Mittwoch, 3. September 2008

Niemand hört mehr zu

Kaum jemand hört noch richtig zu. Es ist erschreckend, wie sich Menschen in Gesprächen verhalten. Der Verlauf ist meist wie folgt: "Wie geht's?" oder "Was macht der Job?" oder "Wie geht es den Kindern?" Antwort: "Die Kinder sind bei unseren Verwandten in England." Doch das ist schon zu zu viel der Information. Sofort hat der andere eigene Erfahrungen zu berichten. "Mein Sohn ist zur Zeit in Frankreich. Er fühlt sich total wohl..." Und er erzählt und erzählt Dinge, nach denen ich nie gefragt habe. In mir wühlt es und ich möchte am liebsten brüllen: "Wer will das wissen? Frag mich nicht mehr, wenn du meine Geschichte nicht hören willst!"

Nicht nur von der Vielzahl an Medien werden wir zugeschüttet mit Informationen, die kein Mensch benötigt, es scheint, als seien auch die meisten Menschen bestrebt, andere mit unverlangten Texten einzudecken.

Es gibt noch eine zweite Art des "Nicht-Zuhörens", auch dazu ein Beispiel. Ein Kollege hat einem anderen Vorwürfe zu dessen angeblichen Äußerungen gemacht, es kam zum Konflikt. Die anderen unterhalten sich über den Fall und diskutieren, ob die Vorwürfe berechtigt waren oder nicht. Ich werfe ein: "Das lässt sich wohl schwer herausfinden, ist aber meines Erachtens nicht das Hauptproblem. Ich denke, er sollte die Geschichte im persönlichen Gespräch klären und in Zukunft den Kollegen in dem Moment ansprechen, in dem ihm das Verhalten geärgert hat statt im Nachhinein auf ihn loszugehen."

Antwort: "Aber wenn der Kollege das wirklich gesagt hat, dann verstehe ich seinen Ärger und würde das auch loswerden wollen."
Hallo? Habe ich etwas anderes gesagt? Habe ich nicht. Anders als in dem ersten Fall, in dem die Antworten erst gar nicht interessieren, wird hier nicht genau zugehört.

Meine frustrierende Erkenntnis: Viele wollen gar nicht zuhören, und wenn, dann versuchen sie nicht wirklich, die Botschaft zu verstehen. Beides hat erschreckend zugenommen, sei es im Berufsleben oder im Privatbereich. Ich frage mich natürlich, was mein Anteil daran ist, finde aber keine Erklärung. Vielleicht höre ich mir selbst nicht richtig zu?

Den folgenden Link schickte mir Roland Kopp-Wichmann zum Thema: Warum können viele Menschen nicht zuhören?

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ja, das Phänomen ist allgegenwärtig zu beobachten. Neulich hörte ich von jemandem eine Erklärung "Wer spricht, braucht nicht zuzuhören."
Wenn man jetzt nicht in eine allgemeine kulturpessimistische Betrachtung verfallen will nach dem Motto "das Tempo hat zugenommen", "der Stress" oder "Globalisierung" ist es schon nützlich, über diemöglichen Gründe nachzudenken.
Ich habe das im Frühjahr getan und einen längeren Blog-Text dazu verfasst. Wen es interessiert: http://tinyurl.com/2j6g57
Dass Sie sich selber zuwenig zuhören, macht mir in diesem Zusammenhang keinen Sinn. Ich weiß auch gar nicht, ob "früher" besser oder anders zugehört wurde. Letztlich hilft glaube ich nur, den Betreffenden in einem ruhigen Moment mal darauf anzusprechen. Und mit der Zeit wird man seine Freunde und Bekannten sortieren müssen, will man, dass der andere auch zuhört.