Samstag, 31. Juli 2010

Kann man zu viel Feedback bekommen?

Eine sehr interessante Frage. In der Tat: An allen Ecken und Enden lauern Feedback-Prozesse, Beurteilungen, Bewertungen unseres Verhaltens bzw. unserer Person. Vorgesetzte bewerten ihre Mitarbeiter, Mitarbeiter bewerten ihre Chefs, die das Feedback ihrer Kollegen und Kunden gleich mitgeliefert bekommen (von 180 Grad bis 360 Grad). Und wer im Netz der Netze aktiv ist, der findet sich auf Beurteilungsplattformen bewertet - entweder in Form seiner Werke wie Bücher, Artikel, Lieder, Bilder, seiner Taten, seiner Kundenorientierung oder seiner Produkte.

Wird das irgendwannn zu viel? Können wir mit all diesen Bewertungen überhaupt noch etwas anfangen? Stumpfen wir ab, hören auf, die Bewertungen und Zuschreibungen kritisch zu hinterfragen und mit unserem Selbstbild abzugleichen? Suchen uns nur noch das heraus, was zu unserem Selbstkonzept passt und bestärken uns selbst darin?

Oder drehen wir uns immer schneller im Kreis, versuchen, dem Wunschbild der anderen gerecht zu werden, verändern unser Verhalten und stellen irgendwann fest, dass wir es ja ohnehin nie allen recht machen können, um dann auf das Feedback nur noch achselzuckend zu reagieren und uns dem Alltagsgeschäft zuzuwenden?

Ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Ich bin ein großer Freund von Feedback. Kein Freund der formalisierten Feedback-Instrumente, die Verhalten und Persönlichkeiten in Kompetenzmodelle packen und mit Noten versehen, die jede Interpretation zulassen und letztlich nur dazu dienen, sich mit anderen zu vergleichen und zu hoffen, im Gesamtergebnis besser abzuschneiden.

Feedback ist nicht das Problem

Ich glaube, dass immer noch viel zu viele Menschen von anderen im Unklaren darüber gelassen werden, was man über sie denkt. Nach wie vor ziehen es die meisten vor, sich hinter Andeutungen und Reaktionen zu verstecken, ohne klar zu äußern, was man über ein bestimmtes Verhalten denkt. Ganz einfach aus Angst vor dem Konflikt, davor, nachher weniger gemocht zu werden. All die Instrumente wären völlig überflüssig, wenn wir uns hin und wieder Zeit nehmen und uns darüber unterhalten würden, was wir fühlen und denken bei bestimmten Verhaltensweisen des anderen.

Da wir das aber nach wie vor vermeiden, kommen wir Personalentwickler daher und zwingen Menschen mit mehr oder weniger tauglichen Instrumenten zum Geben und Empfangen von Feedback. Das Problem ist meiner Meinung nach nicht ein "Zu viel" an Feedback, sondern ein ganz anderes: Wir stellen zwar die Instrumente zur Verfügung, aber lassen die Empfänger anschließend mit dem Ergebnis allein. Wer einmal erlebt hat, wie schwierig die Moderation von Feedback-Gesprächen ist, bei denen sich Menschen versuchen, sich gegenseitig ihr "Fremdbild" zu vermitteln, dem sollte klar sein, dass das schriftliche Ergebnis eines Fragebogens mehr als erklärungsbedürftig ist. Hier nicht zu beraten und zu helfen, das Ergebnis einzuordnen, halte ich für verantwortungslos. Das aber ist der eigentlich aufwändige Teil, derjenige, der Arbeit macht und der die Konfrontation mit Emotionen wie Ängsten, Empörung, Verwirrung, Unsicherheit, aber auch Freude und Stolz unvermeidlich macht.

Einen Fragebogen zu entwerfen, ausfüllen oder anklicken zu lassen und die automatisch erstellte Auswertung zu verschicken, ist dagegen einfach. Und man kann noch so wunderbar Statistik damit betreiben, diese in bunte Charts packen und dem Management präsentieren. "Seht her, was wir herausgefunden haben." Reine Personalentwickler-Show...

Rezension zum Thema:
Das wahre Ich entwickeln, managerSeminare 7/2010

Sonntag, 25. Juli 2010

Die eingeschränkte Sicht der Top-Manager

Muss das Top-Management eine andere Sicht der Dinge haben als das mittlere Management oder gar "die da ganz unten"? Zweifellos. Das bringt ja schon die Aufgabe mit sich. Aber was bedeutet hier "anders"?

In der Financial Times Deutschland erfahren wir, dass Vorstände mitunter sehr gefährliche Visionen entwickeln, vom großen Wurf träumen und ihr Unternehmen in ruinöse Abenteuer stürzen. Schlussfolgerung des Autors: Die Verantwortlichen bekommen schon auf der Business Schule beigebracht, dass sie für die große Strategie verantwortlich sind, da bleibt einfach keine Zeit für das operative Geschäft - sprich: die harte Realität.

Was mich immer wieder erstaunt: Irgendwann hat doch jeder mal "unten" angefangen - werden diese Erfahrungen später völlig ausgeblendet? Ist offensichtlich so, das nennt man wohl "Dissonanzreduktion". Ein schönes Beispiel dafür findet sich im Harvard Businessmanager: Hier wurden Vorstände, Geschäftsleitungen, Personalmanager und mittlere Manager zum Thema "Unternehmenskultur" befragt, und siehe da: Die Antworten unterschieden sich durchaus, je nachdem welche Position die Befragten innehaben.

Unter anderem wurde gefragt, ob die eingesetzten Führungsinstrumente zur Unternehmenskultur passen. 73% der Top-Manager waren dieser Meinung, bei den Personalern waren es nur noch 53%, die Führungskräfte der mittleren Ebene hingegen waren nur noch zu 39% dieser Meinung.

Erstaunlich ist hier, dass es offensichtlich durchaus Vorstände gibt, die das eigene System als unpassend erleben. Ansonsten wundert das Ergebnis kaum, denn was soll ein Top-Manager auch anders antworten, wenn er selbst ein solches Instrument eingeführt hat?

Die Rolle des Personalers

Der Personaler hat es da schon schwerer: Er wird in der Regel die Einführung begleitet oder sogar initiiert haben. Nun festzustellen, es passt aber nicht ins Unternehmen, muss weh tun. Andererseits kann er immer noch argumentieren, dass er die Zielvereinbarungen, wie sie letztlich umgesetzt werden, unpassend findet, und für die Anwendung ist er schließlich nicht zuständig. Hier wird er das Top-Management in der Verantwortung sehen.

Am einfachsten hat es hier das Mittelmanagement. Dieses hat ein Instrument wie die Zielvereinbarungen auf's Auge gedrückt bekommen und hat daher kein Problem damit, es als unvereinbar mit der Unternehmenskultur zu bezeichnen.

Ein kritisches Ergebnis? Sicher, zumal man getrost davon ausgehen kann, dass etwas Ähnliches bei vielen anderen Fragen herauskommen würde. Was müsste sich ändern?

Es ist so einfach: Miteinander reden. Würde sich das Top-Management anhören, wie es um die Einstellung auf den unteren Ebenen bestellt ist, könnte es eine durchaus differenzierte Sicht der Dinge bekommen. Aber dafür hat es in der Regel keine Zeit - es muss sich ja um die Vision kümmern.

Eine Alternative wäre, wenn die Personalmanager korrigierend eingreifen würden. Offensichtlich haben sie das Ohr näher am Geschehen, nur müssten sie die (schlechten) Nachrichten auch weiterleiten. Ein unangenehmer Job, aber eigentlich genau der richtige für Personaler, oder?

Da fällt mir ein Erlebnis aus vergangenen Tagen ein. In einem Konzern wurde ein Zielvereinbarungssystem eingeführt, der Personalchef trat vor einen Kreis ausgewählter Führungskräfte und erläuterte das neue Vorgehen. Er durfte sich eine Menge kritischer Anmerkungen anhören, die schließlich vom anwesenden Vorstandsmitglied mit wenigen Worten vom Tisch gewischt wurden nach dem Motto: "Jedes neue Verfahren wird erst einmal abgelehnt. Man muss ihm auch eine Chance geben!"

Auf dem Weg aus dem Konferenzsaal hörte ich, wie der Personalleiter zu einem Kollegen sagte: "Kein Wunder, dass sich alle aufregen. Das ist ja auch kein gutes System und wird uns eine Menge Ärger machen!" Ich konnte mir nicht verkneifen zu bemerken: "Schon blöd, wenn man etwas verkünden muss, hinter dem man selbst nicht steht...", worauf ich verdutzte Blicke erntete.

Rezension zum Thema:
Vorsicht, der Chef hat Visionen, Financial Times Deutschland 16.6.2010
Unternehmenskultur als Erfolgsfaktor, Harvard Businessmanager 1/2010

Freitag, 23. Juli 2010

Erzwungene Auszeiten?

Berater sind es gewohnt, praktisch rund um die Uhr zu arbeiten, Tageszeiten spielen keine Rolle. Wenn überhaupt, dann schaltet man am Wochenende ab. Wie reagieren Berater, wenn man ihnen plötzliche einen freien Tag in der Woche "verpasst"? Einen Tag von fünf, an dem sie keine e-Mails empfangen dürfen, eine Telefonate führen und keine Anrufbeantworter abhören sollen?

Ablehnend, skeptisch, ungläubig. So berichtet der Harvard Businessmanager von einem Experiment bei der Boston Consulting Group. Dort hat man den Versuch gestartet, begleitet von Wissenschaftlern, die zunächst einige Mühe hatten, Befürchtungen zu begegnen, dass die Beratungsqualität leide, der Kunde nicht mitspiele, vor allem aber die Karriere leide.

Das Experiment wurde, mit Unterstützung der Partner, aber trotzdem durchgezogen. Vierer-Teams, in denen jeder einen kompletten Tag abschaltete, erhielten einen fünften Berater, um die Tage im Projekt konstant zu halten. Kunden wurden beruhigt, dass man den Versuch abbrechen würde, falls es zu Problemen kommen sollte. Und in regelmäßigen Teammeetings wurde über die Erfahrungen diskutiert. Witziges Zitat: "Uns einen ganzen freien Tag aufzuzwingen war so, als ob man jemandem die rechte Hand auf dem Rücken festbindet, damit er lernt, die linke zu gebrauchen..."

Zwei Dinge finde ich spannend: Zum einen mussten die Berater sich nun besser abstimmen: Wer fehlt an welchem Tag? Wer übernimmt dann seine Aufgaben? Woran arbeitet wer gerade? Aber noch wichtiger: Wie erledigen wir eigentlich unsere Arbeit? Worauf kommt es an? Mit anderen Worten: Die Kommunikation verbesserte sich, das Miteinander war ein ganz anderes als vorher. Ein schönes Beispiel dafür, wie sich Verhalten ändert, wenn man neue Spielregeln einführt.

Zum anderen musste ich schmunzeln, als ich vom zweiten Experiment las: Man verordnete Beratern einen freien Abend, an dem all die genannte Dinge tabu waren. Da waren die Widerstände ähnlich. Vor allem: Berater sind viel unterwegs und wohnen in Hotels - was sollen sie da mit einem freien Abend anfangen? Für mich unmittelbar nachvollziehbar, kenne ich gut. Nach dem Motto: Ist doch noch früh, da kann ich doch mal eben noch ein paar Mails beantworten und noch schnell einen Entwurf fertigstellen. Was ich heute Abend schaffe, muss ich morgen nicht mehr...

Offensichtlich geland es aber auch hier, die Berater zu überzeugen, sich auf den Versuch einzulassen. Und siehe da, nach einiger Zeit konnten die ach so schwer Beschäftigten auch diesen freien Abend genießen.

Wer jetzt den Kopf schüttelt und meint, wieso man denn Menschen zwingen muss, nicht zu arbeiten - schließlich könne das doch jeder für sich selbst entscheiden, der sei daran erinnert, dass es in vielen Unternehmen, gewollt oder ungewollt, eine Art "Zwang" zum überall und immerzu Arbeiten gibt. Hier wird man schräg angeschaut, wenn man sich die Freiheit nimmt, an einem Abend ab 18.00 Uhr auf keine Anfragen mehr zu reagieren und püntlich das Büro zu verlassen. Erst wenn dieses Verhalten offiziell genehmigt, ja sogar gewünscht wird, kann sich eine solche Einstellung ändern. Wie in dem Beitrag beschrieben.

Da habe ich es leichter. Als Selbstständige kann ich mir den freien Abend selbst genehmigen. Es ist einen Versuch wert - ich werde an dieser Stelle über meine Erfahrungen berichten.

Rezension zum Thema:
Weniger arbeiten - mehr leisten, Harvard Businessmanager 1/2010

Samstag, 17. Juli 2010

Wie managt man Talentmanagement?

Was alles unter den Begriff "Talentmanagement" fällt, darüber hatte ich mich schon einmal in diesem Blog ausgelassen: Alles ist Talentmanagement. Das Thema füllt weiterhin die Fachpresse, aber besser wird es leider nicht. Nun soll der Mittelstand bekehrt werden. Armer Mittelstand.

Was mich nach wie vor ärgert, ist der erschreckend leichtfertige Umgang mit Sprache und Begriffen. Beispiel? Da hat es sich angeblich durchgesetzt, "dass Talentmanagement eine bewusste und durchdachte Vorgehensweise ist, um Mitarbeiter zu gewinnen, sie zu entwickeln und zu binden..."

Später heißt es dann, dass es für Firmen "überlebenswichtig ist, ... professionelle Mitarbeiterentwicklung und Talentmanagement zu praktizieren..." Also sind Entwicklung und Talentmanagement doch zwei unterschiedliche Dinge? Drei Absätze später: "Personalentwicklung und Talentmanagement beginnen bereits bei der Personalplanung..."

Ist das einfach nur schlampig geschrieben? Oder merkt hier niemand, dass mit Begriffen hantiert wird, ohne einmal kritisch zu hinterfragen, was eigentlich genau gemeint ist? Am Ende lesen wir dann noch das: "... eine solche Software hebt das gesamte Management der Personalentwicklung und Talentmanagementstrategien auf ein professionelleres Niveau."

Uih, nun gibt es sogar ein "Management der Talentmanagementstrategien". Wen wundert es da, wenn die Personalentwicklung nach wie vor nicht sonderlich ernst genommen wird?
Übrigens stammt der Aufsatz von einem "Fachjournalisten"...

Rezension zum Thema:
Mitarbeiter stärken, Personalmagazin 7/2010

Dienstag, 13. Juli 2010

Von Fachautoren und Fachjournalisten

"Mir ist jetzt klar, warum die meisten Fachartikel so mühsam zu lesen sind", meinte mein Kollege kürzlich nach Beendigung der Rezensionen für den aktuellen Newsletter. "Die Autoren sind keine professionellen Journalisten!"
In der Tat, so mancher Fachartikel lässt den Leser verzweifeln. Da werden seitenlang Ergebnisse von Umfragen zitiert, ohne konkrete Hinweise für die Praxis zu geben. Oder es werden Belanglosigkeiten als epochale Erkenntnisse verkauft, so dass man am Ende nur noch fassunglos ist.

Es gibt aber noch eine zweite Art von "Fachartikeln". Da schreiben Personaler, Personalentwickler oder Berater über ihre Projekte, beschreiben, welche Schritte sie unternommen haben und dass die ganze Aktion sehr erfolgreich war. Leider erklären sie uns in den seltensten Fällen, worin der Erfolg bestand. Oder noch besser: Im Verlaufe der Beiträge wird deutlich, dass all das, was wir bis dahin gelesen haben, lediglich geplant ist und man zuversichtlich ist, dass die Maßnahmen durchschlagenden Erfolg haben werden.

Liegt das Problem also bei den "Amateuren"? Machen es die Profis denn besser? Zumindest schreiben sie "unterhaltsamer", wobei sich die Muster allerdings sehr ähneln. Da wird zuerst von einer (fiktiven oder realen) Person berichtet, die vor einem Problem stand. Oder es wird ein Ereignis an den Anfang gestellt, das als "Aufhänger" dient. Dann kommt eine Reihe von Experten zu Wort und am Ende schließt sich der Bogen, indem wieder auf die Person oder das Ereignis zu Beginn des Artikels zurückgegriffen wird. Das wirkt wie eine Schablone, die vor Beginn der "Schreibarbeit" aus der Schulade gezogen wird. Macht die Sache offensichtlich "authentischer".

Was mich dabei zunehmend stört, ist die Darstellung der "Fakten". Offensichtlich besteht das Vorgehen der Fachjournalisten vor allem darin, Expertenmeinungen innerhalb und außerhalb von Unternehmen einzuholen, deren Äußerungen in einen Zusammenhang zu stellen und daraus eine Botschaft zu formulieren. Wenn einer der Anbieter von Trainings behauptet, bestimmte Themen werden vermehrt eingefordert, dann wird daraus ein Trend. Wenn ein Personaler verkündet, die Qualität der Bewerber lasse nach, haben wir es mit einem gesellschaftlichen Phänomen zu tun.

Ich fürchte, dass die Recherchen für viele Artikel allein aus dem Abtelefonieren der "Fachleute" bestehen. Vermutlich fehlt den Autoren die Zeit oder den Redaktionen das Geld, um intensivere Recherchen zu betreiben. Für den Leser bleibt nur die Erkenntnis, dass es die Aussagen nicht allzu ernst nehmen sollte.

Donnerstag, 8. Juli 2010

Planung durch Experimente ersetzen

Ich musste mehrfach schmunzeln, als ich das Interview mit Herbert Seckler, dem Inhaber des Sansibar auf Sylt, in der Wirtschaftswoche las. Er verdient gutes Geld mit Produkten, auf die er sein Logo druckt - angefangen von Schuhen über Hundenäpfe zu Polo-Hemden. Als er auf die Markenerweiterung angesprochen wird, reagiert er fast genervt: Einen (Marketing-)Plan für all das gibt es nicht. Er macht das, was ihm Spaß macht und Geld bringt - in der Gastronomie sind die Margen einfach zu gering. Und geradezu unwirsch wird er, wenn er auf sogenannte Marketing-Experten angesprochen wird. Von ihnen hält er wenig, er würde keine großen Experten kennen. Wer sich als solcher ausgibt, würde ja nichts riskieren, während er seine Existenz aufs Spiel setzt. Das klingt alles mehr nach Zufall als nach Planung. Da nutzt jemand Gelegenheiten, eine Strategie lässt sich höchstens rückwirkend hineininterpretieren.

Ähnliches in einem Beitrag der acquisa. Da wird das Versandhaus Deerberg vorgestellt, das im heimischen Wohnzimmer mit selbstgenähten Lederhosen begann und jetzt 200 Mitarbeiter beschäftigt. Heute verdient man mit einer ganzen Reihe von Geschäftsmodellen Geld, wobei man stets darauf bedacht ist, dass der Kunde sich wohlfühlt. Egal, an welcher Stelle er mit dem Unternehmen Kontakt hat. Aber eine Strategie? Zitat: "Im Marketing habe sich vieles eher zufällig, geradezu natürlich, ergeben."

Zu all dem passt schließlich ein Interview in der Brand eins mit Niels Pfläging, der mit jeglicher Form von Planung und Strategie hart ins Gericht geht. "Wenn Firmen planen, verschwenden sie entweder ihre Zeit oder schaden sich sogar." Die Welt ist nie perfekt und kontrollierbar, sondern immer eine "unfertige Beta-Version".

Und die Alternative? "Testballons". Ausprobieren. Statt großspurig eine Strategie verkünden, nach Osteuropa expandieren und auf dem Bauch zu landen, lieber mal fragen: "Was haltet Ihr davon, ein paar Filialen in Polen zu eröffnen?" Solche Schritte sollten als Experiment begriffen werden, und Experimente dürfen auch mal scheitern.

Solche Botschaften lassen sich vermutlich nicht besonders gut auf PowerPoint-Folien präsentieren. Trotzdem oder gerade deshalb sehr erfrischend.

Rezensionen zum Thema:
Ich habe keinen Plan, Wirtschaftswoche 23/2010
Wohlfühlfaktor in der Heide, acquisa 6/2010
Ziele werden maßlos überschätzt, Brand eins 6/2010

Montag, 5. Juli 2010

Unverzichtbare Leader

Was tun, wenn man nun gar nichts mehr Neues über die Ausbildung von Managern schreiben kann, aber eine Beilage zu füllen hat? Weil die Anbieter von Manager-Weiterbildungen teure Anzeigen schalten, muss ja auch ein redaktioneller Inhalt her. Und dort liest der staunende Rezensent, dass die Business Schulen verstärkt auf die Vermittlung von Soft Skills setzen. Sie hätten erkannt, dass der Erfolg von Chefs "auch auf der Leistung seiner Mitarbeiter beruht". Da wird sogar von einem neuen Führungsstil gesprochen: Der Manager erfährt, dass es sinnvoll sein kann, sich in die Situation seiner Mitarbeiter hineinzuversetzen. Er soll ihnen zuhören, sich mit ihnen austauschen, ihr Wissen nutzen und sie in Entscheidungen einbinden, dabei aber die Verantwortung übernehmen.

Die zitierten Vertreter der Business Schulen schwadronieren munter drauflos: Die Krise hätte die Unternehmen gelehrt, dass es wichtig ist, die eigenen Mitarbeiter für Mitarbeiterführung und Teamarbeit zu qualifizieren. Und noch besser: Führungskräfte würden in unverzichtbare Leader verwandelt. Grandios!

Zugunsten der Vertreter der Management Schulen nehme ich mal an, dass dieser Beitrag so wie viele andere zustande gekommen ist: Der Schreiber ruft dort an, notiert ein paar Äußerungen und schustert einen Artikel über neue Lerninhalte der Business Schulen. Wird schon keiner lesen.
Da hoffen wir aber sehr, dass die Schulen mehr zu bieten haben.

Rezension zum Thema:
Soft Skills statt Fachwissen, Financial Times Deutschland, 26.5.2010

Sonntag, 4. Juli 2010

Frauenquote

Das ist schon höchst interessant, mit welchen Argumenten für oder gegen die Frauenquote gekämpft wird. Dabei sind sich die Experten einig: Hauptursache für das Phänomen, dass so wenige Frauen in Top-Positionen gelangen, ist die "gläserne Decke", erzeugt durch eine von Männern geprägte Unternehmensrealität, die den Frauen den Zugang zu den Vorständen versperrt. Man ist sich auch noch einig in der Erkenntnis, dass all die vielen Förderprogramme, Trainings, Mentorings, Kulturprojekte und Appelle letztlich kaum etwas bewirkt haben. Auch die flexiblen Arbeitszeitmodelle, Kindertagesstätten und familienfreundlichen Maßnahmen konnten den Anteil von Frauen im Manageent nicht gravierend verbessern.

Bei der Frage, was dann überhaupt noch helfen kann, gehen die Meinungen dann auseinander. Die einen setzen auf die Frauenquote: Wenn sonst nichts nutzt, dann muss eine Änderung der Spielregeln her: Also werden die Führungskräfte und Personaler dazu verpflichtet, einen Anteil von X% Frauen in Führungspositionen zu heben.

Die Gegenseite wehrt sich vehement - mit nur einem einzigen Argument: Wenn dann eine Frau in den Vorstand berufen wird, würde ihr der Makel einer "Quotenfrau" anhaften, die es nicht durch Leistung, sondern eben Kraft einer Anordnung von oben geschafft hat. Und schiebt als weitere Begründung nach, dass man durch diese Regel die Einstellung nicht verändern könne. Stattdessen gäbe es nur eine wirkliche Maßnahme: Fördern, fördern, fördern.... Also mehr vom Bisherigen.

Schon lustig, so eine Argumentation. Man möchte also den Aufstieg durch Leistung schaffen. Und damit frau das schafft, braucht sie Förderung: Von Mentoren, Trainern, Coachs, von Personalentwicklern und ihren Programmen. Warum denn? Weil sie ohne all das die Leistung nicht bringt? Ist es also die Frau, die es aus eigener Kraft nicht schafft, in die Männerriegen vorzudringen? Bedarf sie also der Hilfe, nur eben nicht der Hilfe durch eine Quote? Seltsam, oder? Und glauben Frauen im Ernst, Männer kämen durch Leistung in Top-Positionen? Ist es besser, in den Vorstand zu gelangen, weil man einen kennt, der einen kennt, oder weil man jemandem einen Gefallen getan hat als dank einer Quote?

Ein Unternehmen, das wie die Telekom eine Frauenquote einführt, sagt doch im Grunde nichts anderes, als dass es den Frauen sehr wohl zutraut, Spitzenpositionen zu besetzen, aber den eigenen Managern nicht, deren Qualitäten zu erkennen. Ein Unternehmen, dass auf Frauenförderungsprogramme setzt, dokumentiert, dass es den Frauen die Qualifikation (noch) abspricht.

Andere Länder - wie Norwegen - haben weniger Probleme mit der Frauenquote, in etlichen wird sie diskutiert. Manchmal muss man Regeln einführen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Mag sein, dass die eine odere andere Frau sich anhören muss, es nur dank der Quote geschafft zu haben. Aber ist es besser, es trotz Qualifikation ohne Quote nicht zu schaffen?

Auch wenn ich mitunter Herrn Sattelbergers Ausführungen arg dick aufgetragen finde - in Sachen Frauenquote hat er die besseren Argumente auf seiner Seite...

Rezensionen zum Thema:
Ein Killerwort seit 15 Jahren / Frauenquote? Quotenfrauen? / Viel mehr als Zickenbefindlichkeit, Personalmagazin 6/2010
Widerstand gegen Frauenquote in Chefetagen, Financial Times Deutschland 28.5.2010