"So handeln, dass die Regeln, nach denen man handelt, Regeln für alle sein können" oder "Trage ich mit meinem Handeln zu einer Welt bei, in der ich selbst leben möchte?" Diese Prinzipien kennt man seit Kant, aber macht man damit Karriere? In einem Artikel der Financial Times Deutschland meint der Autor: Mit dem Kategorischen Imperativ kommt man im Gefängnis oder in der Bronx nicht weiter. Und das gelte auch für den täglichen Machtkamp im Büro. Oha...
In der Tat: Wenn es ums Überleben geht, dann wird es schwierig mit der Moral. Was wäre mit einem Gladiator geschehen, der sich nach dem Kategorischen Imperativ verhalten und einfach geweigert hätte, seinen Gegner aufzuschlitzen? Also doch: Wer weiterkommen (überleben) will, der muss seine Konkurrenz vernichten. Und dass geht halt nicht mit Fairness - und schon gar nicht mit Kooperation.
Das Problem ist nur: Der Gladiator, der überlebt, kann immer noch sagen: Ich hatte nur die Wahl zwischen Überleben und Tod. Kommt uns doch bekannt vor von manchen Entscheidern, oder? ABer ist das mit dem modernen Arbeitsleben wirklich vergleichbar? Geht es tatsächlich um das Überleben? Und sehen es alle anderen auch so? Dann kann man den Kategorischen Imperativ getrost vergessen. Hat man aber die Vorstellung von einem friedlichen Miteinander, wird es schwierig. Erst dann wird ja die Frage, ob man mit Moral weiterkommt, interessant. Kann man sich mit Fairness, Ehrlichkeit, Hilfsbereitschaft, Fleiß und Leistung behaupten? Oder funktioniert "Karriere" nur, wenn man solche Werte außer Kraft setzt?
Die Philosophen sagen, dass für langfristigen Erfolg kooperatives Verhalten unerlässlich ist, schließlich begegnet man sich immer mehrmals im Leben. Na und, sagt da der Karrierist? So lange ich oben bin, was schert mich dass?
Ich bin mir ziemlich sicher, dass einige extrem rücksichtslose Kandidaten sich sehr lange ganz oben gehalten haben und noch halten.
Schneller geht es ohne Moral
Die Antwort auf die Frage, ob man es ohne Moral schneller schafft, muss man wahrscheinlich bejahen. Noch eine Analogie: Schafft es der Sportler mit Doping und betrügerischen Absprachen, schneller an die Goldmedaille zu kommen als derjenige, der mit erlaubten Mitteln arbeitet? Ziemlich wahrscheinlich. Aber lohnt es sich, den gleichen Erfolg auf ehrliche Art und Weise zu erringen?
Womit die Frage nach dem Gewissens angesprochen ist. Oder, wie Sprenger sagt: "Gefalle ich mir, wenn ich das tue?" Ich kenne Leute, die sich am Ende ihrer Karriere selbst nicht leiden konnten und mit Verachtung auf ihr eigenes Leben zurückblickten. Ein hoher Preis für eine schnelle Karriere, finde ich. Wie fühlt sich der Sportler, der gedopt und mit Betrug an seine Goldmedaille gekommen ist?
Damit bleiben jene, denen das überhaupt nichts ausmacht, die kein Problem mit ihrem unethischen Verhalten haben. Psychopathen nennt man sie. Menschen ohne Gewissen. Auch diese wird man auf der höchsten Stufe der Karriereleiter finden. Sogar häufiger, wird behauptet. Dies zu untersuchen, wäre eine spannenden Geschichte. Aber völlig uninteressant für denjenigen, der vor der Enscheidung steht, mit welchen Mitteln er Karriere machen möchte. Wohl dem, der sich diese Frage überhaupt stellt...
Rezension zum Thema:
Oder lass ich's lieber sein? Financial Times Deutschland 1912.2008
Freitag, 27. Februar 2009
Karrieren ohne Moral?
Eingestellt von Johannes um 07:43:00
Labels: Karriere, Moral, Wirtschaftsethik
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3 Kommentare:
Sehr interessant, die die aufgeworfene Frage. Polemisch zugespitzt: Erst das Fressen und dann die Moral?
Denke, dass spätestens seit den spieltheoretischen Erkenntnissen der Kooperation eine gute Chance zugeschrieben werden kann, zumindest dann, wenn es um mittel- bzw. langfristige Strategien geht.
Nicht von ungefähr behaupten sich "Strategien" wie "tit for tat" (wie Du mir, so ich Dir) sehr gut, am besten, wenn beide eine langfristige Orientierung haben.
In diesem Sinne sollte nach meinem Dafürhalten zweierlei in Moral "geschult" werden (ja, Bildung!!!):
1) langfristiges Denken & Handeln sollte gesellschaftlicher Konsens sein und "belohnt" werden
2) der Mensch als "soziales Wesen" fühlt sich oft dann "langfristig" besser (ohne Sinnkrisen), wenn er sein eigenes Handeln auf das Anderer abstimmt.
In diesem Sinne: "Egoismus" (asozial) kann zu kurzfristigem "Vorteil" (bzw. Erfolg) führen - macht aber "wenig Spaß", wenn man dafür keine Anerkennung erhalten würde. Mittel- und langfristig sollte also (pro-)soziales Verhalten zu mehr Anerkennung (durch Andere) und damit zu größerer Wahrscheinlichkeit führen.
Aufgabe einer Moral wäre es, diese Ansicht zu fördern...
Leider tappen Sie voll in die rhetorische Falle, die die "Kritiker" des Kategorischen Imperativ so gerne stellen.
Moral ist keine Frage des individuellen Überlebens. Die Frage: Überleben oder sterben? ist per se keine moralische und deshalb als Maßstab für moralische Fragen denkbar ingeeignet.
Der Kritiker, der mit dem Bild des Gladiators die Moral als Überlebenshindernis darstellt (und sowas gehört ja heute praktisch schon zu guten Ton; "Moral ist Luxus"), hat überhaupt nicht verstanden, um was es bei Moral geht. Moral ist eine SOZIALE Frage. Moralische Fragen sind nie nur auf das einzelne Individuum zu beziehen, sondern immer auf dn sozalien Zusammenhang. Für den Gladiator lautet die moralische Frage: Mein Töten oder Sterben, inwieweit hilft es, näher an eine Welt zu kommen, in der ich, meine Liebsten, meine Mitmenschen leben wollen und sollen?
Und dies genau ist auch die Aufgabe des Managers im Wirtschaftsleben. Er ist eben kein Gladiator. Er hat eine Funktion innerhalb des Prozesses Wirtschaft, der nur einem Zweck dient: mglichst vielen Menschen ein materiell möglichst gutes Leben zu ermöglichen. Aber schon dieser Zweck wird ja überall - angefangen bei der Einführungsvorlesung BWL bis hin zum tausendsten Kommentar des Ressortleiters Wirtschaft beliebiger Medien - ad absurdum verdreht: Erfolg, Geld, Profit, Arbeitsplätze, Marktanteile lauten plötzlich die - sekundären - Ziele. Der soziale Charakter wird gleich zu Beginn aus dem Thema entfernt. Und dann lässt sich eben auch der Kategorische Imperativ,lässt sich jegliche Moral als von "Gutmenschen" injiziertes Geschwür herausoperieren. Um am Ende ein Trostpflästerchen zu verteilen: "Na, wenn wir genügend Schwein gewesen sind, dann spenden wir auch immer was für den Regenwald."
Ein weiterer Fehler ist es, moralische Fragen zu abstrahieren. Die Frage muss lauten: So wie du dich verhältst - möchtest du, dass sich so auch anderen Menschen dir, deinen Liebsten, deinen Kindern gegenüber verhalten? In dem Moment bekommt Moral plötzlich eine gaz andere Färbung, ist überhaupt nicht mehr "kategorisch imüerativ", sondern sehr persönlich.
Meine erfahrung ist allerdings, dass es "Entscheider" vorzüglich verstehen, ihre Meinung für das, was sie im Privatbereich gut und richtig finden, von ihrer geschäftlichen Tätigkeit zu trenne. Als wenn beides nichts miteinander zu tun hätte. Aber das hat es ja auch nichts, denn im Geschäftsleben geht es ja ums Überleben und im Privaten um Nettsein ...
Es ist ein grundsätzlicher Denkfehler, der zu solchen Ergebnissen führt. Ein logischer Denkfehler, der durch millionenfache Wiederholung - sogar von Menschen, die die Ergebnisse dieses Fehlers kritisieren - zu einer unwidersprohenen Tatsache geworden ist.
Orwell hätte es sich kaum schner ausdenken können.
Hallo Anonym Nr. 2
ein wichtiger Punkt - sehe keinen Widerspruch zu meinem Kommentar. Danke für Ihren Beitrag, der noch mal deutlich macht, wie leicht man mit einer aufgeworfenen Frage schon die Denkrichtung festlegt. Gut daran erinnert zu werden.
Johannes Thönneßen
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