Eine Tabelle im Rahmen einer Umfrage der Wirtschaftswoche irritiert mich. Da hat man "Young Professionals" befragt zu den von ihnen bevorzugten Unternehmen. Unter anderem hat man gefragt: "Welches sind Ihre größten beruflichen Ziele?" Auf Platz 1 erscheint der Begriff "Work-Life-Balance", gefolgt von "Intellektuelle Herausforderung" und "Personalverantwortung". Erst auf Platz 9 taucht "Sinnhaftigkeit" auf - ganze 9,6% haben diesen Begriff gewählt.
Wie kann "Personalverantwortung" wichtiger sein als "Sinnhaftigkeit"? denke ich. Wie kann ich Personalverantwortung haben, ohne dass meine Tätigkeit sinnvoll ist?
Und was ist denn "Work-Life-Balance" für ein berufliches Ziel?
Schauen wir mal näher hin, was bei so einer Frage geschieht.
Mal angenommen, ich werde gefragt, was mein wichtigstes berufliches Ziel bzw. meine drei wichtigsten beruflichen Ziele sind - würde ich nicht als allererstes sagen: Das eigene Überleben bzw. das meiner Familie? Okay, vielleicht hat man diese Alternative gar nicht angeboten, weil sie allzu selbstverständlich ist.
Was würde mir also als zweites einfallen? Wie ich es auch drehe und wende: Es wäre, dass ich etwas Sinnvolles tue. Wieso um alles in der Welt haben nur 9,6% der "jungen Berufstätigen" dieses Ziel angekreuzt? Wohlgemerkt: Hier waren Mehrfachantworten erlaubt (wie viele, wird hier nicht erklärt).
Aber vielleicht hat es ja etwas mit der Fragemethodik zu tun. Also noch einmal: Ich erhalte eine Liste mit einer Anzahl von Begriffen, aus denen ich meine größten beruflichen Ziele auswählen kann. Da taucht dann "Work-Life-Balance" auf - klar, ist mir wichtig. "Intellektuelle Herausforderung" - ist mir auch wichtig.
"Personalverantwortung" - was kann daran so wichtig sein? Status, Macht, Einfluss, Prestige, Karriere, Geld? (Wobei mir auffällt, dass "Gehalt" in der Top 9 Liste gar nicht vorkommt. Hat man vergessen, danach zu fragen?)
Und dann "Sinnhaftigkeit". Und wieder denke ich: Wer kann ernsthaft behaupten, dass "Sinn" keine wichtiges berufliches Ziel darstellt? Haben die "Einsteiger" die Frage nicht verstanden? Mir bleibt nur noch eine Erklärung: Der "Sinn" steckt schon in den anderen Begriffen. In "Work-Life-Balance" geht es um Familie, Freundschaft, Gesundheit und Erfüllung, in "Intellektuelle Herausforderung" um Wissen, Gestalten, Selbstverwirklichung.
Nein, es kann gar nicht anders sein: "Sinn" als eigenes berufliches Ziel muss den meisten der Befragten einfach zu abstrakt gewesen sein, deshalb haben nur knapp 10% diesen Begriff angekreuzt. Hoffe ich wenigstens...
Rezension zum Thema:
Starke Anziehung, Wirtschaftswoche 48/2009
Mittwoch, 6. Januar 2010
Vom Sinn der Arbeit
Eingestellt von Johannes um 11:53:00
Labels: Karriere, Motivation, Werte
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9 Kommentare:
Man könnte es so interpretieren:
work-life-balance -> Nicht zu viel arbeiten. Wofür auch, da Arbeitgeber sich nicht scheuen werden mich zu entlassen.
Intellektuelle Herausforderung -> macht sich 1. gut. 2. habe ich einen Anspruch. In dieser Welt ist das meiste langweilig im Alltag. Ich habe Anspruch (intellektuell, Abenteuer, Karriere, ...)
Personalverantwortung -> Karriere, Geld, Status erhöht das langweilige Leben. Wer unten ist, ist gekniffen. Was anderes zeigen die Medien nicht.
Jobsicherheit -> Genau das.
Und jetzt kommen die interessanteren Personen. Der obere Teil spiegelt m.E. den größten Teil der heutigen Managerschaft wieder.
Übrigens Gehalt steckt letztlich in Personalverantwortung. Je mehr Köpfe, desto mehr Knöpfe jeden Monat.
Die Sinngebung ist ein grosses Loch bei vielen. Wofür tue ich das alles? Eine Antwort haben die meisten nicht, wenn ich mal von Freizeitgestaltung, Karriere, Geld, Sicherheit usw. absehe.
Eine Frage noch: Wer sind die Young Professionals? Die die sich bereits auf dem Weg nach oben befinden? Dann erklärt sich die Untersuchung eventuell daraus. Sie sind bereits von den Unternehmen selektiert, eingestellt und gefördert worden. Damit auf dem besten Weg nach oben. Dann sollten sie auch die Wertekultur der meisten Unternehmen repräsentieren.
Fritz Horsthemke
Hallo Herr Horsthemke,
danke für die Anmerkungen. Klingt nicht sonderlich optimistisch...
"Young Professionals" waren (Zitat) "7800 Akademiker ab 24 Jahre und mit mindestens einem Jahr Berufserfahrung: Wirtschaftswissenschaftler, Ingenieure, Informatiker und Naturwissenschaftler"
doch dies erscheint mir absolut realistisch und ich bin mir sehr sicher, dass die Leute schon wissen was Sinn in der Arbeit ist.
Ich nehm eine junge Frau die in diese Zielgruppe passt und die ich sehr gut kenne.
Nach 2 Jahren Berufserfahrung ist sie als einstmals enthusiastische mehr als ernüchtert und sucht nicht mehr in der Arbeit Sinn, sondern eben in der Tatsache: wie kann ich wenig arbeiten für viel Geld.
Man hat ihr die Freude an der Arbeit gut abgewöhnt.
Bis dieser Frust sich legt wird noch viel Wasser die Donau runter rinnen und dann wird sie vielleicht wieder Sinn haben wollen.
Unabhängig davon, dass ich denke, dass diese Zielgruppe viel zuviel überlegt ist, um mit vordergründigsten *sinnvolle* Tätigkeit abgespeist werden zu wollen. Ich glaube schon, dass da zb meine Generation mit weniger zufrieden war, um etwas als sinnvolle Arbeit anzuerkennen.
Hallo,
das ist natürlich eine bittere Erklärung für diese Ergebnisse. Man hat den jungen Leuten einfach abgewöhnt, einen Sinn in ihrer Arbeit zu sehen. Wenn das so ist (was ich mir durchaus vorstellen kann), dann wären Fehlinterpretationen ja vorprogrammiert nach dem Motto: Die jungen Leute wollen heute mehr Freizeit und Macht - aber eben nicht, weil sie beides besonders reizt, sondern weil sie Sinn in ihrer Arbeit sowieso nicht finden werden.
Bitter...
Hallo Herr Thönneßen,
in Ihrem letzten Artikel "Putzen mit 70" fragten Sie sich, ob Sie sich einfachen Management-Themen zuwenden sollen und im nächsten behandeln Sie das Thema 'Sinn der Arbeit' - ich glaube, dass mit den einfachen Themen ist Ihnen 'missglückt'.
Ich bin mal ehrlich: Ich wüsste auch nicht, was ich in der Fragestellung geantwortet hätte.
Denn was ist eine sinnvolle Arbeit? Eine die mir Spaß macht, von der ich allerdings nicht leben kann? Eine die mich ernährt, die aber immer 2 Seiten hat (z.B. ich optimiere einen Prozess in einem Unternehmen - das Unternehmen macht nachher mehr Gewinn, aber der Prozess führt zu weniger Arbeitsplätzen oder ich bin Entwicklungshelfer und mein Job ist es mich überflüssig zu machen, weil erst dann sind die Menschen dort selbstständig).
Um nochmals auf Ihren anderen Artikel zu sprechen zu kommen, ich finde das Thema bedingungsloses Grundeinkommen auch sehr interessant und stelle mir nun die Frage, ob in einem solchen System die Antworten anders ausgefallen wären.
Hallo,
erwischt, ich kann's nicht lassen. :-)
Tja, was ist "sinnvolle" Arbeit? Kann ja eigentlich nur jeder selbst beantworten. Für mich ist es relativ klar, denn ich habe am eigenen Leib erlebt, wie es ist, wenn man Aufgaben bearbeitet, die man für wenig sinnvoll hält.
Wenn mir einer diese Liste vorgelegt hätte, dann wäre das sicher der "höchste Wert" gewesen - mal abgesehen davon, dass mich Arbeit ernähren muss. Aber das wurde ja offensichtlich nicht gefragt...
Die Frage, wie die Antworten wohl ausfallen würden, wenn es so etwas wie das bedingungslose Grundeinkommen gäbe, werden wir wohl nie beantwortet bekommen. Schade eigentlich...
Hallo Herr Thönnessen,
ich finde den Wert von unter 10% auch tragisch - stimme Ihnen voll zu.
Zwei Apekte kommen mir aber in der Diskussion um Personalverantwortung und Sinn zu kurz:
1. Wie kann man Personalverantwortung haben, wenn die Tätigkeit keinen Sinn hat? Ich kann mir gut vorstellen, dass der Sinn der eigenen Tätigkeit mit steigender Personaverantwortung abhanden kommt, weil einen diese immer mehr in Beschlag nimmt und man nicht mehr dazu kommt, an den einst gestzten sinnvollen Zielen zu arbeiten. Dann hat man sich zu entscheiden, wofür man seine Kraft einsetzt.
2. Was soll an Personalverantwortung erstrebenswert sein außer Macht, Status...?: die Begriffe sind mir zu negativ belastet, dabei fehlt ein wesentlicher: Personalverantwortung schafft ggf. Gestaltungskompetenz. Wenn man also einen Sinn in der Tätigkeit seiner Person oder seiner Organisation sieht oder sehen möchte, sollte Personalverantwortung dabei helfen, diesem mit mehr Kraft zuzuarbeiten als das vielleicht ohne diese Verantwortung möglich wäre.
Ich habe die beiden Punkte in meinem Blogpost dazu etwas ausführlicher formuliert.
Ein solcher Wunsch nach Gestaltungskompetenz wäre den Befragten hoch anzurechnen - wenn aber das Ziel der sinnvollen Tätigkeit als Ergänzung dieses Gestaltungswillens so weit abgeschlagen ist, kann einem das schon Sorgen machen.
Hallo Herr Ullmann,
danke für Ihre Anmerkungen. Zu Punkt 1: Hier wurden ja Berufsanfänger gefragt, was ihnen wichtig ist - wenn diese Personalverantwortung wichtiger finden als Sinn in der Arbeit, dann ist das m.E. nicht damit zu erklären, dass vor lauter Personalverantwortung der Sinn verloren gegangen ist.
Zu Punkt 2: Zugegeben - mit vielen Mitarbeitern kann man sicher mehr gestalten als ohne. Ich weiß nicht, ob "Etwas gestalten wollen" bei dieser Befragung eine Antwortoption war. Mag sein, dass die Befragten zum Teil das im Hinterkopf hatten.
Das würde ein wenig optimistischer stimmen, allerdings bin ich da aus Erfahrung eher skeptisch.
Ich halte die Arbeit auch nicht nur wegen des Geldes wichtig. Man muss sich ja irgendwo verwirklichen können!
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