Donnerstag, 27. Oktober 2011

Lustige Arbeitszeugnisse

Müssen Sie auch mitunter ein Arbeitszeugnis schreiben? Dann werden Sie all die Formulierungen beherrschen, die man so benötigt, um gute, hervorragende und weniger beeindruckende Leistungen zu beschreiben. Oder besonders gutes Sozialverhalten bzw. deutlich weniger wünschenswertes. Und natürlich kennen Sie auch die Bedeutung bestimmter Floskeln am Ende eines Zeugnisse, von wegen "vollste Zufriedenheit" und "Wir wünschen ihr auf dem weiteren Berufs- und Lebensweg alles Gute und weiterhin viel Erfolg. " (Beides steht für die Note 1, falls Sie hier noch unsicher sein sollten.)

Nun hat eine Studie herausgefunden, dass die (als Floskeln getarnten) Noten immer besser werden - von "Kuschelnoten" ist hier die Rede. Vor allem bei der Abschlussbewertung (von wegen "vollste Zufriedenheit") gibt es offensichtlich nur noch die "vollste" Note, darauf sollte man sich als neuer Arbeitgeber also nicht mehr verlassen.

Der vermutete Grund: Auch die Mitarbeiter kennen inzwischen die Bedeutung der verschiedenen Floskeln und dürften ihrem Arbeitnehmer kräftig auf die Zehen steigen, wenn die einschlägigen Formulierungen fehlen. Und diese wiederum geben dem Wunsch offenbar lieber nach, als lange Streitigkeiten, möglicherweise noch vor Gericht, zu riskieren.

Einzig bei den Leistungsbewertungen gibt es wohl noch kleine Differenzierungen - aber echte Unterschiede sind selten. So bleibt schließlich nur noch eine wirklich nützliche Information: Wenn am Ende der Wunsch geäußert wird, der Mitarbeiter möge sich wieder bewerben, dann hat man es in der Tat mit einem wirklichen "Goldstück" zu tun.

Die Autoren der Studie kommen trotz dieser deprimierenden Erkenntnisse zu dem Ergebnis, dass Arbeitszeugnisse ihren Sinn erfüllen. Nur möge man sich nicht auf ein einzelnes stützen, sondern sich lieber mehrere anschauen - vielleicht ist der Vergleich aussagekräftig. Und noch einen Tipp haben sie bereit: Will man aussagekräftige Arbeitszeugnisse, dann solle man anfangen, selbst solche zu verfassen.

Ich frage mich, ob all das wirklich die Mühe wert ist. Wenn ich mir die vielen Arbeitszeugnis-Generatoren im Internet anschaue, die zahllosen Ratgeber und "Entschlüsselungstipps", dann drängt sich mir nur ein Gedanke auf: All das beschäftigt Heerscharen von Menschen und Anbietern, die Zeit und das Geld könnte man sinnvoller nutzen. Und noch ein Gedanke: Bei der gesetzlichen Vorgabe, wohlwollend zu formlieren, hat sicher niemand an die Nebenwirkungen dieses "Rechts" gedacht. Ein schönes Beispiel, wie eine Regel ungeahnte Folgen hat. Ich bin für ein ersatzloses Streichen des Arbeitszeugnisses. Würde der deutschen Wirtschaft viel Zeit und Geld sparen...

Rezension zum Thema:
Zwischen Wahrheit und Wohlwollen, Personalwirtschaft 7/2011

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hallo Herr Thönneßen,

in letzter Zeit mehren sich die Stimmen, Arbeitszeugnisse ganz abzuschaffen, weil sie so gut wie keine Bedeutung mehr haben. Es gibt selten schlechte Noten, die Zeugnisse gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Wenn jeder ein gutes Zeugnis bekommt, dann haben Zeugnisse keinen Wert mehr.

Die Analyse ist richtig, die Schlussfolgerung aber falsch. Arbeitszeugnisse gibt es schon seit dem Zwangsgesindedienst im 16. Jahrhundert. Eine heilige Kuh schlachtet man nicht.

Es gäbe gute Gründe etwas zu ändern, zum Vorteil für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer. Das Bundesarbeitsgericht hat dem Arbeitgeber die Formulierungsfreiheit bei Arbeitszeugnissen eingeräumt. Zeugnisaussteller müssen die Zufriedenheitsfloskeln nicht benutzen. Doch diese Freiheit wird nicht genutzt, weil Juristen den Arbeitgebern einreden, sie müssten den Zeugniscode (= Schulnoten) benutzen, damit die Arbeitszeugnisse „rechtssicher“ sind, um Prozesse zu vermeiden.

Arbeitgeber wollen bei der Bewerberauswahl aus dem Arbeitszeugnis erfahren, ob ein Bewerber die notwendige Qualifikation mitbringt und bereits erfolgreich gearbeitet hat. Dazu wäre aber einen Soll-Ist-Vergleich notwendig. Die Anforderungen werden den tatsächlichen Fähigkeiten und Leistungen gegenüber gestellt. Wie konnte der Mitarbeiter seine Stärken mit welchen Arbeitsergebnissen einsetzen? Dazu müssten die Zeugnisaussteller die Anforderungskriterien in das Zeugnis aufnehmen, was gesetzlich zwar nicht vorgesehen, aber trotzdem zulässig ist.

Arbeitgeber sollten auf Schulnoten in Arbeitszeugnissen verzichten und informative Zeugnisse schreiben, die sich an den Stärken und positiven Arbeitergebnissen orientieren. Ausscheidende Mitarbeiter haben Anspruch auf ein aussagekräftiges Zeugnis, das den Leistungen gerecht wird und bei der Stellensuche hilfreich ist. Ich habe schon vor Jahren eine Methode entwickelt, Zeugnisse ergebnisorientert zu schreiben. Das Verfahren ist erprobt und wird schon seit Jahren u.a. bei 450 Sparkassen eingesetzt.

Wenn es Sie interessiert: Beschreibung des Verfahrens und Musterzeugnisse hier: www.software-arbeitszeugnisse.de

Viele Grüße aus dem Wendland

Karl-Heinz List

Anonym hat gesagt…

Guten Tag Herr Thönneßen,

"das geht doch auch anders!!!", das waren meine spontanen Gedanken beim Lesen Ihres Beitrages.
Inspiriert durch eine Veröffentlichung aus dem Jahr 1994 "arbeite" ich seit vielen Jahren daran, die gängige Formulierungspraxis beim Zeugnisschreiben in den Unternehmen im wahrsten Sinne des Wortes zu "klären".
Der Kommentar von Herrn List, ein Griff in mein Bücherregal, dann war klar: Herr List hatte die anregenden Gedanken zu damaliger Zeit auf Papier gebracht.
(Vielen, vielen Dank dafür Herr List!).
Meine Erfahrungen?
Zeugnisschreiber und auch (!) Zeugnisempfänger sind verunsichert, entscheiden sich oft gegen eine klare Zeugnissprache mit der Begründung, dass ja das klare Zeugnis missverstanden werden könnte, weil ja die üblichen Codierungen (die ja auch vor Gericht eingeklagt werden können) fehlen ...

Beste Grüße
Sabine Andrek

Anonym hat gesagt…

wer gute noten vergibt, ist rechtlich auf der sicheren seite! das liegt aber auch einfach daran, dass das zeugnis schreiben recht kompliziert geworden ist. ich benutze zum erstellen eines arbeitszeugnisses gerne das hier: http://www.arbeitszeugnisgenerator.de