Sonntag, 3. Mai 2009

Trügerische Statistik

Tagtäglich werden uns Zahlen und Statistiken präsentiert, die bestimmte Zusammenhänge erklären sollen. Bekannt sind z.B. Untersuchungen, nach denen Frauen im Schnitt 25% weniger verdienen als Männer in vergleichbaren Berufen und Positionen. Die Erklärung ist so naheliegend: Frauen werden benachteiligt, und Schuld daran haben die Männer. Die Zahlen sind Beweis genug. Sind sie das?

In einem interessanten Beitrag der Brand eins werden eine Reihe von Studien zitiert, die versucht haben herauszufinden, welche Faktoren noch eine Rolle spielen könnten. Haben die Frauen die gleiche Berufserfahrung? Haben sie vielleicht ihre Laufbahn unterbrochen, um Kinder zu erziehen und sind deshalb im Gehalt stehengeblieben? Oder sind sie vielleicht gar nicht bereit, 60 Stunden in der Woche zu malochen um der Karriere und des Geldes willen?

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Geschlecht allein kaum der Grund für den statistischen Unterschied im Gehalt darstellt. Das passt natürlich nicht so recht in die politische Diskussion, aber das ist ein anderes Thema. Erschreckend ist nur immer wieder, wie leicht wir auf solche Zahlenspielereien hereinfallen.

Ein Beispiel, das die Absurdität von derartigen Untersuchungen deutlich macht, habe ich vor vielen Wochen in einer seriösen Zeitschrift gelesen und heute tatsächlich im Internet wieder gefunden: Frühstücksverweigerer haben in Japan eher Sex. Erklärung eines Forschers: "Ein ausgeglichenerer Lebensstil kann dazu führen, dass Menschen bedächtiger an sexuelle Aktivitäten herangehen." Das ist Wissenschaft (welche eigentlich?), oder? Ob da vielleicht bestimmte Lebensumstände der Grund für beide Phänome sind - wer will das wissen bei solch eindeutigen Zusammenhängen?

Rezension zum Thema:
Die Besserverdienerinnen, Brand eins 4/2009

2 Kommentare:

Kristin Reinbach hat gesagt…

Zu dem angesprochenen Thema habe ich vor zwei Jahren eine Master-Arbeit erarbeitet und kann Ihnen versichern: Die Statistiken sind im Hinblick auf die Benachteiligung der Frauen eher noch harmlos - aber auf keinen Fall dramatisiert. Schade finde ich, dass selbst ein normalerweise so kritisches Magazin wie brand eins sich in die aktuelle Rhetorik mit "einphasen" läßt (was aber bei diesem hochkomplexen Thema wahrscheinlich schlicht mit zeitlich und inhaltlich beschränkten Recherchemöglichkeiten zu tun hat). Bedenklich finde ich daran, dass auch hier versucht wird, das (für unser Land peinliche) Problem - und noch ist es das eben - klein zu reden. Aus meiner Erfahrung als Unternehmensberaterin gehe ich davon aus, dass man Probleme typischerweise lösen kann - SOBALD man sich ihrer bewußt ist. Davon, sie klein- oder wegzureden, verschwinden sie eher nicht.
Obendrein werden mit einer solchen Rhetorik Frauen, die sich ein Gehalt auf Augenhöhe verschaffen wollen, wieder mal als "hysterische Emanzen" positioniert.
Der Unterschied ist übrigens umso krasser je höher die Position und das Bildungsniveau (und damit das betroffene Humankapitalt) ist (die 25% sind hier eher der untere Anschlag). Interessant ist im Übrigen, dass Argumente wie die Bereitschaft zu langen Arbeitszeiten überhaupt zählen (gerade bei Führungskräften!). Arbeitet unsere Wirtschaft nach wie vor in Werkshallen an Weberstühlen und zählt verarbeitete Materialballen runter? Ich denke, das Thema stößt uns auch massiv darauf, wie wir überhaupt Arbeit und ihren Wert beurteilen: Sollte nicht (gerade bei Führungskräften!) vor dem Hintergrund einer Human Kapital- und Mehrwert-Denke der geleistete Mehrwert als Maßstab gelten? By the way: Der ist erfahrungsgemäß (Preis-Leistung) für Arbeitgeber bei den so viel geschmähten Teilzeit-Mitarbeiterinnen deutlich höher als bei Vollzeitmitarbeitern - und wird auch bewußt (aus-)genutzt.
A propos: WENN die Gehälter so gerecht sind, dann dürften sich Unternehmen doch leicht damit tun, diese offen darzulegen - statt Geheimhaltungsklauseln dazu in Verträge zu schreiben? Dann könnten evtl. die Gesetze der Marktwirtschaft ihre Wirksamkeit beweisen! ;-)
Das Thema ist auch in seinen kulturellen und gesellschaftlichen Wurzeln sehr komplex. Daher das Ganze hier einfach als erste weitere Anregungen zum Thema - gern kann ich Sie mit weiteren Quellen versorgen, wenn es für Sie interessant sein sollte: reinbach@krysalis-consult.net.
Schöne Grüße und weiterhin viel Inspiration bei Ihren immer interessanten Beiträgen und Newslettern! Kristin Reinbach

Anonym hat gesagt…

Habe eben bei coffeeandtv einen passenden Beitrag gelesen:
http://www.coffeeandtv.de/2009/05/15/69-aller-statistiken-sind-fehlerhaft/

Viele Grüße
Gitte