Sonntag, 30. März 2008

Homo oeconomicus ist nicht auszurotten

Die Szene habe ich noch lebhaft vor Augen. Es war eine Runde mit lauter Personalern, jeder zuständig für einen eigenen Geschäftsbereich. Vorne stand ein Mitglied der Geschäftsleitung und berichtete über neue Entwicklungen im Unternehmen. Worum es genau ging, ist mir entfallen, aber in seinem Vortrag fiel der folgende Satz: "Meine Damen und Herren, machen wir uns doch nichts vor: Am Ende gibt es nur eine Sache, mit der man Menschen motivieren kann - GELD!" Ich war ziemlich fassungslos und schaute in die Runde. Nichts, keine Reaktion. Unterschiedliche Regungen auf den Gesichtern, aber kein Protest, keine Nachfrage.
Beim Hinausgehen fragte ich einen der Personalleiter: "Wieso hat niemand auf diese Feststellung reagiert? Es kann doch nicht sein, dass die HR-Leute dieses Menschenbild teilen?!" Antwort: "Man munkelt, dass er der nächste Personalvorstand wird!"

Kohle statt Vertrauen

Mal abgesehen von der herausragenden Zivilcourage der HR-Manager scheint der Glaube an den Homo oeconomicus nach wie vor weit verbreitet. Da schreibt Jack Welch in der Wirtschaftswoche 11/2008, dass man Top-Leister "reich machen soll". Und wer wenig Leistung zeige, der solle leer ausgehen, maximal das Grundgehalt bekommen. In der gleichen Ausgabe erklärt uns aber ein Professor der Volkswirtschaft, dass die These des Homo oeconomicus, der kühl kalkuliert und auf seinen Vorteil aus ist, in vielen Experimenten widerlegt ist. Beruhigend für Psychologen, dass man den Volkswirten ebenso wenig Glauben schenkt. Oder eigentlich mehr erschreckend.

Es ist offensichtlich so: Fragt man diejenigen, die die These von der "käuflichen Motivation" vertreten, wie es denn um ihre eigene Motivation bestellt ist, dann hört man immer: "Ich würde für mehr Geld sicher nicht mehr arbeiten - geht ja auch gar nicht. Aber die Mehrheit der Menschen..." Entweder der erste Teil der Aussage ist falsch - was laut der Experimente der Volkswirte unwahrscheinlich ist - oder sie pflegen mit unverbesserlicher Sturheit die These der "Mohrrüben-Motivation", um eben genau das nicht tun zu müssen, was die Experimente nahelegen: Sie müssten anderen vertrauen und sie für das honorieren, was sie von ihnen erwarten. Das aber ist ihnen offensichtlich nicht möglich. Weil sie sich selbst nicht trauen??

Rezensionen zum Thema:
"Bargeld lacht!" und "Empirische Haltlosigkeit", Wirtschaftswoche 11/2008

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hallo Herr Thönneßen,

die Diskussion Geld oder/und Werte regt immer wieder zur Diskussion an.

Möglicherweise gibt es hier keine schlüssige Antwort die auf ein klares Profil von "typischen Reaktionen mit bestimmten Persönlichkeitsprofilen" gibt. Vielleicht spielen hier auch Kontextfaktoren der Beteiligten, Befragten und sonstwie einbezogenen Handelnden eine Rolle.

Meine These: Je sicherer in sich, in seiner eigenen Situation (beruflich und privat) ein Mensch sich fühlt, umso eher ist er/sie geneigt sich mit den übergeordneten Werten seines Tuns auseinander zu setzen. Also: je besser ich weiß, dass meine berufliche Situation stabil ist, umso eher kann ich in einer wie von Ihnen beschriebenen Situation auch eine eigene / andere Stellung beziehen. Oder: je sicherer ich mich in meinem privaten Umfeld fühle,umso eher kann ich auch Kritik im beruflichen ertragen, denn ich weiß woher ich Wertschätzung erhalte. Dann mache ich auch mal den Mund auf und riskiere den Anpfiff von oben.



Vielleicht erinnert das an Maslow. Doch inzwischen weiß ja niemand mehr, wann man "soviel verdient" um auf eine höhere Stufe zu gelangen. Ich meine eher den wirklich inneren Frieden mit sich und der eigenen Welt. Dies kann sowohl auf hohem als auch niedrigem finanziellen Niveau statt finden.

Viele Grüße

Dagmar Wiegel

Anonym hat gesagt…

Nun,

für mich hat das bis ins extreme vereinfachte Menschenbild, das zur Modellvorstellung des homo oeconomicus führte etwas absurdes. Der Soziopath als Grundlage der Wirtschaftswissenschaft.

Zudem ist die Untauglichkeit dieses Modells durch zahlreiche Untersuchungen (ich möchte hier nur Prof. Dr. Axel Ockenfels erwähnen) längst nachgewiesen. Alle Schlussfolgerungen aus diesem wiedelegten Modell sind damit hinfällig (wenn man sich an die Grundlagen der wissenschaftlichen Forschung hält).

Satirische Betrachtung zum Homo Oeconomicus

Hinnerk Rümenapf

Unknown hat gesagt…

... ich sehe da kein Ausschlußprinzip und wundern müssen wir uns auch nicht. Ganz am Ende steht Geld - und was ist davor? - Auch wenn viele davon reden, dass der Weg das Ziel sei, auf dem man Erfüllung fände, so steht am Anfang doch der Schritt in eine bestimmte Richtung. Nennen wir es Grundmotiv. Und wir essen, damit wir die anderen Bedürfnisse auch erfüllen können. Oder?

Müssen wir hier wirklich immer diese simplistischen Sichten lesen?