Dienstag, 6. Oktober 2009

Wer braucht noch Führungskräfte?

Die Zeiten haben sich geändert. Führungskräfte haben im Grunde keine wirkliche Funktion mehr. Die Ziele werden nicht vereinbart, sondern von oben vorgegeben. Der Vorgesetzte darf sie noch verkünden, keine tragende Rolle. Die Kontrolle der Ergebnisse? Auch keine Aufgabe für Führungskräfte mehr. Tagesgenaue Zahlen erhält das Controlling auf Knopfdruck, so weiß am Abend die Unternehmensleitung, was jeder einzelne geleistet hat.

Die Sache hat auch etwas Positives: Druck machen muss der Vorgesetzte auch nicht mehr, erledigt sich von selbst, wenn die Zahlen nicht stimmen. Und er muss sich auch keine Gedanken mehr über das Gehalt seiner Mitarbeiter machen, das richtet sich allein nach den Ergebnissen. Wozu aber ist sie dann noch da, die Führungskraft?

Nein, das ist weder Polemik noch Satire, sondern fast wörtlich aus einem Artikel über ein Verkaufstraining bei der Hypo Vereinsbank.
Zitat: "Eine Führungskraft einer Bank (wie in vielen anderen Branchen auch) muss heute nicht mehr dafür sorgen, dass oder wie gearbeitet wird. Es gibt schon so viel Druck durch die organisatorischen Bedingungen und die Arbeitsgestaltung, dass dies nicht die primäre Aufgabe einer Führungskraft ist."

Eine neue Aufgabe: Coaching

Da haben sich die Verantwortlichen den Kopf zerbrochen und herausgefunden, dass es doch noch eine sinnvolle Verwendung für die Positionsinhaber gibt: Sie werden zu Coachs umgeschult. Als solche begleiten sie den Mitarbeiter mit Fragetechniken, zeigen Neugier, geben maximal Ratschläge, und das regelmäßig, aber jeweils kurz. "Sonst wird das Thema totgeredet und Motivation zerstört."

Damit hat sich also das leidige Thema "Führung" endlich erledigt. Vergessen Sie alle Führungsratgeber, Lehrbücher, Seminare und Kongresse. Stellen Sie ab sofort nur noch Coachs ein. Die müssen auch nicht ständig präsent sein, die "Coachingspanne" darf bestimmt weitaus größer sein als die Führungsspanne. Den Autoren von der Hypo Vereinbank gebührt unser aller Dank! Und der Personalwirtschaft ein Preis für innovative, vor allem aber ehrliche Beiträge!

Rezension zum Thema:
Der Krise den Schrecken nehmen, Personalwirtschaft 6/2009

1 Kommentar:

Christoph Schlachte hat gesagt…

Ein ungewöhnliches Experiment zum Thema Führung und Unternehmensergebnisse. Das scheint es in jedem Falls zu sein, das "innovative" Führungskonzept von der "Hypo Vereinsbank".

Leider wird der Begriff "Coach" wieder so dahergebracht, dass a) eine Umschulung dafür reicht und b) das interne "ex Chefs" überhaupt MA coachen können. Siehe Coaching Definition: http://www.dbvc.de/cms/index.php?id=361

Falls das alles wirklich "ernst" ist, sollte man, falls man dort Geschäftsbeziehungen hat, diese ernsthaft überprüfen.

Unklar ist mir noch, wer die Verantwortung für das Experiment übernimmt, oder ob im Zweifel der Staat, sprich wir da mitmachen dürfen.

Christoph Schlachte
http://www.systemische-unternehmensberatung-und-coaching.de/