Die Band Greatful Dead, nicht gerade mit einer Menge Top-Ten-Hits gesegnet, ist eine der profitabelsten Band der Geschichte. Anpassungsfähig, flexibel, weitsichtig sind die Attribute, die ein Managementprofessor ihr unterstellt. Ein Beispiel : Schon lange vor der Krise der Musikindustrie und der "Kostenlos-Kultur" des Internets hat sie ihre Songs verschenkt und Geld mit anderen Dingen wie Konzerten und Merchandising-Artikeln verdient. Davon kann sich modernes Management eine Scheibe abschneiden, möchte man meinen. Aber helfen solche Geschichten wirklich weiter?
Das Muster ist eigentlich immer das Gleiche: Man nehme irgendein Phänomen, etwa aus der Natur, suche nach bestimmten Prinzipien und Regeln und wende sie auf die Führung von Unternehmen an. Es wird sich schon etwas finden lassen, das man übertragen kann. Beispiele gibt es zuhauf: Wir lernen von Vogelschwärmen, von Ameisenhaufen, von Wolfsrudeln. Wir blicken auf Sportler, Künstler, charismatische Politiker, Entdecker, Polarforscher, Menschen, die ein schwieriges Schicksal überwunden haben usw. usw.
Nehmen wir den Polarforscher Ernest Shackleton. Er hat eine völlig intuitive Personalauswahl betrieben, seine Leute in ein extrem riskantes Abenteuer geführt und nach dem Scheitern heil wieder nach Hause gebracht. Letzteres wird uns als mustergültiges Krisenmanagement vorgestellt, das allerdings nicht nötig gewesen wäre, wenn das ganze Unterfangen besser geplant gewesen wäre. Taugt Sheckleton damit als Vorbild für Manager?
Ich denke, man könnte nahezu alles und jedes als Beispiel für "richtiges Managerverhalten" heranziehen. Wie wäre es mit einem Stein, der sich von niemandem beindrucken lässt und unbeirrbar seinen Platz in der Welt behauptet - und das über Millionen von Jahren? Oder vielleicht die Fliege, die blitzschnell auf jede Gefahr reagiert und sich nicht abschütteln lässt?
Irgendwie tendieren wir offensichtlich alle dazu, unablässig nach Vorbildern zu suchen, nach Erfolgsmustern und Erfolgsrezepten. Bringen sie uns wirklich weiter? Ich glaube, all diese Analogien und Helden haben maximal anregenden, in der Regel unterhaltsamen Wert, mehr kaum. Bei jedem lässt sich ein Stückchen herausschneiden, bei dem einen die Beharrlichkeit, beim nächten die Risikobereitschaft, dann wieder die Flexibilität oder das Festhalten an Prinzipien. Nimmt man all das dann zusammen, bleibt nur Ratlosigkeit: Die Mischung, die herauskommt, ist die berühmte eierlegende Wollmilchsau, und zurück bleibt die tröstliche Erkenntnis, dass man letzten Endes seinen eigenen Weg suchen muss. Und die Geschichten von der Art "Was wir lernen können von..." sollten wir maximal als nette Bettlektüre konsumieren, wenn sie den wenigstens gut erzählt werden.
Rezension zum Thema:
Mit Garcia als BP-Chef hätte es so was nie gegeben, Financial Times Deutschland, 21.5.2010
Helden wie wir, Brand eins 5/2010
Sonntag, 27. Juni 2010
Was wir lernen können von...
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2 Kommentare:
Cooler Artikel mit einer Wahrheit, die viel zu wenige Leute in der Managementberatung weder sagen noch hören wollen...
...und weil wir dem Anspruch hinterherrennen, Lösungen sollten originell, individuell und möglichst patent-schnell zu erreichen sein. Irgendwas muss den deutlich vierstelligen Tagessatz ja rechtfertigen.
Danke für das Feedback.
Mir ist schon klar, dass man als Berater irgendwie versuchen muss, sich aus der Masse herauszuheben. Veröffentlichungen sind da auf jeden Fall ein probates Mittel. Weil es aber nicht wirklich etwas Neues unter der Sonne gibt, braucht man griffige Themen - so dürften die meisten Publikationen über "Was lernen wir von..." zustande kommen.
Und da die Redaktionen auch händerringend nach originellen Themen suchen und keine Leute zum selbst recherchieren haben, landet der Kram in den Zeitschriften.
Wird sich auch nicht ändern...
Herzliche Grüße
Johannes Thönneßen
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