Montag, 20. Oktober 2008

Warnung vor dem Ex

Es ist nicht mehr aufzuhalten: Über die Internetseite, auf der man seine Nachbarn beschreiben und andere Menschen vor ihnen warnen kann, habe ich hier schon geschrieben (Böse Nachbarn). Die Steigerung beschrieb die Financial Times Deutschland am 19.8.2008: Es gibt eine Plattform, auf der verlassene Geliebte ihre Nachfolgerinnen vor dem Ex-Lover warnen können - mit vollem Namen und Foto! Da wird dann kein Detail ausgelassen. Bitter für den Betroffenen oder wohlverdiente Strafe? Ich find's so blöd, dass ich mir diesmal verkneife, die Seite zu nennen. Aber sie macht ein Dilemma so richtig deutlich.

Ich habe bei einem meiner wenigen Einkäufe bei ebay mal ewig lange auf die bestellte Ware gewartet, nachdem ich längst das Geld überwiesen hatte. Als ich das bei der Bewertung des Verkäufers vermerkte, erhielt ich von diesem einen Anruf, bei dem er mich böse beschimpfte und mit Beleidigungen nicht sparte. Da wurde mir klar, warum man so wenige negative Urteile bei ebay findet.

Die Frage ist, was gravierender ist: Der Schaden, der abgewendet wird, wenn Menschen vor anderen gewarnt werden oder derjenige, der durch verleumderische Äußerungen erzeugt wird, indem der Ruf eines Menschen ruiniert wird. Wie der eines Bankers, dessen Rivale, dem er die Frau ausgespannt hat, ihn solange im Internet bloßgestellte, bis er seinen Job verlor?

Lässt sich das Dilemma nicht vergleichen mit vielen anderen in der Rechtsprechung? Was ist z.B. schlimmer: Jemanden, dem man ein Kapitalverbrechen nicht eindeutig nachweisen kann, unschuldig einzusperren und damit zu ruinieren oder der Schaden, den er anderen zufügen kann, wenn er tatsächlich der Täter ist und es wieder tun wird?

Problem der Anonymität

Was an diesen Bewertungsportalen tatsächlich anwidert ist vielleicht weniger die Tatsache der Bewertung an sich. Nach wie vor gefällt mir der Gedanke, dass ich nicht erst selbst die Erfahrung machen muss, dass ein Hotel schlecht ist. Das hat es ja schon immer gegeben. Man denke nur an die begehrten Restaurantführer. Das Problem ist, dass die Bewerter anonym bleiben dürfen und die Betroffenen kaum die Möglichkeit haben, "sich zu bessern". Es müsste so etwas geben wie "Verjährung" oder die Löschung der Daten nach einem angemessenen Zeitraum.
Nur ist das Internet hier gnadenlos: Einmal veröffentlicht, findet man die Texte bis in alle Ewigkeit irgendwo gespeichert.

Ich bin gespannt, wohin sich diese Geschichte entwickelt. Dass sie sich von selbst erledigt, glaube ich kaum, denn Gemeinheiten über andere zu lesen, macht offensichtlich ungeheuer viel Freude - Schadenfreude. Davon lebt die Boulevard-Presse, warum nicht auch Internet-Portale?

Rezension zum Thema:
Moderner Pranger, Financial Times Deutschland vom 19.8.2008

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

"Nur ist das Internet hier gnadenlos: Einmal veröffentlicht, findet man die Texte bis in alle Ewigkeit irgendwo gespeichert."

Angesichts eines solchen Prangers bekommt das nebulöse "Don't be evil" von Google etwas Hintersinniges. ;P