Montag, 18. August 2008

Flucht in die Selbstständigkeit?

Ist das so? Wird jemand, der sich in Deutschland unter die Unternehmer begibt, eher als "Versager" wahrgenommen nach dem Motto: "Zu einer Anstellung hat es wohl nicht gereicht?" Als ich den Satz las, fiel mir ein, dass mir tatsächlich so eine Haltung begegnet ist, als ich verkündete, dass ich mich zu dem Schritt entschieden hätte. Die Reaktion (eines angestellten Kollegen aus dem Personalbereich) war sinngemäß: "Für mich sind Leute, die aussteigen und sich selbstständig machen, nur nicht in der Lage, sich innerhalb eines Unternehmens zu behaupten und durchzusetzen."

Ich weiß noch, dass ich damals kurz überlegte, ob ich mir den Schuh anziehen sollte. Aber nur ganz kurz... Die Reaktion, die ich viel häufiger erhielt, lautete: "Ich bin sehr beeindruckt." - "Das finde ich total mutig." oder "Ich wünschte, ich hätte den Mut dazu."

Am Wochenende traf ich einen Bekannten, der es in seinem Fachgebiet weit gebracht hat, den Schritt aber mit Anfang 40 nun ebenfalls gegangen ist. Seine Hauptargumente: "Es wurde Zeit für etwas Neues!" und "Am Schluss habe ich nur noch gearbeitet, es gab keinen Feierabend und keine Wochenende und die Kinder bekamen mich nicht mehr zu Gesicht."

Das dürfte in der Tat neu sein: Erfolgreiche Menschen, die sich selbstständig machen, weil auch die Festanstellung keine Trennung von Beruf und Freizeit mehr ermöglicht. Und wenn schon Arbeiten ohne Ende, dann wenigstens selbst über die eigene Zeit verfügen können.

Der Personaler von damals hat sich übrigens nicht lange nach mir in die Selbstständigkeit begeben...

Rezension zum Thema:
Gründer verzweifelt gesucht, Financial Times Deutschland, 27.6.2008

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ist das so neu? Ich bin auch vor 10 Jahren in die Freiberuflichkeit gegangen, weil die "Sicherheit" des Angestelltendaseins in meiner Branche maximal drei Monate weit reichte, ich mir meinen Arbeitsplatz ganz direkt selbst verdienen musste, dazu einen Chef anteilig "durchfüttern" musste; und weder über meine Arbeitsbedingugen noch meine Zeiteinteilung noch meine Arbeitsinhalte genügend mitentscheiden konnte.
Ich denke, es gibt zwei Typen des Erfolgs: Für die einen ist es Erfolg, in der sozialen Hierarchie möglichst weit aufzusteigen (und dabei mehr zu verdienen als der Nacshbar). Das geht am besten in einem Unternehmen und scheint hierzulande (noch?) die akzeptiertere Form des Erfolgs zu sein. Es ist ein komparativer Erfolg. - Für andere ist Erfolg, sich das Leben weitgehend nach eigenem Geschmack und eigenen Bedürfnissen einzurichten. Vielleicht einen Traum anzugehen. Wie das konkret aussieht, kann sehr unterschiedlich sein, weshalb dieser Erfolg letztlich keinen externen Maßstab hat. - Für manche Menschen mag es so sein, dass sie mit Erfolgstyp 1 auch Erfolgstyp 2 erreichen. Aber ich denke, in dem Maße wie Leistungsdruck, Eigenverantwortung und Unsicherheit über den Erhalt der Position (bzw. der Kündigung) in einem Jahr, einem Monat ... zunehmen, werden immer mehr Menschen auf den Gedanken kommen, dass sie dafür nicht die Form eines fremdbestimmten Unternehmens brauchen.
Die Globalisierung frisst ihre Kinder, auf gewisse Weise.