Zwei Artikel in der Financial Times Deutschland fordern einfach einen Kommentar zum Thema "Anreizsysteme" heraus. Der eine zeigt auf, wie der Schraubenhersteller Würth ein Heer von 30.650 Außendienstlern mit Hilfe eines ausgefeilten Prämiensystems weltweit zu Höchstleistung anspornt. Es gibt A-, B- und C-Verkäufer, es gibt Dienstwagen, die den Status dokumentieren. Es gibt den Erfolgs-Club und den Top-Club, in den man aufgenommen wird, wenn man einen Umsatz von über 75.000 Euro pro Monat erzielt. Und es funktioniert seit vielen Jahren, der Erfolg gibt dem System recht. Es ist wie ein Sog, von dem alle mitgerissen werden. Einen Satz in dem Beitrag kann man leicht überlesen: Sog wird erzeugt durch Kontrolle. Eins steht fest: Ein solches System funktioniert, wenn man es genau kontrolliert. Und genau das geschieht offensichtlich bei Würth: Die Zahlen werden täglich abgerufen, und sie allein geben den Ausschlag. Zitat Reinhold Würth: "Das System weiß immer Bescheid."
Ist das ein Beleg für die These, dass man eben nur ein ausgefeiltes Anreizsystem schaffen muss, um Leistung und Erfolg zu garantieren? Ein weiterer Satz in dem Beitrag scheint mir fast ebenso wichtig zu sein. Er stammt von einem Verkäufer, der hier zitiert wird mit den Worten: "Ich glaube, es funktioniert nur dann, wenn man Spaß hat." Ob das für alle 30.000 Außendienstler gilt, darf man bezweifeln, aber würde es nicht zumindest für einen Großteil zutreffen, könnte Würth nicht so erfolgreich sein.
Anreizsystem für Ärzte
In einem anderen Beitrag wird berichtet, dass es Pilotversuche von Krankenkassen gibt, die Ärzte erfolgsorientiert bezahlen wollen. So wie bei Würth die Zahl der verkaufen Schrauben gemessen werden, so könnte man den Erfolg von Ärzten daran ablesen, ob die Blutwerte ihrer Patienten sich verbessern. Oder an der Zeit, die verstreicht, bis ein krank geschriebener Angestellter wieder an die Arbeit geht. Man muss kein Prophet sein um zu erkennen, dass die "Nebenwirkungen" erheblich sein werden. Ich stand einmal im Eingangsbereich einer Arztpraxis und bekam mit, wie ein Patient verkündete, dass er unmöglich wieder an die Arbeit gehen könne und der Arzt schließlich die Verantwortung dafür tragen würde, wenn er einen Rückfall erleiden würde. Ich höre ihn schon sagen: "Herr Doktor, Sie wollen doch bestimmt Ihre Erfolgsprämie einstreichen. Dann schreiben Sie mich mal schön krank und ich verspreche Ihnen, dass ich innerhalb der Frist wieder an meinen Arbeitsplatz zurückkehre." Das Controlling-Instrument möchte ich kennen lernen, das diese Nebenwirkung verhindern hilft.
Schlimmer aber wird eine zweite Nebenwirkung sein: Warum sollte ein Arzt einen Patienten behandeln, von dem er weiß, dass die Erfolgsaussichten gering sind, während zehn andere mit positiven Prognosen warten? Weil er den Eid des Hippokrates geschworen hat, sicher. Der Schraubenverkäufer verhält sich keineswegs unethisch, wenn er vor allem diejenigen Kunden aufsucht, von denen er sich einen prächtigen Auftrag verspricht und zu allerletzt jene besucht, die von seinen Produkten weniger halten. Gelingt es ihm dennoch, den unwilligen Käufer zu überzeugen, kann er sich auf die Schulter klopfen. Was aber ist mit dem Patienten, der trotz allen guten Willens eben nicht innerhalb der (Prämien-)Frist wieder gesund wird?
Für mich machen diese Überlegungen einmal mehr deutlich, wie naiv so manche Strategen mit "Motivationsinstrumenten" umgehen. Zudem zeigen die beiden Beispiele, dass sich sogenannte "Erfolgsrezepte" eben keineswegs beliebig übertragen lassen. Eigentlich nicht wirklich überraschend, oder?
Rezensionen zum Thema:
Die Außendienstarmee, Financial Times Deutschland 8.2.2008
Der Reiz des Geldes, Financial Times Deutschland medbiz 2/2008
Dienstag, 4. März 2008
Gesunder Wettbewerb?
Eingestellt von Johannes um 19:05:00
Labels: Entlohnung, Erfolg, Wirtschaftsethik
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