Dienstag, 23. Juni 2009

Am Geruch erkennen

Gelesen haben wir das schon häufiger, offensichtlich macht die Forschung aber weitere Fortschritte. Es geht darum, dass Unternehmen Düfte entwickeln lassen, an denen man sie erkennt. Im Ernst: Stellen Sie sich vor, sie spazieren durch eine Einkaufsstraße und bleiben plötzlich vor einem Handy-Shop stehen, der sie magisch anzieht. Sollte Ihnen das in anderen Städten ähnlich ergehen, könnte es daran liegen, dass dort über die Klimaanlage Düfte verbreitet werden, die bei Ihnen angenehme Erinnerungen auslösen.

Oder Sie riechen schon von weitem, dass es in einem Einkaufscenter Ihren Lieblingsbekleidungsladen gibt und folgen Ihrer Nase, um ihn zu stürmen. Oder in Ihrem Büro überkommen Sie Urlaubsgefühle, weil es nach Sonnenmilch durftet...

Dass Gerüche auf besondere Art und Weise Erinnungen hervorrufen, wissen wir alle. Und es wird auch solche geben, die von der Mehrzahl der Menschen als angenehm empfunden werden. Da ist der Gedanke, solche in Geschäften, Autos, Fabrikhallen oder Büros zu verbreiten, gar nicht so abwegig. Allerdings könnte der Schuss auch nach hinten losgehen. Was, wenn ich einmal in einem Laden unfreundlich behandelt werde und ab diesem Moment den Geruch als widerlich erlebe? Oder ich gehe mit Bauchschmerzen an meinen Arbeitsplatz, weil das Klima alles andere als angenehm ist und verbinde für den Rest meines Lebens Zitronenduft mit Unbehagen?

Die Befürchtungen, wir könnten manipuliert werden durch Gerüche, sind auf den ersten Blick nachvollziehbar. Aber letztlich werden sie nur dann positive Wirkungen erzielen, wenn der Service, die Produkte bzw. das Betriebsklima stimmen - ansonsten könnte es passieren, dass wir bald mit einer Menge "Geruchsallergien" zu kämpfen haben.

Rezension zum Thema:
Duft Marken, Wirtschaftswoche 21/2009

Dienstag, 16. Juni 2009

Mehr als eine Suchmaschine

Das dachten wir uns schon längst: Google ist weit mehr als eine Suchmaschine. Haben Sie schon mal den Begriff "Infodemiology" gehört? Auf Wikipedia habe ich ihn nicht gefunden, aber so viel habe ich verstanden: Menschen, die erkranken, suchen heute mit den Begriffen ihrer Symptome erst im Internet, ehe sie zum Arzt gehen. Und bevor dieser einen Patienten zu Gesicht bekommen hat, weiß Google, dass eine Grippewelle im Anmarsch ist. Nachvollziehbar, oder? Dazu muss man natürlich über eine Unmenge an Daten verfügen, so dass man weiß, wie häufig in einzelnen Regionen der Welt nach bestimmten Begriffen "gegoogelt" wird. Wenn dann plötzlich die Werte in die Höhe schnellen, ist etwas im Anmarsch. Z.B. eine Grippe-Epedemie.

Wie so eine Auswertung aussieht, kann man sich hier anschauen: http://www.google.org/flutrends/ Faszinierend. Und es regt die Fantasie an.

Marktforscher könnten vorhersehen, in welcher Region, bei welcher Altersklasse oder für welches Geschlecht Motorroller wieder heiß begehrt sind, welche Sportschuhe gefragt sind, welche Popgruppen angesagt sind. Steigen die Suchanfragen nach Mountainbiking, wird die Produktion angeworfen. Unvorstellbar? Wahrscheinlich bin ich viel zu naiv und all das gibt es längst. Man müsste mal bei Google fragen...

Rezension zum Thema:
Dr. med. Google, Wirtschaftswoche 20/2009

Dienstag, 9. Juni 2009

Wer braucht Helden?

Jugendliche brauchen Vorbilder. Film-, Sport-, Rockstars, deren Poster sie sich an die Wand hängen. Helden, deren Erfolge sie träumen lassen, denen sie nacheifern und die sie verehren. Wenn der Held strauchelt und fällt, ist das Leid und die Trauer groß.

Und wie sieht das mit Erwachsenen aus? Offensichtlich nicht viel anders. Unsere Helden sind nicht mehr die Sport- oder Rockstars, da wir uns längst davon verabschiedet haben, eines Tages selbst in Wimbledon zu spielen oder vor einem Millionenpublikum aufzutreten. Dafür schauen wir voller Bewunderung auf die Mächtigen und Erfolgreichen, die Siegertypen, denen alles zu gelingen scheint, was sie anfangen. Eine Altersgrenze scheint es hier nicht zu geben, also warum nicht weiter träumen?

Nun aber sind viele dieser Helden ebenfalls abgestürzt, für manche war der Aufprall hart. Und nun? Aufhören zu träumen? Abschied nehmen von der Sehnsucht, eines Tages selbst einmal dazu zu gehören? Brauchen wir tatsächlich Vorbilder, um uns orientieren zu können und fangen jetzt, nachdem so viele gestürzt sind, verzweifelt an, nach neuen zu suchen?

Ich habe wenig Verständnis für dieses "Manager müssen Vorbild sein". Niemand sollte Vorbild für andere sein, die Last kann keiner tragen. Sich vorbildlich verhalten - sicher. Beeindruckende Leistungen zeigen, Wissen erlangen, Großzügigkeit zeigen usw. usw. sind Verhaltensweisen, an denen wir uns orientieren können. Wenn ein Roger Federer die perfekte Vorhand spielt, dann kann ich das studieren und versuchen nachzuahmen. Wenn er beim Sieg in Paris weint vor Freude, dann kann ich daraus schließen, dass es in Ordnung ist, in der Öffentlichkeit Emotionen zu zeigen. Aber muss der Mensch Federer für mich Vorbild sein? Oder der Manager Wiedeking?

Das mag jetzt spitzfindig klingen. Dennoch glaube ich, dass es ein gewaltiger Unterschied ist, ob ich mich an einem Verhalten oder an einer Person orientiere. Nehme ich mir Menschen zum Vorbild, verliere ich die Orientierung, wenn diese scheitern. Ihr Verhalten, ihre Fähigkeiten auf bestimmten Gebieten aber behalten ihre Vorbildwirkung, auch wenn sie selbst wegen anderer Machenschaften vom Sockel stürzen.

Rezension zum Thema:
Ende Legende, Financial Times Deutschland vom 3.4.2009

Montag, 8. Juni 2009

Wohin mit dem Bonus?

Als ich noch Angestellter eines großen Konzerns war, gab es zum Jahresende einen Bonus. Das war stets sehr angenehm, auch wenn dieser hin und wieder nicht besonders hoch ausfiel. Dann nämlich, wenn das Unternehmen kein allzu gutes Jahr hinter sich hatte. Dafür aber gab es eine ordentliche "Portion" in erfolgreichen Jahren, was die Mitarbeiter sehr zu schätzen wussten. Die Berechnung des Bonus war einfach: Es gab einen Prozentsatz X vom Jahresgehalt. Fertig.
Das war auch in Ordnung so, denn wer viel zum Erfolg des Unternehmens beitrug (und folglich ein hohes Gehalt bezog), der profitierte eben auch im besonderen Maß von der Ausschüttung am Jahresende.

Eines Tages aber setzte auch dieses Unternehmen auf die "leistungsorientierte Vergütung". Nicht mehr der Erfolg des Unternehmens, sondern die Leistung des Einzelnen sollte Basis für die Prämie sein - zumindest eines Teils der Prämie. Die Botschaft dieses Systems lautet: Das Fix-Gehalt entspricht nicht der tatsächlichen Leistung, hier muss mit dem Bonus "nachgebessert" werden.

Die Nebenwirkungen dieses Systems waren lange nicht so gravierend wie in der Finanzbranche. Aber natürlich kam es auch hier vor, dass ein Geschäftsfeld schlecht abschnitt, der Einzelne aber dank einer geschickten Zielvereinbarung einen Bonus erhielt. Nicht anders sind die Phänomene zu erklären, dass jemand einen Millionen-Bonus erhält, obwohl sein Arbeitgeber Milliarden in den Sand gesetzt hat.

Warum ist das so schwer zu verstehen? Wer sich einem Unternehmen anschließt, tut das unter anderem (oder sollte es tun), um gemeinsam mit anderen Gewinne zu erwirtschaften. Gelingt das, haben alle daran Anteil. Gelingt es nicht, gibt es auch nichts auszuschütten. Wer auf Einzelprämien setzt, der wird Unternehmer. Punkt.

Bleibt das Problem mit der "Leistungsgerechtigkeit", womit wir bei einem Uralt-Thema sind. Es ist der Job des Managements bzw. des verlängerten Armes "Human Resources", dass die Gehälter dem Wert entsprechen, den ein Mitarbeiter für ein Unternehmen hat. Das mag extrem schwierig sein, deshalb wird ja auch stets versucht, hierfür feste Systeme (Gehaltsbänder, Tarifstrukturen etc.) zu finden, um sich dann hinter ihnen zu verstecken. Das aber funktioniert nun eben nie: (Leistungs-)Gerechtigkeit lässt sich nicht an Systeme delegieren. So wird auch der Versuch scheitern, langfristige Bonussysteme zu etablieren...

Rezenionen zum Thema:
Bonus erst nach sieben fetten Jahren, Financial Times Deutschland vom 1.4.2009
Schwerer Weg zu mehr Weitblick, Financial Times Deutschland vom 26.3.2009
Bonus mit Malus, Wirtschaftswoche 19/2009

Mittwoch, 3. Juni 2009

Wirtschaftsethik als Pflichtfach?

Betriebswirtschaftsstudenten schummeln häufiger als andere, hat eine Studie festgestellt. Angeblich ist die Haltung weit verbreitet, dass erlaubt ist, was einem nutzt, und wer da nicht mitmacht, der ist am Schluss der Dumme. Schließlich gehe es in den Unternehmen auch nur darum, seinen Job zu machen und Erfolg zu haben, das Wie interessiere dort auch niemanden.

Oha, welche Überraschung. Da predigen die Management-Gurus, dass jeder seine eigene Marke zu sein habe, seine Person und seine Leistungen zum bestmöglichen Preis verkaufen soll und dann wundern sich plötzlich alle, dass genau diesen Ratschlägen gefolgt wird.

Nun wird an den Business Schulen versucht, über spezielle Angebote wie Kurse in Wirtschaftsethik oder sogar eigene Lehrstühle z.B. zum Thema Corporate Social Responsitility dem eigennützigen Treiben Einhalt zu gebieten. Mir erscheint das als ein sehr merkwürdiger Weg. Ich stelle mir vor, dass auf der einen Seite Professoren den Jungmanagern beibringen, wie man möglich schnell und effizient ganz viel Geld verdient, um den Aktionären zu gefallen, mit allen erlaubten und weniger erlaubten Mitteln, während der Kollege vom Lehrstuhl CSR die Fahne der Ethik hochhält.

Statt eigene Kurse und Lehrstühle zu schaffen, müsste ethisches Verhalten Teil jedes Lehrfaches sein, dazu gehört eine Philosophie, der sich die Lehranstalt grundsätzlich verpflichtet fühlt. Man wird ja auch in der Medizin oder der Chemie kein Fach "wissenschaftlich sauberes Arbeiten" anbieten, sondern es als Grundlage jeglichen Forschens ansehen.
Schwierig stelle ich mir das vor, wenn nun ein Vertreter des Shareholder Value plötzlich verkünden muss, dass das Glück des Aktionärs doch nicht alles ist und es ja irgendwo auch noch so etwas gibt wie soziale Verantwortung. Da dürfte so mancher ein Glaubwürdigkeitsproblem kriegen. Wie Kollege Jack Welch...

Rezensionen zum Thema:
Moral der Studenten im Sinkflug, Financial Times Deutschland 26.3.2009
Welch schwört Shareholder-Value ab, Financial Times Deutschland 13.3.2009
Nebenfach Wirtschaftsethik, Financial Times Deutschland 17.4.2009

Dienstag, 2. Juni 2009

Wer braucht Twitter?

Die Artikel zu Twitter häufen sich, Kollegen sprechen mich an, ob ich auch schon "zwitschere". Mir erschließt sich der Sinn nicht: Wen sollte es interessieren, dass ich gerade in der Sonne sitze und versuche, die Schrift auf dem Bildschirm meines Laptops zu entziffern? Wer will wissen, dass ich mich schon wieder schwer tue, rechtzeitig zum Erscheinen des Newsletters alle Artikel zu lesen, die ich bis dahin lesen und rezensieren wollte? Wir ist wild darauf zu erfahren, dass ich mir lieber keinen Amaretto in den Milchkaffee gekippt habe, weil der Tag noch lang wird?

Was soll ich also bei Twitter einstellen? Dass mir mein Nachbar höllisch auf den Nerv geht? Dass der Garten verwildert, weil ich keine Zeit mehr für ihn habe? Dass unser Hund unser Zwergkaninchen auf dem Gewissen hat? Dass direkt neben unserer Gartentür junge Amseln geschlüpft sind (unglaublich, wie wenig scheu die Tiere haben)?

Mmmh... - tatsächlich sind viele der 140-Zeichen-Botschaften bei Twitter von dieser Qualität. Ohne mich, dachte ich, und der Beitrag in der Wirtschaftswoche hat mich auch nicht umgestimmt.

Doch dann die Überraschung: Die Zugriffsstatistik von MWonline zeigt, dass nach Google, den Direkt-Links und dem MWonline-Blog die Zugriffe über Twitter tatsächlich schon auf Platz 4 stehen. Wer macht denn da Werbung für uns?

Also doch einen eigenen Account anlegen, eine erste Kurznachricht loslassen und mich umschauen, was die Kollegen "zwitschern". Überzeugt bin ich danach immer noch nicht, und wenn ich eine Prognose abgeben müsste, würde ich tippen, dass Twittern ein vorübergehendes Phänomen ist. Abwarten...

Rezension zum Thema:
140 Zeichen Urlaub, Wirtschaftswoche 18/2009
Das alte Lied, Financial Times Deutschland 14.4.2009