Immer wieder geistert das Thema durch die Publikationen: "Coaching muss freiwillig sein, sonst ist es sinnlos!" - "Freiwilligkeit ist kein Muss, man sollte das Ganze pragmatisch sehen. Schon manch einer hat erst nicht gewollt und war später froh, dass er gewungen worden ist!"
Wie ist es denn nun? Ich glaube, hier liegt ein grundlegendes Missverständnis des Begriffs "Freiwilligkeit" vor. Ist darunter zu verstehen, dass sich jemand selbst für Coaching interessiert und aus eigenem Antrieb nach einem Coach verlangt? Das wäre eine sehr enge Fassung des Begriffs. Ist "Freiwilligkeit" auch noch dann gegeben, wenn der Partner oder der Vorgesetzte des Betreffenden ihm dringend geraten hat, einen Coach aufzusuchen und er dieser "Empfehlung" folgt? In beiden Fällen werden die meisten noch von "Freiwilligkeit" ausgehen.
Was aber, wenn eine Führungskraft sagt: "Sie brauchen Coaching und ich habe einen Termin mit der Personalentwicklung vereinbart!" Oder noch härter: "Entweder Sie gehen zu einem Coach oder ich sehe für Sie auf dieser Stelle keine Zukunft mehr!" Ist das dann auch noch freiwillig?
Natürlich nicht, werden die meisten sagen. Ist es doch, denke ich. Der Chef hat ihn ja nicht in einer Zwangsjacke zum Coach transportieren lassen, er hatte die Wahl zu sagen: "Vergessen Sie den Termin. Und vergessen sie die Stelle! Coaching kommt für mich nicht in Frage." Er hat sich entschieden, angesichts dieser Umstände den Coach aufzusuchen.
Nun sitzt er also beim Coach und berichtet, dass er keineswegs aus freien Stücken gekommen ist. Ist es da nicht an dem Coach, für Klarheit zu sorgen? Als erstes zu sagen: "Ich sehe niemanden, der Sie in Handschellen hier abgeliefert hat. Also scheinen Sie ja doch aus freien Stücken hergekommen zu sein. Was sollen wir nun miteinander anfangen?"
Stellt sich heraus, dass der Betreffende keinerlei Bereitschaft zu einer Kooperation hat, kann der Coach die Coaching-Beziehung doch nach einer Sitzung beenden. Finden beide eine sinnvolle Zielsetzung für die Fortsetzung der Beziehung, geht es eben weiter.
Von daher ist für mich die Frage der Freiwilligkeit sehr einfach zu beantworten: Kommt ein Klient zum Coach, ist er immer freiwillig dort. Was der Coach dann mit ihm vereinbart, ist eine andere Sache.
Etwas völlig anderes ist es, wenn der Chef oder die Personalentwicklung sich beim Coach meldet und ihm den Auftrag erteilt, Herrn X oder Frau Y zu coachen. Womöglich noch mit der Aufforderung, sich mit dem zu Coachenden selbst in Verbindung zu setzen. Diese Variante würde ich immer ablehnen. Den ersten Schritt auf den Coach zumachen sollte immer die Person selbst - eben genau aus den oben genannten Gründen. Damit es nie heißt: "Sie haben doch mich angesprochen!" oder "Den Termin habe ich doch nicht gemacht!"
Das Gleiche gilt übrigens auch für alle ähnlich gelagerten Aufträge, bei denen die eine Stelle im Unternehmen sich beim Berater meldet und ihn dazu bewegen möchte, einen Auftrag anzunehmen, mit anderen Stellen im Unternehmen Prozesse zu gestalten. Auch hier würde ich stets dringend raten, den Auftrag dankend abzulehnen und darum bitten, dass sich doch der "eigentliche" Auftraggeber mit mir in Verbindung setzt.
Rezension zum Thema:
Interview mit Maren Fischer-Ep, Coaching-Magazin 2/2010
Dienstag, 25. Mai 2010
Freiwilliges Coaching
Eingestellt von Johannes um 22:18:00
Labels: Coaching, Unternehmensberatung
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3 Kommentare:
Herzliche Gratulation zu diesem erfrischenden Beitrag! Einerseits bildet er klar die Realität ab, andererseits zeigt er einen sinnvollen Weg, auch mit scheinbar "unfreiwilligen" Kunden eine gute Coachingbeziehung zu entwickeln.
Gut für mich ist auch die klare Grenzziehung: Sich nicht als Coach in die Initiative zu einem Coaching zwingen zu lassen.
Keine Beratung ohne Auftrag! Und wer zum Coach Kontakt aufnimmt, der möchte über Ziele, Bedigungen, Wirksamkeit etc. sprechen.
Damit beginnt die Beratung sicherlich, ob auch schon ein Auftrag vorliegt wird man dann gemeinsam feststellen können....
Ich denke was viel schlimmer ist, ist die Tatsache, dass immer mehr dubiose "Coaches" unterwegs sind, die einem ihr Verhalten aufzwingen, unterjubeln, reinmanipulieren in versteckter Weise. Ob nun die typischen "Covert-Aggressive" Personalities oder die anderen üblichen Verdächtigen. Ist hahnebüchen und vollauf abzulehnen. Allerdings vielfach in weiteren versteckten Formen unterwegs wie "Life Coaches", unterschwelliger unverlangter NLP/sozialer Manipulation oder gerne auch in Stress-Interviews, die häufig hart an der Grenze zum Mobbing liegen und sehr zweifelhafte "Werte" und Sozialkompetenzen verkehrt herum testen. - Wie soll jemand meine Sozialkompetenz testen, wenn er ganz offensichtlich selbst keine hat?!?
No-Go!
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