Wirtschaftswoche wurde ein neues Ranking veröffentlicht, in dem die erfolgreichsten Unternehmensführer in 2010 vorgestellt werden. Maßstab dabei ist die Veränderung des Gewinns vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen usw. Die Idee dabei: Gemessen wird allein die operative Leistung. Am Ende steht der "operative Rang", ein Prozentwert, der aussagt, wie viele Wettbewerber das untersuchte Unternehmen hinter sich gelassen hat. Aber nicht das Unternehmen wird in diesem Ranking aufgeführt, sondern der jeweilige Vorstandsvorsitzende.

Das erinnert an die Geschichte mit dem alten Hannibal, der mit Elefanten die Alpen überquert hat - er allein? Was hat der Erfolg eines Unternehmens überhaupt mit der Leistung seines Chefs zu tun? Und was ist mit all den anderen?

Nur mal ein paar ketzerische Gedanken: Könnte es sein, dass der Erfolg dadurch zustande kam, dass der Vorgänger die richtigen Entscheidungen getroffen hat? Basiert der Erfolg darauf, dass irgendwann einmal die richtigen Leute eingestellt wurden, die wiederum für die operativen Entscheidungen verantwortlich sind? Vielleicht besteht die größte Leistung des Vorstandsvorsitzenden darin, diesen Leuten nicht ins Handwerk gepfuscht zu haben, sie einfach hat machen lassen. Anders ausgedrückt: Er hat ihn zumindest nicht verhindert.

Mal eine andere Sicht: Wer, wenn nicht der CEO, kann für den Gesamterfolg eines Unternehmens verantwortlich gemacht werden? Wenn es schlecht läuft, ist er derjenige, der die Wende einleiten muss. Warum sollte er dann nicht auch die Lorbeeren ernten, wenn das Unternehmen als Ganzes gut dasteht? Jeder Manager der nächsten Ebene hat ja seinen eigenen Bereich und damit auch nur die Verantwortung für Teilerfolge bzw. -misserfolge. Betrachtet man die Sache so, dann ist es durchaus in Ordnung, Unternehmenserfolg als Erfolg des Vorstandes zu werten. Wobei höchstens die Frage bleibt, ob das Unternehmen auf Grund seiner Managementleistung oder trotz seiner "Leistung" so gut dasteht und nicht noch viel besser abgeschnitten hätte, wenn ein ganz anderer an der Spitze gestanden hätte.

Im Sport gibt es da ein ganz spannendes Phänomen: Wenn eine Mannschaft erfolgreich ist, werden die Trainer nicht müde, das Team hervorzuheben und ihre eigene Leistung herunter zu spielen. Manch einer wird wissen, warum. Und wie in vielen Unternehmen würde man sich vermutlich auch im Sport die Augen reiben, wenn man mal abseits der Kameras Gespräche mithören könnte, wem der Erfolg tatsächlich zugeschrieben wird.

Eine letzte Wahrnehmung: Ich hatte vor Kurzem die Gelegenheit des direkten Vergleichs zweier "Unternehmenskulturen". Zugegeben, es war nur ein kurzer Ausschnitt, aber ich fand ihn beeindruckend. Beide Unternehmen entstammten der gleichen Branche, sind ähnlich groß und sogar räumlich nah beieinander.
Wir meldeten uns beim Empfang an, und der Unterschied hätte nicht größer ausfallen können: Hier eher desinteressierte, distanzierte und gelangweilte Ansprache, dort humorvolle, witzige und lockere Äußerungen. Hier keinerlei weiterer Kontakt, dort schon an der ersten Ecke die freundliche Frage: "Darf ich Ihnen weiterhelfen?" Was wörtlich gemeint war, denn egal, wen wir trafen, jeder war bereit, sich uns zuzuwenden und unsere Fragen zu beantworten. Die Eindrücke zogen sich durch den gesamten Besuch.

Ob sich das durch jede Filiale der beiden Unternehmen zieht oder wir Ausnahmen erlebten, weiß ich nicht. Fest steht nur: Wer auch immer an der Spitze der Unternehmen (bzw. Filialen) steht, muss eine sehr unterschiedliche Art der Mitarbeiterführung an den Tag legen. Insofern kann man meiner Meinung nach den Einfluss des Top-Managements gar nicht unterschätzen.

Ob sich das letztlich in Kennzahlen wie dem "Gewinn vor Steuern..." (siehe oben) niederschlägt, ist vermutlich eine ganz andere Frage...

Rezension zum Thema:
Wie eine Operation am offenen Herzen, Wirtschaftswoche 18/2011

Mittwoch, 18. Mai 2011

Mikropolitik lässt sich nicht vermeiden

Einen Großteil ihrer Zeit verbringen Manager mit der Abwehr von Angriffen aus dem eigenen Haus und zur Organisation von Gegenangriffen. Was könnten sie alles schaffen, wenn sie sich voll auf ihre Aufgabe konzentrieren würden? Übertrieben? Ich fürchte nicht, wobei ich nicht glaube, dass es nur für Manager gilt.

Ein Beispiel: Viermal im Jahr hält der Vorstandsvorsitzende eine Rede zur Lage des Unternehmens - eingeladen sind alle Führungskräfte. Worüber er genau spricht, bereiten seine Assistenten und Stäbe vor. Diese wiederum werden "gefüttert" von den Stäben und Assistenten der Geschäftsfeld-Leiter. Diese wiederum erhalten die Informationen von den Abteilungsleitern. Und diese fragen bei ihren Mitarbeitern nach: "Es ist wieder so weit. Was haben wir in den letzten drei Monaten geleistet, das es wert ist, berichtet zu werden?" Man setzt sich hin, füllt viele Seiten mit tollen Berichten, wohl wissend, dass, wenn man viel Glück hat, ein oder sogar zwei Sätze hieraus in der eigentlichen Rede landen. Genau deshalb muss man ja auch möglichst viele Erfolgsmeldungen produzieren, damit wenigstens eine davon den Weg in das Manuskript schafft. Wenn das geschieht, hat man sich mal wieder glänzend "positioniert". Wenn nicht, dann eben beim nächsten Mal.

Ein anderes Beispiel: Bei General Electric wurde für die Nachfolge von Jack Welch eine Art Wettkampf unter drei Kandidaten ausgetragen - auf dass sich der Beste durchsetzte. Man mag sich kaum ausmalen, mit welchen Mitteln hier gekämpft, welche Allianzen geschmiedet, welche Machtproben ausgetragen wurden. Am Ende dürfte dabei viel Geld, Energie und Engagement auf der Strecke geblieben sein - wie das eben in der Politik in Wahlkämpfen so ist.

Geht das überhaupt anders in großen Unternehmen? Ich bin geneigt, politische Ränkespiele als etwas untrennbar mit größeren Organisationen Verbundenes hinzunehmen. Etwas, das sich unweigerlich entwickelt, sobald eine Gruppe von Menschen unüberschaubar wird, an Transparenz verliert und der Kampf um Positionen beginnt.

Ein höchst interessanter Beitrag im Harvard Businessmanager 3/2011 von Anne Mulcahy, bis 2009 CEO von Xerox, lehrt mich eines Besseren. Dort wurde schon zu Beginn ihrer Amtszeit die Frage des Nachfolgers diskutiert und man entschied sich relativ rasch, wer hierfür in Frage kam. Mit anderen Kandidaten, die sich hätten Hoffnungen machen können, wurde die Situation diskutiert und sie konnten alle gehalten werden. Ein Kampf um die Top-Position fand nicht statt, weil er von Anfang an sinnlos gewesen wäre.

Um das Vorgehen auf mein erstes Beispiel anzuwenden: Könnte der Vorstandsvorsitzende nicht die Losung ausgeben: "Jedes Geschäftsfeld liefert für meine Rede genau eine Information, und diese hat genau 140 Zeichen." Worauf die Geschäftsfeldleiter wiederum ihren Abteilungen die gleiche Aufgabe stellen. Welche kurze und interessante Rede hierbei entstehen könnte.

Mit anderen Worten: Es sind die Spielregeln, die politische Spiele möglich, ja vielleicht sogar notwendig machen. Und Spielregeln kann man ändern.

Rezensionen zum Thema:
Politisch agierende Manager sind gefährlich, Financial Times Deutschland 6.4.2011
Der perfekte Übergang, Harvard Businessmanager 3/2011

Dienstag, 10. Mai 2011

Wissen in Freunden speichern

Konnektivismus, Meta-Lernen, Conversational Learning, informelles Lernen, Web 3.0 - alles wird anders, glaubt man den "Internet Gurus", die von der Zukunft des Lernens berichten. Ähnlich dem Buchdruck, bei dem plötzlich das Wissen, das einigen wenigen Gelehrten vorbehalten war, einer breiten Masse zugänglich wurde, wird dank des Internets und speziell des Web 2.0 Wissen nicht mehr nur vom Fachmann produziert, sondern von jedermann. Wikipedia ist das Beispiel, das stets dafür herhalten muss. Mit anderen Worten: Der Buchdruck sorgte dafür, dass alle Menschen Zugriff zu Wissen erhielten, das Web 2.0 macht es möglich, dass alle Menschen ihr Wissen allen zur Verfügung stellen können.

Das ist ja in der Tat neu. Wie konnte zuvor ein Hobby-Gärtner seine Erkenntnisse, die möglicherweise ein bestimmtes Spezialwissen enthalten, allen anderen anbieten? Dank des Internets besteht nun die Möglichkeit, es zu erhalten, zu verbreiten und durch die Vernetzung weiter zu entwickeln. Der Mensch ist nicht mehr Träger isolierten Wissens, sondern mehr eine Art "Knoten in einem Netzwerk". Dadurch wird das "Wissen was" ersetzt durch ein "Wissen wo". Noch ein feiner Satz: "Ich speichere mein Wissen in meinen Freunden. Wissen sammelt man, indem man Menschen sammelt." Und natürlich speichert man sein Wissen in Computern.

Das kommt mir bekannt vor: Man muss nichts selbst wissen, Hauptsache, man weiß, wo es steht. Galt doch schon immer, außer in Prüfungen, oder? Nur muss ich heute nicht mehr stundenlang in Bibliotheken herumsuchen, das Internet und seine sozialen Netzwerke sind viel schneller. Allerdings wohl auch komplexer und größer, was die Suche wieder erschwert. Aber da soll das "semantische Web" helfen - noch ein neuer Begriff.

Mal auf die Spitze getrieben: Wenn alle nur noch wissen, wo das Wissen zu finden ist - wer weiß dann noch was? Und was hilft es mir, den Ort des benötigten Wissens zu kennen, wenn mir die Voraussetzungen fehlen, es auch zu verstehen?

Videos von Vorlesungen können den Besuch von Hörsälen ersetzen, das kann in der Tat sehr vieles erleichtern. Aber es bleibt doch eine Vorlesung, deren Inhalt ich verstehen muss.

Was die Interaktionen unter den "Lernenden" betrifft, findet sich in dem Beitrag über den "Guru" Steve Wheeler ein nettes Beispiel: Menschen sitzen in einem Vortrag, auf ihrem Smartphone sehen sie, ob weitere Twitter-Nutzer unter den Zuhörern sind. Mit diesen tauscht man sich über Twitter aus, spricht Wortmeldungen ab und verabredet sich. "Smart eXtendee web" lautet die Wortschöpfung hierfür.

Ich sehe sie dort sitzen, mit den Köpfen über ihre Smartphones gebeugt, eifrig bemüht, all den Twittermeldungen zu folgen, gleichzeitig dem Vortrag zu lauschen und nebenbei noch eigene "Tweets" zu verfassen. Wie sagt Herr Wheeler? "Web 3.0 heißt, Verbindungen zwischen Menschen auf bislang unvorstellbare Weise herzustellen." Mir genügt diese Vorstellung eigentlich schon...

Rezension zum Thema:
Die Zukunft des Lernens, wirtschaft + weiterbildung 3/2011

Sonntag, 8. Mai 2011

Sponsoren statt Mentoren

Mentoring gilt als geeignetes Mittel, talentierten Mitarbeitern den Weg in attraktive Positionen zu bahnen. Stimmt nicht ganz, wie drei Autorinnen im Harvard Businessmanager 2/2011 festgestellt haben. Oder besser: Das gilt für den männlichen Nachwuchs, weniger für den weiblichen. Wie kann das sein?

Ganz einfach: Weil die Mentoren der Männer diesen nicht nur weise Ratschläge geben, sondern ihre Beziehungen spielen lassen. Sponsorship nennen das die Autorinnen. Die Frauen hingegen bekommen weise Ratschläge, oft von der Art: "Sie müssen mehr stragischen Einfluss nehmen!" oder andere Tipps, die nicht unbedingt der weiblichen Persönlichkeit entsprechen. Besonders spaßig: Einige der befragte Frauen sind entnervt von all den Fördermaßnahmen und Sonderprojekten, die ihrer Karriere dienen sollen. Sie würden gerne einfach ihre Arbeit machen. Und eben auch einflussreiche Sponsoren haben.

Warum Männer eher gesponsert werden, Frauen hingegen "gementort", erklären die Autorinnen nicht. Aber sie geben Tipps, wie man das ändern kann. Einer dieser Tipps lautet: "Machen Sie die Mentoren verantwortlich für die Karriere ihrer Mentees! Nehmen Sie sie in die Pflicht!" So ist es angeblich bei IBM. Schafft eine Nachwuchskraft den Aufstieg nicht binnen eines Jahres, gilt das als Scheitern des Mentors. Soll funktionieren.

Irgendwie typisch. Wann immer ein Problem auftritt, lautet der Rat der Managementstrategen: "Schreiben Sie den Managern das einfach in die Zielvereinbarungen!" Das könnte interessante Nebenwirkungen entfalten. Treffen sich zwei mächtige Mentoren. Sagt der eine: "Hör mal, meine Frau S., die ich seit 10 Monaten betreue, hat immer noch keine Top-Position angeboten bekommen. Deine Frau L. doch auch noch nicht. Da muss doch was zu machen sein. Wie wäre es mit einem Deal? Können wir ja wieder rückgängig machen, wenn's nicht läuft."
Weit hergeholt? Vermutlich nicht. So ähnlich wird es ja auch im Männernetzwerk laufen...

Rezension zum Thema:
Der kleine Unterschied, Harvard Businessmanager 2/2011

Donnerstag, 5. Mai 2011

Beratungsresistent

Mein Kollege bezeichnet mich häufig als "beratungsresistent". In der Tat, er hat Recht. Es kommt immer wieder vor, dass ich von inneren Konflikten berichte, nach seiner Meinung frage, von schwierigen Entscheidungen erzähle, aber seine Vorschläge ignoriere bzw. genügend Einwände vorbringe, warum ich diese zumindest im Moment eher nicht weiter verfolgen werde.

Nicht, dass mich der Vorwurf der Beratungsresistenz belasten würde. Eben jener Kollege reagiert auf meine Ideen ähnlich. Noch während ich rede, sehe ich seinem Gesicht an, was er von den Ratschlägen hält. Nämlich wenig. Ob es etwas damit zu tun hat, dass unsere Sätze meist mit den Worten beginnen: "Ich würde..."? Das ist offenbar fatal. Wie mit den meisten Ratschlägen. Man empfiehlt das, was man selbst tun würde in der vergleichbaren Situation. Oder besser: Was man glaubt, selbst zu tun, wenn man in einer ähnlichen Situation wäre. Ist man aber nicht. Und selbst wenn man einmal in eine solche Situation käme, würde die Sache plötzlich ganz anders aussehen. Warum sollte ich also einem Rat folgen, den mein Kollege aller Wahrscheinlichkeit nach selbst nicht umsetzen würde? Zumal ich den Rat ja schon mehr als einmal gehört und jede Menge gute Gründe gefunden habe, warum ich ihm auf keinen Fall folgen kann.

Doch nun ist etwas Erstaunliches passiert. Wie so oft erzählte ich von einem Dilemma, in dem ich stecke. Von meinen neuen Ideen, mit diesem umzugehen. Und wie so oft bei lösungsorientierten Menschen bot besagter Kollege mir sofort ergänzende Tipps an (wobei mir jetzt auffällt, dass er diese nicht mit den Worten: "Ich würde..." sondern mit "Wenn du das machst, WERDE ich.." einleitete). Wie üblich winkte ich ab, doch kurze Zeit später, als ich allein im Auto saß, fiel der Groschen. Einer seiner Sätze war genau die Lösung, die mir selbst nicht eingefallen war. Ein echtes Aha-Erlebnis.

Bin ich also doch nicht beratungsresistent? Ich glaube, es ist anders. Um ein Bild zu verwenden: Mit den Ratschlägen ist es wie mit einer Leiter. Mal angenommen, ich versuche vergeblich, aus einem hohen Regal ein Buch herauszuholen, habe es mit einem Stuhl probiert, den Stuhl auf eine Kiste gestellt, um noch höher zu kommen, aber alles vergebens. Wenn in dieser Situation ein Kollege kommt und mir eine Leiter reicht, werde ich sie dankbar annehmen.

Soll heißen: Ratschläge funktionieren nur dann, wenn ich im Grunde schon kurz vor der Lösung bin, sie gedanklich längst vollzogen habe, es aber noch am letzten Schritt, an einem kleinen Detail fehlt. Sozusagen eine letzte kleine Stütze oder Hilfestellung, wie es früher beim Sportunterricht hieß, die mir den Satz über den Kasten ermöglicht.

Und der Satz sollte nicht mit "Ich würde..." beginnen. Selbst beim Versuch, das Buch aus dem obersten Regal zu holen, hätte ein Rat nach dem Motto: "Ich würde eine Leiter nehmen!" vermutlich nicht die angestrebte Wirkung. :-)

Sonntag, 1. Mai 2011

Trainer als Vorbilder für Hochschullehrer?

Die Wirtschaft braucht kompetente Menschen, keine Frage. Aber welche Kompetenzen werden vor allem benötigt? Welche werden vor allem vermisst? Welche Kompetenzen müssen diese Menschen bereits mitbringen und welche erwerben sie im Unternehmen?

Ich lasse mich hier mal nicht zu der Frage aus, was Kompetenzen eigentlich sind, irgendwann werde ich dazu mal einen eigenen, vermutlich deutlich längeren Beitrag verfassen. Auch nicht dazu, ob man überhaupt Kompetenzen lehren, vermitteln kann oder ob man lediglich den Rahmen gestalten kann, innerhalb dessen sich Kompetenzen entwickeln. Es geht um die Rolle der Universitäten bei der Vermittlung von Kompetenzen. In einem Beitrag der Personalwirtschaft empfiehlt eine Weiterbildungsforscherin den Unis,
  • Stärker zur Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis zu werden,
  • mehr Zeit und Raum zu bieten, um das Gelernte zu reflektieren, z.B. durch Peer to Peer Learning, kollegialer Fallberatung und Rollenspiele
  • Lernprozesse besser zu begleiten, die Dozenten sollen von Lehrenden zu Lernbegleitern werden und
  • Instrumente zur Kompetenzerfassung zu entwickeln.
Nanu, dachte ich, das klingt ja fast genauso wie Forderungen an Personalentwickler und Trainer. Auch diese sollen doch Lernbegleitet sein, und ständig werden sie aufgefordert, Methoden zu entwickeln, um das zu messen, was sie den Lernenden vermittelt haben. Und die genannten Methoden haben schon lange das Dozieren von vorne und die Powerpoint-Schlachten abgelöst - zumindest in der Theorie.

Worin, so frage ich mich, besteht dann überhaupt noch der Unterschied zwischen Studium und Weiterbildung? Wenn ich mich an meine Studienzeit erinnere, dann gab es in der Tat hier und dort den Versuch, die Theorie mit der Praxis zu verbinden, was aus meiner Sicht damals viel zu spät geschah. Dozenten als Lernbegleiter habe ich nicht kennengelernt, und Peer to Peer Learning war selbst organisiert - um einigermaßen Herr über die Unmenge an Lernstoff zu werden.

Werden Trainer jetzt zum Vorbild für Hochschullehrer? Irgendwie witzig. Ehrlich gesagt kann ich mir nicht vorstellen, in einem Hörsaal ein Training abzuhalten. Umgekehrt kann ich mir auch nicht vorstellen, dass ein Universitätsbetrieb Vorlesungen in Seminarform anbieten kann.

Vielleicht kommt es ja auch ganz anders: Vorlesungen finden nur noch virtuell statt, um einem Vortrag zu lauschen, muss ich sicher nicht im Hörsaal auf einem harten Klappstuhl sitzen. Alles andere wird in Form moderner Trainings durchgeführt, mit Lernbegleitern und kollegialer Beratung und Praxis-Blöcken. Nur die Sache mit der Kompetenzerfassung, finde ich, sollte man der Wissenschaft überlassen...

Rezension zum Thema:
Zukunftsfähiges Konzept oder Mission Impossible? Personalwirtschaft 3/2011