150 Millionen Euro stellt Vater Staat zur Verfügung, damit Unternehmen, die ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt haben, diese Mitarbeiter qualifizieren und fit für die Zeiten machen können, wenn es wieder aufwärts geht. Ist doch keine schlechte Idee, oder? Warum sollten Mitarbeiter in dieser Zeit untätig herumsitzen? Wer vorher keine Zeit für Weiterbildungsmaßnahmen hatte, könnte jetzt endlich das Versäumte nachholen.
Tun aber die wenigsten. Die Gründe lesen sich so:
- Die Dauer der Kurzarbeit ist nicht abzusehen.
- Die Fördermöglichkeiten sind nicht überall bekannt.
- Der adminstritative Aufwand ist zu hoch.
- Man weiß nicht, wann es wieder aufwärts geht.
- Die so Qualifizierten verlassen anschließend das Unternehmen.
- Die Unternehmen haben das Weiterbildungsbudget komplett gestrichen.
Mag sein, dass einiges vorgeschoben ist, dass sich einfach auch niemand um die Sache kümmert - aber der letzte Satz macht doch stutzig. Die Unternehmen müssten einen Eigenanteil zahlen, aber nicht mal dazu sind sie bereit. Nachgefragt, warum das so ist, erfährt man offensichtlich: Die Verantwortlichen glauben nicht, dass Weiterbildung der Mitarbeiter ihnen etwas bringt. Noch krasser ausgedrückt: Jeder Cent, der in Qualifizierungsmaßnahmen gesteckt würde, wäre herausgeworfenes Geld. Selbst (fast) geschenkt ist es zu teuer.
Zugegeben, nicht alle denken so, es soll auch etliche geben, die die Staatsknete abrufen. Aber hier wird auch deutlich, warum so viele nach Modellen rufen, die den Nutzen von Weiterbildung berechenbar machen, und zwar in Euro und Cent.
Ich stelle mal eine Hypothese auf: Die Unternehmenslenker und Personaler, die diese Haltung vertreten, haben doch offensichtlich in ihrem Leben keine besonders positiven Erfahrungen in Sachen "Lernen" gesammelt. Ist sonst vorstellbar, dass sie die Chance verstreichen lassen, ihre Mitarbeiter für zukünftige Herausforderungen preisgünstig fit zu machen? Welche Antwort würde man wohl bekommen auf die Fragen:
"Haben Sie schon mal eine Qualifizierungsmaßnahme erlebt, die Ihnen wirklich was gebracht hat? Welche war das? Und was hat sie ausgezeichnet?"
Ich wette, die Antworten wären ernüchternd...
Rezensionen zum Thema:
Qualifizierung (fast) zum Nulltarif, Personalmagazin 9/2009
Verpasste Gelegenheit, Financial Times Deutschland 23.09.2009
Zeit für eine Bildungsoffensive, Handelsblatt Jg. 2009 17.08.2009
Montag, 30. November 2009
Stiefkind Weiterbildung
Eingestellt von Johannes um 16:06:00
Labels: Personalentwicklung, Training
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4 Kommentare:
Die Realität scheint mir etwas komplizierter zu sein. Nehmen wir an, das Unternehmen hat ein Konzept, eine Gruppe von Arbeitnehmern in einer neuen Technologie weiterzubilden. Zunächst stellen sie fest, dass die Fördermöglichkeiten nur auf junge Ungelernte und über 50-jährige passen (z.B. Wegebau). Willkürlich einen Teil schulen, den anderen nicht? Man findet einen interessanten Anbieter, der ist aber nicht nach den Kriterien der BA zertifiziert. Morgen kommt ein Auftrag rein, die Weiterbildung ist aber beantragt, bewilligt und terminiert. Diese Liste läßt sich fortsetzen. Fazit: die Kriterien der Föderung passen nur mit Ach und Krach auf betriebliche Konzepte und Abläufe. Es läuft umgekehrt: 1. Was haben wir Sinnvolles vor?
2. Was können wir davon durch welche Förderung refinanzieren? Manchmal gibt dann noch Kompromisse. Die BA ist großzügig und legt ihre Vorschriften durchaus flexibel aus, sie möchte schließlich nicht auf Fördermitteln sitzen bleiben. Viel Geld, Beratungs- und Werbeaufwand für wenig Nutzen. Förderkonzepte produzieren immer Nebenwirkungen und Mitnahmeeffekte. Soll das Unternehmen die Weiterbildung nach dem betrieblichen Nutzen oder nach den Förderkonzepten konzipieren?
Hallo Frau Venema,
danke für Ihren Kommentar. Es ist natürlich richtig, dass es viele Gründe gibt - einige habe ich ja auch aufgeführt, und sie sind alle zu bedenken. Mir ging es aber mehr um die Reaktion der Verantwortlichen, die u.a. äußerten, dass Qualifizierungsmaßnahmen das Unternehmen nicht wirklich weiterbringen. Scheinen zumindest eine ganze Reihe geäußert zu haben, und die Haltung kenne ich auch.
Das mit dem Problem der Förderkonzepte sehe ich genauso - die Nebenwirkungen sind wie immer nicht zu unterschätzen.
Hallo Herr Thönneßen,
nun ja, von der Weiterbildungsgläubigkeit zur Weiterbildungslüge. Von einem Extrem ins andere. Wenn kein Konzept da ist, wo man denn hin will mit der Weiterbildung, dann bringt sie natürlich auch niemand weiter. Könnte das daran liegen, dass manchmal die Unternehmensstrategie auch nicht so völlig deutlich wird? Einfach die Mitarbeiter mal ein bisschen schulen bringt natürlich kein Unternehmen voran. So gesehen haben die Weiterbildungsskeptiker recht.
Hallo Frau Venema,
ein Problem ist, wenn Weiterbildung als Wert an sich gesehen wird. Nach dem Motto: Die Mitarbeiter haben Zeit, weil zu wenig Arbeit da ist? Bilden wir sie doch weiter. Vielleicht gibt es ja ganz andere Bedarfe, und man muss genau hinschauen, wo ein Unternehmen der Schuh drückt.
Dabei könnten Innovationsworkshops oder Gesundheitsprogramme oder oder oder herauskommen.
Aber so individuelle Programme lassen sich schlecht flächendeckend fördern. Ist schon ein schwieriges Thema...
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