Mittwoch, 30. September 2009

Führung am eigenen Leib erleben?

Wer andere führt, sollte wissen, wie es sich anfühlt, "geführt zu werden". Deshalb steckt man Führungskräfte in Trainings, wo sie im Wechsel die Rolle des "Führenden" und des "Geführten" übernehmen. Sie wandern "blind" im Raum herum und müssen den Kollegen vertrauen, die sie um Hindernisse "herumführen" oder ihnen Anleitungen zum Bewältigen komplexerer Aufgaben geben. Oder sie klettern auf Bäume und Gerüste und müssen sich dabei voll und ganz auf andere verlassen, ohne deren Hilfestellung sie "abstürzen" würden.

Auf diese Weise lernen sie, sich in die Rolle der Geführten hineinzuversetzen, ihre Motive und Gefühle nachzuvollziehen und zu erkennen, was diese brauchen, um die geforderten Aufgaben im Sinne des gemeinsamen Ziels zu bewältigen. Sie lernen, wie wichtig Wertschätzung, klare Information, die Übertragung von Verantwortung, aber auch das Durchsetzen von Konsequenzen sind.

Was mich bei all dem schon lange wundert: Welcher "Führende" ist denn nicht selbst ein "Geführter"? Oder hat Führung nicht schon lange am eigenen Leib erlebt? Wie kann es sein, dass er erst in einem Seminar erkennt, wie sich "Führung anfühlt"? Hat er die gleiche Situation nicht tagtäglich vor Augen, wenn sein eigenen Chef mal wieder jede Wertschätzung vermissen lässt, hineinregiert, Konsequenzen nur ankündigt, aber nicht umsetzt? Wieso lernen wir nicht von diesen Vorbildern, sondern brauchen hierzu Outdoor-Trainings und Rollenspiele?

In meiner Zeit als Trainer habe ich einmal in einem Planspiel eine Führungskraft erlebt, die die "Mitarbeiter" so richtig "lang gemacht" hat. Da wurde herumkommandiert, mit ironischen Bemerkungen die Motivation zerstört und alles getan, um zu demonstrieren, wer das Sagen hatte. Bei der anschließenden Auswertung und der Rückmeldung durch seine Kollegen fiel der Satz: "Ich habe jahrelang die Schikanen meiner Vorgesetzten ertragen, jetzt, wo ich es endlich geschafft habe, auf die Stelle zu kommen, bin ich an der Reihe. Warum soll es meinen Mitarbeitern anders ergehen als mir?"

Ich weiß noch, dass dies einer der (wenigen) Momente war, in denen mir die Worte fehlten. Und in dem ich Anhänger der Idee wurde, bei der Auswahl von Führungskräften wesentlich genauer hinzuschauen, wem man Verantwortung für andere Menschen überträgt. Mit Seminaren und Outdoortrainings beißt man sich hier die Zähne aus...

Rezension zum Thema:
Hilft macht stark, managerSeminare 9/2009

Montag, 28. September 2009

High Potentials für das Personalwesen?

Wie schafft es der Personaler, bei seinen Managementkollegen anerkannt zu sein? Da haben wir das erste Problem: Das Management sieht ihn wahrscheinlich gar nicht als Kollegen. Das kann er nur ändern, wenn er eine wesentliche Kompetenz demonstriert, das sogenannte "Business Acumen" (Geschäftsverständnis). Anders ausgedrückt: Wenn die Manager über ihr Geschäft reden, dann soll er mitreden können. Kann er aber nicht, wenn er den Weg über die klassische Personalerkarriere gemacht hat - vom Sachbearbeiter zum Gruppenleiter zum Personalleiter z.B. So was nennt sich "Kaminkarriere".

Vorschlag von Beratern: Man sollte den Personalabteilungsmitarbeitern, bevorzugt natürlich High Potentials, die Möglichkeit geben, eine WeileVerantwortung im operativen Geschäft zu übernehmen. Anschließend sollten diese Talente wieder zurückkehren ins Personalmanagement, dann können sie wirklich mitreden.

Dazu eine eigene Erfahrung. Ich bin in meiner "Konzernlaufbahn" im Rahmen eines Mitarbeiterentwicklungsgespräches mal gefragt worden: "Welche Position könnten Sie sich denn so in einigen Jahren vorstellen?" Meine erste Antwort (als Mitarbeiter in der Personalentwicklung): "Ich würde gerne mal Führungskräfte vor Ort coachen, sie bei ihrem Alltagsgeschäft begleiten und ihnen Rückmeldung über die Wirkung ihres Verhaltens geben."

Falsche Antwort. "Eine solche Position haben wir doch gar nicht." - "Ich weiß, aber Sie haben mich doch gefragt. Das wäre eine, die mich interessiert."

Gemeint war mit Position jedoch eine Stelle im Organigramm, was ich schon befürchtet hatte. "Naja, ich hätte da schon eine Idee. Ich könnte mir vorstellen, mal die Leitung eines Produktionsbetriebes zu übernehmen." Fassungsloses Schweigen. "Wenn Physiker, Ingenieure oder Betriebswirtschaftler mit ihren Kenntnissen die Produktion leiten können, warum soll dazu nicht auch ein Psychologe in der Lage sein? Die einen haben Ahnung von der Technik oder den betriebswirtschaftlichen Zahlen, ich kenne mich aus mit Menschen. Und davon gibt es in der Produktion doch genug."

Kopfschütteln. "Völlig illusorisch, so etwas hat es noch nie gegeben."

Wer weiß, was aus mir geworden wäre, hätte ich diese Gelegenheit bekommen. Ob ich zurück ins Personalwesen gegangen wäre? Ich fürchte eher nein. Vielleicht lässt man Personaler auch deshalb nicht in operative Bereiche wechseln - sie würden vermutlich nicht wiederkommen.

Rezension zum Thema
Mitten hinein ins Business, Personalmagazin 7/2009

Mittwoch, 23. September 2009

Fair und erfolgreich?

In einem Interview in der Wirtschaftswoche behauptet der Chef von dm, Erich Harsch, ihm seien "Unternehmen suspekt, die Umsatzrenditen von zehn Prozent und mehr erwirtschaften." Bei diesen stünde Eigennutzen offensichtlich vor Kundennutzen.

Kann man so sehen, oder? Wer 15% Rendite erzielt, statt seine Dienstleistungen bzw. Produkte günstiger anzubieten, der könnte seinen Kunden offensichtlich ganz andere Preise bieten, würde er nicht an seinen eigenen Geldbeutel bzw. den der Eigentümer denken.

Die Interviewer können es kaum glauben und fragen ironisch nach, ob denn bei dm ausschließlich das Wohl der Kunden im Vordergrund stehe?

Schlaue Antwort: "Wir vertrauen einfach darauf, dass unser Eigennutzen als Folge des Kundennutzens nicht zu kurz kommt." Keine schlechte Philosophie, die im Fall der Drogerie-Märkte die Konkurrenz mächtig unter Druck setzt, denn offensichtlich genügen dm geringe Margen, um weiter zu expandieren. Die Sache mit dem Eigennutzen als Folge des Kundennutzens scheint also auch marktwirtschaftlich zu funktionieren.

Rezension zum Thema:
Es ist viel unbequemer. Wirtschaftswoche 33/2009

Montag, 21. September 2009

Gute Gründe für einen Auslandseinsatz?

Was ist ein guter Grund, Mitarbeiter ins Ausland zu entsenden? Soeben habe ich gelesen, dass es zwei Gründe gibt:

  1. Entwicklung globaler Führungsqualitäten bzw. künftiger "Key Player"
  2. Know how weitertragen.
Kein guter Grund sei es, eine lokale Lücke in der Nachfolge zu schließen, denn damit dokumentiere man nur, dass keine wirkliche Mitarbeiterentwicklung vor Ort erfolgt ist, was zur Frustration der lokalen Mitarbeiter führt.

Einverstanden, der zweite Grund ist nachvollziehbar: Ein Mitarbeiter wird ins Ausland geschickt, wenn dort das benötigte Wissen nicht vorhanden ist. Er gibt dieses Wissen weiter und kehrt dann in die Zentrale zurück.

Bei dem zweiten Grund aber habe ich so meine Zweifel. Wie soll das funktionieren? Der Konzern braucht in Zukunft international erfahrene Führungskräfte. Die Kandidaten sollen systematisch entwickelt werden, dazu erstellt man Richtlinien, die z.B. besagen, dass ein Mitarbeiter mindestens in zwei Ländern in zwei Funktionen bzw. Bereichen tätig gewesen sein sollte, ehe er in höhere Ebenen aufsteigt. Im Ausland sollen sie dazu ihre "Leadership-Qualitäten" ausbauen.

Ich glaube, diese Vorgehensweise ist in den meisten Fällen eher ein frommer Wunsch der Personalentwickler. Wenn es ihnen gelingt, diese Idee in die Praxis umzusetzen, dann freuen sich vor allem die Mitarbeiter im Ausland: "Da kommt wieder einer, dem wir beibringen sollen, wie man Menschen führt." Helle Begeisterung. Ich stelle mir vor, die Kollegen aus der Personalabteilung bekommen in regelmäßigen Abständen einen neuen Vorgesetzten, der von der ausländischen Tochter in die Zentrale wechselt, um dort zu lernen, wie man richtige Personalarbeit betreibt.

In der Praxis sieht es wohl ohnehin meist anders aus. Da nämlich fällt plötzlich an einer wichtigen Position jemand aus und nun muss dringend ein erfahrener Kollege einspringen. Von wegen konsequente lokale Mitarbeiterentwicklung. Und von langfristigen Entwicklungsplänen, bei denen auch die Folgepositionen nach dem Auslandsaufenthalt geklärt sind, ist in der Regel auch wenig zu sehen.

Wer es Ernst meint mit der "Entwicklung globaler Führungsqualitäten", der sollte sich verabschieden vom "Auslandseinsatz als Personalentwicklungsmaßnahme", sondern stattdessen die richtigen Leute in die geeigneten Positionen bringen und sich anschauen, wie sie sich dabei bewähren. Dabei sollte es egal sein, ob jemand aus dem Ausland in ein anderes Ausland wechselt oder in die Zentrale oder von dieser ins Ausland - entscheidend sollte die Aufgabe sein.
Zu einfach gedacht?

Rezension zum Thema:
Sieben Tipps zum Auslandseinsatz, Personalmagazin 7/2009

Dienstag, 15. September 2009

Seriengründer werden?

Das kam mir doch arg vertraut vor: Viele (Konzern-)Manager spielen mit dem Gedanken, sich aus ihrem Unternehmen zu verabschieden und als Unternehmensgründer neu anzufangen. Doch ach, da gibt es viele Gründe, die Finger davon zu lassen: Es fehlen noch einige wichtige Kenntnisse und Erfahrungen, die Kinder sind noch zu klein, die Finanzierung ist noch unklar, die aktuelle Aufgabe ist noch nicht abgeschlossen. Und dann kommt die nächste Aufgabe, die nächste Funktion und plötzlich ist man Mitte 40 und kommt zu der Erkenntnis, dass man sich doch viel früher hätte entschließen müssen. Nun scheint es zu spät zu sein.

Blödsinn, ist es nicht. Klar, eine "Unternehmerkarriere" macht man vielleicht nicht mehr. Was das ist? Man gründet ein Unternehmen, baut es auf und vergrößert es und steigt dann wieder aus, um das nächste zu gründen. Man wird praktisch zum Seriengründer. Aber ist das ein Ziel? Wird hier nicht nur die Konzernkarriere übertragen - einen Job machen, um spätestens nach fünf Jahren weiter zu ziehen, weil man das unter Karriere zu verstehen hat?

Das habe ich ohnehin noch nie verstanden, diesen Zwang zum Wechsel. Dass nur derjenige etwas wird, der von einem Job zum nächsten hüpft. Dann hat Bill Gates keine Karriere gemacht, weil er einfach viel zu wenig flexibel und mobil war. Und jeder Familienunternehmer ist gescheitert - karrieretechnisch gesehen - egal, wie erfolgreich sein Unternehmen ist.

Erinnert mich an die Gegenfrage eines Teilnehmers in einem Nachwuchsförderungsprogramm auf die Frage, wo er sich denn in fünf Jahren sieht: "Muss ich denn unbedingt eine andere Position anstreben? Ich fühle mich wohl dort, wo ich bin und kann da noch viel bewegen."

Und wann steigt man nun sinnvoller Weise aus, um ein Start up zu führen? Es stimmt, wenn man auf den perfekten Zeitpunkt wartet, dann wartet man wohl vergeblich. Ansonsten ist jeder Moment geeignet - man muss es nur tun.

Rezension zum Thema:
Sie planen ein Start-up? Sputen Sie sich, Harvard Businessmanager 3/2009

Montag, 14. September 2009

Nützliche Tandems

Aufgefallen ist es mir schon häufiger, aber noch nie so geballt wie diesmal. Gleich mehrere Beiträge in der Ausgabe 5/2009 der Personalwirtschaft wurden von einem Berater zusammen mit einem Vertreter bzw. einer Vertreterin des Unternehmens verfasst, in dem das jeweilige Projekt durchgeführt wurde. Das ist an sich keine schlechte Idee, denn reine Berateraufsätze hinterlassen in der Regel schon mal das Gefühl, hier wird jede Menge Werbung betrieben für Produkte, von denen man nicht weiß, ob sie jemals in einem Unternehmen zum Einsatz gekommen sind.

Ist der Co-Autor jedoch der zuständige Personaler oder gar der Geschäftsführer des Kunden, dann zeigt das zumindest, dass es sich hier um ein "echtes" Projekt handelte. Besser werden die Artikel deswegen noch lange nicht, und wer hofft, konkrete Erfahrungen bzw. Ergebnisse mitgeteilt zu bekommen, der hofft meist vergebens. Was das Misstrauen des Rezensenten dann erst recht entfacht ist die Tatsache, dass - nicht in unmittelbare Nähe zum Beitrag - gleich zwei der Beratungsfirmen hübsche Anzeigen für ihre Leistung platzieren. Von wegen unabhängige Fachredaktion...

Rezension zum Thema:
Auf das Ziel konzentrieren / Der Persönlichkeit auf der Spur / Know-how holen, wie man es braucht, Personalwirtschaft 5/2009

Sonntag, 13. September 2009

Legal oder legitim?

Mit dem Begriff "Compliance" tue ich mich schwer, muss immer wieder bei Wikipedia nachschauen, was man darunter versteht. Es soll ihn auch in Deutsch geben: Komplianz. Nun denn...

Es geht um die Einhaltung von Regeln, im Zusammenhang mit Wirtschaft offensichtlich darum, die Einhaltung von Regeln zu überwachen. Also leisten sich Unternehmen (bzw. müssen sich leisten) Abteilungen, die sich überlegen, wie man Menschen dazu bringt, die aufgestellten gesetzlichen, aber auch die internen Regeln einzuhalten bzw. die Einhaltung zu überprüfen. Bisher war ich immer der Meinung (und bin es auch heute noch), dass dies Aufgabe von Führungskräften ist. Offensichtlich aber sind diese damit überfordert, was nicht unbedingt an ihnen selbst liegen muss. Vielmehr ist das Regelwerk offensichtlich so komplex und unübersichtlich geworden, dass eine Führungskraft gar keine Chance mehr hat zwischen richtig und falsch zu unterscheiden. Da reicht der gesunde Menschenverstand offensichtlich nicht mehr aus.

Ein Beispiel: In einem Produktionswerk beobachteten wir, wie Arbeiter eine Anlage demontierten, reinigten und wieder zusammen setzten. Die Art und Weise, wie sie dies taten, sah reichlich improvisiert und alles andere als sicher aus. Wir lasen uns die vorhandene Anleitung durch und siehe da, hier was der Ablauf ein völlig anderer. Daraufhin angesprochen, zeigte sich der Verantwortliche völlig überrascht und meinte, diese Anleitung hätte er noch nie gesehen. Abgesehen davon sei sie so kompliziert, dass man damit niemals im vorgegebenen Zeitrahmen den Auftrag würden durchführen können. Naheliegend anzunehmen, dass auch viele andere Vorschriften kaum geeignet sind, menschliches Verhalten wirkungsvoll zu steuern.

Und dann gibt es die Fälle, in denen eine Vorschrift überflüssig ist und die menschliche Vernunft völlig ausreichen sollte. Nämlich dann, wenn etwas vielleicht legal ist und allen Gesetzen entspricht, dennoch einfach nicht in Ordnung ist. Ich erinnere mich an den Versuch des Fußballvereins Borussia Dortmund bzw. seines damaligen Managers Meier, der beim Gehalt seiner Profis sparen wollte, indem er ihr Wirken am Samstag und Sonntag als Wochenendarbeit deklarierte und damit steuerliche Vorteile nutzen wollte. Rechtlich offensichtlich machbar, also legal. Aber auch legitim? Prof. Hilb unterscheidet hier zwischen "Legal Compliance" und "Ethical Compliance". Ich finde, bei jeder Entscheidung sollte die zweite Frage, nämlich "Macht man so etwas?" zuerst gestellt werden - dann erübrigen sich manche Fragen nach dem "Darf man das?" von selbst.

Habe übrigens versucht, die Geschichte von Borussia Dortmung und der Wochenendarbeit über Google zu finden, ist mir nicht gelungen. Kann mir jemand helfen?

Rezension zum Thema:
Sehnsucht nach dem gesunden Menschenverstand, Personalwirtschaft 5/2009

Inzwischen habe ich einen Hinweis auf die Geschichte der am Wochenende arbeitenden Profi-Fußballer erhalten. Danke an Jörg Hübner.

Dienstag, 8. September 2009

Weltverbesserung als Geschäftsmodell?

Ganz ausgestanden ist das Thema "Kernkompetenz" ja wohl noch nicht. Einem Unternehmen, das Computer, Festplatten und Software vertreibt und betreut, würde man vermutlich bescheinigen, dass es sich auf seine Kernkompetenzen konzentriert. Was aber, wenn dieses Unternehmen plötzlich verkündet, es sei dafür da, die Welt ein Stück besser zu machen? Dass man sich nun um Lösung der wichtigen Menschheitsprobleme kümmern wird und für sauberes Wasser, eine bessere Gesundheitsversorgung, weniger Verkehr und effektivere Energiespeicher zuständig ist?

Ich muss gestehen, der Gedanke gefällt mir. Verbesserung der Welt als Geschäftsidee, auch wenn das eher so klingt wie das Programm einer Öko-Partei. Aber kann man davon wirklich Mitarbeiter bezahlen, Aktionäre befriedigen, Analysten überzeugen?

Das Unternehmen, von dem hier die Rede ist, kann es offensichtlich. Es heißt IBM und sein Vorstandschef behauptet, das neue Leitbild sei keine reine Imagekampagne, sondern ernst gemeint.

Klar: Zur Differenzierung von der Konkurrenz reichen Leitsätze wie "Wir lösen die wichtigsten Menschheitsprobleme" wohl kaum, da muss noch was hinzukommen. Aber mal angenommen, als Maxime würde dies tatsächlich allen unternehmerischen Handelns zugrunde gelegt - wäre doch kein schlechtes Entscheidungskriterium bei der Frage, in welche Felder man investieren will und in welche nicht.

So wie Jack Welch bei GE fragte: "Sind wir die Nr. 1, 2 oder 3 am Markt?", um zu entscheiden, ob ein Bereich fortgeführt wurde, so könnte man hier fragen: "Löst diese Anwendung ein Problem der Menschheit?"

Ob bei IBM Entscheidungen auf diese Weise getroffen werden, mag man anzweifeln. Aber mal angenomme, es wäre ein Ausschlusskriterium - der Gedanke ist doch nett, oder?
Ja, ich weiß - Gutmensch....

Rezension zum Thema:
Die Welt verschönern, Wirtschaftswoche 31/2009

Sonntag, 6. September 2009

Sie sündigen wieder

Verstehe ich das richtig? Der Staat rettet erst die Banken mit Milliarden. Dafür müssen sich die Regierungen Geld durch den Verkauf von Anleihen am Kapitalmarkt besorgen. Und wer ist für diese Geschäfte zuständig? Eben jene Banken. Die wiederum brauchen für das Geschäft entsprechendes Personal, nur das beste, versteht sich. Also locken sie mit Millionen die Banker an bzw. werben sie bei der Konkurrenz ab - woran wiederum auch die Headhunter prächtig verdienen.

Da die Öffentlichkeit nicht sonderlich begeistert ist, wenn wieder von fetten Boni die Rede ist, hilft man sich mit einem Trick: Man hebt die Fixgehälter drastisch an. Ohnehin waren viele Boni in der Vergangenenheit ja sogenannte "Garantie-Boni" - ein Widerspruch in sich.

All das löst zwar den Ärger bei der Konkurrenz aus, die ohne Staatshilfe zurecht gekommen ist, aber es ändert nichts. Das System scheint unverändert. Zitat eines Analysten: "Sie beginnen wieder zu sündigen."

Verstehe durchaus, wenn ernsthafte Menschen fordern, die Gehälter von Bankern nach oben zu begrenzen. Besser wäre es allerdings, das gesamte System in Frage zu stellen. Aber das will niemand ernsthaft, oder?

(Quelle: Tim Bartz: Schöner Schein, Financial Times Deutschland, 16.7.2009, S. 23)

Oberschlaue Berater

Ein Kommentar in der Financial Times Deutschland, der mich fassungslos macht. Da verraten uns Berater von der Boston Consulting Group, dass variable Vergütungen für Manager neu gestaltet werden müssen. Nein, das Instrument an sich stellen sie nicht in Frage, schließlich müssen wir ja die Besten in Deutschland halten, sie laufen uns ja weg, wenn wir ihnen keine Chance auf einen Millionenverdienst bieten.

Und dann kommen so tolle Tipps wie: Die Boni sollen sich an langfristigen Entwicklungen orientieren, an Kennzahlen, die tatsächlich von den Managern beeinflussbar sind und nicht von zufälligen konjunkturellen Entwicklungen abhängen und vor allem, dass es auch "negative Boni" geben muss. Das soll dann so funktionieren, dass die Boni in einer Bonusbank verwahrt werden und wenn es schlecht läuft, entsprechend gekürzt werden.

Nun bleiben wir doch mal einen Augenblick streng logisch. Also: Manager werden angestellt, sollen aber wie Unternehmer und Investoren das Risiko tragen? Wenn ich Unternehmer werden will, dann lasse ich mich doch nicht anstellen, oder? Dann werde ich Unternehmer. Soll heißen: Bezahlt Manager ordentlich, aber mit einem Festgehalt, wie sich das für Angestellte gehört.

Geht nicht, weil sie dann aus Deutschland ausreißen? Wenn das so ist, dann ist der Vorschlag mit dem "negativen Bonus" doch totaler Quark. Dann müsste das doch international eingeführt werden, sonst geht nach dieser Logik niemand zu einem (deutschen) Unternehmen, wenn woanders auf einen "Malus" verzichtet wird.

Und schließlich, was mir die Zornesröte ins Gesicht treibt: Berater, die sich strikt weigern, erfolgsabhängige Verträge abzuschließen, erzählen ihren Kunden was über erfolgsabhängige Vergütung und Beteiligung am Risiko. Oh Mann....

Rezension zum Thema:
Lohn für echte Leistung, Financial Times Deutschland, 14.7.2009

Freitag, 4. September 2009

Fangfrage des Monats

Die "MWonline-Fangfrage" des Monats: Einmal angenommen, Sie haben einen Tag Urlaub und spielen Golf oder gehen mittags nett essen. Dabei erblicken Sie den Leiter der Nachbarabteilung, wie er sich offenbar praechtig amuesiert. Dagegen ist im Prinzip nichts einzuwenden, dumm nur, dass er offiziell auf Dienstreise zu einem Kongress und offiziell etliche hundert Kilometer weit weg ist. Wie es aussieht, hat er sich die Reise geschenkt und macht stattdessen ebenfalls ein paar Tage Urlaub. Fuer Sie ist das besonders aergerlich, denn eigentlich waeren Sie gerne zu diesem Kongress gefahren, aber Ihr Chef, der Kollege jenes besagten Abteilungsleiters, hat Ihnen erklaert, dass Sie vielleicht fachlich der richtige Mann seien, aber Ober sticht nun mal Unter, da koenne man nichts machen.

Was tun Sie? Noch hat der angebliche Kongressbesucher Sie nicht gesehen, Sie haben also die Moeglichkeit, sich dezent abzusetzen.

Wie ich auf die Frage komme? In der Personalwirtschaft ist ein Artikel zum Thema "Compliance" erschienen, und das hat mich an die Frage in einem Einstellungsinterview erinnert, die so aehnlich wie die hier geschilderte Situation gestellt wurde. Was haetten Sie hierauf geantwortet? Wir sind gespannt auf die Antworten und werden unter den Einsendern ein Buch verlosen.

Donnerstag, 3. September 2009

Lieber Weihnachtsgeld als Weiterbildung

In der Krise wird gespart, keine Frage. Aber bitte intelligent sparen, raten die Experten. Vor allem möge man darauf achten, dass das Engagement und die Bindung der Mitarbeiter hochgehalten werden. Dazu gehört, dass man attraktive Karriereperspektiven bietet, faire Vergütungsstrukturen schafft und differenzierte Qualifikationsmaßnahmen ermöglicht. Denn, so die Ansage: Der Kampf um die besten Mitarbeiter geht weiter, spätestens nach der Krise.

Leicht dahingeschrieben. Wo soll man denn dann sparen? Antwort: Z.B. an den "monetären Zusatzleistungen". Ach ja?

Ein Erlebnis: Ein Konzern hat ein Personalentwicklungsprogramm mit mehreren aufeinander aufbauenden Veranstaltungen aufgesetzt. Teil 1 war gelaufen, es sollte Teil 2 folgen. Dann kam die Krise, die Umsätze brachen ein und Sparen war angesagt. Aussage: "Uns ist klar, dass man gerade jetzt nicht an der Personalentwicklung sparen sollte. Aber zum einen bleiben uns kaum Schrauben zum Drehen. Und zum anderen: Wenn wir den Mitarbeitern ans Geld gehen, sie gleichzeitig weiter auf Seminare schicken, dann werden wir heftigen Widerstand auslösen nach dem Motto: Uns streichen sie das Weihnachtsgeld, aber für Seminare ist noch genug da. Damit kriegen wir ein großes Problem. Deshalb müssen wir leider alle geplanten Veranstaltungen erst mal verschieben."

Was lernen wir daraus?

  1. Vom Wissen (dass Personalentwicklung wichtig ist) zur Umsetzung (nämlich in schlechten Zeiten gerade hier zu investieren) ist ein weiter Weg.

  2. Wenn die Mitarbeiter den Euro in der Tasche der Weiterbildung vorziehen, dann sind wir noch weit von der Wissensgesellschaft und dem "lebenslangen Lernen" entfernt. Oder anders ausgedrückt: Den Mehrwert von Personalentwicklungsmaßnahmen zu vermitteln ist ein hartes Stück Arbeit.

  3. Die Feststellung, in der Krise gerade in Weiterbildung zu investieren, dürfte vor allem ein frommer Wunsch der Weiterbildungsbranche sein. Mit der Realität hat es nur bedingt zu tun.
Oder hat jemand andere Erfahrungen gemacht?

Rezension zum Thema:
Kostenschraube sensivel drehen, Personalwirtschaft 4/2009

Dienstag, 1. September 2009

Assessment Center, in denen keiner verliert?

Ein Assessment Center dient dazu, unter mehreren Kandidaten die für eine Position geeignetsten herauszufischen. Was bei der Einstellung jedem klar ist und es daher auch akzeptiert ist, dass es hier Verlierer gibt (nämlich diejenigen, die als nicht geeignet oder zumindest als nicht ganz so geeignet nach Hause geschickt werden), sieht das bei den internen Personalentwicklungs-ACs schon etwas anders aus. Hier möchte man ja nicht, dass diejenigen, denen kein besonderes Potenzial bescheinigt wird, anschließend frustriert in den Seilen hängen.

Also nennt man die Veranstaltung manchmal Development Center, Development Workshop, Personalentwicklungsseminar oder, wie bei Dr. August Oetker, "Talente im Fokus". Hier können Teilnehmer, denen ihre Vorgesetzten "Potenzial für eine erweiterte Aufgabenstellung" attestieren, teilnehmen oder sich freiwillig melden. Letzteres ist übrigens keine Selbstverständlichkeit, zeigt aber, dass man die Mitarbeiter hier etwas ernster nimmt.

Bei dieser Maßnahme gebe es nur Gewinner, weil alle etwas über sich erfahren. Und diejenigen, denen man kein Führungspotenzial attestiert, seien erleichtert, dass ihnen diese Bürde erspart bleibt.

Das klingt schön, aber ist es realistisch? Ich kann mich an an zwei (ZWEI!) Fälle erinnern, in denen Teilnehmer an einem AC anschließend froh waren, nicht als zukünftige Führungskraft herauszukommen. In dem einen Fall hatte der Vorgesetzte den Mitarbeiter vorgeschlagen, was diesem schon gar nicht recht war. Aber ein "Nein" hätte man nicht akzeptiert, also ging er hin, erhielt das Prädikat "kein Führungspotenzial" und kehrte erleichtert, aber auch gedemütigt zurück. Schließlich hatte er alt ausgesehen und das ganz überflüssigerweise.

In dem anderen Fall war auch der Vorgesetzte die treibende Kraft, und am Ende erhielt der Mitarbeiter sogar die Empfehlung, sich in Sachen Führung weiter zu entwickeln. Im Abschlussgespräch bat er darum, ihn auf seiner Position zu belassen. Er würde sich dort wohl fühlen, hätte ein sehr spannendes Arbeitsgebiet und würde mit Führungsaufgaben all das aufgeben müssen, was ihm jetzt so viel bedeutete. Man war leicht vergrätzt, aber akzeptierte seine Entscheidung.

Aber was ist mit denjenigen, die als zukünftige Führungskraft in die Veranstaltung geschickt werden? Oder denjenigen, die sich selbst melden, weil sie Karriere als Manager machen möchten? Und die dann bescheinigt bekommen, das daraus nichts wird? Sie sollen froh sein, dass sie dabei waren, weil man ihnen ihre Grenzen aufgezeigt hat? Wie viel Feinfühligkeit gehört dazu? Und vor allem: Wie überzeugend müssen die Übungen und Bewertungen sein, damit diese Botschaft ankommt?

Ich habe noch keine Beobachterschulung erlebt, in der die (Laien-)Beobachter so trainiert wurden, dass sie in der Lage waren, ein so klares und nachvollziehbares Bild eines Kanidaten zu entwerfen, dass dieser glücklich ist, wenn er anschließend wieder auf seine alte Position darf. Daher: Ich wünsche es den Oetker-Mitarbeitern, dass keiner im AC - pardon: "Talente im Fokus" - verliert. Aber ich bezweifle es sehr...

Rezension zum Thema:
Ehrlich sein, besonders zu sich selbst, Personalwirtschaft 4/2009