Dienstag, 1. September 2009

Assessment Center, in denen keiner verliert?

Ein Assessment Center dient dazu, unter mehreren Kandidaten die für eine Position geeignetsten herauszufischen. Was bei der Einstellung jedem klar ist und es daher auch akzeptiert ist, dass es hier Verlierer gibt (nämlich diejenigen, die als nicht geeignet oder zumindest als nicht ganz so geeignet nach Hause geschickt werden), sieht das bei den internen Personalentwicklungs-ACs schon etwas anders aus. Hier möchte man ja nicht, dass diejenigen, denen kein besonderes Potenzial bescheinigt wird, anschließend frustriert in den Seilen hängen.

Also nennt man die Veranstaltung manchmal Development Center, Development Workshop, Personalentwicklungsseminar oder, wie bei Dr. August Oetker, "Talente im Fokus". Hier können Teilnehmer, denen ihre Vorgesetzten "Potenzial für eine erweiterte Aufgabenstellung" attestieren, teilnehmen oder sich freiwillig melden. Letzteres ist übrigens keine Selbstverständlichkeit, zeigt aber, dass man die Mitarbeiter hier etwas ernster nimmt.

Bei dieser Maßnahme gebe es nur Gewinner, weil alle etwas über sich erfahren. Und diejenigen, denen man kein Führungspotenzial attestiert, seien erleichtert, dass ihnen diese Bürde erspart bleibt.

Das klingt schön, aber ist es realistisch? Ich kann mich an an zwei (ZWEI!) Fälle erinnern, in denen Teilnehmer an einem AC anschließend froh waren, nicht als zukünftige Führungskraft herauszukommen. In dem einen Fall hatte der Vorgesetzte den Mitarbeiter vorgeschlagen, was diesem schon gar nicht recht war. Aber ein "Nein" hätte man nicht akzeptiert, also ging er hin, erhielt das Prädikat "kein Führungspotenzial" und kehrte erleichtert, aber auch gedemütigt zurück. Schließlich hatte er alt ausgesehen und das ganz überflüssigerweise.

In dem anderen Fall war auch der Vorgesetzte die treibende Kraft, und am Ende erhielt der Mitarbeiter sogar die Empfehlung, sich in Sachen Führung weiter zu entwickeln. Im Abschlussgespräch bat er darum, ihn auf seiner Position zu belassen. Er würde sich dort wohl fühlen, hätte ein sehr spannendes Arbeitsgebiet und würde mit Führungsaufgaben all das aufgeben müssen, was ihm jetzt so viel bedeutete. Man war leicht vergrätzt, aber akzeptierte seine Entscheidung.

Aber was ist mit denjenigen, die als zukünftige Führungskraft in die Veranstaltung geschickt werden? Oder denjenigen, die sich selbst melden, weil sie Karriere als Manager machen möchten? Und die dann bescheinigt bekommen, das daraus nichts wird? Sie sollen froh sein, dass sie dabei waren, weil man ihnen ihre Grenzen aufgezeigt hat? Wie viel Feinfühligkeit gehört dazu? Und vor allem: Wie überzeugend müssen die Übungen und Bewertungen sein, damit diese Botschaft ankommt?

Ich habe noch keine Beobachterschulung erlebt, in der die (Laien-)Beobachter so trainiert wurden, dass sie in der Lage waren, ein so klares und nachvollziehbares Bild eines Kanidaten zu entwerfen, dass dieser glücklich ist, wenn er anschließend wieder auf seine alte Position darf. Daher: Ich wünsche es den Oetker-Mitarbeitern, dass keiner im AC - pardon: "Talente im Fokus" - verliert. Aber ich bezweifle es sehr...

Rezension zum Thema:
Ehrlich sein, besonders zu sich selbst, Personalwirtschaft 4/2009

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