Freitag, 11. Dezember 2009

Noch mal zum Thema "Win-Win"

Ist der Begriff "Win-Win" nicht ein Widerspruch in sich? Heiko van Eckart hat mir einen interessanten Link geschickt: What ist Wrong with the Win-Win Negotiation Concept? Darin ist von neurobiologischen Erkenntnissen die Rede, dass wir neben dem "altruistischen Areal" im Hirn auch ein "Lust-Areal" besitzen. Und dass das "Lust-Prinzip" im Zweifel stärker ist als das altruistische. Soll heißen: Es mag zwar erstrebenswert sein, ein Verhandlungsergebnis zu erzielen, von dem beide etwas haben. Aber noch schöner ist das Gefühl, einen Vorteil errungen zu haben.

Allerdings, so die Hypothese, muss das noch lange nicht die langfristige Beziehung zerstören - was ja die wesentliche Begründung für das Anstreben einer Win-Win-Lösung ist. Es kann ja so sein, dass beide Seiten das Gefühl haben, gewonnen zu haben und den jeweils anderen als Verlierer sehen. Der objektive Beobachter hingegen erkennt, dass ja tatächlich beide gewonnen haben.

Kompliziert? In der Tat, aber so ist das nun mal mit einfachen Modellen - sie bilden die Wirklichkeit selten zutreffend ab. Dennoch bezweifle ich die These. Mit dem Verhandlungsergebnis ist die Situation ja noch nicht beendet. Die erste Bewertung ("Ich habe gewonnen und der andere verloren!") kann ja rasch revidiert werden - nämlich dann, wenn ich kurz danach erkenne, dass mein Vorteil gar nicht so groß war und der andere Informationen hatte, die mir nicht vorlagen. Dann ist die Beziehung doch beschädigt.

Echte Win-Win-Lösungen funktionieren nur, wenn man alle Karten auf den Tisch legt, die eigenen Interessen ebenso wie die Zwänge, denen man unterworfen ist. Nur dann kann ich einschätzen, ob ein Ergebnis den Interessen beider Parteien entgegen kommt.

Das Problem ist allerdings, dass in den seltensten Fällen so transparent miteinander umgegangen wird. Insofern ist das Win-Win-Prinzip vielleicht tatsächlich ein Utopie - aber eine schöne...

3 Kommentare:

Frank Taschner hat gesagt…

Danke für den Impuls mal drüber nachzudenken, was "win-win" eigentlich ist: Prinzip, Utopie, Methode...
Meines Erachtens wird die ganze Win-Win-Idee tendenziell von ihren Fans überschätzt und von ihren Gegnern unterschätzt.
Ich habe Harvard immer so gelesen, dass die Anwendung der fünf sog. Harvard-Prinzipien (Interessen statt Positionen, Alternativen generieren, Sachbezogenheit usw.) die Wahrscheinlichkeit von Ergebnissen erhöht, die den Interessen von beiden Seiten in höchstem Maße gerecht werden, aber keine Garantie oder Rezept darstellen. Insofern ist win-win weder Methode, noch Prinzip, noch Utopie, sondern das mögliche (wenn auch nicht hochwahrscheinliche) Ergebnis einer (gemeinsamen) Kommunikationsstrategie. Wie alle guten Strategien ist sie kontrafaktisch - sie rät also nicht das, was sowieso alle die ganze Zeit tun.

Johannes hat gesagt…

Hallo Herr Taschner,
guter Punkt! Ist ja oft so - die Geschichte mit dem Über- und Unterschätzen. Wobei meiner Meinung nach der entscheidende Punkt in Ihrem Beitrag in Klammern steht: Ergebnis einer (GEMEINSAMEN) Kommunikationsstrategie. Win-Win geht nicht, wenn nur einer danach strebt. Aber das ist vielleicht banal...

Frank Taschner hat gesagt…

jaja, oder wie Gunther Schmidt mal irgendwo sagte: Zum Kooperieren braucht es zwei, zum Sabotieren reicht einer.