Dienstag, 11. Mai 2010

Messen wir Führungskräften zu viel Bedeutung zu?

Da ist ja schon etwas dran: Jeder strebt nach einer Führungsposition, und die Personaler und Personalentwickler tragen ihren Teil dazu bei, dass alle den "Leadern" huldigen. Sie stecken die potenziellen Führungskräfte in aufwändige Nachwuchsprogramme und geben ihnen das Gefühl, zu den "Auserwählten" zu gehören.

Zwei Szenen, an die ich mich gut erinnern kann. Ich sitze einem hochrangigen Positionsinhaber gegenüber, der mich zu einem Termin bestellt hat. Das Telefon klingelt. Am anderen Ende ist offensichtlich eine der potenziellen Nachwuchsführungskräfte, die meinen Gesprächspartner, nennen wir ihn Dr. K., als Mentor hat. Mal abgesehen von der Unverschämtheit, in meiner Anwesenheit ein ausführliches Telefonat zu führen, ist das Erlebnis eines der besonderen Art. Nach mehreren weisen Ratschlägen, die Dr. K. für seinen Schützling parat hat, fällt folgender Satz: "Mein lieber X, eines noch. Ich beobachte immer wieder, dass junge Leute dazu neigen, die Angestellten zu duzen und mit dem Vornamen anzureden. Ich kann Ihnen nur dringend davon abraten. Eines Tages werden Sie deren Vorgesetzter sein, und dann wird es für Sie sehr schwer, die notwendige Distanz aufzubauen. Denken Sie immer daran, es gibt nun einmal Häuptlinge und Indianer, und Sie haben sich für die Rolle des Häuptlings entschieden!"

Zweite Szene, ein Auswahl-Assessment-Center. Die Beobachter haben eine Reihe junger Absolventen beobachtet und begutachtet und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass für die offenen Positionen in der Forschung drei von ihnen durchaus in Frage kommen. Da meldet sich der externe Berater, ein anerkannter Fachmann auf dem Gebiet der Potentialdiagnostik, zu Wort: "Meine Herren, wenn Sie meine Meinung hören wollen: Auf dem Markt gibt es weitaus geeignetere Kandidaten als diese hier. Denken Sie bitte daran, dass Sie nicht nur Forscher benötigen, sondern auch Bewerber, die das Zeug zu einem Manager haben. Dieses Potenzial hat keiner der hier aufgetretenen Bewerber." Die Beobachter sind etwas eingeschüchtert, bis sich einer von ihnen erhebt und sagt: "Das mag ja sein, Herr Z. Aber wenn wir bei der Auswahl nur noch Manager suchen, dann können wir unsere Forschung dicht machen. Was wir brauchen, sind Wissenschaftler und echte Fachleute, und diese drei haben dazu alle Voraussetzungen!"

Gerade noch mal gut gegangen....

Rezension zum Thema:
Let’s Hear It for the Little Guys, Fast Company 4/2010

2 Kommentare:

S. Hofer hat gesagt…

Als (ehemalige) Leiterin der Fk-Entwicklung eines großen Mittelständlers meine ich: ja, durchaus.
Gründe:
der Hype um "Talentmanagement", es wird zu stark nach "Führungskriterien" selektiert, nicht ALLE Mitarbeiter unter dem Fokus Potenzial und eigenem Entwicklungswillen betrachtet; Fachkarrieren existieren oft nur auf dem Papier und demotivieren gerade die guten Fachkräfte, die man eigentlich fördern will; der Status der Fachkraft ist nicht sonderlich attraktiv, u.a. weil der Anteil der nicht-technischen Verwaltungsaufgaben kontinuierlich wächst.
Aber ich denke, die demograf. Entwicklung wird ihr übriges tun: schon jetzt fehlen (techn.)Fachspezialisten (keine Führungskräfte) und es gehen zunehmend weniger passende Bewerbungen für Azubistellen (z.B. Mechatroniker) ein. Das wird das Thema relativieren.

Johannes hat gesagt…

Na, dann hoffen wir mal auf den demografischen Wandel. Schön wäre es aber auch, wenn es irgendwann einmal gelänge, die den Status der Führungskraft bzw. des Managers zu relativieren. Ein frommer Wunsch, fürchte ich.