Gerecht war es nie, das Senioritätsprinzip, oder? Wer lange genug in einem Unternehmen aushielt, der steigerte sein Einkommen und seinen Status nahezu automatisch, solange er sich nichts Dramatisches zu Schulden kommen ließ. Das war dann für die jüngeren Kollegen mitunter unerträglich: Da saß der Senior im Büro gegenüber, verrichtete die gleiche Arbeit (oder deutlich weniger) und erhielt ein erheblich höheres Gehalt.
Damit soll nun endgültig Schluss sein. Streng nach Leistung will man nun honorieren. Wer weniger leistet, bekommt auch weniger, Alter spielt jetzt keine Rolle mehr. Na endlich, werden viele sagen, denen die Ungerechtigkeit schon lange gegen den Strich ging. Aber geht es nun gerechter zu?
Das System war nur scheinbar ungerecht. In Zeiten, in denen man sich darauf verlassen konnte, bis ans Ende seiner Berufslaufbahn in einem Unternehmen zu verbringen (es sei denn, man wechselte und verbesserte sich dadurch auch entgeltmäßig), glich sich diese vermeintliche Ungerechtigkeit doch irgendwann aus. Viel arbeiten und wenig verdienen in jungen Jahren, weniger arbeiten und viel verdienen im fortgeschrittenen Alter - quasi als Ausgleich, dass man früher in Vorleistung gegangen ist. Da es alle gleichermaßen betraf, war es durchaus gerecht - es sei denn, man schied vorzeitig aus dem Berufsleben aus. Und wenn der jüngere Kollege aufbegehrte, dann konnte der weise Schreibtischnachbar lächeln und sagen: "Mein junger Freund, mir ging es nicht anders, als ich jung war. Irgendwann wirst du auch dahin kommen, wo ich heute stehe!"
Leistung als Maßstab?
Das wird es nicht mehr geben. Leistung soll der einzige Maßstab für das Honorar sein. Gerechter? Nicht für diejenigen, die sich früher für weniger Geld ein Bein ausgerissen haben und nun kürzer treten - sie werden um ihren "Vorschuss" gebracht. Das, worauf sie sich die ganze Zeit verlassen haben, tritt nun nicht mehr ein. "Ihr leistet HEUTE weniger, also bekommt Ihr HEUTE auch weniger!" werden sie zu hören bekommen. Was Ihr früher geleistet habt, zählt nicht mehr. Verwundert es, wenn ihre Motivation gegen Null geht?
Gerecht wäre es, den (psychologischen) Vertrag zu erfüllen und ihnen den (verspäteten) Lohn auszuzahlen. Will man das System nun umstellen, was ja durchaus seine Berechtigung hat, müsste man parallel dazu die jüngeren nach ihrer Leistung bezahlen. Das aber würde teuer werden und ist schon deshalb kaum realistisch. "Pech gehabt" ist alles, was man den "Senioren" sagen wird...
Es sei denn, sie werden auf einmal dringender denn je benötigt. Über einen Satz musste ich besonders schmunzeln. Er stammt von einem Geschäftsführer, der ausdrücklich Ingenieure im Alter jenseits der 55 sucht. "Sollen die Jungen doch ihre Fehler an den Maschinen der Konkurrenz machen!" Jau...
Rezensionen zum Thema:
Abschied vom Senioritätsprinzip, Personalführung 10/2008
Der König und sein Prinz, Financial Times Deutschland, enable 10/2008
Dienstag, 25. November 2008
Das Senioritätsprinzip
Eingestellt von Johannes um 20:42:00
Labels: Entlohnung, Karriere, Motivation
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