Dienstag, 19. Mai 2009

Das System oder: Wer hat Schuld?

Kennen Sie die Geschichte von der Schwanzprämie? Sie stammt aus dem Buch "Der dressierte Bürger" von Reinhard Sprenger und könnte sich so oder so ähnlich in jedem größeren Unternehmen zugetragen haben. Sie ist übrigens tatsächlich in der Google-Buchsuche zu finden - erstaunlich.

Es geht darum, wie Systeme menschliches Verhalten beeinflussen. Lesern dieses Blogs dürfte es nicht entgangen sein, dass ich jedem System sehr skeptisch gegenüber stehe. Mir ist sehr bewusst, dass es ohne nicht geht. Systeme entwickeln sich einfach, sobald es etwas zu regeln gibt. So wie in dem Beispiel der Schwanzprämie.
Wir haben zu Hause ein ganz einfaches System zur Versorgung der Zwergkaninchen, nachdem es ständig Streit darum gab. Nun geht immer abwechselnd. Soviel zum Nutzen von Systemen...

Dass Systeme immer Nebenwirkungen haben (siehe Schwanzprämie) habe ich schon häufiger dargestellt. Und wenn diese eintreten, dann stellt sich die Frage: Wer hat Schuld? Das System, das Menschen dazu bringt, alle Vorsicht zu vergessen und ihr Geld in dubiosen Anlagen zu versenken? Das Investmentbanker zu immer riskanteren Spielereien verleitet? Das Manager dazu bringt, sich gegenseitig hohe Prämien zu genehmigen? Ist es das System, das einen Fußballmanager auf die Idee brachte, Steuererleichterungen für seine Profitruppe zu ermöglichen, indem er ihre Spiele am Sonntag als Wochenendarbeit deklarierte und die Gehälter zu Wochenendzuschlägen machte?

Falsche Frage

Blödsinn, das System macht nichts dergleichen, insofern ist es Unsinn, von der Schuld des Systems zu sprechen. Wer sich damit herausredet, entmündigt sich selbst. Leider führt die Frage aber in eine Sackgasse: Die richtige müsste lauten: Was lässt sich leichter ändern: Das System oder die Menschen? Und dann sind wir doch wieder beim System. Man kann die "Schwanzprämiensammler" schulen und "umerziehen", das Schwanzprämiensammeln einzustellen oder auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren, aber welchen Aufwand und welche Energieleistung würde das kosten? Oder man ändert das System. Dass auch das nicht immer leicht ist, dürfte klar sein. Aber allemal leichter als die Menschen zu trainieren, ein System nicht zu missbrauchen...

1 Kommentar:

Christoph Schlachte hat gesagt…

Ja, das ist die falsche Frage. Wenn etwas in Unternehmen zu Bruch geht, kommt häufig dann die Frage nach dem Schuldigen. Der wird dann vielleicht ersetzt, vielleicht wird mehr Kontrolle über Prozesse installiert (siehe Finanzkrise, ...).

Eine vielleicht nützliche Sicht kommt von Niklas Luhmann. Das System besteht aus Kommunikation. Es wird aus der Kommunikation gemacht. Hier ist auch der Ansatz, jenseits von der Qualität einzelner Mitspielern, oder Spielgestaltern.

Das System ändern, heisst die Kommunikation ändern. Alle im System sind für die Kommunikation verantwortlich. Oft unbewusst und unreflektiert. Dies bewusst zu machen, bedeutet ein anderes Spiel zu starten (Es ist Kommunikation geworden und Teil des Systems. Natürlich fragt sich dann, wie lange, etc.?).
Das ist der zentrale Ansatzpunkt. Wie steht es um die Kommunikationsqualität und in welche Richtung soll es gehen?

Keine leichte Frage und keine einfache Sicht, da jeder (eigen)verantwortlich antwortet und damit mit gestaltet. Doch systematisch machbar.

Viele Grüße,

Christoph Schlachte