Freitag, 8. August 2008

Böse Nachbarn

So manch einer hätte wohl eine andere Wohnung oder ein anderes Haus erworben, hätte er gewusst, in welche Nachbarschaft er gerät. Die Wohnlage lässt sich einigermaßen beurteilen, die Bausubstanz wohl auch. Aber was ist mit den Menschen, die rechts und links, über oder unter einem ihr Heim haben? Wer erkundigt sich schon im Voraus, ob diese Kinder mögen, Hunde vergiften, im Sommer jeden Tag den Grill anwerfen, jeden zweiten Abend Partys veranstalten oder im Garten mit Unkrautvernichtungsmitteln um sich werfen? Oder gar mit jedem bisherigen Nachbarn vor Gericht gelandet sind?

Im Zeitalter des Internets kann man solche Informationen nun ganz einfach erhalten. Ein Amerikaner hat die Webseite rottenneighbor.com gegründet, dort kann man sich die Gegend seiner Wahl als Landkarte heranzoomen und an roten und grünen Häuschen erkennen, ob die dort lebenden Menschen nett oder weniger nett sind.

Da ist man erst einmal sprachlos, oder? Und denkt vielleicht: Was für eine Gelegenheit, die bösesten Verleumdungen und Anschuldigungen loszuwerden. Und welche Möglichkeiten für Manipulationen eine solche Webseite bietet: Da können die Immobilienpreise einer ganzen Gegend in den Keller fallen, wenn man nur die richtigen Gerüchte streut.

Aber nicht nur für Makler eine erschreckende Vorstellung. Was ist mit potenziellen Arbeitgebern? Würden Sie jemanden einstellen, über den im Internet verbreitet wird, er sei ein Stinkstiefel? Und können so ganze Familien ins Unglück gestürzt werden?

Eine Frage der Perspektive?

Es geht noch viel weiter. Bekanntlich werden in den USA vorbestrafte Sexualtäter im Internet mit Namen und Adresse veröffentlicht. Auch deren Wohnorte sind auf rottenneihbor per Symbol abzulesen, ein Klick, und sie erscheinen samt Name und Foto. Würden wir eine solche Information schätzen, bevor wir ein Haus direkt gegenüber erwerben?

Je nachdem, aus wessen Perspektive man die Sache sieht, schüttelt es einen. Nein, ich möchte keine bösen Gerüchte über mich im Internet lesen und ständig auf der Suche nach diesen sein, um sie wieder zu löschen. Andererseits: Ich kenne Nachbarschaftsverhältnisse, bei denen ich Menschen abraten würde, dorthin zu ziehen. Nichts anderes geschieht auf dieser Webseite. Und jede Wette - solche Angebote wird es noch zuhauf geben - vorausgesetzt, es lässt sich damit irgendwie auch Geld verdienen. Ansonsten wird es ein kurzer Spuk bleiben. Wetten würde ich darauf nicht.

Sollten Sie jetzt denken: Naja, das ist eben Amerika - weit gefehlt. Geben Sie mal den Namen Ihrer Stadt in die Suche ein, Sie werden sich wundern. Die "Qualität" der dortigen Kommentare lässt allerdings vermuten, dass dieses Angebot nicht überlebt....

Rezensionen zum Thema:
Mein Feind, der Nachbar, Financial Times Deutschland vom 30.6.2008

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Als ich das zum ersten Mal gesehen und gelesen habe, ist es mir auch eiskalt den Rücken herunter gelaufen. Das ist wie bei der Stasi und nicht die Art und Weise, wie ich mir wünsche, dass sich das Web entwickelt. :-(

Anonym hat gesagt…

Ja, wie immer haben neue Entwicklungen ihre zwei Seiten. Wenn ich im Netz ein Urlaubsdomizil suche, lasse ich mich von Nutzern auf Hotelbewertungsseiten beeinflussen. Wenn ich mir bei einem Buch nicht sicher bin, nutze ich die Rezensionen anderer Leser bei Amazon. Bevor ich ein technisches Gerät kaufe, informiere ich mich über die Erfahrungen anderer Käufer via Internet.
Warum sollte das nicht bei einer ungleich wichtigeren Sache wie eine Wohnung mieten oder ein Haus zu kaufen, nützlich sein? Natürlich kommt es immer auf die Qualität der Kommentare an. Da kommt es auf die Menge an und darauf, zwischen den Zeilen zu lesen.
Es kommt eben darauf an, welche Kommentare über Nachbarn geschrieben werden.

Anonym hat gesagt…

Im Prinzip finde ich die Idee von Rotten Neighbor nicht schlecht, denn sie verhindet, daß man unangenehme Überraschungen erlebt. Um niemand persönlich an den Pranger zu stellen ( zumal die Bedürfnisse auch sehr unterschiedlich sind; der eine mag es laut und fröhlich, der andere ist sehr ruhebedürftig ), fände ich es jedoch besser, das Ganze etwas anonymer zu gestalten. Sprich: Man beschreibt sein Wohnumfeld oder Stadtteil, jedoch ohne zu kennzeichnen, in welchem Haus nun die Tratschtante und in welchem der nachts herumgrölende Besoffski wohnt und erst recht ohne Namensnennung. Es reicht ja zu wissen, daß es dort solche Leute gibt. Außerdem - gibt's denn kein Forum, in dem man etwas Positives über seine Nachbarn schreiben kann? Denn zum Glück überwiegt auch hier die Zahl der Netten die der Unsympaten.
Ich schildere jetzt mal die Gegend, in der ich wohne (Stegerwaldsiedlung, zwischen Köln-Deutz und -Mülheim) so, wie ich sie in ein solches Nachbarschaftsforum stellen würde, um sie jemand zu beschreiben,der hierher ziehen möchte:
Schön finde ich, daß die Häuser hier nicht dicht an dicht stehen, sondern das Ganze durch große Grünflächen aufgelockert ist. Oft kann man hier Eichhörnchen und Kaninchen beobachten, und einmal sah ich sogar ein Entenpärchen über die Wiese watscheln.
Mit Ärzten sind wir auch gut versorgt; es gibt ein großes Hausarztzentrum sowie zwei Zahnärztinnen.
Negativ finde ich fehlende Einkaufsmöglichkeiten. Gut, es gibt einen Schlecker, eine Apotheke, eine Bäckerei... aber als Lebensmittelgeschäft nur den Penny, wodurch ältere Menschen, die nicht mehr so mobil sind und mal eben in benachbarte Stadtteile fahren können, keine Möglichkeit haben, Angebote zu vergleichen.
Ferner gibt es zwar 3 Kioske, aber keine Kneipe oder Gaststätte.
Für die Kinder gibt es 3 Spielplätze, für die Jugendlichen das TeenTown ( dennoch scheint es für einige von ihnen ein interessantes Freizeitvergnügen zu sein, nachmittags und abends auf der Straße herumzustehen, na gut, wenn sie meinen, jedem das Seine... ), aber nichts, wo sich auch die "Junggebliebenen" treffen können, wenn sie nicht gerade einen Kurs im Familienbildungszentrum besuchen.
Vielleicht hat eines der beiden größeren Hotels die Möglichkeit, einmal im Monat Disco / My Generation Parties zu machen?
Hier lebt eine kunterbunte Mischung an unterschiedlichen Menschen, was sich nicht ausschließlich auf den Mix an Nationalitäten bezieht, sondern auch auf unterschiedliche Generationen und Berufe. Es scheinen einige sympatische und interessante Leute dabei zu sein, schade, daß man einfach nur so nebeneinander her lebt und sich nicht kennenlernt, aber ich kann ja auch keine wildfremden Menschen auf der Straße anquatschen und fragen, ob sie z.B.Lust haben, mit zu McFit oder ins Schwimmbad zu kommen, eine Fahrradtour zu machen, zu grillen....
So kenne ich nur wenige. Eine kenne ich jedoch auch, auf deren Bekanntschaft ich lieber verzichtet hätte, da sie sehr streitsüchtig ist und garantiert immer etwas zu meckern und zu keifen findet. Sollte gerade mal keiner die Wäsche zu lange auf dem Speicher hängen haben, zu laut Musik hören oder seinen Kinderwagen in den Weg gestellt haben, sucht sie irgendeinen Grund und findet ihn auch.