Montag, 1. September 2008

Totes Holz

Wissen Sie, was "Deadwoods" sind? Mitarbeiter, die weder wollen noch können. 20% soll ihr Anteil im Unternehmen ausmachen. Da müssen Führungskräfte reagieren, im Zweifel ist die Trennung erforderlich. Im Gegensatz zu den "Workhorses", die zwar auch nicht so fähig sind, aber sehr willig. Bis zu 70% hiervon finden sich in den Unternehmen.

Sie stolpern über die Begriffe? Ich auch. Ich finde sie zynisch und menschenverachtend. Vielleicht bin ich da etwas zu empfindlich. Und vielleicht wirken sie in dem Buch, aus dem sie stammen (Praktische Psychologie für den Umgang mit Mitarbeitern), auch nicht so dramatisch. Aber sie klingen sehr vertraut, weil Personalberater sie im Rahmen von Management-Audits gerne verwenden, indem sie die beurteilten Manager in "Portfolios" einsortieren, deren Felder ähnliche Titel tragen.

Vor allem die Angabe von Prozentzahlen finde ich gefährlich. Spielen wir den Fall durch: Ein Manager hat 20 Mitarbeiter, also hat er darunter vier "Deadwoods" - statistisch gesehen. Findet er sie nicht, müssen in anderen Abteilungen eben deutlich mehr zu entdecken sein. Natürlich wird er Mitarbeiter haben, die weniger können und auch weniger motiviert sind als der Rest. Kritisch wird das, wenn alle tatsächlich die gleiche Aufgabe haben und die Diskrepanz erheblich ist. Ansonsten sind die Merkmale "Können" oder "Wollen" sicher nicht auf jede Anforderung anwendbar und eine solche Statistik wertlos.

Das eigentlich Gefährliche an dieser Betrachtung aber ist, dass sie die Führungskraft von ihrer Verantwortung freispricht. Wer vier "Deadwoods" unter seinen 20 Mitarbeitern hat, hat entweder bei der Einstellung gepennt und die falschen Mitarbeiter rekrutiert. Wenn es die richtigen waren, dann hat er sie falsch eingesetzt. Und wenn sie richtig eingesetzt waren und früher über das erforderliche Können verfügten, dann hapert es in Sachen Personalentwicklung. Mit der Statistik im Rücken kann der Vorgesetzte nun prima auftreten und sagen: "In jedem Unternehmen sitzen 20% Pfeifen, das ist doch ganz normal."
Ist es das?

Buchrezension zum Thema:
Lorenz, Michael / Rohrschneider, Uta: Praktische Psychologie für den Umgang mit Mitarbeitern. Die vier Mitarbeitertypen führen, Campus 2008.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Lieber Herr Thoennessen,
liebe Leser und Leserinnen,

allem Anschein nach werden wir Menschen nicht müde, einfache Erklärungen für komplexe Muster zu suchen und finden. Kategorien, nach denen Menschen "sortiert" werden können, gibt es sehr viele. Sicher sind nicht alle hilfreich oder zweckmäßig. Und bleibt die Frage, welche Ziele mit "Sortierungen" dieser Art erreicht werden sollen, unbeantwortet.

"Workhorses", "Stars","Deadwoods" etc. - welche Namen für die Kategorien auch gefunden werden: der Sprung ins Ungewisse ist da oft vorprogrammiert. Und - da gebe ich Ihnen Herr Thoennessen recht - oft sind die Begriffe "Menschenverachtend", mehr noch als das aber empfinde ich das hinter diesen Vorgehensmodellen liegende Menschenbild so.

Gleichwohl: es kann hilfreich sein, kategorisch zu urteilen. Es macht Dinge prägnand und im Sinne eines heuristischen Vorgehens verstehbar. Von daher wird es sicher auch in der Zukunft Urteile dieser Art geben. Die Frage sollte dann immer lauten: WEM NÜTZT ES (Cui bono)?

In diesem Sinne sende ich beste Grüße und freue mich weiter über kritische Äußerungen von Ihnen, denn mir nützt es, davon zu lesen/hören, weil es zum Nachdenken anregt.