Freitag, 10. Juli 2009

Eigenmarke im Netz pflegen

Es ist nicht das erste Mal, dass ich mich kritisch zu dem Thema "Eigenmarke pflegen" äußere. Damit angefangen hat Tom Peters, der das Thema "Marke" für das Individuum entdeckt hat. Auf den ersten Blick ein interessanter Ansatz. So wie man ein Produkt zu einer Marke entwickelt und diese anschließend irgendwann so bekannt ist, dass sie für ein ganzes Produktsortiment oder gar ein Unternehmen taugt, müsse auch der Einzelne seine Marke aufbauen, unverwechselbar werden, alle Verhaltensweisen und Werke der Marke unterordnen.

Tatsächlich ist es ja Marketingstrategen gelungen, Menschen so bekannt zu machen, dass sie jedes Kind kennt. Der kürzlich verstorbene Michael Jackson, aber auch etliche Sportidole dürften hier als Beispiel dienen. Aber lässt sich das auf uns alle übertragen?

Schauen wir uns die Tipps an, die wir nun zu lesen bekommen, um unsere Marke im Internet aufzubauen. Die Wirtschaftswoche empfiehlt, einen Schriftzug zu entwickeln und ihn, wo immer wir im Netz auftauchen, in den Vordergrund zu stellen (am besten als Logo gleich auf jeden Hemdkragen drucken, oder?). Weblogs sollen wir betreiben, professionelle Fotos ins Netz stellen und einen Avatar, unser virtuelles Ebenbild, damit gestalten. In Twitter, Facebook oder Xing sollen wir uns tummeln, auf YouTube einen Videokanal eröffnen und dort Kurzfilme von uns einstellen. In Blogs sollen wir fachmännische Kommentare hinterlassen, Newsletter herausgeben, ein Buch schreiben, Studien anfertigen, Interviews geben, ein Wiki eröffnen und, und, und...

Längst Realität

Man stelle sich vor, das würde die Mehrzahl der Menschen ernst nehmen. Was für eine Flut an Schriftzügen, Newslettern, Selbstdarstellungsvideos, Büchern und Studien über uns hereinbrechen würde. Es geht also nicht mehr darum, dass derjenige, der etwas zu sagen hat, dies auch tut, sondern darum, dass man etwas sagt, um wahrgenommen zu werden. Filme und Artikel dienen der Selbstvermarktung, Studien und Umfragen lediglich dazu, den Autor bekannt zu machen.

Gruselig - und leider schon Realität. Genau diese Ratschläge nämlich beherzigt das Heer der Berater: Jeder ein Autor, Studien ohne Ende, "Fachartikel" in Massenproduktion. Veröffentlichen kann man inzwischen alles. (Übrigens nicht nur im Netz. Allzu wählerisch sind auch all die Magazine und Fachzeitschriften nicht mehr.)

Da wird das Netz endgültig zum Müllplatz. Schade eigentlich...

Rezensionen zum Thema:
Marke Eigenbau, Wirtschaftswoche 23/2009
Warum wir twittern, Wirtschaftswoche 24/2009

5 Kommentare:

peter tavolato hat gesagt…

Hallo
ich gebe Ihnen in der Gesamtbefürchtung recht - aber was machen Sie an dieser Stelle? Leider fehlt uns oft die Zeit die unterschiedlichen Blogs, Newsletter und Artikel differenziert und aufmerksam zu lesen und zu beurteilen, wenn wir das aber tun finden wir Zugang zu spannenden Leuten, zu guten und hilfreichen Texten und neuen Ideen. Der Filter ist schwer, Ihr Newsletter versucht das zu tun, ich denke mit teilweisen guten Erfolg - teilweise ist er für mich leider auch nur Teil der Flut die über das Netz hereinbricht. Eine Anregung aus dem amerikanischen - versuchen wir die wirklich interessanten Blogs zu finden und suchen wir dazu eine Fan-Gemeinde - was halten Sie davon (angeregt dazu hat mich folgender link: http://www.fistfuloftalent.com/2009/07/fothrcap-v-40-talent-management-blog-power-rankings-our-top-25-blogs.html
liebe Grüße aus Österreich
www.tavolato.com
.... einer aus der gruseligen Realität

Anonym hat gesagt…

Na, das ist mir jetzt zu pessimistisch. Wenn ich in den Supermarkt gehe, kann oder muss auch zwischen fünfzig verschiedenen Joghurts wählen, deren Namen ich meist über verschiedene Marken-Botschaften schon mal gehört habe. Aber ich sehe diese Auswahl nicht als Müllplatz, sondern als Angebot.

Was wäre denn die Alternative? Nur drei Einheitsjoghurts. Mit den Beratern war es früher auch so. Da gab es nur die Gurus wie Seiwert, Lay, Drukcer etc.

Da ist mir die heutige Vielfalt bedeutend lieber, wenn ich auch zugestehe, dass damit natürlich die Qual der Wahl oder besser die Mühe, die Spreu vom Weizen trennen, verbunden ist.

PS: Mit MWonline machen Sie doch dasselbe, Relaunch der Website, Newsletter, Blog. Nur beim Twittern zieren Sie sich noch ;-)

Roland Kopp-Wichmann

Johannes hat gesagt…

Ich war mir beim Schreiben des Widerspruchs durchaus bewusst. Klar veröffentliche ich Vieles im Internet, schreibe einen Blog und hinterlasse sogar hin und wieder eine Spur auf Twitter. :-)

Aber ich bin auch im Internet-Geschäft aktiv und verdiene mein Geld mit Internet-Inhalten. Meine Bedenken gehen gegen den Rat, dass jeder, der ein Geschäft betreibt, auf Teufel komm raus Fachartikel veröffentlichen, Bücher schreiben, seine Weisheiten im Netz hinterlassen und all das auch noch mit einem persönlichen Markenzeichen versehen soll.

Und nicht nur Geschäftsleute, sondern auch jeder Angestellte, der noch Karriere machen möchte. Schließlich ist auch er eine unverwechselbare Marke und muss diese auf dem Markt anpreisen.

Der Vergleich mit dem Supermarkt ist gefährlich, finde ich. Die Marken im Supermarkt kommen und gehen, wenn sie schlecht laufen, werden sie gnadenlos aussortiert.

Herzliche Grüße
Johannes Thönneßen

peter Tavolato hat gesagt…

ich hoffe die Berater werden auch gnadenlos aussortiert - oder? das thema ist wirklich die spreu vom weizen zu trennen und dazu müssen wir die kunden sprich jene die Beratung oder Coaching in Anspruch nehmen qualifizieren - jedenfalls machen sie Erfahrungen und das hilft - wie im Supermarkt

Johannes hat gesagt…

Guter Punkt. Den schlechten wird jede Markenpflege vielleicht wenig helfen, sie disqualifizieren sich damit selbst. Meine Sicht ist vielleicht deshalb eher pessimistisch, weil ich all das, was Berater in den "Fachmagazinen" verzapfen, lese und fassungslos bin, was die Redaktionen alles durchgehen lassen.

Im Internet gibt es gar keine Instanz mehr wie im Supermarkt, wo das aussortiert wird, was nicht läuft - da bleibt alles "im Regal".