Wie wäre es, wenn es gelänge, Menschen komplett in Zahlen abzubilden? Eine sogenannte Taxonomie all ihrer Fertigkeiten anzulegen, so dass es möglich ist, auf Knopfdruck genau zu berechnen, wie hoch die Rendite ausfallen wird, wenn der Mitarbeiter X statt Y in ein Team berufen wird? Wobei der Rechner der Führungskraft das ideale Team zusammenstellt unter Berücksichtigung aller Kompetenzen und Kosten?
Totaler Blödsinn, dachte ich, als ich den Anfang des Auszuges aus dem Buch "Die Numerati" las, der in der Wirtschaftswoche 11/2009 abgedruckt wurde. Da will ein Mathematiker bei IBM solche Zahlenwerke für 300.000 Mitarbeiter erstellen. Ähnlich utopisch wie die vielzitierten Skill-Datenbanken und die Versuche, unter dem Begriff "Humankapital" Menschen mit Kennzahlen abzubilden.
Je weiter ich las, desto unsicherer wurde ich. Ahnen wir eigentlich, welche elektronischen Spuren jeder von uns ständig hinterlässt? Würde man analysieren, wer wem zu welchen Zeiten e-Mails schickt, wen er in Kopie setzt und wen in "Blind Copy", hätte man eine gute Basis, um formale und informelle Beziehungsnetze abzubilden. Unser elektronischer Kalender verrät, wie viel Zeit wir in Besprechungen sitzen. Unser Handy ermöglicht es, unseren Weg innerhalb und außerhalb des Unternehmens zu verfolgen. Unsere Touren durch das Internet verraten, wofür wir uns interessieren (und womit wir unsere Zeit verbringen). Rufen Sie Internetseiten zu bestimmten Krankheiten auf, weiß Ihr Unternehmen, dass es ein Problem bekommt. Kaufen Sie sich Bücher zu bestimmten Fachgebieten, erkennt es, welche Experten es in seinen Reihen hat.
Wenn man dann noch die Beiträge, die Menschen heutzutage von Kindheit an im Netz hinterlassen, auswerten könnte - was für ein Profil könnten findige Mathematiker und Programmier wohl daraus erstellen?
Der gläserne Kunde
Sie denken, Sie seien davon nicht betroffen? Rechnen Sie lieber damit, dass in Zukunft Kameras und Funksender Ihren Weg durch den Supermarkt aufzeichnen, jedes Produkt, das Sie erwerben, analysieren und und die Händler mehr über Ihre Lebensgewohnheiten erfahren als Ihnen vielleicht selbst bewusst ist. Wundern Sie sich also nicht, wenn Sie demnächst schon am Eingang des Supermarktes begrüßt werden mit dem aktuellen Sonderangebot, das perfekt zu Ihrer gerade gestarteten Diät passt.
Vielleicht kommt er ja doch, der Mensch in Zahlen. Wer glaubt, sich dem entziehen zu können, der dürfte schwer daneben liegen. Ist das ein Grund zur Sorge? Keine Ahnung. Was mir schon Kopfzerbrechen bereitet ist die Tatsache, dass ich keine Chance haben werde herauszufinden, auf welcher Datenbasis das Bild beruhen wird, dass diese mathematischen Modelle hervorbringen. Und dass ich schon gar nicht nachvollziehen können werde, wie die Daten zu einem Gesamtergebnis zusammengefügt werden. Aber wahrscheinlich ist das ja heute schon...
Rezension zum Thema:
Die Numerati, Wirtschaftswoche 11/2009
Montag, 30. März 2009
Der Mensch in Zahlen
Eingestellt von Johannes um 18:48:00
Labels: Internet, Wissenschaft
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1 Kommentar:
Da läuft ein (potenzieller) Kunde - ein Mensch wie Du und ich - durch einen Baumarkt. Vor dem regal mit den Bohrern bleibt er stehen. Daraufhin wird er vom Baumarktmitarbeiter angesprochen: "Kann ich Ihnen helfen - Sie suchen einen bestimmten Bohrer?" ...
Aber: Der Kunde braucht keinen Bohrer, er braucht ein Loch. So augenscheinlich wie vermeintlich richtig die Ansprache des Baumarktmitarbeiters auch war, so lag er doch daneben. Ob er eine passendere Frage gestellt hätte, bei der evident erscheinenden Situation mit dem Kunden, wenn er die "Spuren" des Kunden gekannt hätte? Vermutlich eher nicht.
Was will ich sagen? Genauso wenig, wie es "den Menschen" gibt, diebt es die "Durchschaubarkeit".
Gemeint ist ja hier immer eine Leistung zur (zutreffenden) Prognose zukünftigen Verhaltens, gar Erlebens. Wegen dem "Seelenleben" der Menschen - auch Kunden haben eine Seele - halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass eine Prognose in ALLEN Aspekten zutreffend sein wird.
Der "gläserne Kunde" ist meiner Ansicht nach daher eine Utopie, der wir uns zwar (beliebig) annähren können, mehr jedoch nicht!
Herzliche Grüße aus Köln und Dank an MWOnline für solcherlei "dirskursives" im Blog...
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