Ein Raum ohne Fenster, geschlossene Türen rundherum, grün gestrichene Wände, Linoleum-Fußboden, Menschen auf unbequemen Bänken, die seit Stunden dort sitzen. In großen Abständen eine Stimme, kaum verständlich, aus einem Lautsprecher: "Herr Schmidt in Zimmer 3 bitte!" Ab und zu steht jemand auf und klopft vorsichtig an die Tür mit der Aufschrift "Anmeldung". Er fragt nach, ob man ihn vielleicht vergessen hat.
Ein Wartezimmer in einem Krankenhaus. Ich habe die Ausgabe 19/2008 der Wirtschaftswoche dabei und lese einen Artikel über Innovationen in der Dienstleistungsbranche. Dort wird berichtet, dass einige wenige Dienstleister intensiv in Forschung investieren und sogenannte Servicedesigner losschicken. Diese sollen sich eine Dienstleistung durch die Augen der Kunden anschauen. Es ist dabei auch die Rede vom Warten - wie kann dieses gestaltet werden, dass der Kunde/Patient sich gut aufgehoben fühlt? Ich schaue mich um und wünsche mir, ein Servicedesigner würde sich hierher verirren. Was für eine trostlose Atmosphäre, und vor allem: Welch Desaster in der Organisation der Termine.
Dabei habe ich es schon ganz anders erlebt. Eine perfekte Organisation gelingt den Zahnärzten im Haubrichforum in Köln. Dort ist ein Termin tatsächlich ein Termin, und jeder Angestellte scheint im Patienten jemanden zu erblicken, der ein Anrecht auf individuelle Behandlung und umfangreiche Information hat. Das Wartezimmer entspricht tatsächlich dem Foto...
Dabei muss es gar kein hoch moderner und chic eingerichteter Raum sein. Bei einem Kardiologen in Leverkusen steht im Wartezimmer ein PC, an dem man tatsächlich im Internet surfen kann. Überall Pflanzen, und an den Wänden hiängen Fotos und Berichte von Aktivitäten, die die Ärzte in Ländern der 3. Welt unterstützen. Das Gebäude war furchtbar, die Internetseite ist von vorgestern, doch die Praxis verbreitet eine so freundliche Wirkung, dass das Warten sich nicht wie Warten anfühlt. Und ich bin mir sicher, dass dort bisher keine Servicedesigner ihre Hand im Spiel hatten.
Rezension zum Thema:
Poppig verpackt, Wirtschaftswoche 19/2008
Dienstag, 3. Juni 2008
Warten, warten, warten...
Eingestellt von Johannes um 08:12:00
Labels: Innovationsmanagement, Marktforschung, Unternehmenskultur
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
1 Kommentar:
Ein wunderschöner Aufhänger, lieber Herr Thönneßen.
Um gotteswillen: wir brauchen und wollen doch alle keinen von externen selbsternannten Experten durch-designed'ten Service...
Die Experten kommen, hinterlassen eine angebliche optische Wohlfühlatmosphäre, gehen dann wieder und lassen die Menschen (Patienten, Ärzte und Arzthelferinnen) wieder alleine...
Und gerade hier liegt doch das Dillema: Wann und wodurch fühle ich mich als Patient / Kunde geborgen, angenommen, gewertschätzt, respektiert etc. (vor allem, wenn ich ohnehin schon (psycho-)somatisch krank bin und es mir wahrlich nicht gut geht!!
§ 1 des Grundgesetzes sollte in allen Artztpraxen und Ämtern hängen....
Was wir alle (wieder) brauchen, ist doch in erster Linie der innere Wunsch und Wille zum Dienst am Menschen. Dieser drückt sich in einem gerüttelt Maß an Demut aus (von althochdeutsch diomuoti „dienstwillig“, also eigentlich „Gesinnung eines Dienenden“) - das Gegenteil ist die egozentrierte Hochmut und Überheblichkeit, die in vielen Arztpraxen, Ämtern und Serviceabteilungen förmlich (unterschwellig) zu riechen ist.
Der Kunde als Nummer, als Stück, als etwas im Zweifel Lästiges, das den Tagesablauf durcheinander bringt.....
Daran helfen auch keine falschen Serviceversprechen, wenn man als Dienst-Leister nicht wirklich innerlich dahinter steht:
Der Kunde steht bei uns (leider) im Mittelpunkt und genau da stört er! ;-))
Was nützt das tollste Wartezimmer mit Internetzugang & more, wenn die Stimme, Mimik und Gestik des Servicepersonals oder behandelnden Arztes egozentrische Bände spricht.
Die Gesinnung eines Dienenden einzunehmen, heißt aus der Mitte seines Herzens mit Achtsamkeit zu handeln und dem Patienten / Kunden das Gefühl von Vertrauen und Angenommensein zu vermitteln.
Das "gewisse Etwas" ist nicht das optische (meist mit Geld verbundene) optische WOW-Erlebnis, sondern die Summe der unbewußt gefühlten und erlebten Momente, selbst wenn diese aus Kleinigkeiten bestehen. Gezielt platzierte Aufmerksamkeiten erzeugen beim Gast das Gefühl "privilegiert" und ein Gesicht in der homogenen Masse zu sein.
Dienen ist eine Kunst - Das Wort K.unst kommt von K.önnen, wenn es von W.ollen käme, hieße es nur W.unst.... ;-))
Bei Ritz Carlton heißt das Gastgeber-Motto daher:
"Ladies & Gentlemen serving Ladies & Gentlemen..."
"It’s not about being introverted or extroverted, it’s about caring for and respecting others. People who smile naturally. If the person smiles naturally, that’s very important to us because this is something you can’t force. And if you’re happy on the inside, you’re happy on the outside. That makes others feel GOOD.”
Quelle: http://media.ft.com/cms/5aa22940-74a7-11db-bc76-0000779e2340.pdf
Zum Abschluß noch ein Wert.voller Buchtipp zum Thema Business Hospitality (Gastlichkeit):
Patricia Wolf: Die Millionen-Dollar-Stulle: Von Gästen, Gesten & Geschenken - erfolgreicher durch Business Hospitality
http://www.amazon.de/Die-Millionen-Dollar-Stulle-Geschenken-erfolgreicher-Hospitality/dp/300024235X/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books&qid=1212565201&sr=8-1
Herz.liche Grüße
Dirk Boehmer
Kommentar veröffentlichen