Dienstag, 2. September 2008

Altersgerechte Bezahlung?

Es gibt Kulturen, in denen Alter und Erfahrung besonderen Respekt genießen. Und es gibt Unternehmenskulturen, in denen Alter und die Dauer der Betriebszugehörigkeit dafür sorgten, dass das Gehalt kontinuierlich stieg und gegen Ende des Arbeitslebens seinen höchsten Stand erreicht hatte.
Bis der Ruf nach "Leistungsorientierter Bezahlung" immer lauter wurde. Warum eigentlich soll jemand nur deshalb mehr verdienen, weil er dem Unternehmen lange die Treue gehalten hat? Ist doch seine eigene Entscheidung. Es soll einzig und allein die Leistung zählen. Basta. Selbst in japanischen Unternehmen soll ein Umdenken stattfinden.

Ich kann mich gut erinnern, dass ich als junger Angestellter ähnlich dachte. Da erhielten Kollegen ein erheblich höheres Gehalt als ich, deren Leistung ich keineswegs deutlich über der meinen einstufte. Manchmal sogar traf das Gegenteil zu. Aber Leistung zählte offenbar nicht, man musste einfach lange durchhalten, dann stieg auch das Gehalt. Was für eine verkehrte Welt, dachte ich. Braucht man nicht gerade als junger Mensch das Geld, um sein Leben aufzubauen? Und wird es nicht im Alter eher unwichtiger?

Heute, gealtert und gereift, erlebe ich es wieder anders. Da kommen junge Menschen daher, haben noch nicht wirklich etwas auf die Beine gestellt und verlangen den gleichen Lohn wie ihre erfahrenen und verdienten Kollegen - wie kann das sein? Das soll "gerecht" sein? Es ist ein wirkliches Dilemma: Wer früher weniger verdient hat mit der Aussicht, dass mit fortschreitendem Alter das Gehalt steigen wird, fühlt sich jetzt betrogen. Und wie die heute noch jungen Leistungsträger im Alter reagieren werden, wenn man ihr Gehalt zugunsten der dann jüngeren Kollegen stutzt, ahnt man sicher.

Jetzt, wo der Nachwuchs knapp wird, kann es aber auch durchaus sein, dass die Unternehmen wieder umschwenken. Dennoch: Die Entlohnung an der tatsächlich erbrachten Leistung zu orientieren wird wohl bleiben - wobei die Frage immer wieder lauten wird: Was ist eigentlich "Leistung"? Und wie misst man diese?

Aber vielleicht wird es so wie in vielen Dingen: Es kommt darauf an, was einem Unternehmen wichtig ist: Will es loyale Mitarbeiter, wird es auch Loyalität und Treue zum Unternehmen honorieren. Wer ausschließlich auf die momentane Leistung schaut, wird damit leben müssen, dass die Leistungsträger sich wie jeder Marktteilnehmer verhalten: Sie wechseln wie Profi-Fußballer zum Arbeitgeber, der das höchste Gehalt zahlt. Wäre für alle, die das hohe Lied der leistungsorientierten Bezahlung singen, mal ein Anlass zum Nachdenken.

Rezension zum Thema:
Vergütung und Versorgung gestalten, PERSONAL 3/2008

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