Eine sehr interessante Frage. In der Tat: An allen Ecken und Enden lauern Feedback-Prozesse, Beurteilungen, Bewertungen unseres Verhaltens bzw. unserer Person. Vorgesetzte bewerten ihre Mitarbeiter, Mitarbeiter bewerten ihre Chefs, die das Feedback ihrer Kollegen und Kunden gleich mitgeliefert bekommen (von 180 Grad bis 360 Grad). Und wer im Netz der Netze aktiv ist, der findet sich auf Beurteilungsplattformen bewertet - entweder in Form seiner Werke wie Bücher, Artikel, Lieder, Bilder, seiner Taten, seiner Kundenorientierung oder seiner Produkte.
Wird das irgendwannn zu viel? Können wir mit all diesen Bewertungen überhaupt noch etwas anfangen? Stumpfen wir ab, hören auf, die Bewertungen und Zuschreibungen kritisch zu hinterfragen und mit unserem Selbstbild abzugleichen? Suchen uns nur noch das heraus, was zu unserem Selbstkonzept passt und bestärken uns selbst darin?
Oder drehen wir uns immer schneller im Kreis, versuchen, dem Wunschbild der anderen gerecht zu werden, verändern unser Verhalten und stellen irgendwann fest, dass wir es ja ohnehin nie allen recht machen können, um dann auf das Feedback nur noch achselzuckend zu reagieren und uns dem Alltagsgeschäft zuzuwenden?
Ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Ich bin ein großer Freund von Feedback. Kein Freund der formalisierten Feedback-Instrumente, die Verhalten und Persönlichkeiten in Kompetenzmodelle packen und mit Noten versehen, die jede Interpretation zulassen und letztlich nur dazu dienen, sich mit anderen zu vergleichen und zu hoffen, im Gesamtergebnis besser abzuschneiden.
Feedback ist nicht das Problem
Ich glaube, dass immer noch viel zu viele Menschen von anderen im Unklaren darüber gelassen werden, was man über sie denkt. Nach wie vor ziehen es die meisten vor, sich hinter Andeutungen und Reaktionen zu verstecken, ohne klar zu äußern, was man über ein bestimmtes Verhalten denkt. Ganz einfach aus Angst vor dem Konflikt, davor, nachher weniger gemocht zu werden. All die Instrumente wären völlig überflüssig, wenn wir uns hin und wieder Zeit nehmen und uns darüber unterhalten würden, was wir fühlen und denken bei bestimmten Verhaltensweisen des anderen.
Da wir das aber nach wie vor vermeiden, kommen wir Personalentwickler daher und zwingen Menschen mit mehr oder weniger tauglichen Instrumenten zum Geben und Empfangen von Feedback. Das Problem ist meiner Meinung nach nicht ein "Zu viel" an Feedback, sondern ein ganz anderes: Wir stellen zwar die Instrumente zur Verfügung, aber lassen die Empfänger anschließend mit dem Ergebnis allein. Wer einmal erlebt hat, wie schwierig die Moderation von Feedback-Gesprächen ist, bei denen sich Menschen versuchen, sich gegenseitig ihr "Fremdbild" zu vermitteln, dem sollte klar sein, dass das schriftliche Ergebnis eines Fragebogens mehr als erklärungsbedürftig ist. Hier nicht zu beraten und zu helfen, das Ergebnis einzuordnen, halte ich für verantwortungslos. Das aber ist der eigentlich aufwändige Teil, derjenige, der Arbeit macht und der die Konfrontation mit Emotionen wie Ängsten, Empörung, Verwirrung, Unsicherheit, aber auch Freude und Stolz unvermeidlich macht.
Einen Fragebogen zu entwerfen, ausfüllen oder anklicken zu lassen und die automatisch erstellte Auswertung zu verschicken, ist dagegen einfach. Und man kann noch so wunderbar Statistik damit betreiben, diese in bunte Charts packen und dem Management präsentieren. "Seht her, was wir herausgefunden haben." Reine Personalentwickler-Show...
Rezension zum Thema:
Das wahre Ich entwickeln, managerSeminare 7/2010
Samstag, 31. Juli 2010
Kann man zu viel Feedback bekommen?
Eingestellt von Johannes um 20:05:00
Labels: Beurteilung
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2 Kommentare:
Hallo!
Für mich persönlich ist Feedback wichtig. In allen Lebenslagen. Wenn man allein sieht, wie fatal sich Missverständnisse auswirken können, manchmal jahrelang...
Manchmal hat man auch dran zu knabbern, doch das sind oft mit die wertvollsten Feedbacks, die man bekommen kann.
Also: Pro Feedback!
Ohne Feedback Prozesse stehen wir im Nebel.
Zuviel ist wahrscheinlich nicht gut. Zu wenig auch nicht.
Der Hinweis mit dem Selbstbild ist sehr wichtig. Wie viel aufgezeigte Abweichung von meinem Selbstbild tut mir überhaupt gut? Es zeigt sich ja in empirischen Forschungen, dass es für die Selbstwirksamkeit günstig ist, sich ein "bisschen" besser zu sehen.
Das sieht man auch besonders in Coachings: Einschränkende Sichtweisen werden als situativ und nicht als "Eigenschaft der Person" gedeutet. Wünschenswertes wird der Person als solches zugeschrieben.
Wie kann ich als Feedback Nehmer aus der Vielzahl von Angeboten, wertvolles und wichtiges Feedback von unwichtigem situativ unterscheiden lernen?
Viele Grüße,
Christoph Schlachte
http://www.systemische-unternehmensberatung-und-coaching.de/
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