Ein Bericht über die Situation in der Finanzmetropole London ist höchst aufschlussreich. Tausende von Bankern haben ihren Job verloren, betroffen davon ist eine Stadt, die nahezu vollständig von Dienstleistungen lebt. Restaurants müssen dicht machen, Chauffeure, Butler und sonstige Bedienstete sitzen auf der Straße. Der Investmentbanker fährt U-Bahn. Grund genug, sich darüber Gedanken zu machen, was eigentlich schief gelaufen ist? Oder darüber, welchen Anteil man selbst an dem Desaster hat?
Nicht wirklich. Diejenigen, die ihren Job nicht verloren haben, fühlen sich sogar bestätigt nach dem Motto: "Wer selbst solch ein Gemetzel überlebt, der ist wirklich gut, ein Star, unantastbar sozusagen. Auch wenn die Prämien geringer ausfallen - ich bin noch im Geschäft, also habe ich alles richtig gemacht. Erwischt hat es alle, die ohnehin nur mitgeschwommen sind, in guten Zeiten Geld zu scheffeln, das kann halt jeder."
Das schmerzt natürlich die anderen, die ohne Job dastehen. Haben sie wenigstens einen Anlass, sich über grundlegende Dinge Gedanken zu machen? Offensichtlich auch nicht. Wer seine Millionen nicht sofort verprasst hat, der sagt sich: "Da habe ich endlich mal Zeit zum Golfspiel oder Segeln, tut mir auch gut. Habe ich mir schließlich verdient durch harte Arbeit all die Jahre, manchmal muss man eben zu seinem Glück gezwungen werden. Ist nicht das schlechteste Leben. Und irgendwann geht es wieder aufwärts, dann werden Experten wie ich gefragt sein..."
Grund zur Selbstkritik? Fehlanzeige...
Rezension zum Thema:
Im Auge des Sturms, Financial Times Deutschland 26.2.2009
Samstag, 9. Mai 2009
Selbstkritik? Fehlanzeige
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
1 Kommentar:
Die Zitate sind alles Rationalisierungen, um das Geschehene nicht an sich herankommen zu lassen. "Rationalisierung" ist ein psychischer Abwehrmechainsmus, den man so definieren kann: Man nennt einen guten Grund statt des richtigen.
Ich sehe bei Menschen, die selbst bei eklatantem Versagen nur die positiven Seiten sehen wollen, vor allem den Versuch, Scham zu vermeiden.
Denn Menschen schämen sich, wenn sie etwas getan haben, was gegen ihr eigenes Wertesystem verstößt.
Das Gute an der Scham ist- wie auch bei der Trauer um einen Verlust - dass sie einmal aufhört. Weil man das Erlebnis oder die Tat mittels dieser schwierigen Gefühle verdaut und verarbeitet.
Vermeidet man dies, bleibt die Schuld in einem drin. Und man muss sie weiter verdrängen, abspalten oder rationalisieren.
Kommentar veröffentlichen