Samstag, 26. Juli 2008

Fachwissen oder Soft Skills?

Was sollte bei der Besetzung einer Stelle den Ausschlag geben: Die Soft Skills des Kandidaten oder seine Fachkenntnisse? Die Fachkenntnisse natürlich, dafür stelle ich doch jemanden ein, oder? Unsinn, sagen die anderen, die Soft Skills. Die Fachkenntnisse kann man sich aneignen, aber wem die sozialen Fähigkeiten fehlen, dem wird man sie später kaum noch vermitteln können.

Ja was denn nun? Die Frage taucht zum Beispiel auch immer dann auf, wenn es um einen Auflandsaufenthalt geht. Da ereifern sich die Fachleute, dass bei Befragungen immer wieder herauskommt, dass bei der Auswahl von Kandidaten das Fachwissen an erster Stelle steht. An zweiter Stelle kommt die Beherrschung einer fremden Sprache. Die sozialen Fähigkeiten dagegen spielen keine große Rolle. Wo diese doch meist für das Scheitern einer Entsendung verantwortlich sind.

Würden wir es anders machen? Wenn man einen Projektmanager sucht, dann wird man in erster Linie nach einem gelernten Projektmanager schauen, oder? Und wird ein Ingenieur gebraucht, wird man nach einem qualifizierten Ingenieur suchen. Was ist daran erstaunlich? Soll man erst nach einem Menschen mit großen interkulturellen Verständnis Ausschau halten und wenn man diesen gefunden hat, fragen, ob er auch von der Sache Ahnung hat? Eben...

Sollte man Fachkompetenz und soziale Kompetenz auf eine Stufe stellen? Genau da beginnt das Problem. Viele werden froh sein, einen Fachmann zu finden, der bereit ist, einen schwierigen Auslandsjob zu übernehmen. Ihn dann noch genauer unter die Lupe zu nehmen oder intensiv in Sachen "kulturelles Verständnis" zu schulen, um dann festzustellen, dass die Wirkung gering ist - dieser Aufwand scheint immens, der Effekt zweifelhaft.

Es führt wohl kein Weg daran vorbei: Die Weichenstellung muss viel früher erfolgen, bei der Einstellung von neuen Mitarbeitern. Selbstverständlich wird man auch hier Leute vom Fach engagieren, aber wer in diesem Moment die sozialen Fähigkeiten geringschätzt, darf sich später nicht aufregen. Ich erinnere mich an einen Ausbildungsleiter, der mir (Psychologen) auf den Einwand: "Der junge Mann wird Ihnen noch so manchen Ärger bereiten!" lächelnd entgegnete: "Für die pädagogischen Aufgaben sind unsere Ausbilder zuständig, das kriegen die schon hin. Er kann rechnen und logisch denken, das genügt." Ein böser Irrtum.

Rezension zum Thema:
Internationales Personalmanagment, Wirtschaftspsychologie aktuell 1/2008

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Frage: "Wieviel HR Manager braucht man um eine Glühbirne zu wechseln?"
Antwort: "Keinen. Aber sie würden sich gerne einbringen!"

Diese Aussage las ich zuletzt in einer großen Stellenanzeige einer überregionalen Tageszeitung für die Besetzung von...merkwürdig...die Besetzung eines "HR Manager".
Komisch, oder. Aber sehr sympathisch.

In Zeiten des absoluten Fachkräftemangels in vielen (insbesondere technischen) Bereichen, seien es Facharbeiter oder Mitarbeiter mit akademischen Hintergrund, stellt sich oftmals die Frage gar nicht. Das Unternehmen ist froh eine fachlich passende Person zu finden, welche die Aufgaben in ausreichendem Umfang erfüllen kann bzw. schlägt sich weiterhin mit einem Spezialisten mit „mangelnden sozialen Kompetenzen“ rum, statt die Position/Aufgabe unbesetzt zu lassen.
http://www.zeit.de/online/2007/43/fachkraeftemangel-ingenieure

http://www.focus.de/jobs/arbeitsmarkt/studie-fachkraeftemangel-verschaerft_aid_314465.html

Zit.: ""Für die pädagogischen Aufgaben sind unsere Ausbilder zuständig, das kriegen die schon hin. Er kann rechnen und logisch denken, das genügt." Ein böser Irrtum."

Das dies ein böser Irrtum sei, möchte der Personaler mit dem ach so genauen Blick für soziale Kompetenzen weiß machen. Die Quote für diese Vorhersagen liegt max. bei 50%. Als halbwegs statistisch geschulter Mensch, weiß man diesen Wert richtig zu interpretieren.

Die wunderbare Frage nach der sozialen Kompetenz taucht immer nur von einer Seite auf. Warum? Weil diejenigen die die Fachkompetenz eben schwerlich beurteilen können halt von einer anderen Seite "sich einbringen" möchten.
Das kann natürlich der Fachvorgesetzte(n) nicht so gut wie der Personaler/Psychologe....niemals. Der wird natürlich in Krisensituationen gerne herangezogen. Nicht weil es nur mit Unterstützung eines Personalers eine Lösung zu finden ist, sondern einfach weil dieser da ist.

BTW: Wer Überprüft eigentlich die die sozialen-fachlichen Kompetenzen der Personaler?
http://zuender.zeit.de/2008/29/sonntagstext-assessment-center


Ohne Frage: Softskills, und was man damit alles verbindet, sind sehr wichtig. Und sie werden nicht wichtiger mit der Höhe der Position in der Hierarchie, wie man oft glauben machen möchte (die Beratungshonorare sind dort einfach höher).

Bitte die Bedeutung von Faktoren (warum nennt man Softskills eigentlich so...) nicht überschätzen und mit zuviel Bedeutung versehen. Die Realität im (Berufs-)Alltag zeigt dort einen anderen Schwerpunkt.
Wenn die (Soften-)Faktoren weich sind, haben sie auch keine Bedeutung. Oder?

Hr. Thönneßen: Entscheiden Sie sich beim nächsten Problem mit der Telekom zwischen
1. Unkommunikative, freche Mitarbeiter die Ihr Problem schnell und zuverlässig lösen oder
2. Call-Center-geschulte-freundliche-sozialkompetente-fachlich-inkomptente Labertaschen.


Gruß


Ein Dipl. Psychologe

Johannes hat gesagt…

Hallo, anonymer Dipl.Psychologe. Erstaunlich, ein Berufskollege, der die Chancen der Beurteilung sozialer Kompetenzen bei "maximal" 50% ansetzt. Da bin ich etwas optimistischer, außerdem hat man ja noch die Probezeit, spätestens da können auch "Nicht-Psychologen" erkennen, wen sie Bord geholt haben.

Das mit dem bösen Irrtum sollte heißen, dass der optimistische Ausbildungsleiter den jungen Mann nach kurzer Zeit rauswarf. Die Vorhersage gehörte zu den 50% Trefferquote.

Dass sich Personaler als Fachexperten für soziale Kompetenzen zu positionieren versuchen, kenne ich auch. Dass diese mit der Höhe der Position nicht wichtiger werden, sehe ich auch so. Welchen Schaden Führungskräfte ohne "Soft Skills" auf den untersten Ebenen anrichten, kenne ich aus eigener Erfahrung.

Ach ja, die Telekom. Kleine Anekdote dazu: Kriege einen Anruf im Büro, mir wird ein günstiger Tarif angeboten, der nun auch für Geschäftskunden gilt. Ich nehme an.
Zwei Wochen später ein Standard-Brief der Telekom, worin etwas von fehlenden Daten die Rede ist und um einen Rückruf gebeten wird. Machen wir. Auskunft: Wieso wir denn einen solchen Tarif buchen wollen, den gäbe es doch gar nicht für Geschäftskunden.
Nein, ich kann gut zwischen kompetenen und weniger kompetenten Call-Center-Mitarbeitern unterscheiden, fürchte aber, dass die Systeme, mit denen sie arbeiten, echte Kompetenz gar nicht erlauben.

Ihnen wünsche ich bessere Erfahrungen mit "Soft Skill-Experten".

Johannes Thönneßen

Anonym hat gesagt…

Liebe Leser und Lesrinnen,
lieber Herr Thönneßen,

vielleicht helfen die Formulierungen "notwendig" bzw. "hinreichend“, mit denen oft in der Mathematik operiert wird. Oder aber der Beitrag stiftet noch mehr "Verwirrung" - was ja auch nicht schlecht wäre.

Notwendig ist eine Bedingung ("Fachkompetenz"; was immer genau das eigentlich ist), die eine Voraussetzung für einen Sachverhalt ("Erfüllung der fachlichen Arbeitsanforderung") ist, ohne diesen selbst darzustellen.

Demgegenüber ist eine „hinreichende“ Bedingung ("Sozialkompetenz"; was auch immer das eigentlich ist)zwar für einen Sachverhalt ("Erfüllung der fachlichen Arbeitsanforderung") keine unbedingte Voraussetzung, hat aber das Eintreten des bedingten Sachverhalts zur Folge.

Beispiel:

Wenn es regnet, sind Wolken am Himmel.

Hinreichend: Regen reicht aus, um zu sagen, dass Wolken am Himmel sind.

Notwendig: Wolken am Himmel sind notwendig, dass es regnen kann.

Jedoch gilt die Umkehrung nicht:
Aus Wolken am Himmel folgt nicht, dass es regnet.

Wolken sind somit nicht hinreichend für Regen. Regen folgt somit auch nicht notwendig,
wenn Wolken da sind.

MfG

Raik-Michael Meinshausen

Anonym hat gesagt…

Zitat: Demgegenüber ist eine „hinreichende“ Bedingung ("Sozialkompetenz"; was auch immer das eigentlich ist)zwar für einen Sachverhalt ("Erfüllung der fachlichen Arbeitsanforderung") keine unbedingte Voraussetzung, hat aber das Eintreten des bedingten Sachverhalts zur Folge.

Frage: Verstehe ich richtig, daß Sie "soziale Kompetenz" als "hinreichende Bedingung" zur "Erfüllung der fachlichen Arbeitsanforderung" ansehen?

Das würde bedeuten, daß jemand mit "sozialer Kompetenz" alle "fachlichen Arbeitsanforderungen" erfüllen kann, egal welche "fachliche Kompetenz" der- oder diejenige hat?

RMM hat gesagt…

@Anonym - bin irgendwie nicht informiert worden über ein update im Blog, daher finden Sie erst jetzt die sehr sehr späte Antwort mit Bitte um Nachsicht.

Bitte verstehen Sie es so: "Sozialkompetenz" ist keine unbedingte Voraussetzung für die "Erfüllung der fachlichen Arbeitsanforderung", aber "Fachkompetenz" ist dafür notwenig. Allerdings kann "Sozialkompetenz" bedingt dazu führen, dass die "fachlichen Arbeitsanforderung" dennoch erfüllt werden.