Sonntag, 4. Oktober 2009

Erschütternd


Ein erfolgreicher Unternehmer wechselt an die Spitze eine großen Konzerns und macht höchst interessante Erfahrungen. Die Rede ist von Jürgen Großmann, der aus einem hoch verschuldeten Unternehmen ein profitables Konglomerat aus 52 mittelständischen Betrieben machte und dann an die Spitze der RWE wechselte. Unabhängig von der Frage, was einen Unternehmer dazu treibt, in ein Angestellten-Dasein zu wechseln (denn nichts anderes ist auch ein Vorstandsvorsitz, wie Großmann selbst sagt: "Die Macht eines Vorstandsvorsitzenden wird überschätzt."), die mich schon interessiert hätte, finde ich einige Aussagen in einem Interview in der Brand eins höchst unterhaltsam.

Großmann stellt fest, dass er nach einem längeren Auslandsaufenthalt (fünf Tage Roadshow in den USA) an seinen Schreibtisch zurückkehrt und dort einen 40 cm hohen Stapel Papier vorfindet. Unterlagen, die ihm sein Stab zur Entscheidung vorgelegt hat. Er ist verärgert, weil diese hoch bezahlten Manager so viel Verantwortung an ihn zurück delegieren. Da kann man sich vorstellen, wie diese erwachsenen Menschen erzogen wurden, oder?

Dann kommt es aber so richtig dick. Großmann freut sich: "Eine der schönsten Erfahrungen hier im Haus ist, dass meine Kollegen und Mitarbeiter mittlerweile auch kontroverse Positionen einnehmen." Sensationell! Da freut sich ein Vorstandsvorsitzender, dass seine Kollegen eine eigene Meinung vertreten. Wohlgemerkt, die Rede ist hier von Konzernvorständen! Auf Nachfrage gesteht er ein, "dass eine eigene Meinung nicht immer belohnt wurde."

Wer die hehre Vorstellung hatte, dass auf Vorstandsebenen selbstständiges Denken gewünscht und gefordert wird, wird hier eines Besseren belehrt. Erschütternd? Auf jeden Fall. Dort herrscht offensichtlich klassisches Hierarchiedenken bis zum absoluten Gehorsam. Zivilcourage? Fehlanzeige. Nur einer bestimmt die Richtung, der Rest schweigt und knallt die Hacken zusammen. Da werden dramatische Fehlentscheidungen verständlich, wer nach Ursache für Wirtschaftskrisen sucht, sollte hier ansetzen.

Rezension zum Thema:
Es interessiert mich nicht, wer gegen mich intrigiert. Brand eins 9/2009

2 Kommentare:

Christoph Schlachte hat gesagt…

In Coachings mit Menschen, die direkt an den Vorstand eines großen DAX Unternehmens berichteten, machte ich leider ähnliche Erfahrungen.

Der Vorstand wurde mir als jemand beschrieben, der keine anderen Meinungen duldete. Darin war er auch sehr klar: "Bei mir gibt es nur grüne Projekte. Wer das nicht realisiert, wird sehen, was ich dann mit ihm/ihr mache."

Im Coaching zeichnete sich ab, dass eine Arbeit zum Thema "Persönlich stimmige Optimierung des Umgangs mit Restriktionen" als nützlich empfunden wurde.
Die Mitarbeiter hatten einen sehr hohen Ausbildungsstand, fachliche und soziale Kompetenz sowie vor allem Ideale in Bezug auf Unternehmensführung. Damit war vor allem gemeint kontroverse Diskussion um das Beste für das Unternehmen.
Später habe ich erfahren, dass es ihnen gelungen ist, in ihrem Einflussbereich ihr Ding zu machen und nach oben gab es eine "Anpassung" an den Stil.

Klar ist natürlich, dass in der Konsequenz so eine Art von Führung dazu führt, dass der Vorstand nicht mehr weiss, was in seinem Konzern vor sich geht.

Viele Grüße,

Christoph Schlachte

http://www.systemische-unternehmensberatung-und-coaching.de/

Anonym hat gesagt…

Sowas gibt es nicht nur in Vorständen.
Ehrich gesgt habe ich aufgrund meiner Erfahrung aus mittelständischen Betrieben, wer da so vom Chef gefördert wird und wer nicht, auch in Konzernunternehen nichts anderes erwartet. Mehrere Teilnahmen an Assessment Center im Laufe meiner Berufskarrerie haben mir auch die Überzeugung eingebracht, das kritisches Hinterfragen, Kreativität und Witz keine Fertigkeiten sind, die von kommenden Führungskräften erwartet werden; eher kompromissloses Durchtanken gepaart mit dem kommunikativen und moralischen Talent, auch die größte Schweinerei im Brustton der Überzeugung durchsetzen zu können und ansonsten das eigene Gewissen nicht weiter zu belasten. Da war mir dann schon klar, wer die Menschen sind, die solche Auswahlkriterien aufstellen und über Kandidaten entscheiden.

Nich tverschwiegen werden soll, dass es immer auch lobenswerte Ausnahmen gibt. Aber es sind Ausnahmen. Seltene. Das Berufsleben wird von vielen abgearbeitet, als zögen sie in den Krieg, Opfer und Kollateralschäden gehören dazu, solange man sie nicht slebst bringen muss. Nach Feierabend herrrscht wieder Frieden und es sind teils die liebsten Menschen. "Das ist halt der Job" heißt es als klägliche Rechtfertigung dafür, das jeglicher Anstand und eigene Meinung am Firmeneingang abgegeben werden.