Freuen Sie sich auf Besprechungen? Oder sind sie eher eine Last, weil sie Ihre Zeit stehlen? Stunden, die Sie sinnvoller verbringen könnten? In denen Sie stattdessen gelangweilt herumsitzen, frustlosen Diskussionen beiwohnen, sich über ständig wiederkehrende Argumente ärgern, und am Ende dann doch nichts entschieden wird?
In der Tat stöhnen viele Menschen über die Flut an Meetings, ohne etwas daran zu ändern. Dabei gibt es Literatur genug zu dem Thema, und die Ratschläge, wie man es besser macht, kennt man im Grunde alle: Eine sorgfältige Vorbereitung, Unterlagen vorher verteilen, Killerphrasen unterbinden, Störungen behandeln, die Redezeit begrenzen, Entscheidungen protokollieren usw. usw. Wer mehr davon sucht, ist in der MWonline-Ideenfabrik gut aufgehoben. Warum hilft all das dennoch nicht weiter?
Als ich zum ersten Mal von Open Space hörte, dachte ich: "Das ist es. Man sollte das Gesetz der zwei Füße überall verbindlich einführen." Bedeutet: Wer auf einer Besprechung das Gefühl hat, nicht wirklich zum Thema etwas beitragen zu können oder nicht Neues zu erfahren, der verlässt die Besprechung einfach und geht sinnvolleren Beschäftigungen nach. Wie schnell würde überflüssige Besprechungen aus der Welt verschwinden, wie rasch würde eine Besprechungskultur entstehen, bei der es nicht mehr vorkommt, dass die Teilnehmer so nebenbei ihre E-Mails bearbeiten oder ihre Unterlagen mit fantasievollen Figuren vollkritzeln.
Aber würde man wirklich gehen? Hätte man nicht vor dem Ranghöchsten Angst, wenn man mitten in seinem Statement den Raum verlässt? Und hätte man nicht das Gefühl, doch etwas Wichtiges zu verpassen, das vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt besprochen wird? Dazu müsste man einen konkreten Zeitplan haben, auf den man sich verlassen kann, was wiederum bedeuten würde, dass sich jemand die Mühe macht, die Sitzung genau vorzubereiten und anschließend auch darauf zu achten, dass sich alle an die Zeiten halten. Aber genau das geschieht ja so selten...
Es ist eigentlich ganz einfach: Wie so oft liegt es am Leiter, in der Regel der Vorgesetzte. Auch diese Rechnung ist nicht neu. Würde er zwei Stunden in die Vorbereitung investieren und sich anschließend strikt an seine eigene Tagesordnung halten, könnte er vermutlich jede Besprechung um die Hälfte kürzen. Damit hätte er zwar seine eigene investierte Zeit nicht unbedingt wieder reingeholt, aber multipliziert man die eingesparte Zeit mit der Anzahl der Teilnehmer, würde sich die Sache immer rentieren.
Ich kannte mal eine Führungskraft, die begrenzte ihre regelmäßigen Meetings auf eine Stunde und packte auch nie mehr Themen hinein, als sie in dieser Zeit bewältigen konnte. Eines Tages überzog sie eine Besprechung um 15 Minuten. Am Ende entschuldigte sie sich bei den Mitarbeitern, dass sie deren Zeit in Anspruch genommen hatte und sagte zu, die 15 Minuten beim nächsten Mal "zurückzuzahlen". Was sie tatsächlich auch machte - indem sie beim nächsten Mal nach 45 Minuten fertig war.
Kleinlich? Oder nur konsequent? Ich fand es einfach ungemein effizient und glaubwürdig, und die Mitarbeiter äußerten sich extrem respektvoll über ihre Chefin.
Übrigens: Seit ich selbstständig bin, habe ich nur noch ganz selten in Sitzungen meine Zeit totgeschlagen. Selbstständige untereinander tendieren offensichtlich dazu, ihre Zeit als kostbares Gut zu behandeln. Wenn Angestellte unter den Teilnehmern sind, ist das nicht unbedingt so...
Rezension zum Thema:
Eine Runde Mitleid, Wirtschaftswoche 38/2009
Sonntag, 25. Oktober 2009
Gesetz der zwei Füße
Eingestellt von Johannes um 00:08:00
Labels: Führung, Unternehmenskultur
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