Montag, 31. Mai 2010

Was bedeutet eigentlich "Nachhaltigkeit"?

Irgendwas kann nicht stimmen, wenn es plötzlich in den Veröffentlichungen der Konzerne und Unternehmen von "Nachhaltigkeitsberichten" nur so wimmelt. Nach einer Untersuchung sollen 83 der 100 umsatzstärksten deutschen Unternehmen "Nachhaltigkeitsinformationen" zur Verfügung stellen. Was soll das bedeuten?

Ich kann nachvollziehen, dass es etwas mit Nachhaltigkeit zu tun hat, wenn man für jeden Baum, den man fällt einen neuen pflanzt. Nachhaltigkeit hat also etwas mit dem Erhalt der Umwelt zu tun.
Ich kann auch nachvollziehen, wenn ein Unternehmen bei seinen Entscheidungen berücksichtigt, ob sie dazu beitragen, dass das Unternehmen auch in den nächsten Jahren noch existiert. Also so etwas wie "ökonomische Sicherheit". Und dass Nachhaltigkeit auch irgendwas Soziales beinhaltet, leuchtet auch ein. Aber was? Dass die Entscheidungen sozial gerecht sind? Dass die Mitarbeiter auch morgen noch einen Job haben? Dass die Aktionäre (in der Regel ja auch Menschen) glücklich sind? Wo ist denn da die Abgrenzung zum Begriff der "Social Corporate Responsibility"?

Es ist wie so oft: Eigentlich sollten wir uns freuen, dass es eben nicht mehr heißt, der einzige Zweck eines Unternehmens ist es, Gewinn zu erwirtschaften. Nur zu dumm, dass all das wenig glaubwürdig ist. Es gibt nämlich zwei Möglichkeiten, alles so zu lassen, wie es ist:
Die eine Möglichkeit lautet: "Nachhaltigkeit - das haben wir doch schon immer gemacht. Wir müssen es nur anders verkaufen. Wir müssen eben einen Nachhaltigkeitsbericht" veröffentlichen. Das machen unsere Kommunikationsexperten. Oder eben diejenigen, die sonst damit Erfahrung haben."

Die zweite Möglichkeit: "Der Kunde legt Wert auf Nachhaltigkeit. Er kauft verstärkt Produkte, die den Kriterien der Nachhaltigkeit genügen, also ist es eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit, bei Entscheidungen auf Nachhaltigkeit zu achten."

Möglichkeit 1 funktioniert nur so lange, bis selbst der letzte Gutmensch das Spiel durchschaut. Kleines Beispiel gefällig? Dann schauen Sie mal auf die Seite der BP zum Thema Nachhaltigkeit, bietet sich ja in diesen Tagen an. Da steht doch tatsächlich: "Nachhaltigkeit bedeutet Zukunftsfähigkeit – also die Fähigkeit, als Konzern auf Dauer erfolgreich zu sein." Und einer der Unterpunkte lautet: "Mitwirken an einer nachhaltigen Umwelt." Super, oder? Nachhaltigkeit bedeutet, nachhaltig zu sein. Inhaltsleerer geht's nimmer. Nachhaltig die Umwelt schädigen wäre ehrlicher...

Möglichkeit 2 ist, so fürchte ich, eine vergebliche Hoffnung. Mag ja sein, dass der eine oder andere beim Kauf eines Produktes im Hinterkopf hat, ob der Hersteller für die verbrauchten Rohstoffe gleichwertigen Ersatz bereitstellt. Ich gestehe, dass ich beim Erwerb des letzten Paketes Druckerpapier daran keinen Gedanken verschwendet habe.
Wie ich auf das Thema komme? In einem Beitrag der Brand eins erklärt ein Marketing-Experte: "Der Begriff ist eigentlich auf einem Niveau der Inhaltsleere angelangt und nicht mehr zu retten." Ich fürchte, er hat Recht.

Rezension zum Thema:
Die Wohlfühl-Utopie, Brand eins 5/2010

2 Kommentare:

urb hat gesagt…

Eine sehr gut nachvollziehbare Argumentation, danke dafür. Man könnte sie allerdings auch ein wenig variieren: Ein schwammiger, abstrakter Begriff wird gewählt, weil er nichts konkret benennt und daher zu nichts verpflichtet. Ein Begriff ist nicht besser, als die in ihm abgelagerten Intentionen - und die taugen im Falle der von ihnen geschilderten Nachhaltigkeitsstrategien nichts. Schließlich geht es nicht darum, einen Begriff zu retten oder zu verabschieden, sondern endlich mit einer Wirtschaftsweise aufzuhören, die gegen Mensch und Umwelt gerichtet ist, zumindest jegliche Verantwortlichkeit (sozial und ökologisch) vermissen lässt.
Es grüßt Sie urb von der Hyperbaustelle.

Johannes hat gesagt…

Hallo urb,
was bleibt mir da anderes als zuzustimmen? :-)